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Kapitel 35 [Daisy]

Als sich die Tür öffnete, dämmerte ich gerade vor mich hin. Meine Augen waren starr auf die dunkle Wand gerichtet und draußen stürmte ein nächtliches Gewitter.

Hagel klopfte unaufhörlich gegen die Fensterscheiben und das dumpfe Donnergrollen erfüllte die Stille, doch das leise Knarzen der Tür ließ mich dennoch aufschrecken.

Mit einem leisen Aufschrei sprang ich auf, wobei ich Kai aufweckte, der auf dem Boden gedöst hatte. Sein Blick war desorientiert und er taumelte leicht, als er sich ruckartig erhob und um sich blickte.

Das erste, was ich sah, war die Pistole, die sich auf mich richtete. Ich wollte meine Hände heben, um Gnade flehen, doch mir blieben die Worte im Hals stecken und mein ganzer Körper erstarrte, unfähig sich von der Stelle zu bewegen.

Auch Kai schien jegliche Kraft verloren zu haben.

„Mitkommen", erklang die kalte Stimme der dunklen Gestalt, die nun im Türspalt erschienen war.

Ich regte mich nicht.

„Mitkommen!", blaffte sie erneut, woraufhin Kai sich in Bewegung setzte.

Er trat an mir vorbei und sah mich mit einem gläsernen Blick an. Seine große Gestalt wirkte auf einmal nicht mehr so groß wie sonst, seine Augen nicht mehr so wild und furchtlos. Meine Füße folgten ihm wie von selbst. Schweigend durchquerten wir den Gang, dessen dunkle Schatten sich über uns legten.

Levins spöttisches Lächeln erfüllte meine Gedanken, immer wieder und wieder, wiederholte sich die Szene. „Ich hasse dich Daisy", hatte er gesagt und auch, wenn ich ihn auch hasste, hatten wir beide gewusst, dass wir es trotzdem nicht beenden würden.

Hätten wir es doch bloß nie so weit kommen lassen.

Als wir im Gemeinschaftsraum ankamen, bemerkte ich, dass mir Tränen die Wangen hinabliefen.

„Hinsetzen."

Wie brave Soldaten setzten Kai und ich uns auf eines der Sofas. Mir erschien der Raum auf einmal so fremd, obwohl ich mehrere Wochen darin verbracht hatte. Auf einem der Tische stand noch Eves Teetasse und auf einem Anderen entdeckte ich die Tüte Chips, die Seraya gestern gegessen hatte.

Meine Fingernägel bohrten sich in den weichen Stoff der Couch. Schritte ertönten von der Treppe aus, woraufhin Kais und mein Blick Richtung Stufen schoss.

Es waren Eve und Cuinn, die dicht gefolgt von der zweiten schwarz gekleideten Gestalt, den Gemeinschaftsraum betraten.

Erleichtert atmete ich aus, denn ich hatte nicht mehr damit gerechnet, sie zu sehen.

Eves blasse blaue Augen bohrten sich in meine, doch ich konnte nichts in ihnen erkennen, außer tiefer Erschütterung. Cuinns Blick richtete sich aus dem Fenster und ich fragte mich, ob er überhaupt irgendetwas draußen in der tiefen Finsternis  erkennen konnte. Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst und auch, wenn er einen Kapuzenpulli trug, meinte ich, ein Zittern zu erkennen, das durch seinen Körper jagte.

Die dunkle Gestalt bedeutete den Beiden, sich ebenfalls auf eine Couch zu setzen und näherte sich der Kellertür, während ihr Komplize seine Waffe auf uns richtete.

Sie riss die Tür auf und begann, leise die Stufen hinabzugehen, vermutlich um die restlichen von uns nach oben zu holen.

Was wird geschehen? Wieso werden wir hier alle versammelt? Wieso tötet man uns nicht einfach?

Ich erkannte in Kais Augen die selbe Panik, denn wer auch immer das alles hier mit uns tat... er spielte mit uns.

Wie eine Katze, die ihre Beute nicht tötete und anschließend verspeiste, sondern langsam zustieß, qualvolle Wunden zufügte, um zuzusehen, wie das Beutetier langsam aber sicher verblutete.

Es dauerte nicht lange, bis erneute Schritte aus dem Keller erklangen. Viele Schritte. Ich stieß Kai vorsichtig an. „Wenn einer von denen aus dem Keller, ein Verräter ist und in Wirklichkeit die vermummte Gestalt ist, werden wir es jetzt erfahren", flüsterte ich. „Dann werden nur drei von uns hochkommen."

Kai nickte knapp und ich drehte mich zu Eve, doch sie saß gedankenverloren auf dem hinteren Sofa, ohne die Gestalt mit der Waffe aus den Augen zu lassen. Sie verfolgte jede Bewegung und für einen kurzen Moment schimmerte in ihrem Gesicht blanker Hass.

Sie sah so aus, als würde sie gleich auf den Täter losgehen.

Ich wollte etwas rufen, was sie davon abhielt etwas dummes zu begehen, doch Cuinn kam mir zuvor und legte Eve den Arm um die Schulter, ihr etwas zuflüsternd, was ich nicht hören konnte. Aber es schien zu wirken, denn ihre Gesichtszüge entspannten sich ein wenig.

Wie gebannt starrte ich auf die Kellertür, aus der die zweite dunkel gekleidete Gestalt heraustrat. Sie hielt Juna fest umklammert, hielt ihr die Waffe an die Schläfe. Juna schluchzte leise, ihre roten Haare waren zerzaust und meine Hände zitterten, wollten etwas tun, ihr helfen, doch ich konnte nichts tun, außer zu zusehen, wie sie auf eine Couch geschubst wurde. Keuchend landete sie.

„Ihr Anderen solltet von selber rauskommen, sonst werde ich nicht mehr so nett sein", rief die Gestalt in den Keller hinein und kurz darauf, erschien Pauls erschrockenes Gesicht, der gemeinsam mit Seraya Noah stützte.

„Noah!", rief ich und sprang ohne nachzudenken auf, denn seine Augen waren geöffnet und auch, wenn er kaum alleine gehen konnte, war er wach.

„Hinsetzen!", fauchte die Gestalt und Kai zog mich zurück auf das Sofa, doch Noah lächelte mich matt an.

Keiner von uns ist die schwarz gekleidete Gestalt. Wir sind vollzählig.

Eine Welle der Erleichterung machte sich in mir breit. Der Täter hatte mal wieder geblöfft.

Nachdem alle sich gesetzt hatten, hielt ich die Luft an, horchte in die Stille und wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass es begann. Das Spektakel. Das Theaterstück. Der Tanz, den der Jäger mit uns aufführen würde, ehe er uns verschlang.

„Was haben wir getan?"

Die Frage entschlüpfte mir unabsichtlich, doch ich bereute sie nicht, denn diese Stille, diese Ungewissheit war unerträglich. „Was haben wir getan, dass wir das hier verdienen?"

Die mir nähere Gestalt blickte mich an und ich spürte ein unbehagliches Gefühl in meinem Bauch, als sie langsam auf mich zuschritt.

„Das ist wirklich enttäuschend, Daisy", sagte sie. „Ich dachte, ihr alle hättet das Rätsel bereits fast gelöst. Kurz vor unserem amüsanten Versteck-Spiel."

„Levin", sagte Cuinn und lehnte sich leicht nach vorne. Eve warf ihm einen warnenden Blick zu, doch er ignorierte sie. „Ja, wir wissen, dass es um Levin geht. Aber Daisys Frage war doch gar nicht so dumm, oder? Mir würde jetzt spontan nämlich nichts einfallen, was wir Levin angetan haben könnten." Ein kleines, ironisches Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Oder habe ich etwas verpasst? Haben wir seine Cousine getötet? Oder seinen kleinen Bruder? Haben wir ihn getötet?"

Mein Blick schweifte zwischen den Gesichtern umher und ich sah überall den blassen Schmerz, die matte Angst.

Die Gestalt erwiderte erst einmal nichts und strich langsam über den Lauf der Pistole.

„Ihr wollt wissen, was ihr getan habt?", fragte sie schließlich. „Wollen wir nicht lieber am Anfang anfangen? Es begann im Jahr 2017.“ Ihre Stimme schien unbeschwert. Wie die Stimme eines Märchenerzählers. Ja. Ein Märchen. Das alles hier war für die Person ein Märchen. „Es war einmal ein junger Mann namens Levin, der eine junge Frau liebte. Ihr Name war Daisy García."

Ich erzitterte am ganzen Körper und spürte ihre Blicke auf mir, ich spürte jeden einzelnen von ihnen, doch ich wandte den Blick nicht ab, erwiderte sie mit klopfendem Herzen, während die Gestalt fortfuhr: „Daisy und Levin liebten sich, doch Daisy war kein gutes Mädchen. Sie liebte ihn nicht mehr. Sie hinterging ihn. Traf sich mit jemand Anderen. Verletzte und betrog Levin, ohne sich um seine Gefühle zu scheren."

Ich schloss die Augen. Der bittere Geschmack von Reue brannte sich in meinen Körper ein.

Nein. Nein, nein, nein. Ich kann nichts dafür.

„Levin wollte sie zur Rede stellen und deshalb fuhr er zu einer ihrer Ballettaufführungen von Schwanensee -"

Mich zur Rede stellen?!", fiel ich der düsteren Gestalt ins Wort und bebte dabei vor Zorn. „Er wollte mich nicht zur Rede stellen! Er hat die Bühne sabotiert und wollte mich töten, verdammt! Seit wann nennt man diesen Anschlag zur Rede stellen?!"

Der Sprecher lachte auf. „Nein, Daisy. Dieser Balken über der Bühne war ein Unfall. Es war ein Montagefehler. Das haben die meisten Ermittler auch gesagt, aber du bist wie besessen von der Idee, dass alles seine Schuld war. Es ist bewiesen, dass die Bühnenmacher, einen Fehler gemacht haben und folglich Schuld an diesem Unfall waren. Dass Levin genau an diesem Tag zu deiner Aufführung fuhr, war purer Zufall. Es war nicht Levin."

„Doch, er war es!", rief ich und verfluchte mich für das Zittern in meiner Stimme.

Ich hatte Recht. Ich musste Recht haben. Es war alles seine Schuld. Es war so viel einfacher einem Toten, die Schuld an etwas zu geben.

„Dann... dann war es nicht Levin, der Stevie getötet hat?", fragte Eve fast schon zaghaft und sprach dabei jedes Wort so langsam und deutlich wie möglich aus.

Ich drehte den Kopf zu ihr und schluckte schwer, als ich ihre blauen, glitzernden Augen erblickte und es realisierte. „Du...du bist die große Schwester von dem kleinen Jungen... Steve. Der Junge, der... sich irgendwie auf die Bühne geschlichen hat, um sie von nahem zu sehen. Der Junge, der von dem Balken über der Bühne erschlagen wurde", flüsterte ich und mein rasender Herzschlag tat beinahe schon weh, als ich den dumpfen Schmerz in Eves Gesicht erblickte.

Sie nickte kaum erkennbar und vermied es, mich anzusehen. In meinem Kopf spielte sich die Szene lebhaft ab.

Wie ich aufgrund des Aufpralls hinter mir stürzte. Wie ich auf dem Boden lag und den Saal anblickte, in welchem Chaos ausbrach. Wie ich nach hinten blickte und den toten, kleinen Jungen entdeckte, der von dem Balken erschlagen worden war.

Die maskierte Gestalt schien sichtlich amüsiert zu sein.

„Wie ich sehe, beginnt ihr langsam, zu kombinieren und zu verstehen. Wird aber auch mal Zeit. Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass ihr es schon viel früher versteht... Aber jetzt weiter im Text: Levin besuchte also die Ballettaufführung. Und als der Balken hinabfiel und den kleinen Jungen, der sich neben Daisy auf der Bühne befand, erschlug, sprang Levin zornig auf, denn er hatte den jungen Mann im Publikum entdeckt, mit dem sich Daisy heimlich traf. Den Mann, mit dem Daisy Levin betrogen hatte."

„Dabei stieß er eine Frau um, die noch an Ort und Stelle starb", zischte Kai und ich legte ihm eine Hand auf die Schulter, wohlwissend, dass er sich ohnehin schon zusammenreißen musste, die bewaffnete Gestalt nicht anzuspringen.

Diese legte den Kopf leicht schräg und musterte Kai durch ihre Maske hinweg. „Deine Mutter, nicht wahr, Kai?" Kai erwiderte daraufhin nichts und atmete tief durch, seine Lippen waren fest aufeinander gepresst und er kniff die Augen zusammen.

„Wie dem auch sei. Eine weitere Frau stellte sich Levin in den Weg, denn sie hatte beobachtet, wie hasserfüllt, wie zornentbrannt er sich auf die Bühne zu bewegte und wie er die ältere Dame versehentlich umgestoßen hatte. Die junge Frau  wollte Levin aufhalten und schubste ihn weg. Und sie rief durch den gesamten Konzertsaal: ein Mörder, ein Mörder! Dieses ignorante Mädchen wagte es, Levin zu verleumden, denn er hatte schließlich niemanden vorsätzlich umgebracht. Er griff also nach seiner Pistole und drohte diesem ignoranten Mädchen, doch sie wollte nicht auf ihn hören, wollte ihm nicht aus dem Weg gehen."

„Sie war kein ignorantes Mädchen."

Cuinns Worte ließen meinen Blick zu ihm huschen und ich erschrak über die Kälte in seinen Gesichtszügen. Mit einem verachtenden Ausdruck in den Augen musterte er die dunkle Gestalt. „Sophie hatte den Mut, sich diesem mörderischen Idioten entgegenzustellen, damit er nicht weitere Leute abschlachtet!"

„Psst, Cuinn", hörte ich Eve flüstern, in dessen Augen ich Tränen flackern sah. Sie schüttelte ängstlich den Kopf, denn ihr schien klar zu sein, dass Provokation nicht sehr vorteilhaft war, wenn man derjenige vor dem Lauf der Pistole war.

Doch Cuinn wirkte so, als hätte ihn jeder Funken Selbstbeherrschung verlassen. „Ich weiß nicht, wieso du uns das alles erzählst. Wir wussten es doch schon. Du versuchst bloß alles so zu drehen, als wäre Levin das Opfer." Cuinn lachte verächtlich. „Oh nein, der arme, arme Levin hat aus Versehen eine ältere Dame umgestoßen, die dabei verreckt ist. Und oh Gott, da hat es doch tatsächlich eine ignorante Frau gewagt, sich ihm entgegenzustellen, und zu behaupten, er sei ein Mörder. Da war der Ärmste natürlich dazu genötigt sie zu töten. Der arme, arme Levin." Cuinn spuckte diese Worte voller Abscheu in das Gesicht der schweigenden Gestalt, die ihm mit einer undefinierbaren Haltung lauschte.

Ich hielt den Atem an, mein Blick klebte an dem Pistolenlauf, den die Person langsam auf Cuinn gerichtet hatte.

Die Stille bebte.

Eve schüttelte immer wieder mit weit aufgerissenen Augen den Kopf, ihre Hände zitterten, doch ihr Blick war wild.

„Erzähl die Geschichte weiter. Du hast das Märchen noch nicht beendet", sagte sie fast schon verzweifelt, in der Hoffnung, den Täter von Cuinns Provokation abzulenken. Das schallende, mechanische Lachen der Person erfüllte den Raum.

„Oh, Eve. Es passiert doch fast gar nichts mehr in dem Märchen. Aber, wenn du darauf bestehst: Nachdem Levin das ignorante Mädchen namens Sophie Rowan mit dem Pistolenlauf bewusstlos geschlagen hatte, da diese ihm verwehren wollte, zur Bühne zu gehen, bahnte er sich einen Weg durch die Menge, um zu Daisy García und dem Mann, den sie heimlich traf, zu gelangen. Doch durch das Geschehene war eine Massenpanik ausgebrochen. Die Besucher stürmten zum Ausgang, kletterten über Sitze, schubsten, drängelten, schlugen... all das nur, um selbst in Sicherheit zu gelangen. Wie egoistisch die Menschen doch sind. Denn es war schließlich nicht Levin, der Sophie getötet hatte. Er hatte sie lediglich bewusstlos geschlagen. Es waren die hinaus strömenden Besucher, die über die Ohnmächtige trampelten und sie töteten. Und dann geschah noch etwas. Noah", die Gestalt wandte den Kopf zu Noah, der die ganze Zeit über erschöpft auf dem mir gegenüberliegenden Sofa gesessen hatte. Sein Gesicht war immer noch krankhaft blass, seine Augen glitzerten immer noch kraftlos, doch sein Blick war nicht mehr fiebrig, als er ihn auf die Gestalt richtete.

„Ja?", fragte er mir heiserer Stimme und auch ich lehnte mich angespannt vor.

„Möchtest du diesen Teil des Märchens erzählen?" Alle Augen richteten sich auf Noah und mein Herzschlag begann zu rasen, während Noah langsam blinzelte. Er räusperte sich.

„In diesem Ballettsaal gab es einen jungen Polizisten. Er beobachtete das Szenario und forderte Levin auf, sich zu ergeben, sonst würde er schießen." Noah zögerte kurz. „Doch als Levin einen Schuss in die Menge abfeuerte, sah sich der Polizist dazu gezwungen, die Situation zu entschärfen, indem er auf ihn schoss."

In meinen Gedanken flackerten Bilder. Wie ich benommen dalag, auf dem Boden der Bühne. Überall Rufe und Schreie.

Doch der Schuss übertönte alles.

Und irgendetwas hatte mir damals gesagt, dass es Levin war, der getroffen worden war. Dass Levin heute sterben würde.

„Und wer war dieser junge Polizist, Noah?", wollte die Gestalt fast schon sanft wissen.

Einen Moment lang schwieg Noah, ehe er antwortete: „Ich. Ich war das."

Alles drehte sich in mir.

Wie gebannt starrte ich Noah an, der meinem Blick auswich und wie erstarrt dasaß.

„Aber du bist doch Musiker", flüsterte ich, woraufhin Noah, ohne mir in die Augen zu blicken, erwiderte: „Das bin ich auch. Ich habe nach dem Vorfall gekündigt."

„Aber du hast am ersten Tag gesagt, dass du mich schon einmal auf einem Musikfestival gesehen hast... ", fuhr ich unbeirrt fort. „Hast du mich da schon erkannt? Hast du am ersten Tag hier schon realisiert, wer ich war? Wieso hast du nicht die Wahrheit gesagt?"

Noah nickte schwach und lächelte müde. „Was hätte ich denn sonst sagen sollen? Hey, wir kennen uns doch. Du weißt schon, ich war der Polizist, der deinen Exfreund erschossen hat."

Meine Hände zitterten.

Der zweite Maskierte trat aus der Ecke des Raumes hinaus und meldete sich nun ebenfalls zu Wort. „Jetzt kommen wir aber zu einigen von euch, die sich noch gar nicht zu Wort gemeldet haben. Seid ihr denn gar nicht neugierig, was Paul mit der Sache zu tun hat? Oder Juna?"

Paul wurde blass. Sein Mund öffnete sich, doch er brachte kein Wort hervor. Ich bemerkte, wie Eve sich mit zusammengekniffenen Augen vor lehnte und leise etwas zu Cuinn sagte. Er schwieg, beugte sich jedoch ebenfalls nach vorne, um besser hören zu können.

„Gut, wenn ihr es nicht sagen möchtet, dann werde ich das eben tun", sagte die Gestalt, als Juna und Paul mit geschockten Augen schwiegen.

„Was die meisten nicht über den Vorfall wussten, war, dass der junge Mitarbeiter des Theaters, einen Fehler beim Baukonstrukt der Bühne gemacht hatte. Er selber hatte es in dem Moment bemerkt, als der Balken hinabgestürzt war. Doch anstatt der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass er den Fehler begangen hatte, verschwieg er den Fehler, denn es bot sich schließlich an, so zu tun, als hätte Levin den Anschlag geplant. Wie wir ja alle wissen, können sich Tote wohl kaum vor Gericht verteidigen. Wegen Paul sieht die Welt Levin nun als einen Mörder." Zum ersten Mal hörte ich keine Belustigung mehr in der Stimme.

Es war purer Hass.

Pauls Gesicht war nun so weiß wie die Wand. Er schluckte und vermied jeglichen Blickkontakt. Ich konnte meine Augen nicht von ihm nehmen.

Nein. Ich konnte das nicht glauben. Es konnte einfach nicht sein.

Ich bemerkte, wie Eve die Augen zusammenkniff, wie sie sich wie vorlehnte und Paul mit einem so kalten Blick ansah, dass es mir eiskalt den Rücken hinablief. Er trug die Schuld am Tod ihres Bruders. Er. Nicht Levin.

„Juna dagegen war eine Freundin von Levin", fuhr die Gestalt fort und lehnte sich gelassen gegen eine der Wände. „Juna unterstützte ihn immer. Liebte ihn vielleicht sogar ein wenig. Aber sie verriet ihn. Sie sagte der Polizei nach dem Anschlag, er sei ein Verbrecher gewesen. Ein schlechter Mensch. Sie sagte der Polizei, dass sie es sich gut vorstellen konnte, wie Levin eine Bühne sabotierte, um Menschen wehzutun. Sie bezeichnet ihn als unzurechnungsfähig. Aggressiv. Gewaltsam."

Juna zitterte. Ihre Fingernägel waren in das Sofa gebohrt und mein Blick schweifte über sie. Ich sah sie zum ersten Mal in so einem Licht.

Sie ist eine Freundin von Levin gewesen. Hat ihn geliebt. Und ich habe es nicht einmal gewusst, obwohl ich gedacht habe, alles über Levin zu wissen. Obwohl ich gedacht habe, er würde mir immer alles erzählen.

Es tat weh. Schmerzte in meinem Bauch.

Langsam bildete sich ein Bild in meinem Kopf. Wie wir alle miteinander zu tun hatten, wie sich die Linien und Verbindungen schlossen.

„Und Seraya? Wieso Seraya?", flüsterte ich. „Ihr hasst uns, weil ihr denkt, wir wären alle Schuld an Levins Tod. Aber wieso tut ihr Seraya das alles an? Sie war seine Schwester. Wieso ist sie hier?"

Seraya sah mich an und ihre Augen waren traurig. Wehmütig hatte sie uns allen gelauscht.

„Ich habe ihn kurz vor meiner Abreise dabei erwischt, wie er sich mit einem Mädchen getroffen hat. Ich wusste, dass er eine Freundin hatte. Dich, Daisy. Er hat sich andauernd mit ihnen getroffen. Mit vielen Mädchen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht einmal, wie du aussiehst, nur, wie du geheißen hast. Ich habe Levin gedroht, dich aufzusuchen und dir von seinen Betrügereien zu erzählen, wenn er es nicht selber tun würde." Seraya schluckte hörbar. „Es gibt also vermutlich schon einen Grund, wieso mir jemand böse sein könnte."

„Einen Grund?", fragte Cuinn und sah Seraya entgeistert an, ehe er mit einem verächtlichen Ausdruck in den Augen wegblickte. „Das ist doch kein Grund, jemanden einzusperren und psychisch und körperlich fertig machen. Das ist eine lächerliche Rechtfertigung." Er starrte in Pauls Richtung und musterte ihn mit einem ähnlichen Blick wie Eve. „Und das von dir ist auch wirklich sehr stark", meinte Cuinn mit einem ironischen Lächeln. „Gut, dass Eve jetzt nach drei Jahren erfahren darf, dass du Schuld am Tod ihres Bruders bist." Er presste die Lippen fest aufeinander. „Du hättest dich wenigstens entschuldigen können."

Pauls Gesicht wurde rot, doch er schwieg, ließ Cuinns Worte auf sich niederprasseln und vermied es, Eve anzublicken.

„Das reicht jetzt", sagte die schwarz gekleidete Person, mit einem kleinen Lachen. „Es wird Zeit, das Märchen zu beenden."

Etwas an diesen Worten ließ mich erschaudern.

Nicht nur mich, auch in den Augen der Anderen sah ich einen Funken Angst.

Ich bemerkte, wie Eve zurück zuckte, wie Cuinn hörbar schluckte, wie Seraya und Juna ängstlich die Luft einsogen und Kais Atem neben mir deutlich hektischer wurde. Noah war zu kraftlos, um wirklich geschockt zu sein und Paul war ohnehin so kreideweiß, dass er aussah, als würde er jeden Moment umkippen.

Das Märchen beenden.

„Und um Levins Tod und den Ruf eines Mörders, den man ihm zugelegt hatte, zu rächen, haben wir uns zu dritt zusammengetan. Haben uns entschieden, jeden zu bestrafen, dessen Schuld es ist."

„Zu dritt?", fragte Seraya leise und musterte die zwei Maskierten. Ich schüttelte den Kopf.

Sie spielen wieder mit uns. Sie wollen, dass wir wieder denken, dass es einen Verräter unter uns gibt.

Ohne auf Serayas zögerliche Frage einzugehen, fuhr der Maskierte fort:

„Und deshalb seid ihr alle hier. Deshalb haben sich hier acht junge Menschen versammelt.“ Die Gestalt lachte leise. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute."

Der letzte Satz war kaum ein Flüstern. Mein Herzschlag raste, meine Hände zitterten.

„Und wie bereits das Tapfere Schneiderlein zu sagen pflegte: ‚Sieben auf einen Streich.'" 

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