Abschied auf Zeit
Wochen waren vergangen, genug Zeit verstrichen, in der mir bewusst wurde, was geschehen war. Ich war nicht nur tot, ich hatte nie wirklich gelebt. Ein Charakter, ein Protagonist, der genau wie viele andere fiktiv und nicht real war. Wie Dracula, der durch Bücher lebte, ein Vampir und unsterblich war.
Mir war das nicht bewusst, vielleicht hatte ich es auch verdrängt, mich in diesem Buch zu lebendig gefühlt und vieles unterschätzt. Besonders, weil ich Nela an meiner Seite hatte, die im Gegensatz zu mir wirklich real war. Zwar tot, aber sie hatte einst gelebt, gelacht und irgendwann kam der Tag, an dem es ein dramatisches Ende nahm. Bis heute blieb es ungeklärt, was genau an der alten Mühle in Erlangen geschah.
Viele Geschichten rankten sich um die bayrische Stadt, darunter die Gräfin, die aber niemals im Schlossgarten gespukt hatte. Sie lag ganz woanders begraben, ebenso die vielen Toten unter dem Martin Luther Platz. Sie wurden umgebettet, neu bestattet und nur wenige wurden dabei vergessen oder übersehen. Dennoch lieferten sie genug Stoff für mich, meine kleinen Schauermärchen, die sich jetzt dem Ende neigen.
Ich bin zufrieden, sie erzählt, euch mitgenommen und entführt zu haben. Meine Arbeit ist getan, ich kann mich zur Ruhe setzen, mich neben zahlreiche Größen legen und die Augen schließen. Vielleicht öffne ich sie auch wieder, krabbel eines Tages aus der Schublade meines Schöpfers heraus und unterhalte euch mit neuen Gruselgeschichten. Es kann auch gut möglich sein, dass ich irgendwie in einer seiner Geschichten auftauchen werde.
Bei ihm weiß man nie, was er geplant hat. Ein Abschied für ewig ist es daher nicht, eher auf Zeit und diese nutze nicht nur ich, sondern auch mein Erschaffer. Er verzaubert weiter, bringt Leser zur Verzweiflung, zum Lesen und zu allem, was dazugehört. Ich werde hingegen schlafen, warten und vielleicht packt mich auch die Lust, euch in euren schlimmsten Alpträumen zu jagen!
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