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Dance Of The Sugarplum Fairy

„Es tut mir leid."
Milo war sprachlos. Was sollte er darauf antworten? ‚Ach, ist schon okay'? Aber es war eben nicht okay. Nichts von dem, was er getan hatte, war in entferntester Weise okay. Es gab nun einmal Dinge, die sich einfach nicht verzeihen ließen.
In dem Wohnzimmer herrschte eine so bedeutende Stille, dass Milo hätte schwören können sie auf seinen Schultern wie zwei schwere Gewichte zu spüren. Er saß auf dem Boden, angelehnt an den Ledersessel und starrte vehement den Boden an. Und das seit mindestens einer geschlagenen halben Stunde.
„Milo, bitte...", Raymond rutschte von der Couch und kniete sich mit einem Sicherheitsabstand von einem halben Meter zu Milo auf den Boden. Er streckte seinen Arm aus und versuchte Milo an der Hand zu fassen zubekommen, doch der Jüngere wich aus. Milo hob den Blick an, wobei seine grünen Augen im kalten Licht der Pendelleuchten gleichzeitig gläsern und gefährlich wirkten.
„Fass mich nicht an.", zischte er mit solch einer Wucht, dass Raymond zurück zuckte. Die schrille Stimme Milos durchschnitt die Stille wie ein Messer, das durch weiche Butter schnitt. Der Privatdetektiv musterte sein Gegenüber einige Sekunden. Raymond erkannte bloß eins in Milos Blick: Abscheu und Ekel. Es brach ihm das Herz.
„Bitte, lass mich versuchen..."
„Halt' den Mund!", unterbrach Milo den Anderen sofort. Doch Raymond ließ sich nicht so schnell abschütteln.
„Ich liebe dich!", versuchte er flehentlich klarzumachen. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf so entschlossen, als hätte er seinen Lebtag nichts anderes gemacht.
„Ich kenne dich nicht."
Und mit diesen Worten stand Milo auf.

Jetzt fühlte sich Raymond wieder, wie der einzige Zuschauer in seinem Film. Er spürte wie ihn tausend Gefühle mit einmal ergriffen. Es war besser, wenn man sein Leben allein lebte. Wenn man Menschen um sich hatte, die man liebte, dann wurde einem zwangsläufig das Herz gebrochen. Gebrochen war gar kein Ausdruck. Das Leben stülpte einen des Öfteren regelrecht von innen nach außen. Entweder gingen die Geliebten selbst oder sie wurden einem schmerzhaft entrissen, bevor man sich auch nur in irgendeiner Weise verabschieden konnte. Das war nicht gerecht. Nichts von alle dem war gerecht. Schon oft hatte sich der Psychiater gewünscht nie geboren worden zu sein. Er hätte nicht zusehen müssen, wie der Krebs seine Mutter langsam dahin gerafft hatte oder wie das Leben ihm vor wenigen Stunden die letzte Bezugsperson einfach entrissen hatte. Raymond war sich sicher, dass er es nicht überleben würde, wenn Milo jetzt ging. Wieso hatte er diese Menschen umgebracht?
Die Frage hallte in seinem Schädel seit Monaten hin und her. Er dachte stetig daran. An jedes einzelne seiner Opfer. Aber für ihn waren es keine Opfer.
Raymond wusste, dass er krank war. Er war schrecklich krank, er war das, was man im Volksmund als geistesgestört bezeichnete. Schon seit seine Mutter eines Abends krank nach Hause gekommen war, wusste er, dass jemand dafür büßen musste. Und nicht irgendjemand. Die Verantwortlichen mussten bezahlen. Der CEO der Eisenfabrik, der entgegen all der Forderungen nicht den allgemeinen Sicherheitsvorschriften nachkam und die Lungen seiner Mitarbeiter mit Chemikalien und Staub verätzte. Und es war ihm scheiß-egal gewesen. Er saß ganz oben auf einem Haufen Kohle, geschmückt mit den Knochen der Arbeiter, die Stück für Stück dahin rafften, wie tote Fliegen.
Und vor Gericht? Vor Gericht hatte er nur einen Bruchteil von dem Geld, was er all die Jahre gescheffelt hatte, als ‚Strafe' abdrücken müssen. Das war gerecht? Nein, das war ein schlechter Scherz. Schon damals, als Jugendlicher – fast noch ein Kind – hatte er geschworen, den CEO dafür büßen zu lassen. Richtig büßen zu lassen. Natürlich war er krank, das wusste Raymond. Aber war es die Gesellschaft nicht auch?
Was war mit dem Polizisten – Elias Traitman – den Raymond ebenfalls ermordet hatte? Dieser Polizist, deren Aufgabe es eigentlich war jeden Bürger – uneingeschränkt jeden Bürger – zu beschützen, hatte Raymonds ehemaligen Patienten Taio Iweala auf dem Gewissen. Er hatte ihn einfach erschossen und es Notwehr genannt, obwohl Taio ein friedliebender Mensch gewesen war und rein gar nichts mit Waffen am Hut hatte. Man hatte ihn kaltblütig ermordet, weil er eine andere Hautfarbe besessen hatte. Und das war also gerecht? Es war also gerecht, dass dieser Polizist uneingeschränkt jemanden ermorden, es Notwehr nennen durfte und dafür rein gar keine Strafe bekam? Nein, das war nicht gerecht. Und somit hatte Raymond ihn umgebracht.
Mister Peddrok. Maske Nummer drei. Raymond hatte ihn – entgegen der Vermutung von Scotland Yard – nicht sinnlos umgebracht. Er war auch nicht an den Tatort Miss Peddroks' zurück gekommen, um einen simplen Fehler zu beseitigen. Viel mehr wollte er etwas Größeres beseitigen. Ihren – noch zu diesem Zeitpunkt lebenden – Ehemann. Mister und Miss Peddrok, beides Pfleger vieler seiner an Krebs erkrankten Patienten, hatten eine neue Pharmamarke auf den Markt gebracht und fehlerhafte Chemotherapie produziert, die die Patienten noch kränker, schwächer und – das war das widerlichste an ihrem Schaffen – abhängig gemacht hatte. Die Patienten wurden nicht geheilt, ihr Krankheitsbild wurde noch nicht einmal verbessert, nein sie wurden nur noch kränker durch fehlerhafte Chemikalien und dazu noch abhängig gemacht, sodass sich die Peddroks eine Million nach der Anderen auf ihr Konto schieben konnten. Und das war gerecht? Dass sie – selbst nachdem der Skandal heraus kam – immer noch als Pharmavertreter arbeiten durften, ohne Einschränkungen? Weil sie darauf plädierten, dass sie nichts davon wussten, dass die Chemotherapie fehlerhaft war?
Das war gerecht? Also hatte Raymond sie umgebracht.
Lewis. Die erste Maske. Er vollführte über fünfzehn sexuelle Übergriffe an Minderjährigen, darunter sogar sein eigener Cousin – und Raymonds Patient – welcher durch den Missbrauch sein Leben geben musste. Lewis musste nur zwei Jahre in der Jugend-Justizvollzugsanstalt einsitzen, obwohl er eigentlich nach englischen Gesetzen, lebenslänglich bekommen sollte. Doch dank guter Führung und noch besserer Anwälte konnte er bereits nach zwei Jahren gehen. Und das war gerecht? Raymond hatte jedes einzelne Kind, das unter den dreckigen Griffeln von Lewis leiden musste, therapiert. Sie würden nie wieder ein normales Leben führen können, sie waren zu traumatisiert und einer von ihnen hatte sogar sein Leben wegen Lewis lassen müssen. Und das war gerecht?
Nichts von dem war in irgendeiner Weise gerecht. Es musste jemanden geben, der diese armen Seelen rächte, hatte Raymond gedacht. Und dann hatte er es selbst getan.

Der erste Mord war überraschend spontan gewesen. Natürlich hatte Raymond schon seit seiner Jugend und den Vorfällen mit seiner Mutter, daran gedacht jemanden für die Krankheit seiner Mutter leiden zu lassen. Genauer gesagt: jemanden umzubringen. Doch es war nicht mehr als eine Fantasie gewesen. Ein Gehirngespinst, was er niemals wirklich umsetzen würde – das hatte er zumindest gehofft. Und einige Jahre gelang es ihm auch ziemlich gut diesen Drang zu unterdrücken. Seit er sein Medizin-Studium begonnen und sich auf Psychologie spezialisiert hatte, hatte Raymond sich selbst diagnostiziert. Er hatte versucht seine Zwangsstörung  und die damit verbundene Posttraumatische Belastungsstörung selbst zu behandeln. Bis vor einigen Monaten klappte es ganz gut, die plötzlich auftauchenden Zwangsgedanken, die förmlich ‚Gerechtigkeit' in seinem Schädel schrien, zu ignorieren. Doch als er von den Kindern hörte, die Lewis misshandelt hatte und sie therapierte, die Angst und das Leiden in ihren kleinen, runden Kinderaugen erblickte, die eigentlich in diesem Alter bloß Freude zeigen sollten, da wurde irgendein Schalter in seinem Innersten umgelegt. Ein Schalter, der all die Jahre kurz vorm Zerbersten war und nun endlich aktiviert wurde. Es war eine spontane Entscheidung mitten in der Nacht gewesen. Er hatte Lewis aufgelauert...und...

Bevor sich Raymond auf Psychologie spezialisiert hatte, hatte er mit der Chirurgie begonnen – zwar hatte er abgebrochen, doch viele Dinge waren noch hängen geblieben. Er wusste, welche Stoffe den Metabolismus in die Knie zwangen, welche Adern er durchtrennen musste, damit das Opfer langsam ausblutete, sodass die Haut noch frisch und straff wirkte, wie man die Augen konservierte und ihren natürlichen Glanz bei behielt, wie man die Mundhöhle desinfizierte und die Zunge entfernte, damit das Opfer nach dem Tod nicht nach dem Selbigen roch, wie man die Schädeldecke mit drei einfachen Schnitten freilegte und sie abtrug, polierte und fast plastisch wirken ließ. Und vor allem: wie man kaum Spuren hinterließ.

Das alles versuchte er Milo zu erklären, seine Intention und sein Handeln selbst. Raymond wusste, dass sobald Milo durch seine Tür verschwinden würde, sein Leben vorbei war. Er wäre wieder ganz allein, das konnte er nicht überleben. Er würde sich umbringen müssen.
Nach fast einer halben Stunde, in der Raymond alles versuchte zu erklären und sein Hals vom Sprechen schon ganz trocken war, wurde die gesamte Szenerie wieder in Stille getaucht. Milo stand noch immer mit dem Rücken zu Raymond. Er hatte die ganze Zeit nichts gesagt, nur stumm gelauscht. Nun seufzte er einmal tief.
„Wieso hast du mich angelogen, Ray? Wieso hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?", wollte er nun wissen.
Raymond, der immer noch auf dem Boden kniete und den Tränen nah war, starrte auf Milos Füße.
„Ich habe dich nie angelogen.", sagte er leise. „Der beste Lügner ist der, der mit den wenigsten Lügen am längsten auskommt. Vielleicht bin ich ein Lügner, aber ich habe dich nie angelogen."
Milo drehte sich langsam um, auch seine Augen waren glasig. Die dunklen Augenbrauen waren in stummer Verzweiflung zusammen gezogen. „Was?"
„Du hast mich nie gefragt, ob ich der Mörder bin oder irgendetwas dergleichen. Du hast mich nach meiner Meinung gefragt – ja. Und ich war immer ehrlich. Ich sagte dir, dass ich die Motive des Serienmörders verstehen würde. Ich habe dich nicht ein einziges Mal angelogen."
Milo ließ sich gegen das schwere Sofa sinken und raufte sich die Haare.
Ihm war klar, dass das der Anfang vom Ende war. Sie bewegten sich so nah am Abgrund und Milo wusste, dass Raymond zwangsläufig hineinfallen würde. Die Frage war nun, ob sie zusammen fallen würden.

Milo hatte eigentlich noch nie Höhenangst gehabt.

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