
Kapitel 32
PoV Eren
„Isa geh bitte in dein Zimmer.", murmelte ich leise und die 8-Jährige verschwand sofort in Levis Gästezimmer. Wir waren nicht mal richtig zur Tür reingekommen, da hatte ich sie schon weggeschickt. Woher kannte mein Vater Levi? Und wieso war er so gegen ihn? Wieso hatte er ihn nur am Namen erkannt? Wer war Kenny? War das Levis Onkel, von dem er mir erzählt hatte?
„Dir brennen hunderte Fragen auf der Zunge. Also los, raus damit.", murrte Levi hinter mir und ich schluckte leicht. Wo sollte ich anfangen? Wusste Levi, wer mein Vater war, bevor er mich kannte? Immerhin schien Grisha Levis Familie zu kennen. Und scheinbar auch sehr gut.
Grisha mochte viele Menschen nicht – mich eingeschlossen – aber er bezeichnete nicht einfach irgendwelche Leute als ein Stück Scheiße. Levis Familie musste etwas wirklich Einprägendes gemacht haben, damit er ihn so nannte.
Hatte Levi selber etwas damit zu tun? Hatte er wirklich Dreck am Stecken? Oder überreagierte ich nur? Was wenn, er noch mehr Geheimnisse vor mir hatte? Was wenn all das hier nur ein Spiel für ein war, ein weiteres Geheimnis, das er vor jemand anderem hatte? Nein, das konnte – wollte – ich mir nicht vorstellen.
„Eren?", brummte er und legte seine Hand auf meine Schulter, drehte mich zu sich um und ließ seine Hand an meine Wange gleiten. „Ich verberge nichts vor dir, du kannst mich wirklich fragen."
Und so sprudelten meine Fragen aus mir heraus. Woher kannte Grisha seine Familie? Was hatte er gegen sie? Und so weiter.
Und Levi beantwortete sie alle. Ohne auch nur zu zögern.
„Wahrscheinlich kennen Grisha und Kenny sich von irgendwelchen Saufgelagern oder so.", fing er an und seufzte leise. „Ich war selber noch ein Kind, Eren. Ich weiß es nicht genau. Aber irgendwann haben sie fürchterlich angefangen zu streiten. Wegen deiner Mutter. Und jedes Mal, wenn sie sich gesehen haben, ging einer von ihnen auf den anderen los."
„Du kanntest meine Mutter?", fassungslos sah ich den Schwarzhaarigen an. Hatte er nie darüber nachgedacht mir das zu erzählen? „Nein, nicht direkt. Ich wusste, dass Grisha eine Frau hat. Und ich wusste, dass mein Onkel sie nicht gerade unsympathisch fand."
Meine Mutter hatte mir mal erzählt, dass sie meinen Vater in einer Bar kennengelernt hat, als er mit einigen Freunden bei ihr bestellt hatte. Vielleicht war Levis Onkel dabei.
„Und das ist alles? Dein Onkel hat mit seiner Frau geflirtet und deswegen dreht er so durch?", murmelte ich ungläubig und hob eine Braue. Levi zuckte hingegen nur mit den Schultern. „Nachdem, was du mir erzählt hast, dreht er öfter durch, wenn es was mit seiner Frau zu tun hat." Ich nickte nur, fühlte mich mit einem Mal elend und schuldig. Als hätte ich einen unverzeihlichen Fehler gemacht, als ich an Levi gezweifelt hatte. Das war nicht fair. Und dieses beklemmende Gefühl erdrückte mich gerade zu. Also auch, wenn ich nun wusste, dass Grisha einfach nur von meiner Mutter besessen war und ist, und es damit nichts mit Levi persönlich zu tun hatte, konnte ich nicht sagen, dass ich beruhigt war.
Es wirkte für mich eher, als würde ich alles verschlimmern. Mit meiner Fragerei, mit meiner Familie, mit meinen Problemen.
Levi könnte ein einfaches, unbeschwertes Leben haben. Das Ghetto hinter sich lassen und ein gutes Leben leben. Stattdessen gab er sich mit mir ab, mit mir und meinem Ziehkind, wollte uns aufnehmen, nur weil er für mich schwärmte. Er sagte, dass er mich wahrscheinlich liebte. Doch ich kannte die Liebe. Sie verging. Immer wieder. Scheidungen, Trennungen, Streit. Die Liebe war nicht für immer. Und ich wollte nicht, dass Levi sich in einigen Monaten oder Jahren bewusst werden würde, was er eigentlich tat. Was dieser Schritt für ihn bedeutete. Was es hieß mich und Isabell in seinem Leben zu haben.
„Eren? Hey, was ist los?", besorgt sah mich der Kleinere an und mit brennenden Augen erwiderte ich seinen Blick. Wann hatte ich zu weinen angefangen?
„Ich bin eine Katastrophe, Levi.", murmelte ich und lachte leise auf. Es klang vermutlich so, wie es sich anfühlte. Traurig, hilflos und falsch. Es gab nichts, worüber ich gerade lachen sollte. „Was meinst du?" – „Du siehst es doch, oder? Was für Probleme ich dir bringe? Was mit mir in diese Beziehung gekommen ist. Du könntest es so viel besser haben. Diesen Scheiß, die Slums, du könntest das alles hinter dir lassen. Mein Gott, du hast es hinter dir gelassen. Und jetzt stehe ich hier und bringe alles, was du dir erkämpfst hast, durcheinander. Es tut mir leid.", schluchzte ich und schmiegte mich an Levi, welcher mich, während meiner Worte, in die Arme geschlossen hat.
So standen wir eine Weile da. Keiner von uns sagte was. Der Flur war nur erfüllt durch mein leises Schluchzen und Levis regelmäßigen Atem.
Ich versaute ihm sein Leben und er ließ es einfach zu. Er gab seine Träume und seinen Kampf einfach auf. Und das nur wegen mir. Nur, weil ich es nicht alleine schaffte, litt er mit mir.
Und das hatte er nicht verdient.
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