Kapitel 30
Eric war gestern noch den ganzen Abend bei mir und hat sich für sein Verhalten entschuldigt. Er meinte er hätte im Einkaufszentrum so komisch reagiert, weil er an den Unterschied zwischen unseren Leben erinnert wurde. Wenn man aus ärmlichen Verhältnissen kommt, denkt man vielleicht, dass durch Geld alle Probleme gelöst werden. Aber das stimmt nicht, einiges wird ermöglicht oder einfacher, doch wirklich wichtige Dinge kann man einfach nicht kaufen.
Am Abend habe ich noch mit Amber und Chloe telefoniert, aber heute wollte ich einfach meine Ruhe haben.
Ich habe mit Berta gefrühstückt und mich ausgiebig mit ihr unterhalten. Zum ersten Mal überhaupt, habe ich ganz offen über meine Gefühle geredet. Zum Großen Teil über meinen Vater, aber auch über Drake. Ich habe ihr von der Ereignissen der letzen Nacht erzählt und sie hat mir aufmerksam zugehört.
💠💠💠
Als ich abends im Bett liege, habe ich ein mulmiges Gefühl im Magen. Der Regen prasselt munter und normalerweise beruhigt mich das Geräusch immer. Nur heute nicht. Unruhig wende ich mich hin und her, einen Moment ist es zu warm, ohne Decke aber zu kalt. Frustriert stöhne ich auf und grummle aufgebracht in mein Kissen.
Mein Handy piept und da ich eh wach bin, kann ich auch drauf gucken.
Guck aus dem Fenster. Oder besser noch, öffne deine Tür.
Ich lese die Nachricht wieder und wieder, dann springe ich auf und als ich die Tür öffne, steht er tatsächlich davor. Drake. Sein Lächeln verblasst sofort, als er meine Wunde. Er stiert die Wunde an und blinzelt ungläubig.
"Berta hat mich rein gelassen." Sein Haar ist nass und er steht da wie ein begossener Pudel.
"Was machst du hier?" Ohne ihn herein zu bitten, gehe ich zurück in mein Schlafzimmer. Er folgt mir. Ich lege mich demonstrativ wieder ins Bett, lehne mich an das Kopfteil und ziehe die Decke über meinen Körper.
"Ich wollte wissen, wie es dir geht." Er bleibt planlos mitten im Raum stehen und ich deute nur auf den Sessel neben meinem Bett.
"Wieso hast du keine SMS geschrieben?" Hake ich weiter nach und beobachte, wie er seine Jacke auszieht. "Du kannst dir ein Handtuch aus dem Bad holen." Er nicht dankbar und lässt sich dann nur mit Boxershorts bekleidet in dem Sessel nieder. Seine Haare sind in den wenigen Minuten wieder fast getrocknet und stehen wirr ab.
"Also?" Frage ich nochmal nach und ziehe eine Augenbraue hoch.
"Ich wollte dich einfach sehen." Seine Stimme ist dunkler und rauer als sonst und entfacht, gegen meinen Willen, ein Prickeln in meinem Nacken.
"Ich musste mich selbst davon überzeugen, dass es dir gut geht." Fügt er zögerlich hinzu und lässt seinen Blick über meinen Körper unter der Decke wandern. Dieser verharrt dann an der Wunde in meinem Gesicht. Angewidert verzieht er seinen bildschönen Mund und seine grünen Augen sind auf einen Schlag viel dunkler.
"Es ist meine Schuld." Ich höre die Reue und die Schuldgefühle und weiß, dass er wirklich davon überzeugt ist.
"Das ist Blödsinn. Du hättest nichts tun können. Es war meine Schuld. Ich war unvorsichtig, ich habe mich in Sicherheit gewiegt. Ich habe nicht aufgepasst."
"Abi. Stopp." Aufgebracht springt er auf, fährt sich mit einer Hand durchs Haar und tigert wild auf und ab. "Sag sowas nicht nochmal." Er bleibt vor mir stehen und schaut mir eindringlich in die Augen. "Versprich es mir. Dich trifft keine Schuld. Ich hätte auf dich aufpassen müssen."
"Nein Drake." Ich schlage die Decke weg und bin mir meinem kurzen Schlafanzug aus Seide, der sich an meinen Körper schmiegt, dabei mehr als bewusst. "Hör mir zu." Ich ziehe ihn zu mir und setze mich auf seinen Schoß. Nun ist es an mir, ihn eindringlich zu betrachten. "Ich bin raus gelaufen, ich habe sie provoziert, ich hätte einfach nur zwei Schritte zurück treten müssen." Ich atme tief durch, weil ich will, dass er die folgenden Wörter auch wirklich versteht. "Du hast mich gerettet. Du hast ihn aufgehalten. Es ist nichts passiert."
Verbittert starrt er mich an. "Das nennst du nichts?" Anklagend deutet er auf meine Wunde und ballt seine Hände zu Fäusten, nur um sie Sekunden später wieder zu lockern. "Du wurdest verletzt. Er hat dich verdammt nochmal geschlagen. Geht das nicht in dein Hirn?"
Ungewollt schleicht sich ein spöttisches Lächeln auf meine Lippen. "Ob das nicht in mein Hirn geht? Du bist Mitglied in einem der gefährlichsten MCs der ganzen USA und du fragst, was bei mir falsch läuft? Ernsthaft, wie zur Hölle bist du da rein geraten?"
Ich erwarte keine ehrliche Antwort, dennoch kommt sie. Versteh einer diesen Kerl. Einen Moment macht er komplett dicht und im nächsten offenbart er dir etwas, von dem du gedacht hättest, er würde es dir niemals anvertrauen. "Meine Mutter."
"Was ist mit deiner Mutter?" Meine Stimme ist wieder ruhiger, ich streiche über seine Wange, will ihm zeigen, dass ich für ihn da bin. Doch sein Blick ist an mir vorbei gerichtet, er ist gedanklich ganz weit weg.
"Sie ist Mitglied und schon immer gewesen. Ich wurde sozusagen hinein geboren. Ich hatte keine Wahl."
"Das ist der letzte Bullshit, den ich je gehört habe. Du flüchtest dich in diese Ausreden und das weißt du? Jeder hat eine Wahl. Immer." Widerspreche ich ihm aufgebracht und beobachte angespannt seine Reaktion.
"Du verstehst das nicht." Sagt er dumpf und betrachtet mich, als sei ich ihm vollkommen fremd.
"Da hast du Recht, ich verstehe dich nicht." Und mit diesen Worten stehe ich auf und deute auf die Tür. Er geht ohne sich um zu drehen. Und nimmt dabei ein kleines Stück meines Herzens mit. Ich habe mir geschworen, mich nie wieder zu verlieben und trotzdem ist es passiert. Verdammte Scheiße.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro