Kapitel 3 - Alte Götter, alte Legenden
"Ihr zwei, wollt du eine Legende hören?" schnurrte die alte Kriegerin.
"Ja!" Schwarzjunges kuschelte sich an das weiche Fell der braun gestromerten Kätzin. Ihre Sorgen und ihr Alptraum waren vorübergehend vergessen, alles, was zählte, war ihre beste Freundin und Spinnenjunges, der ebenfalls in Berghafers Nest saß und zustimmend nickte.
"Wisst ihr, mit dem Gesetz entstand eine Legende, die nun immer wieder von Ältesten an Junge weitergegeben wird." begann Berghafer. "Ihr kennt doch das Gesetz und wie es heißt?"
"Natürlich!" Spinnenjunges sah entrüstet zu ihr hoch. "Es heißt "Das Gesetz der Göttin"."
"Richtig, Kleiner." lobte Berghafer, die das goldene Licht der warmen Sonne genoss. "Alle Clans, die ich kenne, glauben an den SternenClan, auch wenn der immer mal wieder einen anderen Namen trägt. Aber im Grunde sind es immer diesselben Katzen - Ahnen, Vorfahren."
"So wie mein Vorfahre Moorstern war?" wollte Schwarzjunges wissen. Moorstern war der Vater ihres Vaters und im großen Brand gestorben, von dem Berghafer ihr einmal erzählt hatte.
"So ist es." Berghafer schnurrte.
"Aber hinter all dem steckt viel mehr - ein Konstrukt, das nicht einmal die schlausten Anführer, weisesten Ältesten und geschicktesten Krieger verstehen können, einfach, weil ihnen die Vorstellungskraft fehlt.
Einst schuf die große Katzengöttin, die viele Namen trug und sie noch immer trägt, die Katzen. Sie gab jeder eine magische Gabe, die sie schützen und der Natur von Nutzen sein sollte. Jede Gabe, jede Katze war einzigartig.
Doch eine Gruppe von Katzen hatten einen sogenannten Defekt. Sie konnten ihre Kraft nicht kontrollieren und es kam zu schrecklichen Kämpfen. Die Göttin sorgte dafür, dass ihre Gaben erloschen, um sie und die anderen zu schützen.
Daraufhin gab es nun eine Gruppe von Katzen, die keine Gaben besaßen."
"So wie ich!" rief Schwarzjunges dazwischen. Sie sah ein wenig furchtsam aus. "Das wäre gefährlich, oder?"
"Und wie!" Berghafer fuhr fort, ihre Miene war ungewöhnlich ernst.
"Die Gabenlosen fingen an, den Begabten ihre Gaben zu neiden oder sie zu fürchten, je nachdem, wie mächtig, nützlich oder gefährlich sie waren. Wieder kam es zu Krieg und Verfolgungen. Die Göttin war erschöpft. Sie machte alle begabten Katzen zu Göttern, sodass die Gabenlosen ihnen nichts mehr anhaben konnten.
Die ungöttlichen Nachkommen ihrer wurden von ihren eigenen Gaben geschützt, denn niemand kann eine Gabe auslöschen außer die Göttin selbst oder Katzen, bei denen sehr bestimmte Vorgaben eingehalten sind.
Manche Gaben waren gefährlich. Es gab sehr gute, nahezu unbesiegbare Kämpfer, Katzen, die sich blitzschnell selbst heilten oder solche, die die Zukunft voraussehen konnten."
"Das ist doch aber toll, oder?" fand Spinnenjunges. "In die Zukunft voraussehen können stelle ich mir richtig spannend vor!"
"Ist es aber nicht." entgegnete Berghafer. "Darf ich fortfahren?"
"Natürlich!"
"Um unvermeidbare Schlachten zu verhindern, legte die Göttin einen Nebel des Vergessens über die Katzen und löschte die Gaben in ihnen fast aus. Nur ein kleiner Funke glomm in ihren Seelen weiter, bereit, ein Feuer zu entfachen, wenn es nötig war. Immer wieder kam es im Laufe der Jahrhunderte dazu, dass eine Gabe erwachte.
Manchmal geriet sie außer Kontrolle.
Manchmal sorgte sie für Misstrauen.
Manche Katzen konnten damit umgehen, manche verloren die Kontrolle."
Schwarzjunges und Spinnenjunges drückten sich enger an das weiche Fell der alten Kriegerin.
"Über allem stehen genau drei Katzen, die mächtigen Drei. Zu ihnen gehört an erster Stelle natürlich ebenjene Göttin, die Göttin, nach der das Gesetz benannt ist. Sie hat die Katzen erschaffen und ihnen Territorien und Beute gegeben, und sie beschützt alle guten Katzen.
Dann gibt es Schatten, den Verbannten. Es hieß, er hätte die Elemente Schatten, Licht, Geist, Traum und Zeit in sich getragen. Manche hat er verloren, vielleicht auch an seine Kinder weitergegeben. Er ist der Herr alles Bösen, flüstert unschuldigen Kriegern Dinge ein, fördert Rache und Blutdurst wie bei Blutkralle, der zweite Anführer, den unser Clan jemals hatte, und herrscht über den Wald der Finsternis.
Schatten ist mit Unsterblichkeit gesegnet, wie so manche anderen Gabenträger. Zudem erfüllte er als einzige bisher bekannte Katze die Voraussetzungen, um eine Gabe auszulöschen. All die Jahre und der Verrat seiner Gefährtin ließen ihn verbittern und zu dem werden, was er nun ist: Eine gierige, dunkle Katze, die in den Träumen aller Katzen wandeln kann, ihnen Albträume beschert und Böses über die Welt bringt.
Jeder kennt ihn, doch nur im Flüsterton wird über ihn gesprochen, denn er hört jedes Wort, ist immer und überall. Er kann seine Gestalt wandeln und prägte so das Bild der Menschen, als sie in schwarzen Katzen den Teufel sahen. Er kann den Geist einer Katze besetzen und sie dazu bringen, Dinge zu tun, die zu grausam sind, um von ihnen zu berichten. Er kann einen Keil zwischen Gefährten und Geschwister treiben, Familien zerstören oder sich Katzen untertan machen."
Spinnenjunges' Fell sträubte sich und er schüttelte sich, öffnete den Mund, schwieg dann aber.
"Dabei war Schatten nur ein einfacher, schwarzweißer Kater mit hellgrünen Augen. Weshalb hatten die Clangründer wohl so große Angst vor ihm? Die Königinnen übertreiben nicht, wenn sie ihren Jungen einschärfen, sich in Acht zu nehmen.
Denn seine Söhne und Töchter wandeln immer noch unter ihnen, veerben seine Macht. Sie zeichnen sich meist durch eine immerwährende Narbe oder rote Augen aus und scheinen von Unglück verfolgt zu sein. Sie sind wie Marionetten in den Pfoten des Verbannten, bereit, jederzeit aktiviert zu werden und Unheil zu bringen.
Schatten beherrscht die Schattenmächte, von denen bis heute nicht geklärt ist, wer oder was sie eigentlich genau sind."
Schwarzjunges korrigierte ihre Lage und ließ sich von dem warmen Sonnenlicht besänftigen. Ihr war kalt geworden, als ihre Freundin von Schatten erzählt hatte. Sie erschauderte. "Und wer war die dritte Katze?"
"Der dritte im Bunde ist Schicksal, der oberste aller Gabenträger, Schattenwanderer und Defekten.
Nach ihnen gibt es die siebzehn Gottkatzen. An erster Stelle stehen die sogenannten Caemlum, die sogenannten Himmelskatzen.
Diese sind soleil, die Sonnenkatze, lunae, der Mondkater, und stellae, die Sternenkatze. Sie ist es, die den SternenClan gründete, an den wir alle glauben."
"Was für komische Namen!" fand Spinnenjunges.
"Es gibt auch noch die Emotionenkatzen, das sind manawa, die Zeitkatze, dann Schattens Sohn prisraki, der den Tod und die Geisterkatzen, die fantasmi, befehligt. Außerdem die Göttin der guten Gefühle - Glück, Liebe, Hoffnung und so - und der Gott der schlechten Gefühle wie Rachelust, Gier und Egoismus, ebenfalls einer von Schattens Söhnen."
"Fantasmi klingt schön." fand Schwarzjunges. "Aber das waren erst sieben, was ist mit den restlichen zehn?"
"Es gibt noch die Elementkatzen. Das wären ignis, der Feuerkater und seine Gefährtin, die Blitzgöttin walƙiya. Dann pani, der Wassergott, und dessen Gefährtin imvura, die Regengöttin. Außerdem zemlja, der Gott der Erde und seine Gefährtin nàdar, die Göttin der Natur, und natürlich iq, der Windgott mit nuages, der Wolkengöttin.
Übrig bleiben zwei Katzen - îngheţ, die Frostgöttin und Schattens frühere Gefährtin, und sihiri, der Gott der Zauberei, Täuschung und des Unheils. Er ist der mächtigste der Siebzehn, weil Zauberei alles manipulieren kann."
"Können die Gottkatzen jemanden in Besitz nehmen?" fagte Spinnenjunges aufgeregt, als die Kriegerin geendet hatte.
"Angeblich schon. Es heißt sogar, Schlangenjäger, der Bruder des dritten Anführers vom HaselClan - Abendstern - wäre von sihiri besessen gewesen." erzählte Berghafer. Dann erhob sie sich und streckte die steifen Pfoten. Die Sonne war längst weitergewandert, das Moorlager lag wieder in tiefen Schatten.
"So, geht nur und spielt noch ein bisschen. Ich muss ja auch noch ein paar Kriegeraufgaben erledigen, außerdem hat Lindenflug mich mit Kleinstein und Bernsteinsprenkel in die Abendpatroullie eingeteilt."
Schwarzjunge und Spinnenjunges bedankten sich bei Berghafer und sprangen davon, um Moosball zu spielen.
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