4. „Du kannst mir vertrauen, Hermine."
Wütend stampfte Hermine zum Quidditchstadion, dabei musste sie sich stark zurückhalten, sich nicht umzudrehen und der Schlange einen Fluch auf den Hals zu hexen. Natürlich hatte er es nicht lassen können, und musste ihr wieder und wieder unter die Nase reiben, dass sie bloß von Muggeln abstammte. Er hielt sich für etwas Besseres, nur, weil er aus einer alten Zaubererfamilie kam, doch das war noch lange kein Grund überheblich zu werden. Ron beispielshalber machte sich nichts aus der Tatsache, dass er ein Reinblut war – wie der Malfoy-Erbe es so gerne formulierte! Es schien, als wäre er regelrecht besessen davon ihr bei jeder Gelegenheit bewusst zu machen, dass sie bloß ein wertloses Schlammblut war. Wenn er doch nur wüsste, wie sehr er sie jedes Mal damit verletzte – doch so wie sie ihn kannte, würde das nichts im Geringsten ändern.
Abrupt blieb sie stehen, als ein schrecklicher Gedanke durch ihren Kopf schoss. Was wenn Pansy und Draco dies alles geplant hatten, nur um sie vor der gesamten Schule bloßzustellen? Nein! Das war unsinnig! Pansys Tränen waren echt gewesen und der junge Malfoy hatte sie wie immer nur aufziehen wollen mit seinem lächerlichen Verhalten. Das war einfach kindisch und eigentlich sollte sie nicht darauf eingehen, doch sie konnte nicht anders. Es war ein wunder Punkt in ihrer Vergangenheit, den sie allmählich vergessen wollte, aber mit seinen ständigen Sticheleien machte er es unmöglich.
Mittlerweile war sie am Spielfeld angelangt, sodass sie stehen blieb und ein paar Mal tief ein- und ausatmete. Allerdings half diese Entspannungsübung nicht sonderlich viel, daher hoffte sie, dass das gemeinsame Treffen mit ihren besten Freunden mehr erreichen würde.
Während sie also bei den Umkleidekabinen auf die Jungs wartete, wanderten ihre Gedanken erneut zu Pansy. Wohl oder Übel musste sie sich erneut einem Gespräch mit dem Slytherin aussetzen, wenn der Plan nicht ins Wasser fallen sollte. Jedoch würde sie es auf eine andere Weise versuchen müssen, da eine direkte Konfrontation ihrerseits kläglich gescheitert war. Mit neuem Mut begrüßte sie die beiden Gryffindors und ging zufrieden neben ihnen her nach Hogsmeade.
»Und, Hermine? Ron hat mir erzählt, dass der Aufsatz für Snape doch recht schwer ist«, eröffnete Harry nach einigen Minuten ein Gespräch. »Bist du denn bereits etwas vorangekommen?«
»Naja, nicht wirklich«, entgegnete sie wahrheitsgemäß. »Allerdings habe ich ein Buch in der Bibliothek gefunden, wo einige nützliche Informationen drinstehen.«
»Das ist ja großartig, Mine«, meinte Ron freudig und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, was sie verlegen erwiderte.
»Und wie war das Training, Jungs?«, fragte sie mit ehrlicher Interesse.
»Es war sehr anstrengend«, gestand Harry, ehe er sich an den Rothaarigen wandte und ihm anerkennend auf die Schulter klopfte, »doch Ron hat heute wirklich eine hohe Leistung erzielt.«
»Ach, wirklich?«, erwiderte sie freudestrahlend.
»Ja, das war wirklich hervorragend«, bekräftigte der junge Potter seine Worte.
»Du übertreibst doch nur, Harry«, behauptete Ron kleinlaut, »so gut war ich nun wirklich nicht.«
»Doch das warst du«, beschwichtigte der Angesprochene und erklärte ausführlich die Flugmanöver des rothaarigen Weasleys.
Hermine hörte aufmerksam zu, auch wenn sie wie immer nicht viel davon verstand und eigentlich nicht begreifen konnte, was so interessant an diesem Sport war. Jedoch gönnte sie Ron dieses Lob. Er konnte es durchaus gut gebrauchen, wenn sie daran dachte, wie oft die Schlangen sich bereits lustig über ihn gemacht hatten, weil er immer so nervös beim Fliegen war und dadurch unsicher wurde.
Schließlich kamen sie im Dorf an und begaben sich nach einer stummen Absprache zum Drei Besen. Wie gewohnt setzten sie sich an einen Tisch etwas abseits des Geschehens, während Harry sich bereit erklärte ihre Bestellung an der Theke aufzugeben und sie sogleich zu bezahlen. Somit schien Ron diese kleine Gelegenheit der Zweisamkeit zu nutzen, um Hermine nach ihrem Wohlbefinden zu fragen.
»Mir geht es gut, Ron – wirklich«, beruhigte sie ihn sofort mit einem bestätigenden Lächeln.
Er nickte, sah sich jedoch kurz nach dem jungen Potter um, welcher immer noch an der Theke stand, ehe er sich ihr wieder zuwandte und ihre Hand ergriff.
Überrumpelt aufgrund dieser sanften Geste brachte Hermine keinen Ton heraus und konnte ihn nur überrascht anschauen.
»Bist du dir sicher? Ich mache mir nur langsam Sorgen um dich, da du heute Morgen schon so befangen wirktest«, sprach er leise seinen Gedanken aus, während er ihr fest in die Augen blickte.
Unmerklich schluckte sie, dabei versuchte sie nicht daran zu denken, dass sie gemeinsam mit einem ihrer besten Freunde an einem Tisch in einem überfüllten Wirtshaus saß und im Grunde eine doch recht intime Berührung mit ihm austauschte. Nach einigen Sekunden des Schweigens war sie dann auch dazu bereit, ihm zu antworten: »Ich versichere dir, dass es mir gut geht. Das fünfte Schuljahr ist nur sehr anstrengend und fordert meine komplette Aufmerksamkeit, wenn ich das Jahr mit guten Noten bestehen will. Sonst ... ist da wirklich nichts.«
Nur zu gut war ihr bewusst, dass sie ihn erneut angelogen hatte, doch sie konnte nicht riskieren jemandem von ihrem Treffen mit Pansy zu erzählen, zumal sie ihr versprochen hatte, diesen Vorfall zwischen ihr und dem jungen Malfoy für sich zu behalten.
»In Ordnung, ich glaube dir, aber wenn du mit irgendjemandem reden willst, dann weißt du hoffentlich, dass ich für dich da bin. Du kannst mir vertrauen, Hermine«, nach diesen Worten ließ er von ihr ab und sah zu Harry hinüber, der nun mit drei Flaschen Butterbier in der Hand auf sie zusteuerte. Er nahm neben Ron Platz und reichte jeweils jedem sein Getränk, dabei beäugte er Hermine kurz nachdenklich, bevor er den jungen Weasley in ein Gespräch verwickelte.
Unterdessen versuchte die junge Granger irgendwie zu begreifen, was soeben geschehen war. Sie hatte ja bereits länger den Verdacht, dass sie romantische Gefühle für Ron empfand, doch jetzt wo es offensichtlich so aussah, dass er diese Gefühle erwiderte, fing sie langsam an daran zu zweifeln, ob das so eine gute Idee wäre. Immerhin galten die drei als das Goldene Trio, welches eine so große Freundschaft zueinander pflegte, dass sie jedes Hindernis überwinden konnten. Allerdings würde das Ganze aus dem Ruder laufen, wenn sie mit Ron etwas anfangen würde. Denn was würden sie beispielsweise tun, wenn sie ihre nichtbestehende Beziehung beenden müssten? Harry würde sich wie immer auf Rons Seite stellen, so wie das schon immer gewesen war und Ginny war schließlich seine Schwester. Sie würde wie am Anfang ihres ersten Schuljahres an Hogwarts wieder alleine dastehen und sicherlich würde sie dann wieder in ihre alten Gewohnheiten fallen und die besserwisserische Granger genannt werden. Doch das konnte und wollte sie nicht zulassen. Sie hatte nicht mit aller Mühe an sich selbst gearbeitet, um mit einem Schlag wieder in ihr altes Selbst zu fallen. Sie würde das zu verhindern wissen ...
***
Gedankenversunken saß Pansy im Gemeinschaftsraum auf einem der grünen Sofas und versuchte sich auf ihre Hausaufgaben zu konzentrieren, jedoch lag ihre Interesse ehe bei dem, was zwischen Hermine und Draco wohl momentan vorfallen würde. Sie hoffte inständig, dass die Muggelgeborene etwas erreichen würde, auch wenn ihr nur zu gut bewusst war, dass der junge Malfoy zu stolz war, um irgendetwas von der Gryffindor anzunehmen. Doch das Vertrauen, welches sich in den letzten beiden Tagen in ihr gegenüber Hermine entwickelt hatte, war groß genug, dass sie nichts Negatives fürchtete.
»Was bist du so konzentriert, Pansy?«, ertönte auf einmal eine leicht belustigte Stimme vor ihr.
Leicht erschreckt blickte sie auf und entdeckte einen grinsenden Blaise Zabini vor sich, auf dem gegenüber liegenden Sofa sitzen.
»Lass sie doch, Blaise«, meinte eine zweite Stimme neben ihr, die ihr ebenfalls nur zu gut bekannt war.
»Danke, Theo«, entgegnete sie, »aber das ist nicht nötig«, und an den dunkelhäutigen Slytherin gewandt meinte sie: »Und wenn du es genau wissen willst, Blaise, ich sitze gerade vor dem Aufsatz in Zaubertränke.«
»Ach, wenn das so ist«, erwiderte er schulterzuckend, ehe er etwas ernster hinzufügte: »Warum fragst du nicht einfach Draco, wenn du die Aufgabe nicht verstehst?«
Ruckartig zog sich alles in ihr zusammen bei diesen Worten und Theo, der sich mittlerweile neben ihr niedergelassen hatte, warf ihr einen besorgten Blick zu.
»Ich meine, er ist doch sowieso Snapes Liebling, da wird er doch sicherlich nicht „Nein" sagen, wenn du ihn fragst, ob er dir helfen könnte«, fuhr Blaise unbeirrt weiter.
Leise atmete Pansy einmal tief ein und wieder aus, um ihren ganzen Frust, der bei diesen Worten erneut hochgekommen war, wieder loszuwerden. So halbwegs funktionierte es auch, daher überlegte sie kurz, was sie ihm antworten sollte: »Ich glaube, dass ich es doch lieber alleine versuchen werde, Blaise.«
»Bist du dir sicher? Du hast ihn doch schon öfters um Hilfe gebeten«, entgegnete er leicht überrascht und sogar Theo schien ein wenig verwirrt zu sein aufgrund dieser Aussage.
»Ich will es nun mal selbst versuchen«, beharrte die junge Parkinson auf ihren Worten. »Wenn ich immer ... Draco um Rat bitte, dann lerne ich doch nie etwas.«
Ein wenig gekränkt, da sie ihre Intelligenz in Frage stellten, packte sie ihre Habseligkeiten zusammen und verschwand in Richtung der Treppe, die zu den Mädchenschlafsälen führte, ohne die beiden noch eines Blickes zu würdigen.
»Was war das denn, bitteschön?«, fragte Blaise nach einiger Zeit ganz verdutzt. »Hat sie tatsächlich gesagt, dass sie Draco nicht fragen will, ob er ihr hilft? Ich meine, das tut sie doch sonst auch immer – also warum ist sie jetzt beleidigt deswegen?«
Schulterzuckend blickte Theo wieder auf die Stelle, wo ihre weibliche Bekanntschaft soeben noch gestanden hatte. Es war ihm ein Rätsel, was in letzter Zeit mit ihr los war, wo sie doch sonst ein sehr aufgewecktes Mädchen war, doch dieses ruhige, leicht reizbare Geschöpf bereitete ihm ehrliche Sorgen. Es musste doch irgendetwas vorgefallen sein, dass sie so deprimiert wirkte. Nur stellte sich die Frage, was passiert war? Oder konnte er sogar so weit gehen und behaupten, dass jemand an ihrem Unwohlsein Schuld war?
»Oder was meinst du?«
Verwundert blickte er wieder zu dem jungen Zabini. Dieser schaute allerdings nicht ihn an, sondern jemanden, der offensichtlich hinter ihm stand.
Neugierig drehte er sich um und entdeckte einen überrumpelten Draco Malfoy, wie er wie angewurzelt dort stand. Es schien, als wäre er aus seinen Gedanken gerissen worden und würde nun erst realisieren, dass er sich im Gemeinschaftsraum der Slytherins befand. Langsam erwachte er aus dieser ungewöhnlichen Starre und setzte wieder seine übliche Maske auf, die er seit Jahren ständig bewahrte. Irgendetwas musste wohl passiert sein, was ihn so aus der Fassung gebracht hatte?
»Wovon sprichst du bitte, Blaise?«, entgegnete Draco schließlich mit der umfassenden Weise der Malfoys und nahm neben jenem Platz.
»Nun ja, Pansy schien ein wenig abwesend gewesen zu sein, als sie noch vor kurzem hier gesessen hatte und als ich sie darauf ansprach, meinte sie, dass das nur daran liegen würde, dass sie versuchen würde, sich auf ihren Aufsatz für Snape zu konzentrieren. Allerdings war das Seltsamste an ihrem Verhalten, dass, als ich ihr geraten hatte, dich um Hilfe zu bitten, sie sofort abweisend wurde. Es hatte sogar so geklungen, als wäre sie gerade deswegen beleidigt gewesen«, kam eine ausführliche Erklärung, jedoch schien der Blondschopf nicht im Geringsten überrascht darüber zu sein. Viel mehr kam es Theo vor, als würde er genau wissen, warum Pansy sich in letzter Zeit so merkwürdig verhielt – und mit einem Schlag wurde es ihm schlussendlich bewusst.
Er hätte früher darauf kommen sollen, dass das ganze Verhalten der letzten Tage von der jungen Parkinson mit dem Malfoy-Spross zu tun hatte. Immerhin war es allgemein im britischen Zaubererinternat bekannt, dass Pansy an Draco interessiert war. Jedoch gehörte Theo zu den Wenigen, die genau wussten, dass sie tatsächlich ehrliche Gefühle für ihn hegte. Er fragte sich, was zwischen den beiden jahrelangen Freunden wohl geschehen war?
»Ich finde, dass sie in dem Fall recht hat, Blaise«, äußerte Draco sich nach einiger Zeit, »Sie ist intelligent genug, um die Lösung für Snapes Aufgabe auch alleine zu finden.«
Es kehrte erneut Stille zwischen den drei Slytherins ein, doch unerwarteter Weise richtete Theo das Wort an Draco und sprach seinen Gedanken aus, ehe er wirklich darüber nachdenken konnte: »Was ist zwischen dir und Pansy vorgefallen?«
Er hätte sich ohrfeigen können für diese Frage, doch zu seiner großen Verwunderung reagierte der Angesprochene nur mit einem tiefen Seufzen, ehe er anfing zu erklären: »Vorgestern war sie zu mir gekommen und hatte mich nach einem Gespräch unter vier Augen gebeten. Sie erzählte davon, wie wir beide als Kinder immer zusammen Zeit miteinander verbracht hatten. Jedoch hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie ein ganz bestimmtes Thema anschneiden würde ... Ich habe ihr nur verständlich gemacht, dass es aus meiner Hinsicht nicht möglich ist.«
Allen drein war nur zu gut bekannt, worum es sich bei diesem Thema handelte, daher sagten sie nichts mehr dazu und blieben in diesem Zusammenhang wohl gemerkt stumm.
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