*~14~*
Ich wusste nicht, wie oft sie jetzt schon an mir herum gewerkelt hatten. Mein Kopf brummte, aber ich kannte es nicht anders. Dauernd ertappte ich mich bei Unaufmerksamkeit. Ich war mir sicher, sie verabreichten mir irgendwelche Mittelchen, Drogen. Eigentlich wusste ich nun gar nicht mehr, was ich hier überhaupt machte. Ich wusste, da war irgendwas, irgendwas wichtiges, aber ich wusste einfach nicht mehr was. Aber was ich noch wusste war, dass ich die von allen bewunderte Prinzessin war, wenn man es so nennen wollte. Ich wusste auch, dass ich meinen Vater unsterblich vermisste und auch Odette, sie war mein Kindermädchen. Bald war das vorbei, hatte man mir gesagt, bald musste ich sie nicht mehr vermissen, denn sie würden mich besuchen kommen. Ich freute mich schon ganz doll, denn mein Vater war mein Held. Er hatte unser Land gerettet und uns Kindern eine sichere Zukunft gesichert, auch die Umwelt war viel stabiler seit ihm. Es machte mir auch nichts aus, die Aufgaben zu bestreiten, denn es war eine Ehre für mich. Auch auf meine Freundin Niff, die ich nur durch die Aufgaben kennengelernt hatte, freute ich mich schon.
Ich schaute mich im ganzen Raum um, ich könnte schwören, dass die Wand eben noch weiß war. Jetzt war sie zwar immer noch weiß, aber von vielen Rissen durchzogen. Alles zersplitterte. Scherben regneten auf mich ein. Doch die Schnitte auf meiner Haut machten mir nichts aus. Ich sah mich um, eine weite Geröllwüste erstreckte sich um mich herum. Ich kannte diesen Ort. Mir war eine ganz besondere Vorbereitung auf die Aufgaben zugewiesen worden und einer der Orte, an denen ich vorberietet worden war. War genau hier. Ich konnte weit hinten den Berg erkennen. Ich musste lächeln. Aber wieso? Dazu gab es keinen Anlass. Ich tat es trotzdem. Plötzlich fing es an zu regnen, doch es regnete kein Wasser, sondern Steine, große und kleine. Neben mir traf ein riesiger Felsbrocken auf die Erde und bildete einen riesigen Krater. Steine flogen um mich herum. Sie trafen mich nicht, sie flogen einfach durch mich hindurch. Eine Erdspalte bildete sich und aus ihr heraus trat ein Junge, ganz aus Flammen. Ich kannte sein Gesicht. Ich hasste sein Gesicht. Er hatte mich überfallen, kurz vor der Vorbereitung, deshalb hasste ich ihn. Neben ihm landete ein Engel, das war Tom. Ich lächelte noch mehr. Ihm vertraute ich, denn er hatte mich wieder in Ordnung gebracht. Vielleicht hatte ich mich sogar ein wenig in ihn verliebt. Er sah ja auch wirklich gut aus. Die beiden lieferten sich einen Kampf. Den man sich nicht vorstellen könnte. Die Steinbrocken wirbelten nur so um sie herum und ich konnte fast nichts erkennen. Doch ab und zu flog ein Feuerball an mir vorbei. Ich versuchte etwas zu erkennen, doch es gelang mir nicht. Schade. Ich drehte mich um und ging davon. Ein Feuerball traf mich und ich ging in Flammen auf. Jetzt war auch ich aus Flammen. Ich war wie er. Staunend sah ich, wie er vor mir auftauchte. "Du gehörst zu uns, Harmonia", sagte er, dann würde ich von einem Felsen erschlagen.
Ich wachte auf. Ich war diese Träume gewohnt. Sie waren nichts besonderes mehr. Ich fand sie eher lustig. Ich schreib den Traum gleich auf. Man hatte mir gesagt, dass das wichtig wäre und da ich hier eh nichts anderes zu tun hatte.
"Miss? Oh gut, sie sind wach", sagte der Pfleger, der in mein Zimmer trat. Ich nickte und sah ihn erwartungsvoll an. Immer wenn ein Pfleger und nicht Tom auftauchte, gab es irgendetwas geschenkt oder Neuigkeiten.
"Ich habe hier etwas für Sie.", also ein Geschenk,"Es ist nichts besonderes, aber es ist ein Schritt weiter in die richtige Richtung." Er überreichte mir etwas kleines in Stoff eingewickeltes. Der Pfleger hatte den Raum verlassen. Freudig packte ich mein Geschenk aus. Ich staunte nicht schlecht, als ich den Gegenstand in den Händen hielt. Es war eine goldene Bürste, verziert mit echten Perlen. Ein kleiner Zettel fiel herunter.
"Ein kleines Präsent, damit du bald genest und die schönste von allen bist.
In Liebe
Dad
PS: Ich vermisse dich.", las ich. Oh ja, ich vermisste ihn auch ganz schrecklich. In meinen Augen sammelten sich stille Tränen.
'Wieso weinst du?' Was war das für eine Stimme? Sie hörte sich ganz nach... Mir an. 'Ja, ich bin du und hör auf, auf diesen Heuchler reinzufallen!' Ich hielt mir die Ohren zu, das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht sein. Ich war doch gerade dabei zu genesen und jetzt das. Sie durften nicht davon erfahren.
"So Harmonia, wir haben heute noch eine kleine Überraschung für Sie", ich schreckte zusammen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass jemand reingekommen war. Geistesabwesend löste ich meine Zopf und kämmte mir energisch meine zerzausten Haare.
"Geht es Ihnen gut?", fragte man mich besorgt.
Ich nickte. Ich hatte mich daran gewöhnt, nicht sprechen zu können, wenn es mir nicht erlaubt war. Gerade war meine Zunge nicht freigegeben. Als ich noch nicht wieder ich selbst war und von diesen Halluzinationen gequält war, hatte ich mich gewehrt. Nun war ich vernünftig.
"Folgen Sie mir bitte." Ich rutschte vom Bett herunter und lief ihm hinterher. Mir war aufgefallen, dass ich immer unterschiedliche Pfleger zu sehen bekam, nie den gleichen und es waren immer Männer, nie Frauen. Das war schon eigenartig, aber mir machte es nichts aus.
"Bitte sehr", er hielt mir eine Tür auf. Ich trat durch sie hindurch und fand mich in einem völlig mit Spiegeln verglasten Raum wieder. Es war wie in dem ersten Vorbereitungsraum, der Vorbereitung. Vielleicht war es sogar der gleiche gewesen. Das war zwar nicht möglich, aber was konnte ich schon noch in Frage stellen? Vielleicht war es ja doch ganz simpel und ich sah es nur nicht.
Staunend betrachtete ich mich im Spiegel. Es musste fast so aussehen, als hätte ich vergessen, wie ich aussah, wenn man mich von außen ansehen musste. Eine weitere Tür ging auf. Ich sah mich um, konnte jedoch niemanden erkennen. Nichtmal eine Tür. Sie war verschwunden. 'Quatsch, wahrscheinlich war sie nur von innen mit Spiegeln verhangen', dachte ich mir. Ich setzte mich auf den Stuhl, der hier im Raum stand. Mir gegenüber stand noch einer. Ich stützte meine Ellenbogen auf die Knie und wartete und wartete. Ich fing an zu Summen aus Langeweile. The Hanging Tree. Ich hatte mir eine Melodie ausgedacht, als ich den dritten Teil der Panem Trilogie gelesen hatte und an die Stelle kam, als Katniss dieses Lied sang. Mein Vater mochte die Bücher nicht, er fand sie zu... rebellisch. Ich hatte deswegen aufgehört sie zu lesen, doch ich dachte noch oft daran und von meiner kleinen Melodie, konnte ich mich einfach nicht trennen. Erneut ging die Tür auf und dieses Mal betrat auch jemand den Raum. Man setzte mir gegenüber einen Jungen hin. Ich konnte ihn nicht erkennen, weil man ihm einen Sack über den Kopf gestülpt hatte. Komisch.
"Schließen Sie beide die Augen! Wenn Sie die Tür hören, können Sie sie wieder öffnen." Ich schloss sofort die Augen und wartete auf das vertraute klacken der Tür. Dann öffnete ich sie. Tausende Erinnerungen stürmten auf mich ein. Mein Mund klappte auf. Da war es wieder das Ziel, dass ich mir vor einiger Zeit genommen hatte. Doch ich wusste nicht mehr warum, ich es mir überhaupt genommen hatte. Ich wusste nur eins, es war wichtig es durchzusetzen. 'Hör auf damit!', schrie mich eine innere Stimme an. Stimmt, sie wollten mir hier nichts Böses. Ich konnte Mark und mich hier nicht wegbringen. Ich sah in seine so vertrauten Augen, die ich so gerne musterte. Ich mochte ihn, mehr noch, ich liebte ihn. Ich fragte mich, warum mir mein Vater dieses Gefühl nicht genommen hatte, da er noch vor einiger Zeit mir den Umgang mit ihm verboten hatte. Ich saß da und musterte ihn einfach nur. Jede Sommersprosse, jedes Haar, jeder Winkel seines Gesichts. Ich sagte nichts, er sagte nichts. Und nicht, weil wir nicht konnten, nein, weil dieser Moment nicht real war. Er war nicht real. Vorsichtig wagte ich es, ich streckte meine Hand nach ihm aus und legte sie an seine Wange. Sie war ganz war und weich und sie war... Echt. Er war hier! Er war wirklich hier! Stürmisch sprang ich auf und fiel ihm um den Hals. Er saß ganz reglos da. Er reagierte nicht mal auf mich. Was war nur los? Ich schüttelte ihn. Ich schluchzte auf, das könnte doch nicht wahr sein. Es war viel schlimmer, als wenn er mich nicht erkennen würde. Er war doch nicht da. Ich wollte es nicht einsehen. Trotz Sperre schrie ich ihn an und krümmte mich schon kurz danach vor Schmerzen auf dem Boden. Und ich weinte. Ich weinte, als würde meine Seele brennen. Ich konnte das nicht verstehen. Er war so nah und doch so fern. Was hatten sie mit ihm gemacht? Was hatten sie mit mir gemacht? Plötzlich tippte man mich an. "Bitte hör auf", sagte er ausdruckslos. Ich schluchzte nur noch lauter. "Harmonia, bitte hör auf!", rief er nun. Aber ich konnte nicht. "Ich halte es nicht aus dich so zu sehen. Bitte hör doch auf! Ich bin doch da!" Da blickte ich auf. Und ich sah die Wärme, die Wärme, die er mir gegenüber ausstrahlte. Noch mehr Erinnerungen waren da plötzlich. Manche konnte ich nicht einordnen. Doch ich wusste, dass sie wichtig waren. Ich hörte auf zu weinen und ehe ich mich versah waren meine Lippen auf seinen. Der Kuss war so sanft und voller Gefühle. Endlich fühlte sich etwas wieder vertraut an, richtig. Er drückte mich fester an sich und ich kam bereitwillig näher. Am liebsten würde ich für immer mit ihm verschmelzen. Für immer in diesem Moment Leben. Doch dann war er vorbei, unter Schmerzen krümmten wir uns gleichzeitig zusammen. Bevor ich wegsackte ergriff ich seine Hand und drückte sie fest.
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