5. Kapitel
„Brav sein, in Ordnung?" Eindringlich schaue ich meine kleine Malteserhündin an. Dolly jedoch guckt ganz unschuldig zu mir auf.
Mein Herz rast alleine bei dem Gedanken, dass ich mich gleich auf den Weg zu meiner ersten Selbstverteidigungsstunde mache. Ich bin so aufgeregt, dass ich beinahe meinen schwarzen Turnbeutel mit der goldenen Aufschrift Pfoten weg, mein Frauchen vergesse.
„Ich bin gar nicht lange weg, versprochen." Gerade als ich mir meine schwarzen Sneaker anziehen möchte, fällt mir noch etwas ein. „Ach Dolly, entschuldige. Ich habe dir doch einen Kauknochen versprochen, damit meine Abwesenheit für dich erträglicher wird."
Dolly scheint meine Worte zu verstehen, denn zack, fängt sie auch schon zum Schweifwedeln an. Freudig tanzt sie um mich herum, als ich der Vorratskammer näherkomme. Sie weiß ganz genau, was sich darin befindet.
„Mach mir nichts kaputt, hörst du?", rede ich auf sie ein, kann mir bei ihrem freudigen Anblick aber das Lächeln nicht verkneifen. Als nächstes schicke ich sie in den Sitz, danach bekommt sie einen Kauknochen, der der Größe ihres Kopfes durchaus Konkurrenz machen kann. Aber ich bin schließlich eine Zeit lang weg, da darf ich sie ruhig ein bisschen verwöhnen.
‚Pft Porter, von wegen, sie ist nur ein kleiner Hund', denke ich, während ich Dolly kurz beobachte, und mir klar wird, dass Porter zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag meine Gedanken dominiert. Unser gemeinsames Sport-Date war übrigens wirklich gut verlaufen, bis es dann durch einen plötzlichen Regenschauer abrupt ein Ende hat nehmen müssen.
Mein Blick wandert zur Uhr, ehe ich zurück zu Dolly schaue. Wie glücklich sie mit ihrem Leckerchen doch ist. Ein noch breiteres Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, denn ich könnte ewig hier stehenbleiben und meine Hündin beobachten. Wenn ich ihr zuschaue, egal was sie macht, dann verpuffen alle Sorgen in der Luft. Doch dann scheinen die Ziffern der Uhr langsam in meinem Verstand anzukommen, denn meine Augen wandern erneut erschrocken zur Wanduhr.
Verdammt, wer hat an meiner Uhr gedreht?
„Scheiße, ich bin spät dran. Bis später, Dolly!" In Windeseile ziehe ich mir die Schuhe an, laufe mit meinem Turnbeutel auf dem Rücken zu meinem Auto, entsperre es, und setze mich hastig hinter das Lenkrad. „Bei meiner ersten Stunde sollte ich echt nicht zu spät kommen", murmle ich, während ich zeitgleich den Schlüssel ins Zündschloss stecke. Außerdem freue ich mich schon auf die Einheit, wenngleich ich auch sehr aufgeregt bin.
Ich bin so hibbelig, dass ich beinahe eine ältere Dame übersehen hätte, die über den Zebrastreifen gehen möchte. Zum Glück bremse ich noch rechtzeitig, und rüge mich selbst in Gedanken.
„Es ist nur ein Selbstverteidigungskurs, kein Grund die Nerven zu verlieren", wispere ich in die Stille hinein. Während ich also vor dem Schutzweg stehe, atme ich bewusst tief ein und aus, ehe ich weiterfahre. Mein Herz rast dennoch in meiner Brust, ich kann nichts dagegen tun.
Schon als ich zum Parkplatz des Sportzentrums einbiege, erkenne ich eine freie Parklücke direkt vor dem Eingang. Das muss heute mein Glückstag sein.
Geschickt lenke ich mein Auto zwischen den Gassen hindurch, bis ich leider erkennen muss, dass der Parkplatz mittlerweile belegt ist. Ich ziehe die Nase kraus, denn ich habe nicht einmal eine Minute bis hierher gebraucht. Was für ein Pech ...
„Das gibt's doch nicht", entkommt es mir allerdings keine Sekunde später entrüstet. Ich erblicke einen gelben Sportwagen anstelle eines leeren Parkplatzes, und bin mir ganz sicher, dass es sich um denselben Sportwagen handelt, wie letztens in der Stadt.
Leise vor mich hin fluchend lege ich den Rückwärtsgang ein, und parke mein Auto auf einem anderen Stellplatz.
Meine Nervosität ist in Wut umgeschwungen, und das nur wegen diesem fremden Typen. Dabei habe ich ihn heute noch nicht einmal gesehen, weiß aber hundertprozentig, dass das sein Wagen ist. Wieso schnappt er mir meine Parkplätze ständig vor den Augen weg?
Die Mittagshitze hat es heute in sich, sodass ich jetzt schon schwitze, obwohl meine Stunde noch nicht einmal begonnen hat. Meine schwarze Leggins und das dunkelgrüne Top, welche ich für die heutige Einheit ausgesucht habe, lassen nasse Flecken zum Glück nicht so leicht erkennen, obwohl es mir im Grunde egal ist, wenn man mir die Sporteinheit ansieht. Frische Wechselkleidung habe ich in meinen Turnbeutel ohnehin eingepackt.
Ich entferne mich soeben von meinem Auto, als ich neben dem Eingang der Sporthalle einen blonden Wuschelkopf erkennen kann.
Der Sportwagenbesitzer, eindeutig.
Was will der Kerl eigentlich hier? Angeber, wie er, gehen vermutlich nur des Ansehens wegen zum Sport.
„Hey! Du stehst schon wieder auf meinem Parkplatz." Der Mann, der mir erneut irgendwie bekannt vorkommt, hebt den Kopf und starrt mich vollkommen verdutzt an. Dieser Ausdruck weilt aber nicht lange auf seinem Gesicht, denn bald schon wird er wissend.
„Dir auch einen guten Tag", begrüßt er mich, wohl, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich ein Gespräch auch so mit ihm hätte beginnen können. Sein Handy, auf das er soeben noch geschaut hat, lässt er sinken. „Ich sagte es dir schon einmal. Nicht zögern, sondern nehmen. Außerdem habe ich dich und deine flotte Karre heute noch gar nicht gesehen." Er grinst mich verschmitzt an, was mich mit den Zähnen knirschen lässt.
Eingebildeter Schnösel.
„Heute hast du mir den Parkplatz zwar nicht vor der Nase weggenommen, aber es war trotzdem schon meiner." Mist, ich weiß selbst, wie trotzig ich klinge, und vermutlich wäre eine Entschuldigung angebrachter, doch dafür bin ich zu stolz. Am liebsten würde ich ihn jetzt einfach so stehen lassen, aber da habe ich die Rechnung ohne ihn gemacht.
„Ist sich die schickimicki Lady mit ihrem kleinen Wadenschnapper denn zu fein, ein paar Meter zu Fuß zu gehen?"
Mir klappt der Mund auf. Ja, gut, ich war auch nicht unbedingt höflich gewesen, aber das geht dann doch zu weit. Na warte, du Schönling, jetzt bekommst du was zu hören!
„Wadenschnapper?", ist allerdings das einzige gestammelte Wort, welches meinen Mund verlässt. Meine Gehirnzellen, die mich soeben noch wie eifrige Cheerleader angefeuert haben, verstummen leider, sobald ich den Mund öffne. Danke auch.
„Als Hund kann man dein kleines Wölfchen bei Gott nicht bezeichnen."
„Dolly beschützt mich", verteidige ich meine vierbeinige Freundin. „Sie macht ihren Job perfekt."
„Der kleine Taschenhund soll dich beschützen?" Plötzlich heben sich seine Mundwinkel, als würde ihm soeben ein Licht aufgehen. „Besuchst du etwa den Selbstverteidigungskurs?"
„Ich wüsste nicht, dass dich das etwas angeht", entgegne ich bissig und recke das Kinn, doch sein Grinsen verschwindet einfach nicht. „Dolly hat es übrigens faustdick hinter den Ohren. Zudem kann sie für Fremde sehr angsteinflößend sein. Wäre ich du, würde ich mich vor ihr in Acht nehmen." Da ich meinen Worten selber nicht allzu großen Glauben schenke, kommen sie vermutlich bei meinem Gegenüber nicht ganz so überzeugend an. Dolly ist einfach viel zu gutmütig – zu jedem.
„Ich nehme mich nur vor Malinois in Acht." Er zwinkert mir zu. Verflucht, und dieses Lächeln. Warum muss dieser Mann mit so schön gereihten, strahlend weißen Zähnen gesegnet sein? Und dieses Sixpack, welches ich eindeutig unter seinem Sportshirt ausmachen kann, lässt mein Gehirn auf einmal ganz matschig werden. Von wegen er geht nur des Ansehens wegen zur Sporthalle, denn er sieht so aus, als würde er hier vermutlich stundenlang trainieren. Sowas macht man nicht nur des Ansehens wegen ... Verflixt und zugenäht, wäre er doch bloß etwas weniger attraktiv!
Nachdem ich lange genug ungeniert auf seine Brust gegafft habe, dringen seine nächsten Worte in meine Ohren. „Obwohl ich vor so einem zähnefletschenden Rottweiler auch Abstand halten würde. Bei Wolfshunden ebenso, schon mal einen gesehen? Aber bei deiner kleinen Fußhupe? Ne, sorry."
Erneut bin ich sprachlos, und das nicht nur wegen seines Aussehens. Bevor ich den Strohkopf allerdings noch länger entgeistert anstarre, sehe ich lieber zu, rechtzeitig zur ersten Einheit zu gelangen. Deshalb blinzle ich ein letztes Mal, ehe ich vollkommen genervt von diesem Kerl und meinen Hormonen in der Sporthalle verschwinde.
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Ein riesiges Dankeschön geht an violetcrow_ ! Vielen Dank, dass du dieses unterhaltsame Kapitel geschrieben hast!
Lasst violetcrow_ gerne euer Feedback da!
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