29. Juni 1997 (Teil 2)
I wish there was a way to know you were in the good old days before you actually left them. - Andy Bernard
29. Juni 1997
Mein schwarz-grünes Kleid wirbelt eine dünne Schmutzschicht hinter mir auf und einzelne Strähnen meiner mit viel Haarspray hochgesteckten blonden Haare fallen mir stilvoll ins Gesicht, als ich in die dunklen Kerker stolziere. Ein letztes Mal fingere ich den kleinen Totenkopf zurecht, der den leichten Stoff meines Kleides auf Brusthöhe zusammenhält und lächele im Vorbeigehen mit meinen schwarz geschminkten Lippen meinem Spiegelbild in der Fensterscheibe zu.
Könnte der werte Herr Grindelwald jetzt bitte rein zufällig meinen Weg kreuzen?
Die Partymusik und das Geschrei pubertierender Jugendlicher sind schon von weitem zu hören. Während ich immer weiter in das Territorium der Schlangen vordringe, halte ich nach Perseus Ausschau.
„Soso, das dreckige Schlammblutmädchen", dringt eine keifende Stimme an meine Ohren.
Ich drehe mich um und sehe mich den großen Gestalten von Blaise Zabini und Rolf Rosier gegenüber. Beim Anblick der Jungs flammt gleitende Wut in meinen Augen auf, doch, als ich spreche, ist meine Stimme kalt wie Eis. „Als stolze Pinecone erwarte ich eine gewisse Menge an Respekt von anderen Reinblütlern", zische ich.
„Ach ja", lacht Rosier. Gemeinsam mit seinem Freund nähert er sich mir, bis ich mich zwischen den großen Gestalten und der steinernen Wand eingeengt wiederfinde. „Nur leider, leider gibt es keine Aufzeichnungen über eine Ehe zwischen einer Pinecone und deinem dreckigen Muggelvater. Mir sind die Gerüchte über deine wahre Herkunft aus einem nichtsbedeutenden Muggelloch nicht entgangen. Mädchen, deiner falschen Zunge könnte die Todesstrafe drohen."
Stur erwidere ich seinen Blick. Sein Gesicht ist dem meinen so nah, dass ich den Weg der Schweißperlen auf seinem schwarzen Haaransatz hätte verfolgen können. „Was weißt du schon?", zische ich und will mich von den Jungs abwenden, doch Rosier hält mich mit einem festen Griff an meiner Schulter zurück.
„Viel mehr als du, Schlammblut. Oh, und wo wir schon bei armseligen Nichtsnutzen sind, ich schätze, ohne deinen Collins-Freund wird es heute nichts mit der Party, nicht wahr?"
Ich ziehe genervt eine Augenbraue in die Höhe. „Und warum, Rosier, ist dein erbsengroßes Hirn auf die Idee gekommen, Perseus würde heute Abend nicht erscheinen?"
Der Slytherin lacht hämisch, als wäre er der Meinung, an mich herangekommen zu sein. „Oh, dein Perseus wird lange auf sich warten lassen. Ungefähr so lange, wie das Nichtsnutz seiner Großtante brauchte, um zu bemerken, dass keiner sie wi..."
Knall!
Eine Menge Blut spritzt auf unsere schwarzen Umhänge, als meine Faust gegen seine Nase kracht.
„Das kriegst du zurück, du dreckiges Schlammblut!", schreit der Junge und schwingt mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Fäuste. „Blaise, schnapp sie dir!"
Ich deute mit dem Zauberstab auf den Braunhaarigen. „Sag mir das Passwort zum Gemeinschaftsraum, Zabini." Kaum hat der Junge die Zeit, verwirrt seinen Mund zu öffnen, da erreicht ihn auch schon mein Zauber: „Legilimens!"
Durch die rasante Wucht meiner Wut stolpert der Jäger mit einem Schmerzensschrei nach hinten und fasst sich mit beiden Händen an den Kopf. Schnell finde ich das Passwort in den Gedanken des Slytherins, verlasse seinen Geist und sprinte auf den Partylärm zu.
„Schlammblütler raus", sage ich zu der Steinwand und schlüpfe durch die nun entstandene Öffnung.
Sofort dröhnt die viel zu laute Musik in meinen Ohren und ich werde von der dichten Masse von nach Schweiß stinkenden Jugendlichen regelrecht erdrückt. Mit Ellenbogen und Flüchen bahne ich mir einen Weg durch die Masse. Das grünliche Licht von draußen drängt die vielfältigen Snacks in ein schauriges Licht und lässt die lachenden Gesichter dämonisch und geisterhaft wirken. Die scheinbar immer lauter werdende Stimme der Sängerin wiederholt immerzu die Worte „Dann wird das Blut fließen und des Teufels Dämonen..."
Ich bleibe neben dem grünlichen Fenster stehen, durch das man eine ruhige Unterwasserlandschaft sehen kann und lege meinen Zauberstab flach auf die Handfläche.
„Weise mir Perseus Collins", murmle ich, doch der Zauberstab reagiert nicht.
„Schlammblut!", reißt mich jemand aus den Gedanken.
Ich werde heftig am Kragen gepackt und herumgerissen. Instinktiv schwenke ich meinen Zauberstab in die Richtung meines Angreifers und lasse ihn in hohem Bogen nach hinten fallen. Für einen kurzen Moment liegt Rosier mit gespreizten Gliedern auf dem Boden, bis er mit einem Ruck aufsteht. Ich hätte wissen sollen, dass ich die Jungs so schnell nicht loswerde.
„Prügelei, Prügelei!", erreichen uns auch schon die Rufe der Feiernden.
Mit einem kurzen Blick über die Schulter sehe ich, wie sich die Slytherins in einem Halbkreis um mich und den Sechstklässler versammelt haben.
„Wo ist Perseus Collins?", zische ich gefährlich, packe Rosier am Kragen und halte dem Jungen meinen Zauberstab an die Kehle.
„Densau...", zischt der Slytherin.
„Accio Zauberstab!", unterbreche ich ihn und fange seine Waffe auf. „Sag mir nun, was du über Perseus weißt. Wo ist er?"
„Was steht ihr da rum?", brüllt Rosier und ich grinse, als ich die leichte Panik in seiner Stimme höre. „Greift sie an, sie ist ein Schlammblut, keine Slytherin!"
„Rosier", murmle ich, „bist du wirklich so dumm wie deine Urgroßtante, oder tust du nur so? Weißt du, was das ist?" Ich fuchtle provokant mit seinem Zauberstab in der Luft und weiche seinen schwingenden Fäusten aus. „Und weißt du, was ich damit mache, wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, was du über Perseus Aufenthaltsort weißt?" Ich mache eine Bewegung, als würde ich den Zauberstab in der Hälfte durchbrechen.
Die zu Schlitzen verengten Augen des Schwarzhaarigen blicken von mir zu der Menge und wieder zurück. „Meinetwegen, du würdest es sowieso früher oder später bemerken. Komm mit, Schlammblut", zischt er und ruft an die Menge gewandt, „Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten, ihr Jammerlappen!"
„Also, was weißt du?"
„Collins fehlt schon seit heute morgen. Wahrscheinlich hat sich der kleine Feigling verpisst, als er eingesehen hat, dass er auch nicht besser ist, als seine tote Großtante."
„Ist das alles?", frage ich und biege unter dem Todesblick des Slytherins seinen Zauberstab in meinen Händen, bis er leise knackt.
„Ich weiß nichts weiter und wenn sich dein Freund mit den falschen Leuten in Schwierigkeiten gebracht hat, oder..." Er hebt hämisch die Mundwinkel. „der kleine Blutsverräter zu deiner Schwachstelle geworden ist, ist das nicht weiter mein Problem. Und jetzt gib mir meinen Zauberstab zurück, aber sofort!"
Provozierend langsam reiche ich ihm den Zauberstab. Rosier reißt ihn mir aus der Hand und sofort schießt ein roter Schockzauber aus der Spitze, den ich mit einer lässigen Bewegung blocke.
„Viel Spaß beim Feiern", rufe ich ihm zuckersüß hinterher, als sich der Slytherin mürrisch in der Menge verliert.
Seufzend greife ich nach einem Butterbier und lasse mich in den Sessel fallen, in dem ich früher in der nächtlichen Dunkelheit versteckt mit Medusa Malfoy gekuschelt habe. Trotz meiner Sorgen fühlt es sich gut an, wieder an dem Ort zu sein, an dem ich aufgewachsen bin. Beinahe sehnsüchtig blicke ich in die freudigen Gesichter der anderen Schüler. Meine Augen verfolgen die lange schmutzigblonde Haarmähne eines jungen Mädchens, das im Takt zur Musik herumwirbelt. Mit den Armen wild gestikulierend dreht sie sich in meine Richtung und für den Bruchteil einer Sekunde habe ich das Gefühl, in das lachende Gesicht Medusas zu blicken. Früher hätte ich ihr verschmitzt zugezwinkert und sie hätte mir im Gegenzug verspielt die Zunge herausgestreckt.
„Igitt, Medusa, hast du gerade wirklich ein anderes Mädchen geküsst. Das werde ich Mama sagen, ist ja widerlich!", mit diesen Worten hatte Actaneus Malfoy, die schreckliche Petze ihres kleinen Bruders, unsere Beziehung auf ewig zerstört. Im Nachhinein natürlich ein klarer Glücksfall, da ich sonst möglicherweise nie die Liebe meines Lebens kennengelernt hätte.
Ich nehme einen letzten Schluck Butterbier, stehe auf und lasse die leere Flasche auf dem Sessel zurück. Unschlüssig bleibe ich einen Augenblick so stehen. Es ist unglaublich stickig und laut und langsam bereue ich es, überhaupt hergekommen zu sein.
„Was für ein süßes Mädchen haben wir denn da?", ertönt plötzlich eine samtweiche Stimme an meinem Ohr und schon liegt die verschwitzte Hand eines fremden Typen an meinem viel zu tiefen Ausschnitt.
„Pfoten weg", zische ich.
Eine winzige Bewegung meines Handgelenkes später heult der Kerl auf und hält sich die blutige Wange. „Autsch! Was sollte das denn jetzt?"
Ausgerechnet in diesem Moment verändert sich die Musik. Von Gitarre und Schlagzeug begleitet stimmt der Sänger der Schwestern des Schicksals eine traurige Melodie an. „Wenn alles dunkel ist und kein Licht mehr scheint, verloren im dunkl'sten Stern der Nacht..."
Um weiterer ungewollter Aufmerksamkeit zu entfliehen, laufe ich lustlos auf die Tanzfläche zu. Eigentlich müsste ich jetzt mit Gellert im Herzen der Party herumwirbeln und die vor Neid triefenden Blicke der Gäste und Akolythen auf mich spüren.
Auf einmal werde ich an der Schulter angetippt.
„Soll ich dir helfen, die Schlickschlüpfe loszuwerden?", fragt mich das blonde Mädchen, das ich vorhin beim Tanzen beobachtet habe.
Ich reagiere nicht direkt, sondern lausche weiter der melancholischen Musik.
„Es gab eine Zeit,
Ich wär' für dich auf glüh'nden Kohlen gelaufen,
Über den blauen Ozean gesegelt,
Den höchsten Berg erklommen,
Nur um deinen Namen zu rufen."
„Was?", fauche ich schließlich, „meinst du damit?"
„Dein Kopf ist voller Schlickschlüpfe", erklärt mir das Mädchen mit einem sanften Lächeln.
„Und was soll das bitte sein?"
„Schlickschlüpfe sind unsichtbare Wesen, die durch deine Ohren in deinen Kopf kriechen, wenn du nicht aufpasst und deinen Verstand aufsaugen, bis du nicht mehr weißt, wer du bist", murmelt sie nachdenklich und beschreibt damit meinen aktuellen Zustand erschreckend genau.
„Die Veränderung liegt in der Luft,
Und nichts wird je wieder so sein wie früher.
Du siehst immer noch gut für mich aus,
Oh, aber du bist nicht gut für mich", klagt der Sänger.
„Warum soll er nicht gut für mich sein?", kommt es nachdenklich aus meinem Mund.
Erst als das Mädchen ihren Kopf schief legt, merke ich, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen habe. „Nun ja, Schlickschlümpfe sind echt gefährlich. Wenn sie erstmal in deinem Gehirn angelangt sind..."
„Ich interessiere mich nicht für deine dummen Gruselgeschichten, Mädchen." Ich deute auf ihre Ravenclaw Schuluniform. „Du solltest besser von hier verschwinden. Das ist Slytherin-Territorium."
Sie blickt mich lange aus großen Augen an, ohne zu blinzeln. Schon gruselig - vielleicht sollte ich das auch mal anwenden. „Ich denke du bist eine Gryffindor", flüstert sie gedankenverloren.
„Und wer bist du, um so mit mir zu reden? Wenn ich sage ich bin eine Slytherin, dann bin ich es auch, verdammt nochmal", schimpfe ich.
„Oh stimmt, ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Ich bin Luna Lovegood", sagt das Mädchen träumerisch.
„Offensichtlich. Niemand außer den Lovegoods ist so", ich deute vage auf die Radieschen, die von ihren Ohren baumeln.
„Nun ja...", murmelt sie verträumt, während sie beginnt wild mit den Armen herumzufuchteln und die Melodie der laufenden Musik vor sich hinzusummen.
„Also nimm deine Hände von mir,
Denn heute Nacht breche ich frei,
Dies ist die Nacht,
Dies ist die Nacht"
„Du wirst noch etwas kaputtmachen, Lovegood", sage ich genervt und beschließe möglichst schnell davonzukommen, bevor mich noch jemand mit einer Lovegood in Verbindung bringen könnte.
„Tut mir leid, aber es sind wirklich viele Schlickschlüpfe in deiner Umgebung", rechtfertigt sich das Mädchen.
„Bedauerlicherweise", sage ich sarkastisch, „interessiere ich mich nicht für deine Fantasiewesen. Dann mal auf nimmer Wiedersehen."
„Warte", sagt sie plötzlich und fixiert mich erneut mit ihren entrückt blickenden Glubschaugen.
„Was?"
„Draco Malfoy sucht dich", sagt sie.
„Was?", entfährt es mir erneut.
„Oh, er war ganz durcheinander und sehr wütend. Er meinte, du würdest seinen Ruhm stehlen und ich denke, er könnte damit Recht haben. Guck mal, es schauen schon alle zu dir!"
„Hat er irgendetwas über Perseus Collins gesagt?"
Sie lächelt sanft. „Nein, er hatte es sehr eilig. Ich glaube, die Nargel waren hinter ihm her. Das würde auch erklären, warum er so wütend war."
Ich seufze ungeduldig und dringe mit ein wenig Legilimentik in ihren Geist ein. Einen Moment lang bin ich einfach nur verwirrt. So etwas wie die Gedanken dieses Mädchens ist mir noch nie unter die Augen getreten. Ich, ein echt talentierter Legilimens, muss mich tatsächlich anstrengen, um an die wesentlichen Informationen zu kommen. Später muss ich die Blonde unbedingt mal unter die Lupe nehmen, denn dieser Kopf wäre das perfekte Versteck für irgendein dunkles Geheimnis.
„Gibt es irgendetwas, was du mir verschwiegen hast?", frage ich, weil ich weiß, dass sie dann automatisch und unfreiwillig an genau das denken wird. „Potter ist mit Dumbledore verschwunden... und er hat dich und seine Freunde zusammengerufen, um die Gänge zu kontrollieren? Interessant..."
„Es ist unhöflich, in den Kopf anderer einzudringen", erwidert das Mädchen sachte.
„Ich muss los", murmle ich.
„Okay", lächelt Lovegood und beginnt wieder, die Musik mitzusingen.
„Nimm deine Hände von mir,
Denn heute Nacht breche ich frei,
Dies ist die Nacht, oh-oh
Dies ist die Nacht!"
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