53. Ohnmachtsanfälle! Wie dramatisch O.O
Lustlos rühre ich eine Weile später in meiner Nussmilch. Das Motto in der Küche zeigt sich äußerst simpel: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Natürlich wäre es in der anderen Reihenfolge auch etwas seltsam. Ich meine, hallo? Was essen wir zum Frühstück, ohne ein Frühstück bereitzulegen? Es handelt sich also um einen typischen Fall von topologischer Sortierung.
Nach dem Krafttanken durch Nahrungszufuhr machen wir uns ans Abwaschen und dann an die Vorbereitung für die nächsten Speisen. Zwischen Morgen und Mittag handelt es sich nämlich um eine ziemlich kurze Zeitspanne. Wobei ich das natürlich nicht erwähnen muss. Jede und jeder weiß das.
Ich stütze müde meine Arme am Rand des Herdes ab. Wie müde muss ich eigentlich sein für solche Gedankengänge? Unter normalen Umständen kann ich grundlegende, logische Informationen recht gut von absoluten Nichtigkeiten trennen. Meistens jedenfalls. Heute scheint jedoch ein seltsamer Tag zu werden.
„Geht's?", fragt mich ausgerechnet Ivana. Ich schau sie von der Seite her verwirrt an. Es ist mir neu, dass sie solche Dinge über mich interessieren. Soweit ich das beurteile, kümmert sie meine Gesundheit nicht im Geringsten.
„Ja, passt schon. Vielleicht liegt mein Blutzuckerspiegel einfach ein wenig tief; das ist alles."
Sie nickt langsam, lässt mich weiterhin die Croutons für den Salat braten. Die Stunden vergehen viel zu zäh, womöglich weil kaum jemand spricht. Alle weilen in ihren ganz eigenen Welten. Alle bis auf mich. Ich spüre die Realität viel zu deutlich, gehe bereits vom Anfang einer Grippe oder etwas dieser Art aus.
Glücklicherweise verschwinden die Schwindelgefühle gegen Nachmittag und mein Gleichgewichtssinn meldet sich endlich wieder bei mir. Auf einen dramatischen Ohnmachtsanfall für eine geladene Spannung in die nächste Szene verzichte ich liebend gerne. Ehrlich gesagt bin ich mir nach all den Jahren auf diesem Planeten immer noch nicht sicher, ob die Beschreibung „Alles wird schwarz." für den alleinigen Nervenkitzel oder vielmehr aus mangelnder Kreativität der Autorin oder des Autors herrührt. Vielleicht gestaltet sich ein Wechsel des Ortes auf diese Weise auch einfach am einfachsten. Weil man absolut nichts erklären muss. Stattdessen wacht die Protagonistin dann einfach nach Belieben irgendwo auf. Einfach so. Also, weil's so einfach ist. Einfach. Puh, das Wort summt mir im Kopf herum wie ein riesiges Bienennest. Wie kriege ich es bloß am besten wieder da raus?
Nach der Küchenschicht lege ich mich aufs Ohr. Das hilft tatsächlich ein bisschen, wenn auch mein sowieso schon gestörter Rhythmus ein weiteres Mal durcheinandergerät. Gerade rechtzeitig marschiere ich in Silvano Quispes Büro. Unser Gespräch fällt nicht besonders speziell aus, denn wir unterhalten uns über die typischen Smalltalkthemen wie wo ich herkomme, welche Schule ich besuche, warum diese drei Monate ohne Unterricht sein werde und so weiter. Relativ geschafft, aber erleichtert verlasse ich die Seelensorgerräumlichkeiten. Das schlechte, erdrückende Gefühl verpufft vollständig. Womöglich ist es vom Stress her gekommen. So jedenfalls meine Vermutung.
Auch der nächste Tag zieht sich ungewohnt in die Länge. Nun, da keine Demonstration stattfindet, besuchen uns herzlich wenig Gäste in der Bäckerei. Der plötzliche Schneesturm, der unbarmherzig die ersten mutigen Pflänzchen auslöscht, trägt wahrscheinlich auch seinen Teil zu der gegebenen Situation bei.
Das Schaufenster ist von den unterschiedlichen Temperaturen beider Seiten verwirrt genug für eine milchige, undurchsichtige Frostschicht, die jede Person, die es trotz dem Wetter zu uns schafft, wie eine Überraschung aussehen lässt. Eine Überraschung auf zwei Beinen und in Winterkleidung, wohl bemerkt.
Mit meinen drei Mitarbeiterinnen sind wir durch die anderen, spärlichen Anwesenden jederzeit in der Überzahl. Irgendwann folge ich deshalb Ivana in die hinteren Bereiche des Ladens, wo man das Geschirr abwäscht.
Sie zieht in einer theatralischen Geste ihre Schultern hoch, als sie mich erkennt. „Was willst du?", kommt sie sofort zur Sache.
Die Antwort stolpert viel zu schnell von meiner Zunge in die Freiheit. „Dir helfen. Und ein wenig reden wäre auch nicht schlecht."
„Und worüber? Wenn du mich wegen Jace ausquetschen möchtest, bist du definitiv bei der falschen Adresse." Bei ihrem zickigen Unterton hebe ich die Mundwinkel an. So kenne ich Ivana: abgeneigt, besitzergreifend, dauergenervt.
Ich schüttle entschieden den Kopf. „Jace interessiert mich nicht", antworte ich ehrlich.
In ein paar Tagen wird diese seltsame Beziehung zwischen mir und ihm sowieso nicht mehr existieren. Ich lehne mich mit dieser Aussage also nicht allzu sehr aus dem Fenster. Nebenbei brauche ich diese Klärung zwischen Ivana und mir für meine eigene, verwitterte Psyche. Weil wir uns irgendwie zu zwei Seiten polarisiert haben, ohne dass es mir bis genau in diesem Moment aufgefallen ist. Sollte uns ein Dummkopf wie Jace auseinanderbringen, dann weiß ich genau, für wer von uns zwei sich unsere Freundinnen entscheiden würden. Vermutlich täte ich in ihrer Position das Gleiche.
„Was machst du, wenn du nicht gerade den sauren Stein raushängen lässt?", nutze ich Silvano Quispes Eisbrecher aus unserem aller ersten Gespräch. Außerdem muss ich bei einer der Unterhaltungen zwischen Aisha und der Kleinen eine schweizerdeutsche Ausdrucksweise geklaut haben. Denn die bittersüße Bezeichnung fühlt sich seltsam fremd aus meinem Mund und doch vertraut aus meinen Ohren an.
Des Weiteren findet sich für das Thema Hobbies schnell eine passende Erwiderung. Ich klopfe mir mental auf die Schultern. Gut gemacht, Gianna. Erwachsen von dir, das Kriegsbeil zu begraben. Auch wenn es für jede Lösung eines Streits immer zwei braucht. Und ich von Ivana nichts weiter als Bockigkeit für meinen Versuch abbekommen werde.
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