Gesprächsbeginn
Das Grün der Blätter scheint so viel dunkler und voller im Regen, als würde man eine Brille abnehmen, die die Welt verzerrte und jetzt wieder klar sehen können. Und die feuchte Nachtluft erweckt auch den müdesten Geist und ruft erneut zu neuem Lebensdrang.
Nur wenn man atemlos lauscht, dann kann man vielleicht einen Eulenruf in weiter Ferne ausmachen, wo Stromtrassen vor dem Neon-Himmel des neuen Morgens bald schon den Platz einnehmen, den jetzt noch die Nacht in ihrer weichen, rohen Schönheit beherrscht.
Auf einem Dach saßen wir. Ich hatte mit Jenny nie wirklich viel geredet, obwohl sie mir seit ihrem Einzug sehr sympathisch gewesen war. Ich war froh ein hübsches Mädchen nebenan einziehen zu sehen. Obwohl ihr Style etwas gewöhnungsbedürftig war, sehr wild. Ungezähmt und frei. Das faszinierte mich schon irgendwie. Ihre grünen Holzfällerhemden am allermeisten.
Für den Anfang ist nicht viel mehr wichtig für euch, den Rest werdet ihr beim Lesen begreifen, wenn ich euch von dieser außergewöhnlichen Nacht auf dem Dach und den Gesprächen mit Jenny erzähle. Ich bin Aron, 17, gehe noch zur Schule und diese Nacht hat mein Leben verändert. Aber lest selbst.
J: Das Dach ist gar nicht nass, es ist wohl noch zu früh für Tau
A: Es ist mitten in der Nacht, der Tau kommt erst morgens würde ich mal sagen. Vielleicht bekommen wir es live mit.
J: Hoffentlich. Ich liebe den Tau. Es ist das reinste was ich mir vorstellen kann, so unberührt, als käme es direkt aus dem Himmel. Bist du schon mal barfuß über Gras am Morgen gelaufen?
A: Nein, noch nie.
J: Das ist Leben.
A: Weißt du, jetzt wo du es sagst, finde ich die Vorstellung sehr schön, aber ich hab mir noch nie Gedanken darüber gemacht und ich werde es wahrscheinlich auch trotzdem nicht machen. Das ist schade.
J: So sind die Menschen. Jeder weiß im Grunde was ihn glücklich machen würde, aber ihr tut es einfach nicht. Aus Faulheit? Aus Gewohnheit? Keine Ahnung, werde ich nie verstehen.
Jenny lächelte melancholisch. So wie sie sprach schien es als wäre sie davon frustriert, als müsste sie Leid akzeptieren, das sie nicht verhindern kann.
A: Ich verstehe es ja im Grunde selbst nicht. So ist es einfach, wie mit Neujahrsvorsätzen oder Träumen. Es verblasst alles irgendwie.
J: Nicht für mich. Da würde ich mich doch selbst belügen. Ich träume und plane nicht aus einer Laune heraus. Die meisten schon.
A: Ich glaub man macht das meiste aus Launen heraus. Man kauft Dinge spontan, bindet sich... Dann irgendwann liegen die Sachen unbenutzt herum und man wünscht sich single zu sein.
J: Das kotzt mich an. Wirklich, das hasse ich. Und ich würde mich auch selbst hassen, wäre ich so. Spontanität ist fantastisch. Aber langfristige Entscheidungen treffe ich nicht aus Inspiration oder durch Hypes oder momentane Gefühlslagen. Ich treffe sie, wenn ich davon überzeugt bin, dass sie das richtige sind.
A: Was ist schon richtig? Wer weiß das...
J: Das drückt mich auch oft runter. Manchmal bereue ich Entwicklungen und wie ich sie hätte vorhersehen sollen. Ich fühle mich schuldig, kein Gott zu sein.
Aron guckt sie besorgt an. Was für eine seltsame Aussage.
A: Du bist 16. Niemand kann solche Ansprüche stellen und das solltest du auch nicht. Stressen dich deine Eltern mit sowas?
J: Haha, nein. Niemand. Nur ich selbst vielleicht, aber denkst du ich weiß das nicht? Ich weiß, dass meine Ansprüche an mich viel zu hoch sind. Aber ich fühle mich nunmal ungenügend. Das ist nichts was mit Logik zu tun hat.
A: Aber willst du es einfach akzeptieren?
J: So ist es nunmal. Immerhin verbessere ich mich dadurch immer weiter. Was mir fehlt ist wahrscheinlich einfach jemand, der mich liebt, wie ich bin. Ich meine so richtig liebt, jemand der in mir das perfekte Mädchen sieht. Der mir das Gefühl gibt genug zu sein und bei dem ich mich vollständig fühle.
Und in der Ferne donnerte es sanft, doch kraftvoll. Ein Sommergewitter. Zum Glück waren sie überdacht, auch auf dem Dach, so würden sie das Trommelorchester der Regentropfen erleben. Während die beiden so da saßen und über das nachdachten, was sie eben gesagt hatten, da fühlten sie sich so einsam, wie man sich selten fühlt, selbst wenn man allein ist.
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