Epilog
Ein wenig nervös fuhr ich mir durch meine schwarzen Haare und beobachtete die Frau gegenüber genaustens dabei, wie sie kurz den Artikel überflog. Ihr Gesicht hatte einen konzentrierten Ausdruck angenommen: Die blauen Augen hatte sie leicht zusammengekniffen und ihre Lippen waren zu einem Strich verzogen, während sie sich mit ihrer Hand nachdenklich über das Kinn kratzte.
Es war der Moment, auf den ich seit meinem dreizehnten Lebensjahr hingearbeitet hatte und nun war ich tatsächlich hier. Vor knapp zwei Wochen hatte ich meinen Artikel endlich fertiggestellt und zusammen mit Chads Empfehlungsschreiben, meinen Zeugnissen und meinem Lebenslauf an die Criminal geschickt. Nur einige Tage später hatte ich die Einladung zu diesem Gespräch erhalten.
„Und das ist wirklich alles so abgelaufen?", fragte mich die Chefin der Zeitung argwöhnisch, aber doch mit einem freundlichen Lächeln, welches ich erwiderte. „Ich versichere Ihnen, dass es genau so abgelaufen ist. Ich habe sonst auch einen Beweis", erklärte ich und klopfte lachend auf meine verwundete Schulter. Dabei schoss ein leichter Schmerz durch die diese, den ich jedoch breitwillig für das Lachen meiner Wunsch-Chefin in Kauf nahm.
„Was ist passiert, nachdem Sie Detective Wilson alles erzählt haben?", hakte die blonde Frau weiter nach. Ich hatte beschlossen, den Artikel mit dem letzten Verhör enden zu lassen, da alles Weitere nicht mehr in meiner Macht gelegen hatte.
Mein Lächeln breitete sich noch weiter aus, da ich ihre vielen Fragen hinsichtlich des Artikels als gutes Zeichen sah. Die Standardfragen waren längst abgearbeitet und ich glaubte, mich ganz gut geschlagen zu haben. Und nun war ich endlich in meinem Element, denn ich wollte meine Leidenschaft hiermit zu meinem Beruf machen. Dafür musste ich keine möglichst guten Antworten üben.
„Ich bin mit der im Artikel erwähnten besten Freundin zu meinen Eltern gefahren. Detective Wilson hat sein Wort gehalten und bereits knapp zwei Wochen später wurde Peter Jones in einem anderen Bundesstaat verhaftet. Detective Wilson hat mich stets auf dem Laufenden gehalten, vermutlich wusste er, wie schwer es mir fiel, diesen Fall nicht zu Ende zu bringen. Aber all meine Möglichkeiten waren ausgeschöpft und ich weiß, dass ich mehr zu dieser Aufklärung beigetragen hatte, als mir gut tat."
Der erste Gerichtstermin war auch bereits angesetzt, allerdings würde dieser erst in acht Monaten stattfinden. Bis dahin blieb das Monster jedoch eingesperrt und ich war fest davon überzeugt, dass sich dies auch nach der Gerichtsverhandlung nicht ändern würde.
Nachdem Peter Jones verhaftet worden war, stürzte die lokale Presse sich auf ihn und sein näheres Umfeld. Er lebte ein normales Vorstadtleben in einem schönen Haus, hatte einen guten Job und zwei minderjährigen Söhne, die nun ohne Vater aufwachsen mussten – genauso wie die Tochter von Alejandra Gonzalez, die aufgrund einer Initiative von Justin Clearwater und dessen Schülerschaft nicht abgeschoben wurde und nun hier nach einer Pflegefamilie für sie gesucht wurde. Offenbar hatte ich den Mann ein wenig traumatisiert, aber bei diesem Ergebnis würde ich jederzeit wieder genauso handeln.
„Die Frage ist mir sehr unangenehm, nach all dem Einsatz, den Sie gezeigt haben. Aber sind Sie nun vorbestraft? Aus dem Artikel gehen eine beträchtliche Anzahl an Straftaten hervor, die wir hier bei der Criminal nicht tolerieren können."
Für einen winzigen Augenblick verschwand mein Lächeln. Mir war bewusst, dass meine im Artikel klar beschriebenen Methoden nicht gut ankommen würden bei meinem – hoffentlich – zukünftigen Arbeitgeber. Doch eben diese Methoden waren es, die schlussendlich zu der Lösung beigetragen hatten. Und das war das Wichtigste. Nicht dieser Artikel, nicht mein Lebenstraum und auch nicht die gesundheitlichen Schäden, die ich ganz offensichtlich davon getragen hatte, sondern die Gerechtigkeit für diese arme Frau.
Dennoch hatte ich gute Chancen, da Detective Wilson nicht nur hinsichtlich der Aufklärung sein Wort gehalten hatte.
„Nein. Die Staatsanwaltschaft hat keine Anklage gegen mich erhoben, da ich Maßgebliches beigetragen habe. Meine Akte ist also rein und ich verspreche Ihnen, dass ich solche Methoden nie wieder anwenden würde." Möglicherweise war das gelogen, denn tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich jederzeit wieder genauso handeln würde. Mit einem einzigen Unterschied: Ich würde meine Freunde niemals wieder so von mir wegstoßen. Gemeinsam war man eben doch am Stärksten, was nicht hieß, dass ich sie ausnutzen durfte.
Außerdem hatte ich gelernt, dass man nicht alles allein bewältigen konnte. Ich war eine starke, toughe und unabhängige Frau. Dennoch befand ich mich seit einigen Wochen in Therapie, um die Erinnerungen, die mich jede Nacht verfolgten, langsam an den Rand meines Bewusstseins zu schieben.
Abwartend sah ich die Personalchefin an, die gerade dabei war, den Artikel wegzulegen. Anschließend reichte sie mir ihre Hand, die ich voller Vorfreude und Optimismus ergriff.
„Wir setzen darauf, dass Sie stets genauso handeln würden. Was wir brauchen sind Kämpfer wie Sie. Sie kämpfen für Gerechtigkeit und für die Wahrheit. Wir brauchen genau diese Leidenschaft, die Sie an den Tag legen. Willkommen im Team, Sophia."
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