
Tuileriensturm
Gleich von Vorne weg, ich bin mit der Französischen Revolution nicht sehr vertraut. Ich kenne vor allem die späteren Koalitionskriege und deren Schlachten. Ich halte die Details hier deshalb etwas einfach.
Die Französische Revolution befand sich Anfangs 1792 in ihrer ersten Phase, die noch relativ ruhig war. König Ludwig XVI. hatte zwar noch seinen Titel als König, aber nicht mehr sehr viel tatsächliche Macht. Der Ton wurde stattdessen von der Gesetzgebenden Nationalversammlung angegeben.
Der erste Koalitionskrieg hatte begonnen und Truppen von Österreich und Preussen versuchten, sich um die Situation zu kümmern und Ludwig die alte Monarchie wieder herzustellen. Während dem Beginn des Krieges waren Österreich und Preussen auf dem Vormarsch und konnten schnell Erfolge für sich verbuchen, während Frankreich einige empfindliche Niederlagen hinnehmen musste.
Die Stimmung in Frankreich war agespannt, insbesondere in Paris. Proteste in der Stadt geschahen häufig und die Forderungen waren zahlreich. Der König sollte unter anderem vollständig abgesetzt werden. Die Tatsache, dass Marie Antoinette aus Österreich war, machte die Bevölkerung wegen dem Krieg noch wütender und der Fluchtversuch der Königsfamilie hatte die Bevölkerung auch nicht glücklich gemacht. Ludwig und seine Familie waren vom Palast von Versailles, ausserhalb der Stadt, in den Tuilerienpalast gebracht worden, der sich in Paris befand.
Die Pariser Bevölkerung musste wegen dem Krieg mobilisiert werden, weshalb die radikalen Teile der Bevölkerung bewaffnet wurden. Am 20. Juni zog ein bewaffneter Mob vor den Palast, konnte aber durch eine Geste beruhigt werden.
Am 1. August wurde das Fass allerdings zum Überlaufen gebracht. Der Oberbefehlshaber der Koalitionstruppen, der Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, hatte ein Manifest gemacht, indem er verlauten liess, dass die Franzosen den König wieder an die Macht bringen sollten oder er würde das Land komplett unterwerfen. Er hatte die revolutionären Franzosen damit einschüchtern wollen, erhielt aber das gegenteilige Ergebnis. Die Bevölkerung drehte nun völlig durch. Radikale Gruppen, die enorm Zuwachs und Unterstützung erhielten, gaben der Nationalversammlung bis am 9. August, um den König abzusetzen. Unter ihnen befand sich Maximilien de Robespierre, der wegen den Unruhen eine Menge Unterstützung erhielt.
Die Nationalversammlung traute sich aber nicht, den König gleich ganz abzusetzen. Deshalb strichen die Tage vorbei, ohne dass dies passierte und eine Stürmung des Tuilerienpalastes wurde immer wahrscheinlicher.
In der Nacht zum 10. August wurden die Sturmglocken geläutet und grosse Teile der Bevölkerung bereiteten sich darauf vor, den Tuilerienpalast zu stürmen.
Bewacht wurde dieser von einigen Tausend Truppen. 2'000 Soldaten der Nationalgarde mit 12 Kanonen, 900 Gendarmerie und 900 Mann der Schweizergarde. Die Soldaten der Schweizergarde waren die einzigen Truppen, die noch unter dem direkten Befehl von Ludwig XVI. standen. Weitere 300 Mann der Garde waren einige Tage zuvor in die Normandie entsandt worden. Die Loyalität der Nationalgarde und der Gendarmerie wurde allerdings nicht als zuverlässig angesehen. Der Kommandant der Nationalgarde wurde während der Nacht unter einem Vorwand aus dem Palast gelockt und ermordet. Danach wurde er durch einen revolutionären Jakobiner ersetzt.
Am frühen Morgen sammelte sich das Volk um den Palast. Möglicherweise bis zu 100'000 Menschen, von denen ca. 25'000 bis 30'000 organisierte Truppen waren. Der König inspizierte seine Truppen und die Schweizergarde rief: "Vive le Roi!", um ihre Loyalität zu versichern, während die meisten Soldaten der Nationalgarde: "Vive la Nation!" riefen, vom Palast abzogen und sich den Revolutionären anschlossen. Ein Abgesandter von der Nationalversammlung informierte Ludwig darüber, dass diese ihn darum bittete, sich zu ihnen in der benachbarten Salle du Manège zu begeben. Ludwig begab sich dorthin, eskortiert von den zwei Batallionen der Nationalgarde und 150 Mitgliedern der Schweizergarde. Die Reste der Nationalgarde zog ab und schloss sich ebenfalls der Menschenmenge an. Die Gendarmerie verliess ihren Posten ebenfalls.
Im Palast befanden sich nun nur noch die übrigen 750 Mitglieder der Schweizergarde und ca. 200 Adlige, die sich im Palast befunden hatten. Die Garde hatte kaum Munition. Entweder, weil nicht genug vorhanden war oder, weil die zuständige Person das Gefühl hatte, dass der Palast sowieso nicht zu halten sei und kaum Munition austeilte, in der Hoffnung, dass die Schweizergarde dann unwillig wäre, zu kämpfen. Die Schweizergarde hatte den Befehl, keine Feindseeligkeiten zu beginnen und nicht zuerst zu feuern.
"Ergebt euch der Nation!", rief ein Unterhändler auf Deutsch zu den Schweizern. Die Antwort folgte prompt und sehr eindeutig.
"Wir sollten uns entehrt fühlen! Wir sind Schweizer, die Schweizer trennen sich nicht von ihren Waffen, sondern von ihrem Leben. Wir denken, dass wir eine solche Beleidigung nicht verdienen. Wenn das Regiment nicht länger gebraucht wird, soll es legal entlassen werden. Aber wir werden unsere Posten nicht verlassen, noch werden wir uns die Waffen nehmen lassen."
Die Stürmung des Palastes begann um 08:00 Uhr. Einige Mitglieder der Garde warfen einige Patronen aus den Fenstern, was von den Revolutionären als Friedenszeichen und Ermutigung angesehen wurde. Sie drangen in den Palast ein, bis die den grossen Treppensaal erreichten, wo sich weitere Mitglieder der Garde befanden. Beide Seiten standen sich dort für 45 Minuten gegenüber. Aus ungeklärten Gründen eskalierte die Situation und Schüsse fielen. Es kam zum Kampf und die Garde ging zum Angriff über. Sie trieben die Eindringlinge aus dem Gebäude, dann aus dem Schlosshof und schlussendlich in die umliegenden Gassen, wobei die Revolutionäre schwere Verluste erlitten. Mehrere Kanonen der Nationalgarde, die sich im Hof befunden hatten und auf den Palast gefeuert hatten, wurden erobert, genauso wie auch Munition.
Als Ludwig und die Nationalversammlung die Schüsse vernahmen, musste Ludwig einen eiligen Befehl schreiben, die die Schweizergarde anwies, ihre Waffen niederzulegen und in ihre Kasernen zurückzukehren. Doch dazu war es bereits viel zu spät. Die wütende Meute kam zum Schluss, dass die Schweizergarde sie in einen Hinterhalt im Palast gelockt hatte und befand sich nun im Blutrausch. Dem Befehl auf der Stelle Folge zu leisten, hätte zum Tod geführt. Über mehrere Stunden hinweg kämpften die Meute, die sie anführende Nationalgarde und die verteidigende Schweizergarde gegeneinander. Einige Einheiten konnten sich erfolgreich zur Nationalversammlung durchschlagen, sassen dann aber dort fest. Dem direkten Befehl Ludwigs, sich unbwaffnet zu den Kasernen zu begeben, konnten sie nicht gehorchen, da die Kasernen in Brand gesteckt und geplündert worden waren. Mit dem Zorn des Volkes war weder ein geordneter Rückzug, noch eine Kapitulation möglich.
Ungefähr 50 Mitglieder der Garde wurden gefangengenommen, wurden aber noch auf dem Weg zum Gefängnis von der Bevölkerung ermordet. Einige Teile der Garde weigerten sich, die Waffen niederzulegen und versuchten, sich bewaffnet zu den Kasernen durchzuschlagen. Sie wurden allerdings von der Meute aufgerieben und dem Kommandanten wurde der Kopf, während er noch lebte, abgesägt und dann triumphal durch die Strassen getragen.
Ungefähr 450 Mitglieder der Garde erhielten den Rückzugsbefehl im ganzen Chaos gar nicht und verteidigten den Palast bis zum letzten Mann. Um ca. 11:00 Uhr begann die Nationalgarde mit der Stürmung des Palastes, den sie mit 30 bis 40 Geschützen beschossen. Die Schweizergarde verteidigte den Palast Saal um Saal und fügte den Angreifern schwere Verluste zu. Von diesen Teilen der Garde versuchten später ebenfalls einige, sich zu den Kasernen zurückzuziehen, aber ohne Erfolg. Laut Berichten wurden sie von der Menge praktisch zerfleischt. Die Adligen wurden ebenfalls zu grossen Teilen massakriert. Nur die weiblichen Personen im Palast entkamen dem Gemetzel.
Als klar wurde, dass die Aufständischen den Kampf gewannen, sah sich die Nationalversammlung dazu gezwungen, Ludwig entgültig abzusetzen. Bei Neuwahlen, die kurz darauf folgten, kamen die Radikalen unter Robespierre an die Macht. Mit dieser '2. Revolution' begann nun die Terrorherschaft von Robespierre und die gewalttätige Phase der Französischen Revolution. Kurz darauf kam es zum Septembermassaker, bei dem zahlreiche Gefängnisse gestürmt und deren Häftlinge hingerichtet wurden.
Von der Schweizergarde schafften es nur 217 Mitglieder, erfolgreich zu entkommen. Unter anderen durch Hilfe von freundlichen Teilen der Bevölkerung. 246 weitere, unter anderem auch diejenigen, die Ludwig zur Nationalversammlung eskortiert hatten, waren gefangengenommen worden und wurden am 2. September zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Gegenzug hatte die Garde es geschafft, 600 bis 4'000 Angreifer zu töten. Die Zahlen sind bei diesem Ereignis aber allegemein sehr ungewiss.
Am 10. August 1821 wurde in Luzern das Löwendenkmal eingeweiht, dass der Schweizergarde gedenkt. Es zeigt einen sterbenden Löwen, der auf einem französischen Wappen ruht, mit Waffen und dem schweizer Wappen neben ihm. Über ihm steht: HELVETIORUM FIDEI AC VIRTUTI was Lateinisch ist und übersetzt 'Der Treue und Tapferkeit der Schweizer' bedeutet.
(https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:6315_-_Luzern_-_Löwendenkmal.JPG#mw-jump-to-license)
10.08.21
Die arme Schweizergarde. Wurde gleich zweimal massakriert. Einmal in Rom und einmal in Paris. Wenigstens haben sie beide Male ihre Pflicht bis zum Ende erfüllt und blieben loyal.
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