24. Kapitel
„Ich glaube, sie wacht wieder auf", nahm ich eine gedämpfte Stimme wahr, die mich dazu brachte, sofort meine Augen öffnen zu wollen. Doch so sehr ich mich auch bemühte; meine Augen blieben fest verschlossen. Ich spürte, wie mein Herz kräftiger und schneller gegen meine Brust schlug, während ich meinen Körper weiterhin nahezu anschrie, das zu tun, was ich ihm sagte.
Was war überhaupt passiert?
„Wir wissen, dass du wach bist, Sophia. Du kannst uns also nicht belauschen", schaltete sich eine weitere Stimme ein, die ich eindeutig als Chads identifizieren konnte. Dank seiner gesprochenen Worte kehrten bruchstückhaft Erinnerungen zurück: Wie ich Chad zu mir einlud, wie wir uns stritten und ich ihn schlussendlich mehr oder weniger aus meiner Wohnung geschmissen hatte. Seine Bevormundung hatte mich genervt, dabei hatte er lediglich vorgeschlagen, ich könnte einige Tage bei ihm und seinem Mann unterkommen, um vor dem Mörder in Sicherheit zu sein.
Der Mörder.
Ruckartig schlug ich die Augen auf, was mir aus unerfindlichen Gründen offenbar wieder möglich war. Ich konnte mich wieder daran erinnern, wie er mich mit einer Waffe verfolgt hatte, wie ich auf der Straße zusammengebrochen war, wie mir im Krankenwagen jemand etwas über meine Schusswunde erklärte und schlussendlich wie ich durch einen sterilen Flur mit viel zu hellen Deckenlampen geschoben wurde.
Während ich stoßweise atmete, sah ich mich in dem kleinen Zimmer um, voller Angst, Peter Jones zu entdecken. Er wollte mich umbringen. Ohne diese Alarmanlage wäre ich mittlerweile tot, hätte seine Ankunft in meiner Wohnung wahrscheinlich kaum mitbekommen. Und was sollte ihn nun hier, in diesem fremden sowie kargen Zimmer davon abhalten, mich zu erschießen?
Mit aller Kraft versuchte ich, mich aufzurichten – und scheiterte grandios. Nicht nur war ich hier nahezu ungeschützt, nein, ich war auch noch wehrlos. Er würde mich umbringen. Vermutlich war er schon ganz nah.
Das Atmen fiel mir immer schwerer und als ich plötzlich eine Hand auf meiner spürte, setzte mein Herzschlag aus. Ich wollte schreien, ich wollte um Hilfe rufen, doch meine Kehle war staubtrocken und so gelang es mir nicht, auch nur ein Wort herauszubringen.
„Hey Sophia. Alles ist gut. Niemand kann dir etwas tun", redete die erste weibliche Stimme beruhigend auf mich ein. Tatsächlich merkte ich, wie mein Puls sich langsam wieder normalisierte und auch das Gefühl der Machtlosigkeit verschwand. Stattdessen spürte ich ein warmes Gefühl in mir aufsteigen und sah zu der Sprecherin.
Hayden saß auf der Kante meines Bettes und lächelte mich an, während sie meine Hand hielt. So, als wäre nie etwas passiert, als hätte ich ihr nie all diese schrecklichen Sachen angetan. Mein Herz zog sich zusammen und ich spürte, Tränen über meine Wangen laufen. Tränen der Erleichterung und welche der Freude.
„Ich bin so froh, dass du hier bist." Die Worte mit rauer, leiser Stimme auszusprechen, war ein wahrer Kampf. Doch als ich sah, dass auch in Haydens Augen Tränen glitzerten, wusste ich, dass dieser es wert war. „Und ich bin froh, dass du deinen Irrsinn überlebt hast. Sobald du wieder gesund bist, kannst du dich aber auf eine Predigt gefasst machen!"
Ich lachte leicht, oder zumindest versuchte ich es, ehe ich die anderen Personen in dem übersichtlichen Raum mit den weißen Wänden musterte. Chad trug, wie immer, einen grau-karierten Anzug und lehnte sich mit verschränkten Armen an dem Fensterbrett an, ein Lächeln im Gesicht, obwohl seine Augen noch immer Funken sprühten. Außerdem war Peyton mitsamt Uniform da; er sah abwechselnd zwischen uns und der Tür in seiner unmittelbaren Nähe hin und her. War er etwa im Dienst?
Gerade als ich meine Fragen stellen wollte, stand Hayden auf und zückte ihr Handy. „Ich muss kurz deine Eltern und deinen Bruder anrufen. Ich sage ihnen, dass du wach bist und dich spätestens morgen auf den Weg machen wirst!" Damit verschwand Hayden auch schon energisch aus dem Zimmer, während eine weitere Unklarheit in meinem Kopf auftauchte.
Warum sollte ich zu meinen Eltern nach Kanada? Peter Jones.
„Chad, ich", setzte ich an, doch mein Chef unterbrach mich mit einer gebieterischen Geste. Augenblicklich schloss ich meinen Mund wieder und wartete darauf, dass irgendwer mir langsam erklärte, was hier überhaupt los war.
„Wir wissen genau, was passiert ist, Sophia. In deiner Wohnung wurde ein Haar des Einbrechers gefunden. Ich habe einiges in Bewegung gesetzt, damit das analysiert wird und ja, es gab eine Übereinstimmung mit dem Mörder von Alejandra Gonzalez."
Er gab mir eine Pause, um all das zu verarbeiten. Hatte ich es also wirklich geschafft, Peter Jones ins Gefängnis zu bringen? Aber wenn dies der Fall wäre, würden sie mich wohl kaum über die Landesgrenze schaffen wollen. Außerdem war ich langsam besorgt, wie lange ich weggetreten gewesen war, wenn es für die Spurensicherung und die Forensiker reichte, um eine solche Übereinstimmung festzustellen. Hatte ich etwa im Koma gelegen?
„Keine Panik, Sophia. Heute ist Mittwoch, der Angriff auf dich war am Samstag. Aber du warst zwischendurch immer mal wieder wach, nur stark mit Schmerzmitteln betäubt und sehr erschöpft. Die Erinnerungen daran werden bestimmt irgendwann zurückkommen", nahm Chad mir mit ruhiger Stimme die Angst, die mir offenbar anzusehen war. Erleichtert sackte ich zusammen und wartete darauf, dass er mit dem Fall Peter Jones fortfuhr, was er nach wenigen Momenten auch tat.
„Wer derjenige ist, konnte allerdings noch nicht ermittelt werden. Ich gehe davon aus, dass du denjenigen identifizieren kann?" – „Es war Peter Jones", antwortete ich schlagartig und sah, wie Chad wissend nickte. Natürlich kannte er die Antwort schon, denn ich hatte ihm schon vor diesem unglücklichen Zwischenfall seinen Namen genannt.
„Gut. Sobald du wieder vernehmungsfähig bist, wird deine Aussage aufgenommen. Daraufhin kann ein richterlicher Beschluss erwirkt werden, der zu seiner Verhaftung führen wird. Selbst im Eilverfahren wird das einige Tage in Anspruch nehmen, weshalb wir dich nach deiner Entlassung zu deinen Eltern bringen werden. Wir werden nicht zulassen, dass dir etwas passiert."
Ich ließ mir seine Worte immer wieder durch den Kopf gehen, versuchte das kleine Detail zu finden, was mich störte. Einige Tage. Der Psychopath hatte auf mich geschossen und würde es mit Sicherheit wieder versuchen, galt so so etwas nicht schon als Gefahr in Verzug?
„Warum wird er nicht sofort verhaftet?", stellte ich irritiert genau die Frage, die mir gerade im Kopf herumgeisterte. Chad nickte Peyton zu, der langsam auf mein Bett zukam, sich wie Hayden eben auf dem Rand niederließ und mich fest ansah.
„Bei einer Verhaftung muss alles ordnungsgemäß ablaufen, alles andere kann in einem späteren Prozess für ihn verwendet werden. Leider bist du die einzige Zeugin, die ihn identifizieren kann und ich muss dir sagen, dass du aufgrund deiner Aktionen keine vertrauenswürdige Zeugin mehr bist. Die Erpressung, das Schmiergeld, dich als Journalistin auszugeben... Es tut mir leid, Sophia, aber wir müssen einen offiziellen Beschluss abwarten, um auf der sicheren Seite zu sein. Und bis dahin möchten wir, dass du in Sicherheit bist. Hayden wird dich nach Windsor begleiten und wir werden dich auch stets auf dem Laufenden halten."
Was war das schon wieder für ein System? Mir hatten sie die Ergreifung dieses Monsters zu verdanken und dafür wurde ich als vertrauensunwürdig eingeschätzt? Das war wohl ein Witz. Ich überlegte mir schon, wie ich am besten dagegen angehen konnte, doch als Hayden wieder den Raum betrat, wusste ich, was ich stattdessen tun musste.
„Nur fürs Protokoll: Ich bin Journalistin und habe mich nicht nur für eine ausgegeben." Dies entlockte dem Polizisten neben mir ein leises Lachen sowie ein fast schon anerkennendes Nicken. Doch ich war noch nicht fertig.
„Holt den zuständigen Detective her. Ich bin bereit, meine Aussage zu machen. Lasst uns diesen Mistkerl endlich hinter Gitter bringen."
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