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Von Mäusen, Raubkatzen und dem Meer

Julie sitzt auf dem Platz am Fenster, fast ganz hinten, nur zwei Sitzreihen von der Rückbank des Busses entfernt. Sie ist in die Ecke gerutscht, den Kopf hat sie an die ausgeblichene orangerote Gardine gelehnt. Sie könnte ruhig aussehen, gelangweilt, aber stattdessen wirkt sie verkrampft und ängstlich. Ihre rechte Hand krallt sich in das hässliche, bunt gemusterte Polster, die Linke umklammert den Tragegurt des alten Reiserucksacks ihres Vaters. Sie hätte viel lieber einen von diesen Dingern im Vintagelook, am besten in weinrot. Aber die sind teuer. Als sie das ihrer Mutter erklärt hat, meinte die nur, dass Julie froh sein sollte, überhaupt mit in den Bus steigen zu können. Dabei fragt sie sich jetzt, warum sie überhaupt mitwollte. Hat sie sich wirklich eingebildet, es könnte sich etwas verändern, nur, weil sie alle den Ort wechseln?

Hinter ihr, von der belegten Rückbank, ertönt lautes, glockenhelles Gelächter. Julie will mitlachen, aber dann fällt ihr auf, dass der Witz gar nicht für sie bestimmt war. Warum sitzt sie nicht mit da hinten? Weil sie anders ist? Aber eigentlich ist sie doch gar nicht so verkehrt, nur ein bisschen schüchtern. Ihr fiel es schon immer schwer, etwas zu sagen, ohne vorher so lange darüber nachzudenken, bis das Thema schon wieder dreimal gewechselt wurde. Da war es viel einfacher, zu schweigen. Und dann gibt es da noch die Zweifel. Diese hinterlistigen Schlangen, die immer dann zuschlagen, wenn sie es am wenigsten erwartet. Sie reden ihr dann ein, dass sie nicht gut genug ist, dass sie mehr braucht, um in dieser Welt überleben zu können. Dabei weiß sie nicht einmal, was sie überhaupt falsch macht, dass sie nicht so wirklich dazu gehört. Vielleicht sollte sie mehr reden. Aber das geht nicht! Sie ist einfach nicht locker und selbstbewusst und schlagfertig. Sie ist das Mäuschen, gefangen im Raubtierkäfig, immer auf der Hut, dass keiner der Löwen zuschlägt.

Julie möchte so vieles sein. Und vor allem will sie außergewöhnlich sein, aber sie weiß nicht, wie das geht und fürchtet sich zu sehr vor den Reaktionen. Sie möchte ein Rockstar sein, Primaballerina, Ballkönigin, Starfotografin, Kapitän der Hockeymannschaft, Bundeskanzlerin, Redaktionsleiterin der Vogue, Marsmissionärin, Herzensbrecherin, Hollywoodstar, Jesus.

Aber eigentlich will sie einfach nicht mehr sie selbst sein. Weil da zu viele scharfe Kanten sind und Abgründe, Schorfwunden und verschlossene Türen, unausgesprochene Wörter und vergeudete Tage.

Saskia, Nele, Sebastian und Leon brechen auf der Rückbank schon wieder in schallendes Gelächter aus. Julie hat dieses Mal den Witz nicht gehört und fragt sich, ob sie über sie lachen, doch sie dreht sich nicht um, starrt aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen, und wartet darauf, dass sie endlich losfahren. Dann ist die Kursfahrt schneller vorbei. Sie wünscht sich auch so eine Person, mit der sie über alles reden kann und laut lachen, bei der sie einfach so sein kann, wie sie will.

Eine weiche Hand berührt sie am Unterarm und streicht über die feinen Härchen auf ihrer sommerbraunen Haut. Julies Kopf zuckt erschrocken vom Fenster weg. Ein wohliger Schauer fährt ihr über den Rücken. Da ist sie. Ihre Rettung aus dem Sog der dunklen Gedanken.
Julie schaut zu dem Gesicht, das auf sie herabblickt. Türkisblaue, riesige Augen, ein breiter Mund mit vollen Lippen, gebräunte Haut mit fast goldenem Teint, hohe Wangenknochen, abgerundet durch ein herzförmiges Gesicht mit spitzem Kinn, und das alles umrahmt von kurzem, schokoladenbraunem Haar. Ein Gesicht, dass Julie von Anfang an fasziniert hat. Sie könnte es stundenlang einfach nur anschauen. Es ist auf eine Art schön, die sich nicht mit hübsch beschreiben lässt. Echt passt dafür umso besser.

„Ist da noch frei?", fragt Jill mit dem üblichen Lächeln, das zwischen frech und liebevoll schwankt. Sie hätte sich auf den letzten leeren Platz auf der Rückbank zu den Schönen und Beliebten setzen können, stattdessen steht sie hier. Vor Julie.
Das Mädchen mit den zotteligen, goldblonden Haaren strahlt, als wäre so eben die Welt eine Nuance heller geworden. Sie weiß nicht, dass das erst passiert, als sie zu lächeln beginnt. Dann nimmt sie den Rucksack vom Sitz neben ihr und verstaut ihn zwischen ihren Füßen. Es ist ihr egal, dass ihre Waden dabei eingequetscht werden.
Jill setzt sich und beginnt auf der Stelle zu reden, als wüsste sie, dass Julies Gedanken dringend übertönt werden müssen.

Jetzt wird es gut, denkt Julie und streckt dabei den Kopf in die Sonne, die durch das Fenster scheint und den Staub im Takt ihres Herzens tanzen lässt.

Jill und Julie haben sich vor einigen Wochen kennengelernt - Anfang August, als Jill zu Beginn des neuen Schuljahres an das Max-Planck-Gymnasium kam. Immer wieder haben sie sich zu Gesprächen gefunden, denn irgendwie sind sie beide Außenseiter, wenn auch jeder auf seine Weise. Julie hat noch nie dazu gehört und Jill wollte es nicht. Sie sah den Reiz nicht an Menschen, die sich nur durch ihre Beliebtheit auszeichnen und sonst nicht besser sind als andere. Viel faszinierender war das, was sich hinter Julies verschlossenem Mund verbarg: Eine Raubkatze, die noch nicht wusste, dass sie keine Maus war. Jill sah Julies schönes und seltenes Lachen, sie lauschte gern ihren raren, wohlgewählten Worten, die mit der Zeit immer mehr und unbewusster wurden. Sie fragte nach Julies Träumen und stieß sich nicht an ihren Ecken und Kanten, weil sie Julies Vollkommenheit in ihrer Individualität entdeckte. Sie suchte nach dem Weg zu der echten, unbekümmerten, glücklichen Julie, denn sie war eine der wenigen, die erkannten, dass Julie mehr war, als merkwürdig, schüchtern und unbeliebt. Sie traute sich, zu ihr zu schwimmen.

„Julie?" Jill flüstert ihren Namen so sanft und wohlklingend wie eh und je. Richtig französisch spricht sie es aus: Schjülie. Mit einem tiefen Atemzug öffnet diese die Augen und hebt den Kopf, der wieder in den orangenen Vorhang gesunken war. Sie hat die letzte Stunde auf dem Weg zur dänischen Nordseeküste verschlafen. Die zwei davor haben sie zwischen ihren Worten zusammen vergessen, wo sie sind. Julie hat keinen einzigen der lauten Witze von der Rückbank gehört und auch ihre Zweifel auf stumm gestellt.

„Wir sind da", murmelt Jill und ist kurz davor, Julie eine zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Sie macht es nicht, weil sie nicht weiß, wie Julie reagiert und weil alles so schön ist in diesem Moment.
Julie bemerkt ihren Blick, kann ihn aber nicht deuten, weil sie sich nicht vorstellen kann, dass Jill so etwas würde tun wollen, obwohl sie es sich tief in ihrem Inneren wünscht.

Zusammen mit allen anderen steigen sie aus dem alten Bus. Julie ist froh, dass es schon Ende September und nicht mehr so heiß ist, da sie an der Funktion der Klimaanlage zweifelt und den Sommer hasst.

Sobald sie die Füße auf den trockenen Asphalt setzt und die Sandkörnchen unter ihren Sohlen knirschen, muss sie erst einmal stehen bleiben und die ganz besondere Luft einatmen, die scheinbar nicht in ihre Lungen, sondern in ihr Herz strömt. Es riecht nach Salz, Fisch, Kiefern, Herbst und feuchter Erde. Die kleine Straße ist gesäumt von trockenem, hüfthohen Strandhafer und einem verwitterten Holzgeländer. Dahinter erstreckt sich Dünenlandschaft. Man kann das Meer nicht sehen, aber doch sind sich alle sicher, dass es da ist, denn man hört das Rauschen der Wellen. Der Himmel ist kornblumenblau, während eine schräg stehende Sonne alles in goldenes Licht taucht.

Julie liebt es. Hat es schon immer geliebt. Früher ist ihr Vater immer in den Herbstferien nach Dänemark zum Angeln gefahren und sie durfte mit und am Strand spielen. Sie weiß nicht genau, wie viele Jahre das jetzt her ist.

Jill ist hinter ihr stehen geblieben und legt ihr Kinn auf Julies Schulter. Eigentlich ist sie kleiner, aber jetzt steht sie eine Stufe über ihr. Sie denkt, wie schön Julie in diesem Moment ist mit ihren ausnahmsweise nicht verkrampften Schultern, verstrubelten Haaren und verklebten, ungeschminkten Augen.

„Geht doch mal weiter!", ruft eine barsche Stimme hinter ihnen. Saskia drängelt sich an den beiden so verschiedenen und doch so ähnlichen Mädchen vorbei und faucht: „Ich habe keine Zeit für dumme Träumer."

Als auch noch Sebastian, Nele und Leon vorbei wollen, wendet Jill den Blick von der Umgebung und springt an Julie vorbei, jedoch sanft und leichtfüßig wie ein Reh.

Doch Julie bleibt immer noch wie erstarrt. Ihr Blick ist hasserfüllt auf die davonstolzierende Saskia gerichtet. Warum muss diese blöde Kuh ihr alles, aber auch wirklich alles verderben? Die Worte ‚Dumme Träumer' setzten sich auf ihrer Haut fest wie Bakterien und graben an ihrem Äußeren - wie so vieles, was die Menschen sagen, allen voran Saskia. Julie hat eine dünne Schale. Man könnte meinen, dass sie sich nach diesen häufigen Sticheleien und nebenbei fallengelassenen Bemerkungen ein dickes Fell zugelegt hat, aber nein: Es trifft sie jedes Mal kalt aufs Neue und nagt an ihrem Selbstwertgefühl. Dabei müssen die Worte nicht einmal schlimm sein, die sie gesagt bekommt, sie macht sich nur zu viel daraus. Häufig merken die Leute nicht einmal, dass sie einen Pfeil auf Julies Herz abgeschossen haben. Zwei kleine Worte können sie in ihren Zweifeln bestärken, können ihr einreden, dass sie nicht dazu passt, können Chaos in ihr anrichten.

Wenn sie einmal drin ist in diesem Teufelskreis aus Worten und dunklen Gedanken, kommt sie da nicht so schnell wieder heraus. Es ist wie ein Strudel, der sie immer schneller mit sich reißt. Außer jemand zieht sie aus dem Wasser.

Eine warme, trockene Hand berührt Julies kaltschweißige, verkrampfte Faust. Der ganze Zorn, den sie in sich verbarrikadiert, verpufft zu Wolkenschleiern, als Jill Julies Finger öffnet und danach greift. Dann zieht sie sie einen Schritt zu sich heran und streicht ihr doch noch über das Gesicht. Erst entlang ihres kleinen Kinns und dann zum Mundwinkel, den sie leicht nach oben drückt. In Jills Augen glitzert es und Julie muss wieder lächeln. Wie schön sich diese Berührung anfühlte... wie ein Schwan, der mit den Flügeln schlägt und dabei eine Feder durch die Luft fliegen lässt.
Dieser Mensch da scheint sie zu mögen, auch wenn Julie noch nicht ganz herausgefunden hat, warum. Vielleicht weiß sie es nicht, aber das ist ihr viel wichtiger, als hundert Saskias, die sie klein machen wollen.

Jill zieht Julie mit sich und sie gehen gemeinsam mit geschulterten Rucksäcken, schmerzenden Beinen und goldentflammten Gesichtern zur kleinen Strandpension am Ende der Dünenstraße.

Ein paar Stunden später, nachdem alle ihre Zimmer bezogen, ausgepackt und etwas gegessen haben, lodert ein Lagerfeuer am Strand. Die Funken fliegen nach oben in den noch pastellfarbenen Himmel, der sich langsam immer weiter verdunkelt. Bald werden die ersten Sterne aufleuchten und das Meer wird als wogende Masse nicht mehr von dem Indigo darüber zu unterscheiden sein. Und trotzdem werden alle das Wellenrauschen hören können, das durch geöffnete Fenster bis in ihre Zimmer dringt. Die zehn Schüler und Henning, der junge Lehrer des Französisch-Leistungskurses am Max-Planck-Gymnasium, sitzen um die Feuerstelle verteilt im Sand, manche auf Decken oder Pullovern.

„Du bist ein guter Mensch, Julie", sagt Jill so leise zwischen den Gesprächen der anderen, dass nur Julie selbst es hören kann. Die beiden sitzen zusammen auf einer rot-schwarz-karierten Picknickdecke, ein Stück abseits. Ein Junge mit einer Gitarre stimmt ‚Strawberry Fields Forever' von den Beatles an und die Töne lassen Jills Worte in Julies Herz fliegen.

„Du auch."

„Ich glaube, du musst das, was ich dir jetzt sage, einfach mal hören: Ich mag dich wirklich. So wie du bist. Ich mag deine Haare, ich mag deinen Geruch, ich mag dein Lächeln, ich mag die Art, wie du alles ganz genau beobachtest und dass du immer so gewissenhaft bist. Ich mag, was du sagst, und wie du es sagst, ich mag deine Sanftheit und die Tiefe in deinen Augen, bei der ich immer denke, dass du über alles nachgrübelst und auf alles eine Antwort kennen würdest. Ich mag dich, Julie."

Ich mag dich auch. Ganz doll, denkt Julie, doch ihre Zunge bewegt sich nicht. Sie ist geschmeichelt, quillt fast über vor Verlegenheit und gleichzeitig weiß sie nicht, ob sie Jill Glauben schenken soll. Aber eigentlich machen sie diese Worte viel zu glücklich, um es nicht zu tun. Noch nie hat ihr jemand etwas Derartiges gesagt. Sie bewundert Jill für ihre Unverblümtheit, das einfach so auszusprechen und wünschte, sie hätte genauso viel Mut, um ihr etwas zurück zu geben. Mut - dieses launische Elixier des Abenteuers, das so oft Teil von Julies Gedanken ist, aber doch so selten durch ihre Adern fließt.

„Du bist auch...toll", murmelt Julie stockend und ziemlich lahm.

Jill muss kichern. „Das meine ich. Genau jetzt in diesem Moment siehst du aus, als wären in deinem Kopf so viele Gedanken, dass man einen Ozean damit füllen könnte."

Sie merkt, wie in ihr das Bedürfnis aufsteigt, Julie einfach zu küssen. Sie möchte wissen, wie sich ihre Lippen anfühlen, ob sie so weich sind wie sie aussehen und ob sie so schmecken, wie Julie riecht: nach reifen Beeren. Es wäre ihr egal, was die anderen sagen, doch sie fragt sich, was Julie dann tun würde. Sie will sie nicht verunsichern und schon gar nicht wieder verlieren, wo sie doch gerade auf bestem Weg ist, ihr Gegenstück zu finden. Es kommt selten vor, dass die schlagfertige Jill nicht weiß, was sie tun soll, aber jetzt ist einer dieser verwirrenden Momente.

„Hey, ihr zwei Turteltäubchen." Saskia steht hinter ihnen. Jill wöllte sie am liebsten verfluchen, wenn sie es könnte. Der Blick des hübschen, rothaarigen Mädchens ist auf ihre verschränkten Hände gerichtet. Julie lässt Jill augenblicklich los und springt auf. Sie hasst es, dass Saskia sowieso immer auf sie herabblickt, da muss sie es nicht auch noch wirklich tun.

„Lesbisch seid ihr also auch noch. Ich fand ja schon immer, dass ihr komisch seid, da passt das ja.", sagt sie so laut, dass es alle hören können, und sicher, ohne zu wissen, dass das in den beiden eine Welle des Hasses aufsteigen lässt. Ohne zu wissen, wie tief sie sie damit trifft. Ohne zu wissen, wie intolerant sie ist.

Jill will Saskia entgegen treten, doch plötzlich blitzt es in Julies Augen. Ein Unwetter bricht los. Sie macht einen Schritt nach vorne, auf Saskia zu und an Jill vorbei. Vergessen ist die Angst, die Zweifel, das Mysterium des Muts, die Fragen, das fehlende Selbstwertgefühl. In ihrem Kopf schreien nur noch Saskias Worte um die Wette. Aber sie ringen Julie nicht nieder und bringen sie zum Schweigen. Nein, sie stacheln sie an. Saskia hat kein Recht, irgendetwas über oder gegen Julie zu sagen, das weiß sie plötzlich. Und sie hat schon gar kein Recht, Jill mit hineinzuziehen in ihre giftigen Tentakel. Jill, die wunderbarste und begehrenswerteste Person, die Julie je kennen gelernt hat. Jill ist es verdammt noch einmal wert, dass Julie für sie aufsteht. Und dass sie für sich selbst aufsteht.

Weil sie die Hauptperson in ihrem Leben ist. Weil sie nun einmal Julie bleiben wird, egal was Saskia sagt. Weil sie durch Jill angefangen hat, zu begreifen, dass sie okay ist und dass Zweifel und Ängste einfach zu ihr gehören. Weil sie zum ersten Mal begriffen hat, wie viel sie schon geschafft hat und ihre Sicht nicht mehr verschleiert ist von den Dingen, die sie beneidet. Weil sie gemerkt hat, wie viel besser es ist, Julie zu sein, als Saskia sein zu wollen. Weil sie ihren eigenen Wert erkannt hat. All diese Antworten waren in ihr drin. Irgendwo verborgen hinter Blockaden und Wenn-und-Abers und Zerrissenheit und Unsicherheit und Beklemmung und Mäuschendasein. Jetzt ist sie der Tiger, den nur Jill bemerkt hatte. Jeder kann es sehen und vor allem kann Julie es fühlen.

Sie stößt Jill zur Seite und sagt laut mit vor Wut hämmerndem Herzen und vor Adrenalin sprudelndem Blut: „Du kannst mich mal! Sag mir nicht, wen ich zu mögen habe und vor allem sag mir nicht, was ich von mir selbst denken soll. Das kann ich gut alleine herausfinden! Merkst du es? Wie lange du versucht hast, mir einzureden, dass ich selbst einen Scheißdreck wert bin und wie unglaublich schlecht es funktioniert hat? Ich wollte immer sein wie du, Saskia, aber jetzt habe ich es begriffen: Du bist armselig! Du definierst dich dadurch, dass du mich schlecht machst. Ich dachte, du bist die Stärkere von uns beiden, aber nein! Ohne mich wärst du ein Nichts!"

Ihre Stimme ist kurz davor, hysterisch zu werden, aber Julie weiß auf einmal, was sie tun muss. Sie atmet durch und sagt dann ganz ruhig und mit aller Kälte, die sie aufbringen kann: „Also wag es ja nicht, dich in meine Angelegenheiten einzumischen."

Und dann dreht sie sich um und küsst Jill. Erst tut sie es nur, um den anderen zu zeigen, wie das Leben funktioniert, und dann merkt sie, dass sie das schon den ganzen Tag tun wollte. Ihre Wut flaut ab und verwandelt sich in ein wohliges Feuer, dass ihr durch die Adern schießt, tausend Schmetterlinge in ihrem Bauch zum Leben erweckt und ihre Gedanken lahmlegt. Der Kuss ist wie ein Sonnenaufgang. Ein Neuanfang, der die Gewissheit mit sich bringt, dass nach dunklen Zeiten auch wieder ein Morgen kommen wird. Die Sonnenstrahlen treffen Jill und Julie in ihren Herzen und erwecken sie zu einer Art von Leben, das sie noch nie gespürt haben. Ihre Lippen greifen sanft und hektisch zugleich nach einander, während zu ihren Füßen das Meer den Sand küsst. Keiner der anderen sagt ein Wort, doch ihr Starren kümmert die beiden Liebenden nicht.

Sie stoßen mit den Nasen gegeneinander und lösen sich kichernd. Jill kann jede kleine Sommersprosse auf Julies Stupsnase erkennen und Julie jeden Farbtupfer in Jills Augen. Ihre Blicke verankern sich und kommen stumm überein. Sie fassen sie Hand des anderen und laufen zusammen in die dunkle, von silbrigen Schaumkronen verzierte Brandung hinein. Das Licht des Feuers und die Schatten der Nacht spielen mit ihren Gesichtern, doch selbst die einkehrende Dunkelheit kann das breite Lächeln nicht verbergen.

Denn sie sind okay - egal, wer sie sind und egal, in wen sie sich verlieben.

~2953 Wörter

Hallo liebe Leute :D
Endlich habe ich wieder Inspiration für eine neue Kurzgeschichte gefunden und zwar in Form eines Schreibwettberwerbs. Noch einmal vielen Dank wortschreiberin fürs Veranstalten und vor allem Animieren!
Übrigens ist das mein aller erster Text, den ich in der dritten Person geschrieben habe. Wie findet ihr es?

Danke, fürs Lesen. <3
Swea

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