Lea
24.04.2022 / Himmelfahrt 2018 --- 940 Wörter
Wie jeden Morgen steige ich um fast punkt 7 zu dir in den Bus. Die Sonne ist schon aufgegangen. Auf dem Weg zur Haltestelle blitzte sie schon ein paar Mal durch die Häuser. Wie jeden Morgen lächeln wir uns einmal an und fahren dann schweigend gemeinsam zur Schule.
Man könnte reden. So viel könnte man sagen. Früher hätte ich gerne viel gesagt, dich auf mich aufmerksam gemacht, dich für mich gewonnen... Heute sitze ich neben dir und frage mich was wohl im letzten halben Jahr passiert ist, das meine Ansichten so vollkommen durcheinandergeworfen hat.
Vor gut einem halben Jahr war ich wohl rettungslos in dich verliebt. Heute weiß ich es besser. Oder weiß ich es nicht besser? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass du mir so sanft wie möglich gezeigt hast, dass du mich nicht liebst, dass du für mich trotzdem alles andere tun würdest.
Das hast du mir angeboten. Du hast mir Ratschläge gegeben, so als wären wir nur die besten Freunde, die wir früher waren. Und doch war das die beste Heilung. Ich habe keinen deiner Ratschläge wirklich ernst genommen, habe mit niemandem gesprochen, weder mit Bekannten noch mit Unbekannten per Telefon. Das ist nicht meine Art. Ich schweige die Dinge in mich hinein und lasse sie nicht mehr raus und irgendwann habe ich sie besiegt und dann bin ich stärker als vorher, doch bis dahin dauert alles seine Zeit.
Wir sind schon beim Umsteigen. Du drängelst wie immer, willst am liebsten die ganze letzte Strecke an der Tür stehen. Doch ich sitze inzwischen neben dir am Gang und nicht mehr dir gegenüber auf einem Viererplatz mit deinem Zwillingsbruder. Deswegen stehe ich jetzt immerhin schon auf halber Strecke auf, nicht wie mit deinem Bruder, wo wir immer bis zum Schluss gesessen haben...
Der fährt jetzt einen Bus später, jetzt, wo wir sowieso nicht mehr alle Fächer gemeinsam haben, ... Ich finde es schade aber auf der anderen Seite...
Wir steigen in die Straßenbahn, die wie so oft, wenn der Bus pünktlich war, leer ist. Und ich schaue mich auch gleich um, ob sie nicht irgendwo hier sitzt. Leider hat sie wohl eine andere Bahn genommen. Schade. Ich mag sie. Und ich merke wie meine Kehle trocken wird. Gut, mögen trifft es vielleicht nicht ganz... Es steht schlimm um mein Herz und dabei war ich so stolz darauf, der unnahbare, geniale Mathematiker-Außenseiter zu sein. Ich weiß nicht mal ob ich das je war, aber wenn ich das war, dann habe ich mich dazu gemacht, ganz sicher, denn ihr alle hättet und habt alles dazu gegeben, dass ich nicht einsam bin und trotzdem habe ich mich zurückgezogen. Heute bereue ich das. Ich wäre gerne mittendrin, aber wäre ich mittendrin, dann würde ich wieder rauswollen, das weiß ich genau.
Ich starre aus dem Fenster. Mein Kopf wird leer und leerer. Wir schreiben diese Woche mal keine Klausuren und ich bin unendlich froh darüber. Und außerdem ist am Donnerstag Himmelfahrt, da haben wir auch frei. Ich habe jetzt nur drei Tage vor mir. Drei Tage, an denen ich sie kaum sehe... Ok, Mittwoch habe ich den ganzen Tag mit ihr Unterricht aber Montag und Dienstag, ... Ich glaube ich bin in sie verliebt. Das möchte ich zumindest sein. Sie ist einfach perfekt, nicht besonders groß oder klein, nicht besonders auffällig, weder hübsch noch hässlich, nicht besonders laut, noch unhörbar leise, aber sie ist auf jeden Fall unglaublich fix im Kopf.
Man braucht nicht viele Worte um ihr etwas mitzuteilen und kann doch stundenlang mit ihr reden, nur haben wir das leider bisher viel zu selten gemacht. Und wenn sie lacht, dann ist mir gerade egal, ob mein bester Freund die 5 in Französisch hat, dann ist mir egal, ob die Sonne scheint oder es gewittert, und es ist mir egal, wer uns gerade beobachtet und normalerweise beobachte ich alle um mich herum genauer als sonst irgendjemand und unter meinem bösen Blick senkt jeder den seinen früher oder später. In diesen Momenten, mit ihr, wenn wir uns vor Mathe sehen, vor Englisch, Französisch oder Deutsch, dann bin ich einfach nur glücklich, gelöst, frei.
Ich weiß nicht, wie viel du davon weißt, ich weiß nicht, was du schon erraten hast, denn du bist klug, hast eine unwahrscheinliche Menschenkenntnis und mich kennst du inzwischen auch relativ gut. Ich kann nur hoffen, dass du mit etwaigem Wissen, das du hast - und falls du dies liest wird sich dein Wissen vielleicht ja doch noch vermehren - nur Gutes tust und ich bin sicher, das wirst du, doch ich weiß nicht wie ich damit umginge, wenn ich wüsste, dass du es weißt.
Die Straßenbahn macht gerade ihre 90° Kurve. Gleich müssen wir aussteigen, aber ich will eigentlich noch nicht. Nur zögernd findet mein Rucksack auf meinen Rücken. Es wäre zu einfach, wäre es, wie ich es wollte. Es wäre aber auch sicherlich nicht das, was Menschen von mir erwarten würden, wenn ich jetzt einen Schritt hin zu den Anderen mache. Es ist potentiell Aufmerksamkeitserregend und damit ein Risiko. Und ich scheitere immer an Risiken und so werde ich leider kaum je dazu kommen, diesen Schritt zu machen, der notwendig wäre, diesen Schritt auf sie zu.
Inzwischen sind wir fast an der Schule. Ich weiß, ich brauche deine Hilfe, ich brauche sie noch einmal. Doch ich traue mich nicht, sie zu erfragen. Aber eins sei dir Gewiss (oder eigentlich zweierlei aber na gut): Ich stehe schon jetzt in deiner Schuld, sodass ich für dich da sein möchte, solange die Zeit es erlaubt. Und außerdem bist du für mich eine Schwester, für die ich sowieso immer da sein will, also tu mir bitte den Gefallen und lass mich helfen, wenn ich helfen kann. In Liebe...
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