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106. Weisheiten über Weisheiten

Habt eine wunderschöne Woche! Ich bin da, falls ihr wen braucht!
(Bin ich stolz darauf, das hier an einem Montag hochzuladen? Ja)
Achtung, Dialoge, meine Nichtkönigsdisziplin
I close my eyes and see a crowd of a thousand tears

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Pov Harry

Bei manchen Menschen braucht es nur einen einzigen Blick und man fühlt sich wohl.
Die Gedanken rasen nicht mehr, Gefühle ebben zu sanften Wellen ab, der Körper verliert jede Spannung. Alles erscheint weniger beängstigend oder schwarz, der Schleier der Rastlosigkeit verzieht sich langsam und die Welt wirkt hell.

So ein Mensch war Maya.

Gut, es hatte mehr als nur einen Blick benötigt, um mir meine Unsicherheit zu rauben, aber das hatte hauptsächlich an Franzis Dad und den ganzen neuen Eindrücken in dieser neuen Welt gelegen, nicht an ihr.

Franzis Oma war ein Mensch, der innerhalb einer Sekunde mithilfe winziger Gesten oder Gesichtsausdrücken ungefähr zehn verschiedene Dinge vermitteln und ausstrahlen konnte, ohne, dass es das Gegenüber verwirrte. Und immer schwang dabei ihre Ruhe mit. Diese tief in ihrem Wesen verankerte Ruhe, die mich dazu brachte, weiter zu atmen, ohne überhaupt daran zu denken. Ihre Anwesenheit bedeutete Frieden. Ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass irgendwer auf dieser Erde sie nicht mögen könnte. Auch, wenn Maya jemand ganz Besonderes war, den nicht jeder verstehen konnte.

Ich grinste. Maya. Eine lebensfrohe Dame in den Siebzigern raubte mir meine Gedanken. Und ich war ihr dankbar deswegen.

,,Was gibt's da zu lächeln, Harrylein, hm? Das sind ernste Probleme, die ich dir hier anvertraue!", kicherte eben diese Dame und stieß mich dachte mit dem Ellbogen an, bevor sie mir ein weiteres mit glitzernden Wasserperlen besprenkeltes Glas in die Hände drückte. Ich packte das raue Handtuch und begann, die Perlen fortzuwischen. Schade um sie.

,,Nichts nichts. Entschuldige, ich hatte nicht zugehört...was bedrückt dich denn so sehr?", entgegnete ich bemüht ernst, ohne auch nur eine Sekunde über meine Worte oder eine angemessene Reaktion nachzudenken. Ich sprach aus, was ich dachte, ich fühlte mich wohl.

Allerdings erntete ich dafür nur einen weiteren sanften Stoß. Anscheinend war ich nicht ernst genug gewesen.
Der australische Akzent machte es mir aber auch nicht leicht. Wie ich wohl in ihren Ohren klingen musste? Franzi hatte immer nur von Tee gesprochen, als sie bei uns angekommen war. Klang ich wie Tee? Aber wie klang Tee eigentlich? Vielleicht wie ein kleiner Wasserfall, eine heiße Quelle oder wie Blätterrauschen.

Ja, sicher. Tee, Harry.

,,Ich hab dir von der unfreundlichen Verkäuferin im Supermarkt erzählt, die mich eine senile Rentnerin in den Achtzigern genannt hat! Ich meine, soll sie mich doch alt nennen, kein Problem. Das bin ich ja auch, nicht? Wegen der paar Jahre muss ich mich nicht runterziehen lassen. Und dass die mich senil genannt hat, kann ich runterschlucken. Ich weiß ja, dass ich es nicht bin. Schlüssel verlegen tut jeder mal." Maya holte tief Luft und ich stellte das Glas neben die Spüle, bevor ich nach dem nächsten triefenden Geschirrstück griff. Das Grinsen verschwand leider nicht von meinen Lippen. Dafür aber jede nervöse Zurückhaltungen, die noch verblieben war.

,,Aber dass diese arme junge Dame dachte, ich wäre Rentnerin...das hat mich auf die Palme gebracht, Harry, das glaubst du nicht!"

,,Ich kann es mir vorstellen." Meine Stimme verriet zumindest nicht, dass ich eigentlich lachen wollte.

Gut, vielleicht war Maya doch nicht diese Person, die überall Ruhe verstrahlte. Zumindest aktuell nicht. Grade erinnerte sie mich mit ihren Worten nämlich mehr an Franzi, als es ihr roter Haarknoten, der wie durch ein Wunder immer noch durch ein Gummibändchen zusammengehalten wurde, auch wenn ich bei jeder von Mayas Bewegungen fürchtete, die Strähnen würden sich doch dazu entscheiden, ihre Freiheit zu beanspruchen, tat. Ich könnte es den Strähnen nicht verübeln, wenn sie fliehen wollten, meine Locken taten das zu jedem Zeitpunkt des Tages. Wenn ich da mit einem Haarband ankäme, würden sie vor Schreck bestimmt einfach so ausfallen.

,,Ich bin eben keine Rentnerin! Ich schmeiße einen ganzen Hof! Gut, mit George zusammen, aber ich faulenze hier ganz bestimmt nicht.", empörte sich Franzis Oma mit roten Wagen und pfefferte einen Haufen Gabeln in die mit Wasser gefüllte Spüle, sodass es spritze. Die neuen dunklen Wasserflecken auf meinem Shirt interessierten mich ebensowenig wie die auf Mayas Bluse sie selbst störten.

,,Würdest du denn gerne ein wenig mehr Freizeit haben?", fragte ich vorsichtig und angelte eine der Gabeln aus dem Spülwasser.

,,Freizeit?" Maya zog belustigt die Augenbrauen zusammen.

,,Harry, das hier ist alles, was ich brauche. Ich habe meine Freizeit während ich den Pferden zusehe, wie sie morgens aus den Boxen kommen und die Sonne begrüßen. Ich habe Freizeit, wenn ich die Wäsche im Garten aufhänge und das Meer in der Ferne glitzern sehe. Und ja, auch die Dinge wie das Reparieren einer der Stalltüren bedeutet Freizeit. Weil Freizeit eine Zeit ist, in der du tun sollst, was du liebst. Und ich liebe mein Leben hier."

Mayas Lächeln war sanfter als ihre belustigt glitzernden Augen und ich nahm mir eine Sekunde, um über ihre Worte nachzudenken. Das ergab Sinn. Aber nur solange, wie sie die Arbeit nicht überforderte. Sie hatte sich Glück verdient, aber auch Ruhe. Ich lächelte zurück. Australien war eine schöne Heimat.

,,Was tust du in deiner Freizeit?"

Ich musste erneut nachdenken, bevor ich antwortete. Aus Reflex hätte ich sofort vom Haushalt bei uns gesprochen, vom Joggen oder vom Arbeiten in der Bar, weil das für mich bisher Freizeit gewesen war. Zeit, um Dinge zu tun, die ich neben der Schule tat. Aber wenn ich Freizeit neu definierte...

,,Ich glaube, ich lese gerne. Und ich koche, und ich schaue gerne Filme mit meinen Mitbewohnern. Ich bin gerne Zuhause. Und ich tanze gerne!", erklärte ich und eine kleine Welle Glück überschwappte mich, als ich an Louis und mich beim Probetraining dachte. Er hatte sich alle Mühe gegeben. Auch wenn diese ganze Sache schlecht ausgegangen war, sie war eigentlich irgendwo der Auslöser dafür, dass ich heute hier an einer Spüle neben einer freundlichen Australierin stand und die Wärme des fremden Kontinents spürte.

,,Na das klingt doch mal nach schönen Ideen! Nichts ist besser als das Kochen und gegen Lesen hab ich sowieso nichts einzuwenden.", sagte Maya lächelnd und zwinkerte mir fröhlich zu, bevor ihr Gesichtsausdruck ein wenig an Ernsthaftigkeit gewann.

,,Du musst darauf achten, dir für diese Dinge Zeit zu nehmen, Harry. Solche Leidenschaften reinigen das Herz, die Seele und den Geist von negativem Ballast, den du sonst nicht mehr loswirst. Du brauchst immer ein Gegengewicht zu allem Unschönen, was zu deinen Pflichten gehört."

Ich nickte gedankenlos. Aber ich wusste, dass das einfacher gesagt als getan war. Sich Zeit für Dinge zu nehmen, die nur mir persönlich ein gutes Gefühl und nicht mal einen Nutzen einbrachten, war in meinem Zeitplan meistens unmöglich. Und schwer. Manche Dinge waren wichtiger als andere und man musste im Leben auch mal zurückstecken.

,,Weißt du - " , setzte Maya zum nächsten Satz an, der eine weitere Lebensweisheit oder auch ein flapsiger Kommentar über irgendeinen Nachbarn werden könnte, aber das heftige Knallen einer lauten Tür schnitt ihr das Wort ab. Synchron zuckten wir zusammen.

,,Wenn die da oben das Haus auseinandernehmen, kommt mein verstorbener Mann aus dem Grab zurück und dreht ihnen höchstpersönlich den Hals um!", prophezeite Maya mit mehr Sorge als Wut in der Stimme und ich schloss mich ihr an. Nicht der Prophezeiung mit dem toten Mann, nein, sondern ihrer Sorge. Das war das zweite Knallen in kurzer Zeit und wir wussten beide, dass Franzi sich ihren Dad für ein Gespräch gekrallt hatte.

Ich wünschte mir nichts mehr, als das es alles gut ausging. Ich wusste, wie es sich anfühlte, im Konflikt mit seinen Eltern zu stehen. Oder gar keinen Kontakt zu ihnen zu haben. Franzi sollte nach dem Tod ihrer Mom doch zumindest einen Vater haben, der sie unterstützte.

Für eine kleine Ewigkeit lauschten Maya und ich dem Klicken der Uhr an der Wand neben dem Küchentisch. Unsere Gedanken waren zweifelsfrei bei Franzi.

Für den Moment war es still, aber nur Sekunden später trampelte jemand so laut die Treppe hinunter, dass ich wirklich für eine Sekunde Angst vor Franzis totem Opa bekam. Hinter jedem Schritt steckte so eine Wucht, dass der Besitzer der Füße einen ordentlichen Gefühlsausbruch erleben musste. Und ich befürchtete, dass dieser Besitzer niemand Geringeres als Franzi selbst war.

Meine Befürchtung bewahrheitete sich nur ein paar Augenblicke später, als meine beste Freundin wie ein tosender Sturm aus rotem Haar und mitreißenden Emotionen an der offenen Küchentür vorbei stürmte, nur um die Haustür aufzureißen und über den Hof davon zu stürmen. Ich schluckte. Meine Wünsche schienen wirklich nur selten in Erfüllung zu gehen.

,,Ich werde mal nach ihr sehen.", verkündete Maya äußerst besorgt und schmiss das Spültuch ins heiße Wasser. Ich zögerte einen Moment, in dem ich mich fragte, wo eigentlich meine Angst geblieben war, dann griff ich vorsichtig nach ihrem Arm.

,,Überlass das mir, ja? Ich...ich würde gerne mit ihr sprechen."

Maya wirkte kaum überrascht, aber ein wenig unsicher. Sie war Franzis Großmutter, die, die einer Mutter am Nächsten kam. Sie wollte für ihre Enkelin da sein und sie wollte ihr alles Schmerzhafte ersparen. Natürlich wollte sie selbst dafür sorgen, dass es Franzi möglichst bald wieder gut ging.

In den Augen der älteren Dame - in den Siebzigern - tanzten die Gefühle durcheinander, Wärme breitete sich darin aus und schlug die Sorge. Maya griff nach meiner Hand und drückte sie sachte, bevor sie mit einem leichten Lächeln im Gesicht nickte.

,,In Ordnung, Harry. Das ist eine gute Idee."

Ich lächelte zurück.
Warum genau hatte ich mich nochmal freiwillig gemeldet? Ich hatte ja doch keine Ahnung, wie ich Franzi helfen sollte. Vielleicht wäre Maya doch besser für sie gewesen...

,,Sie wird im Stall sein. Ich schaff das hier alleine, geh nur. Du bist ihr bester Freund, du wirst sie besser nachvollziehen können als ich. Keine Sorge, Herzchen.", beruhigte mich eben Diese als hätte sie meine Gedanken gelesen. Ich korrigierte mich von vorhin. Sie war doch jemand, der die Ruhe ausstrahlte, egal, was passierte.

,,Danke.", atmete ich aus und wandte mich auf den Fersen um, weil sie recht hatte.

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Im Stall roch es himmlisch.

Ich war noch nie in der Nähe von richtigen Pferden gewesen und auch ein solcher Ort voller Stroh, Haare und Fliegen war mir unbekannt, aber ich konnte sofort verstehen, wieso er viele Menschen verzaubern konnte.

Es war nicht so, als das all der Staub, der Mist und die Tiere gut riechen würden, aber unter diesem eher unangenehmen Gerüchen lagen noch Weitere. Der von durchgerittenem Leder, der von all den Körpern ausgehenden Wärme, der von Stunden voller geteilter Leidenschaft.

Pferde waren von Natur aus sensible Gefühls-Leser. Sie hatten eine sehr feine Wahrnehmung für Emotionen und Stimmungen und bemerkten jede Anspannung, Aufregung oder Veränderung im Atemrhythmus sofort. Der Herzschlag des Reiters war etwas, was sie nutzen konnten, sie lasen Gefühle als Informationen und bewerteten sie niemals. Pferde spürten auch unterdrückte Gefühle und machten sie durch ihr Verhalten sichtbar. Sie waren Spiegel.

Pferde waren empfindlich, das wusste ich. Und das machte sie nahbar. So groß und unheimlich sie auf den ersten Blick auch wirken mochten, die Augen, die ich auf mir spürte, als das Stalltor hinter mir die gleißenden Sonnenstrahlen nach Draußen verbannte, versprachen das Gegenteil.

Ich blinzelte.

Im abgedunkelten Gebäude aus Stein und Ziegeln konnte ich erkennen, dass so gut wie alle Boxen leer standen. Ihre Bewohner vergnügten sich mit Sicherheit auf den riesigen Koppeln des Hofes, das Wetter lockte zu nichts Anderem.
Eine Box allerdings beherbergte selbst zur Mittagszeit ein dunkel glänzendes Pferd mit knorrigen, langen Beinen und einer von Knoten freien Mähne. Die hellbraunen Augen des Pferdes sendeten Wärmeschauer über meinen Rücken und luden mich sanft dazu ein, näherzutreten.

,,Das ist Khya."

Franzis Stimme war leise, der verträumten Atmosphäre angepasst und so fliegend, dass ich nach diesen wenigen Worten nicht ausmachen konnte, wo sie sich befand. Ich blinzelte erneut und wich dem Blick der Stute aus, um nach einem roten Haarschopf Ausschau zu halten.

Franzi saß beinah malerisch auf einem Heuballen gegenüber der belegten Box und rupfte einzelne Strohhalme aus dem Bündel heraus, nur um sie dann auf den Boden zu schmettern. Ihre Wangen waren gerötet und glitzerten vor Feuchtigkeit. Mein Herz stockte, als das Mitleid mich überfiel.

,,Hey."

,,Hey."

Ich fragte mich, ob es okay war, dass ich hier stand. Das hier war ihr Ort, ihr eigener Safeplace, sie war fortgegangen, um hier Ruhe zu finden. Vielleicht wollte sie allein sein. Aber ich wollte sie nicht alleine lassen.

Zumindest fast entschlossen trat ich näher und setzte mich neben meine beste Freundin auf den Heuballen. Die Halme stachen in meine Hose und Haut, aber Franzi schien das nicht zu stören, also störte es mich auch nicht. Ich streckte vorsichtig die Hand aus, um sie sachte zu berühren. Sie lächelte tapfer unter den Tränen. Was auch sonst.

,,Ich bedeute Trauer für meinen Vater."

Ich zuckte bei der Gleichgültigkeit in ihrer Stimme zusammen. Die Bedeutung des Satzes schlug danach ein.
Sicher musste George bei Franzis Anblick an seine verstorbene Frau denken. Und weil Franzi ihrem Dad kaum ähnlich sah, musste sie deren Ebenbild sein. Aber...das bedeutete nicht, das ihr Dad nur Trauer in ihr sah, nicht?

,,Ich stehe ihm im Weg. Ich wusste es.", lautete die nächste gleichgültige Aussage, die nicht weniger traurig machte. Franzi warf einen weiteren Halm zu Boden. Ich schluckte und zog sie in eine feste Umarmung.

Umarmungen waren eine schwierige Angelegenheit. Umarmungen bedeuteten Nähe und Vertrauen, Wärme, Trost, aber auch den Verlust des persönlichen Raumes. Nicht jeder fand darin seinen Halt, nicht jeder konnte es ertragen, von jemand anderem festgehalten zu werden. Aber den meisten Menschen tat diese Art der offenen, aufrichtigen Zuneigung einfach nur gut. Franzi gehörte dazu.

Meine beste Freundin klammerte sich dankbar an meine Oberarme, ihre Finger gruben sich durch den Stoff in meine Haut und sie versteckte das Gesicht schluchzend an meinem Hals. Mir wurde übel, als ich sie so am Boden zerstört schluchzen hörte, es tat mir weh, als ging es hier um mich. Dabei wollte ich ihr Anker sein.

,,Lass es raus, ich bin hier.", flüsterte ich mit meiner leider ziemlich zittrigen Stimme und verstärkte meinen Griff um die Rothaarige, um ihr die Sicherheit zu geben, die sie sich wünschte. Fast synchron zogen wir die Nase hoch. Ich ärgerte mich über mich selbst.

Die nächsten Minuten wurden durch Schluchzer, nasse Tränen auf meinem Shirt und gemurmelte Ermutigungen gefüllt. Khyas warme Augen und ihr leises Schnaufen beim Ausatmen wirkten beruhigender auf Franzi als meine sanften Bemühungen für sie da zu sein, aber das war okay. Für den Moment war alles okay, was dem Mädchen in meinen Armen guttat. Franzi konnte ihren Schmerz teilen und loslassen, ich konnte an ihrer Seite sein und die Welt stand still. Alles wirkte verschwommen.

,,Ich wünsche mir einfach meine Familie zurück, das ist alles.", wisperte Franzi ein wenig ruhiger und ohne in einem weiteren Weinkrampf zu ertrinken, aber die scharfe, kristallklare Trauer in ihrer Stimme schmerzte mich mehr als jede weitere Träne. Ich drückte sie näher an meine Brust und schloss für eine Sekunde die Augen, um mich zu sammeln.

,,Ich weiß, dass das nicht mehr geht, aber...wieso war ich ihm nicht genug?", schniefte Franzi mit belegter Stimme und ich schüttelte instinktiv den Kopf. Nein.

,,Es geht hier nicht um dich, Franzi."
Meine beste Freundin blinzelte zu mir auf und ich blickte in ihre fragenden Augen. Hm. Nicht gut formuliert, was.

,,Nein, warte. Ich meinte, dass du nicht schuld bist, dass dein Dad sich für einen neuen Anfang entschieden hat, sondern er selbst. Er hat gewählt, er hat gehandelt und du trägst die Konsequenzen. Aber...du hast keine Schuld. Also liegt nichts hiervon an dir, es geht nicht darum, ob du genug bist oder nicht."

Ich verschluckte mich fast an meiner zittrigen Stimme und dachte weniger über meine Worte nach als dass ich sie fühlte. Franzi war ein Mensch, ein Lebewesen, eine absolut unglaubliche Existenz, man konnte bei ihr nicht über einen Wert sprechen. Und hierbei ging es nicht um diesen Wert, den es nicht gab. Sondern um ihren Dad, der entschieden hatte, dass es keine Möglichkeit für ihn gab, sein neues Glück mit dem Alten zu verknüpfen. Das hatte nichts mit irgendetwas was Franzi beeinflussen konnte zu tun. Sie trug keine Schuld. Sie sollte nicht einmal so denken.

Ich atmete betont langsam aus, um mich selbst davon abzuhalten, ihr das weiter zu erklären. Das wusste sie.

,,Du hast uns ja doch zugehört."

Ich blinzelte. Ja, hatte ich wohl. Aber die Parallele wollte ich nicht ziehen, darum ging es hier nicht. Außerdem musste ich dann an die ungelesenen Nachrichten auf meinem Handy denken und das wollte ich nicht. Ich tröstete Franzi, nicht Franzi mich. Warum auch immer der Kloß dann in meinem Hals anschwoll und meine Stimme weitaus schwächer klang als ihre.

Ich nickte also nur und strich Franzi eine Strähne aus den Augen, was sie mit einem sanften Blick verfolgte. Sie schniefte nicht mehr. Vermutlich lag das nicht an meinen Worten, sondern an der Zeit, die jetzt schon damit begann, ihre Wunden zu säubern und akribisch zu Narben zusammen zu flicken, die sie nie wieder übersehen würde, aber Franzi heilte. Das zählte.
Das wiederum wusste ich.

,,Ich...ich kann ihm einfach nicht verzeihen. Er hat mir so sehr wehgetan. Auch, wenn ich seine Gründe tief in mir verstehen kann, ich fühle mich so verlassen...ich kann ihm das nicht vergeben. Nicht jetzt und nicht bald. Macht mich das zu einem schlechten Menschen?", flüsterte Franzi und spähte hinüber zu der aufmerksamen Stute uns gegenüber. Ich schüttelte wieder den Kopf.

,,Nein." Ich zögerte, dann gab ich mir einen Ruck.

,,Ich habe keinen Kontakt zu meinen Eltern, das weißt du ja. Und ich bin mit sechzehn ausgezogen. Ich werde ihnen auch niemals vergeben können, dass mich behandelt haben als existiere ich nicht oder nur, um ihnen Schande zu bereiten und das ist okay. Ich...ich hab durch Jay und durch Karen, Maura und Trisha gelernt, wie Mütter ihren Kindern begegnen. Und du weißt, wie dein Vater dich hätte behandeln müssen. Und dadurch lernt man, dass das alles nicht okay war. Und weil es das nicht war und weil man verletzt ist und ein Kind und weil man so viel verloren hat, ist es in Ordnung, nicht vergeben zu können. Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen und es macht dich nicht zum schlechten, sondern zum Menschen selbst."

Ich schluckte. Viele Worte für einen stillen Ort. Und ich wusste nicht, ob es Franzi überhaupt half, in meinen Erinnerungen zu schwelgen, aber sie lächelte schwach und ich spürte, wie sie mit ihrer rechten Hand meinen Arm streichelte. Ich atmete aus.

,,Danke, Harry."

,,Wofür?"

,,Dafür, dass du gelernt hast. Dafür, dass du mich daran erinnert hast, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen kann, dafür, dass du mich hälst, da bist. Dafür, dass du mir einen Teil meiner Last genommen hast."

Ich drückte sie abermals an mich und verkniff mir ein Schniefen. Ich fühlte mich nicht so, als wäre ich eine Hilfe gewesen, aber sie klang ruhig, besser. Woran das nun lag interessierte mich sowieso nicht. Es ging ihr besser, das zählte. Und ich wünschte, dass sie heilte, ohne große Narben auf ihrem Herzen wiederfinden zu müssen.

,,Ich wünschte, ich könnte dir mehr von der Last nehmen." Wenigstens klang auch ich deutlich gefasster als zuvor.

,,Das solltest du nicht. Ich...ich muss alles verarbeiten, was er zu mir gesagt hat, aber zumindest muss ich mich dabei nicht selbst verurteilen, daran hast du mich erinnert, bevor ich es vergessen konnte. Und wir wissen beide, dass das Gewicht auf meinen Schultern dann mit der Zeit schrumpfen wird." Franzi lächelte. Ehrlich.

Die Zeit. Eine Macht, die man nicht unterschätzen sollte. Sie heilte Wunden, sie riss sie wieder auf, die brach Herzen, sie führte sie zusammen. Die Zeit. Sie war mir schon immer unheimlich gewesen, so wie ihr bester Freund, die Veränderung.

,,Du kannst mich wieder loslassen, Hazza, ja?", verlangte Franzi sanft und erschrocken löste ich mich von ihr, was sie mit einem Grinsen quittierte. Die Trauer und der Schmerz in ihren Augen verschwand nicht, aber sie weinte nicht mehr. Sie war wieder auf die Beine gekommen, laufen würde sie auch wieder.

,,Nicht so schreckhaft, ich liebe Umarmungen, aber für unsere nächste Tätigkeit brauchen wir unsere ganzen Körper!", zwitscherte sie fast unschuldig und sprang auf die Füße, um sich das Wasser aus dem Gesicht zu wischen. Dann zwang meine beste Freundin mich zum Aufstehen und wuschelte mir so energisch durch die Locken, dass Mayas festgezurrten Haare neidisch aufseufzen würden, hätten sie Münder. Oder Augen, oder Gehirne.

,,Wir machen jetzt einen Ausritt, endlich!"

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So weit so gut, wir leben noch.
Wie geht es euch? <3

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