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Kapitel 24 [Eve]

Als ich die Augen aufschlug, lag ich auf dem Rücken und starrte abwesend an die Decke, lauschte dem prasselnden Kamin.

Ich hatte jegliche Motivation verloren, aufzustehen, etwas anderes zu tun, als den ganzen Tag auf dem Sofa liegen zu bleiben, doch mit fest aufeinander gepressten Lippen, die rau und spröde waren, richtete ich mich letztendlich auf, um mich im Gemeinschaftsraum umzusehen.

Er war hell erleuchtet, denn durch alle Fenster strömte das Tageslicht, und am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Mein Blick schweifte über die schlafenden Gesichter, in denen sich selbst jetzt noch Sorge und Angst abzeichnete.

Ich schluckte und stellte fest, dass ich nicht einmal im Ansatz hungrig war, denn wenn ich auch nur an die gestrigen Ereignisse dachte, begann sich mein Magen zu drehen.

Diese toten Augen.

Der laute Knall der Explosion und der grausame Geruch, der noch immer in der Luft stand.

Möglichst geräuschlos schlüpfte ich vom Sofa und öffnete eines der Klappfenster, damit die Luft hier drin wenigstens ein wenig angenehmer wurde, denn der Fakt, dass in diesem Raum sieben Leute geschlafen hatten, verbesserte den Geruch nicht gerade.

Ich versuchte den unangenehmen Gedanken, dass ich gerade in diesem Moment vielleicht beobachtet wurde, zu verdrängen, schnappte mir jedoch trotzdem ein paar frische Kleider aus meinem Rucksack, den ich neben dem Sofa platziert hatte, und trat auf Zehenspitzen durch den Raum, um mich in der Küche umzuziehen.

Nachdem ich mir ein paar schwarze Jeans und einen hellblauen Pulli übergezogen hatte, schmierte ich mir ein Brot und setzte mich auf einen der Stühle, die in der Küche zu finden waren. Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster, wobei ich das Schnarchen, welches aus dem Gemeinschaftsraum kam, gekonnt ignorierte. Lustlos kaute ich auf dem Brot herum, zwang mich dazu, es zu schlucken, obwohl ich mich einfach nur übergeben wollte.

„Du siehst unglaublich ausgeschlafen aus", begrüßte mich Cuinn belustigt, der etwa zwanzig Minuten später ebenfalls die Küche betrat, um sich Frühstück zu holen.

Mein erschöpfter Blick schweifte zu ihm. „Du siehst auch nicht besser aus", murmelte ich und schaffte es sogar, ein wenig zu lächeln.

Cuinn sah nämlich wohlgemerkt mindestens genauso schrecklich aus wie ich. Unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab, wobei er aber kein Ausnahmefall war, denn inzwischen erhielt jeder von uns vermutlich nur noch weniger als fünf Stunden Schlaf pro Nacht.

Mit zerknittertem T-Shirt trat Cuinn zur Küchenzeile, griff nach einer Schale und bereitete sich ein Müsli mit Obst zu, wobei ich ihm mit matten Augen zusah.

„Ich fass' es nicht, dass du jetzt schon wieder so gut drauf bist", murmelte ich, woraufhin sich Cuinn zu mir umdrehte und mit einem seltsamen Ausdruck musterte.

„Woher willst du wissen, dass ich gut drauf bin?", fragte er und begann, sein Müsli zu essen, ohne wegzublicken. Ich schluckte, denn er hatte Recht. Er wusste genauso gut wie ich, wie man seinen Schmerz versteckte. Bloß taten wir es auf unterschiedliche Weisen. Während ich mich hinter einer kalten, unbeteiligten Maske versteckte, trug Cuinn eine Selbstbewusste, Unbeschwerte, die ihn stets selbstsicher wirken ließ.

„Tut mir Leid wegen gestern", sagte ich und zwang mir den letzten Bissen meines Brotes runter.

Cuinn erwiderte meinen Blick mit einem schief gelegten Kopf. „Falls du das meinst, dass du von mir weggetreten bist, muss es dir nicht Leid tun", sagte er. „Ich habe schließlich etwas getan, was du nicht wolltest, nicht andersherum."

„Nein, nein, so ist es nicht", fiel ich ihm ins Wort und bemühte mich um eine sichere Stimme, ohne den Blick von Cuinn abzuwenden. Seine Augen ruhten unlesbar auf mir, doch er sagte nichts mehr und auch ich schwieg.

Juna betrat verschlafen die Küche und grüßte uns mit einem matten Lächeln auf den Lippen. Nach und nach trudelten auch die Anderen ein und holten sich ein Frühstück.

Seraya saß bereits an einem der Couchtische, als wir alle zurück in den Gemeinschaftsraum traten, und irgendetwas an ihrem Blick machte mich stutzig, denn sie blickte jeden von uns so gründlich, so forschend an, als suchte sie in unseren Gesichtern etwas.

In dem Moment entdeckte ich den Zettel in ihren Händen, den ihre Finger umklammerten. „Woher hast du den Zettel, Seraya?", fragte ich und verfluchte mich für den schrillen Ton in meiner Stimme, woraufhin auch die Anderen auf Seraya aufmerksam wurden.

Diese schluckte und reichte mir den Zettel. „Der lag unter meinem Kopfkissen."

Bei dem Gedanken, dass in der Nacht jemand hier gewesen war, um Seraya den Zettel unter das Kissen zu stecken, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Auch Daisy wurde sichtlich blasser und Kai presste die Lippen fest aufeinander, um nicht los zu schimpfen. Meine Hände umgriffen den Zettel und ich faltete ihn mit zittrigen Fingern auseinander.

„Das Gefährliche am Verrat ist, dass er niemals vom deinen Feinden kommt", las ich laut vor und starrte auf das Blatt Papier, auf dem außer diesem Satz nichts stand.

„Sonst nichts?", fragte Cuinn, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. „Keine neuen Märchen, die uns einen Hinweis geben könnten, wer es ist?" Ich schüttelte wie benommen den Kopf und las den Satz immer und immer wieder.

„Und was soll dieser Satz bedeuten?", meinte Seraya leise, doch ich sah in ihren Augen, dass sie genau wusste, was er bedeutete. Fast schon zu stark schüttelte ich erneut den Kopf.

„Das muss nicht heißen, dass hier ein Verräter unter uns ist", sagte ich mit fester Stimme und mein Blick war fast schon flehend, als ich die ganzen misstrauischen Mienen erblickte. „Der Täter versucht uns vermutlich nur, gegeneinander aufzuhetzen."

So muss es sein. Wir alle leiden unter dieser Gefangenschaft, wieso sollte einer von uns gegen die Anderen sein?

Mein Blick huschte zu Cuinn. Er hatte mir immer wieder gesagt, dass es sein konnte, dass einer unter uns ein Verräter war.

„Und was, wenn doch?", flüsterte Seraya. „Was, wenn einer von uns ein Verräter ist?"

Ihre Worte schwangen in der darauf folgenden Stille wie eine schwere Regenwolke. Ich bemerkte vorsichtige Seitenblicke und zusammengekniffene Augen. Seraya schluckte.

„Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich es nicht sein kann. Ich bin fast ertränkt worden, bin fast von der stürzenden Brücke gefallen, ... . Cuinn und Daisy sind es dann wahrscheinlich auch nicht."

Ihre Stimme war vorsichtig und ich spürte ihre forschenden, bohrenden Augen, die mir bis in die Knochen drangen.

„Und was willst du damit andeuten?", fragte Kai mit einer gefährlich leisen Stimme. Er richtete sich auf. „Willst du damit sagen, dass einer von Eve, Juna, Paul, Noah oder mir ein Verräter ist? Willst du das damit sagen?!"

Sein Gesicht rötete sich merklich und Seraya wirkte auf einmal blass und ängstlich. „Nein, wir wissen ja nicht, ob hier ein Verräter ist, aber... ", begann sie, doch Kai unterbrach sie grob.

„Spar' dir das", zischte er. Einen Moment herrschte eisige Stille, und auch, wenn niemand es aussprechen wollte, hatte sich ein allgemeines Misstrauen eingeschlichen.

„Wir sollten wenigstens darüber sprechen", meinte Seraya jedoch mit sicherer Stimme. „Wir müssen ja niemand konkretes beschuldigen. Aber wir müssen darüber sprechen, ich meine, es ist besser vorsichtig zu sein, oder?"

„Es wird doch bloß ein Keil zwischen uns treiben", widersprach ich, woraufhin mich Seraya anfunkelte.

„Das ist mir egal. Das nehme ich in Kauf, wenn ich dafür den Verräter unter uns finde."

„Und wie werden wir deiner Meinung nach den Verräter finden?", fragte ich kühl und hob das Kinn herausfordernd.

„In dem wir die Fakten anschauen", erklärte Seraya fast schon übertrieben sanft. „Das solltest du doch wissen, Eve."

„Welche Fakten überhaupt?" Ich versuchte meine aufgebrachte Stimme zu zügeln, doch es ergab für mich einfach keinen Sinn, nach einem Verräter zu suchen. Wie auch?

„Naja, wie gesagt, man kann Cuinn, mich und Daisy vermutlich ausschließen, oder?", begann Seraya, während sie unruhig ihre Hände knetete. Dieses Mal widersprach niemand, nicht einmal Kai. Denn wieso sollte Seraya jemanden beauftragen, sie zu ertränken, eine Brücke einstürzen zu lassen? Wieso sollte Cuinn eine Bombe vor sein Zimmer legen lassen, wieso sollte Daisy sich im Schnee vergraben lassen? Alles mit dem Risiko, dass sie sterben könnten?

„Also du, Eve, Kai, Juna, Paul oder Noah. Richtig?" Erneut widersprach niemand.

Serayas Stimme hatte sich beruhigt, doch mein Herzschlag war auf einmal viel zu laut und schnell. Ich bemerkte Cuinns Blick auf mir und bemühte mich, ruhig und gefasst zu wirken, doch seine Augen verrieten mir, dass er meine Nervosität gesehen hatte.

„Jetzt gehen wir alles noch einmal von vorne durch: Daisy wird entführt. Eve ist die Letzte, die sie sieht und ist auch einige Zeit alleine mit ihr Stockwerk. Genug, um sie über das Seil am Fenster nach unten zu transportieren und zu vergraben."

Meine Fingernägel bohrten sich hinter meinem Rücken in meine Hand, doch mein Gesicht blieb kalt und unbeeindruckt. Ich spürte die Blicke der Anderen auf mir. Seraya hob abwehrend die Hände.

„Das heißt noch gar nichts", beeilte sie sich zu sagen. „Wir gehen weiter: ich werde bewusstlos geschlagen und in eine Badewanne mit Wasser gelegt. Eve, du hast es damals als Erste mitbekommen."

„Warte, du willst sagen, dass ich da auch die Hauptverdächtige bin?", fragte ich ungläubig und konnte mir ein überraschtes Lachen nicht verkneifen. „Ich soll dich in die Badewanne getaucht haben, in mein Zimmer gegangen sein, mich selber im Bad eingesperrt haben, obwohl ich Platzangst habe, und dann um Hilfe gerufen haben? Die Hilfe, die übrigens auch dich gerettet hat?" Ich war zu perplex, um wütend zu klingen. Diese Anklage war zu absurd.

Das Schlimmste war, dass niemand widersprach. Niemand sagte Seraya, wie lächerlich ihre Idee war.

„Naja, vielleicht hast du gedacht, dass ich schon tot war, und hast bloß die Anderen hergerufen, damit du als unschuldig rüberkommst", meinte Seraya. „Aber wie gesagt, das ist alles nur eine Theorie."

Eine Theorie?", wiederholte ich fassungslos. „Eine Theorie? Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich beleidigend, dass du mit solchen Theorien herumwirfst, laut denen ich getötet haben soll!"

„Und jetzt zu dem Fall mit Cuinn: du warst dabei, Eve", fuhr Seraya fort, ohne auf meine Verteidigung einzugehen.

„Sie war nicht nur dabei, sondern hat mich tatsächlich auch gerettet", merkte Cuinn an, der sich endlich mal einbrachte und erwas zu meiner Verteidigung sagte.

„Das könnte natürlich auch geplant sein", murmelte Paul und mein Blick schoss zu ihm. Ich versuchte gar nicht erst zu verbergen, wie verletzend es war, nun auch von ihm beschuldigt zu werden.

„Ihr...ihr meint das wirklich ernst?", fragte ich und meine Stimme bebte vor Wut. „Ihr habt doch überhaupt keine Beweise für eure Anschuldigungen!"

„Du warst von Anfang an dagegen, dass wir nach dem Verräter suchen", sagte Seraya und ich konnte in ihren Augen sehen, dass ihr diese Anschuldigenden Leid taten, dass sie einfach nur weg wollte.

„Ja", erwiderte ich schnaubend. „Weil ich genau das hier vermeiden wollte. Dass ihr jemanden willkürlich beschuldigt!"

Ich blickte in die Runde. Kai und Juna wichen meinem Blick aus und Noah legte die Stirn in Falten. Cuinn lehnte immer noch schweigend und nachdenklich an der Wand.

„Danke übrigens", sagte ich mit einem bitteren Ton, mit dem ich versuchte, das gekränkte Zittern in meiner Stimme zu verbergen.

Ich sah zu Paul. „Ich glaube, Seraya hat Recht", sagte ich, woraufhin einige verwirrte Blicke zu mir wanderten. Doch ich ignorierte sie gekonnt und durchbohrte Paul mit einem kalten Blick. „Seraya hat Recht. Du bist wirklich ein Feigling, Paul." Pauls Augen funkelten überrascht auf.

Ich schluckte, immer darauf bedacht ruhig zu atmen, gefasst zu bleiben, obwohl ich sie am liebsten alle angeschrien hätte.

„Das seid ihr alle", fügte ich hinzu. „Ihr seid alle Feiglinge. Weil ihr Angst habt, selber beschuldigt zu werden, haltet ihr die Klappe und lasst Seraya so etwas über mich sagen."

Ein witzloses Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und mein Blick verweilte etwas zu lang auf Cuinn, der ihn schweigend erwiderte. Sein Schweigen war vermutlich das Verletzendste von allen. Er schüttelte kaum merkbar den Kopf, doch ich ignorierte es.

„Ich möchte aber, dass jeder von euch jetzt einmal etwas dazu sagt. Ich möchte, dass jeder von euch mir ins Gesicht sagt, dass ihr glaubt, ich sei ein Verräter. Oder seid ihr selbst dafür zu feige und lasst Seraya lieber für euch sprechen?" Die Abscheu in meiner Stimme verbarg den verräterischen Schmerz, der sich in mir breit machte. Die Enttäuschung.

Als immer noch niemand etwas sagte, lachte ich auf und erhob mich vom Sofa.

„Gut", sagte ich einfach. „Und was wollt ihr jetzt machen? Mich fesseln, obwohl ihr keinen. Einzigen. Verfluchten. Beweis habt?"

„Natürlich nicht", sagte Juna rasch. „Das sind alles nur Gedanken, noch keine festen Entscheidungen."

„Dann behaltet eure lächerlichen Gedanken für euch, verdammte Scheiße", erwiderte ich und kochte innerlich. Ich blinzelte.

„Ich habe euch alle wirklich gemocht", fügte ich hinzu und entdeckte in Junas Augen etwas Schuldbewusstes, etwas Beschämendes. „Aber daran sieht man eigentlich ganz gut, dass der erste Eindruck manchmal falsch ist."

„Eve hat Recht, wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen", meinte Cuinn, woraufhin ich ihn zornig anfunkelte. „Oh, du kannst ja auf einmal wieder sprechen", sagte ich mit einem sauren Ton, in dem Enttäuschung schwang. Cuinn antwortete nicht, doch seine angespannte Haltung machte deutlich, dass er das gekränkte Zittern in meiner Stimme nicht überhört hatte.

„Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich nach draußen gehen", sagte ich. „Dann fühlt ihr euch bestimmt sicherer. Ihr könnt ja in der Zwischenzeit auch schon mal überlegen, wie ihr mich hinters Licht führen könnt. Ob ihr zum Beispiel Wachen einführt, die mich Tag und Nacht beobachten, damit ich auch ja niemanden umbringe. Oder ihr könntet mich doch wirklich einfach fesseln und in den Keller legen und täglich zweimal Essen und Trinken vorbeibringen."

Meine Stimme triefte nur so vor lauter Sarkasmus, während ich mich zwischen Noah und Juna hindurch zwängte.

„Ich freue mich schon auf eure kreativen Ideen", meinte ich und schlüpfte in den Korridor. Meine Beine zitterten und ich fühlte mich so unglaublich verraten und alleine, dass ich gerne gegen die Wand getreten hätte, dass ich am liebsten das Haus zusammen geschrien hätte.

„Diese verdammten Feiglinge", flüsterte ich, warf mir meinen Mantel über und zog meine Stiefel an, um so schnell wie möglich dieses Haus zu verlassen. Verbittert trat ich nach draußen, stapfte durch den Schnee und versuchte nicht zum Rubinpalast zurückzublicken.

Standen sie alle gerade am Fenster und beobachteten jeden meiner Schritte? Ich wollte es nicht wissen und beschleunigte meine Schritte, ohne zurückzublicken. Erst als ich endlich am Gartenzaun ankam, an dem das „Hilfe"-Schild von Cuinn und mir bereits zerfleddert hing, kamen meine Schritte zur Ruhe und ich ließ mich schwer atmend auf der Bank nieder.

Ich nahm den pfeifenden Wind kaum wahr, und auch die Kälte schien an mir vorbeizurauschen, ohne mich zu berühren, denn mein Blick lag kalt auf den Bergen vor mir, auf den hohen Gipfeln, die unerreichbar waren. Ich wollte nachhause. Wann würden meine Kommilitonen bemerken, dass ich nicht da war? Wann würden sie die Polizei einschalten?

Und ich Idiot habe nicht einmal irgendjemandem von der Reise erzählt...

Bittere Tränen bildeten sich in meinen Augen und ich spürte so viele Gefühle auf einmal, dass ich wie zerrissen war. Enttäuschung und Zorn gegenüber den Anderen, die mich einfach hängenließen.

Redeten sie gerade über mich? Glaubten sie wirklich, dass ich ein Verräter war, nur weil der wahre Täter einen Zettel hinterlassen hatte, in dem er vor einem vermeintlichen Verräter warnte? Glaubten sie diesen Scheiß ernsthaft?

Doch allem voran war diese Wut nur für eines gut: Sie verschleierte meinen Schmerz. Die bittere Enttäuschung von Menschen, denen ich vertraut hatte, betrogen und verraten zu werden.

Sogar von Cuinn.

Der doch die ganze Zeit über so getan hatte, als würde er mir vertrauen. Der eigentlich nie Angst gezeigt hatte, jemandem zu widersprechen, wenn er es für richtig hielt. Der, der mir so verdammt nah gekommen war.

Gut, dass ich mich direkt distanziert habe. Er war bereit mir näherzukommen, nachdem ich ihm das Leben gerettet habe, aber jetzt, wo ich von allen als Verräterin abgestempelt werde, ist er zu feige, sich für mich auszusprechen...

Ich hasste es, zu weinen, und doch ließ ich die Tränen einfach laufen. Es war sowieso egal. Still flossen sie an meiner Wange hinab, während meine Augen ausdruckslos in die Ferne starrten.

Wäre ich doch bloß nie hierher gekommen.

Ein leises, kaum hörbares Schluchzen entschlüpfte meiner Kehle, fast im gleichen Moment, wie das bittere Lachen.

Es war so absurd, so etwas zu glauben, so absurd, dass es auf schmerzliche Art lustig war.

Ich lachte und weinte und starrte in den Abgrund, der an allem Schuld war, denn wenn er nicht wäre, könnte ich diesen Ort voller Feiglinge und Tod endlich verlassen.

Mein Hals tat weh und meine Augen juckten, doch ich rieb mir nicht die Tränen aus den Augen. Sollte halt jemand kommen und mir sagen, ich sei schwach. Dann würde ich diesen Jemand einfach auslachen, denn so ein Mitläufer hatte kein Recht, mich als schwach zu bezeichnen, nur weil ich weinte.

Stevie war stärker gewesen als ich. Er hatte sich nicht für das Weinen geschämt, obwohl unsere Eltern es ihm immer eingeredet hatten. Und er hatte Ballett so geliebt. „Das ist doch für Mädchen!", hatte sich meine Mutter empört, was Stevie so unglaublich traurig gemacht hatte. Das stimmt nicht", hatte ich Stevie zugeflüstert, nachdem unsere Eltern den Raum verlassen hatten. „Welches Stück möchtest du denn sehen, Stevie?" „Nussknacker!", waren seine aufgeregten Worte gewesen.

Die Tränen trockneten auf meiner Haut und hinterließen gerötete Spuren, während meine verschwommene Sicht noch immer auf den Bergen lag. Meine Arme umschlangen meinen Oberkörper und mir war auf einmal so unglaublich kalt, dass meine Zähne wild aufeinander klapperten und mein rasselnder Atem Luftwölkchen bildete.

Ich hielt mich selber fest und auch wenn es so bitterkalt war, wusste ich, dass es genügte, denn letztendlich hatte man immer nur sich selber, war immer auf sich alleine gestellt. Ich wusste das schon immer. Warum also hatte ich mich auf die Unterstützung der Anderen verlassen, obwohl sie Fremde waren?

Ich bin naiv gewesen.

„Eve", erklang eine Stimme hinter mir, doch ich drehte mich nicht um, sondern starrte weiterhin in den wolkenlosen Himmel, an dem warme Sonnenstrahlen zu sehen waren. Die Gipfel schienen förmlich zu leuchten und ich wünschte mir auf einmal nichts sehnlicher, als auf einem dieser Gipfel zu stehen und auf die Welt zu blicken.

Schritte ertönten und Cuinn setzte sich neben mich auf die Bank. „Was ist?", fragte ich kühl, ohne ihn anzusehen. Ich hätte ihm nie zugetraut, dass er so von mir denken könnte.

„Du bist vielleicht nicht die Einfühlsamkeit in Person, aber ich glaube nicht, dass du einen Mord begehen würdest", sagte Cuinn und ich konnte nicht anders, als meinen Kopf mit einem zornigen Funkeln in den Augen zu drehen.

„Schön, dass du das glaubst. Aber fürs Sagen hat die Überzeugung dann doch wohl nicht gereicht!" Cuinns Augen folgten jeder winzigen Regung in meinem Gesicht.

„Ach ja. Danke für deine Hilfe übrigens", fügte ich mit einem bitteren Ton hinzu. Es war fast schon eine Genugtuung, als Cuinn meinem Blick auswich.

Soll er ruhig Gewissensbisse haben.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Mitläufer bist, Cuinn."

Ich konnte das Zucken in Cuinns Gesicht sehen, bemerkte, wie sich seine Augen verfinsterten, doch er sah mich noch immer nicht an.

„Es tut mir Leid, dass ich nicht so viel gesagt habe", sagte er mit ruhiger Stimme, doch ich hörte das Beben in ihr. Ich schnaubte verächtlich.

„Ich habe eine Frage", meinte ich und durchbohrte Cuinn mit meinem Blick. „Klingt das, was Seraya gesagt hat wirklich so plausibel?" Ich lachte. „Ich habe nämlich noch nie eine lächerlichere Anschuldigung gehört."

„Ja, das was sie gesagt hat, ergibt keinen Sinn", stimmte Cuinn zu, was mich noch rasender machte.

„Und wieso zur Hölle sagst du dann nichts?!" Meine Stimme war laut geworden. „Wieso scheint jeder zu feige zu sein, um zu realisieren, dass Seraya irgendwelche Fakten zusammengewürfelt hat und daraus geschlossen hat, dass ich ja ein Verräter sein muss?"

„Das hat nichts mit Feigheit zu tun", erwiderte Cuinn und ich sah ihn ungläubig an. „Ach ja? Mit was dann?"

„Ok, hör mich jetzt zu, Eve, ja? Ich werde jetzt versuchen, dir zu erklären, wieso ich dir nicht geholfen habe."

Cuinn blickte mir nun eindringlich in die Augen. „Und ich schwöre dir, dass ich wirklich glaube, dass du unschuldig bist."

Mein Gesicht blieb reglos, doch ich nickte knapp, um ihm zu bedeuten, dass er fortfahren sollte.

„Wir alle müssen damit rechnen, dass weitere Anschläge stattfinden werden. Der Täter scheint Spaß daran zu haben, uns fertig zu machen und in den Wahnsinn zu treiben, denn er könnte uns auch einfach nachts töten. Aber stattdessen spielt er dieses Psychospiel mit uns."

Cuinn lehnte sich zurück, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Er schien wirklich entschlossen zu sein, sich zu erklären. „Jetzt, wo du die Hauptverdächtige bist, wird dich der Täter aber vermutlich nicht anrühren. Er braucht schließlich einen Sündenbock, jemanden, den die Anderen immer beschuldigen, damit der echte Verräter, falls einer existiert, in Sicherheit ist. Der Verräter braucht dich lebendig, um sicher zu sein. Also bist auch du sicher."

Ich konnte sehen, dass Cuinn in meinen Augen nach Verständnis und nach Vergebung suchte. „Deshalb habe ich keinen Grund gesehen, dich aus der Situation zu ziehen. Das hätte dir im Endeffekt nur geschadet."

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte und auf einmal war es mir unmöglich, Cuinn in die Augen zu blicken.

„Aber die Anderen. Sie denken wirklich, dass ich ein Verräter bin", meinte ich mit fester Stimme.

Cuinn lachte auf, woraufhin ich ihn verwirrt anblickte. „Ja und? Das ist doch nur ein Haufen Fremde. Seit wann interessierst du dich für andere Meinungen?"

„Es ist kein schönes Gefühl beschuldigt zu werden, ein Mörder zu sein. Das ist nicht einfach nur eine Meinung", erwiderte ich und legte den Kopf in den Nacken, um in den Himmel zu blicken. Er war schön. So frisch und hellblau. Der selbe Himmel, den auch gerade meine Freunde sahen, in den meine Eltern blickten. Der selbe Himmel. Auf eine seltsame Weise half dieser Gedanke, denn er ließ mich vergessen, dass ich vollkommen isoliert und gefangen war.

„Ich glaube, sie haben einfach nur Angst", sagte Cuinn, woraufhin ich nur matt lächelte.

„Ich habe auch Angst. Darf ich deshalb jetzt behaupten, dass du mich töten willst. Weil du... weil halt."

„Wow, Eve, das ist ja fast schon so ein logisches Argument wie das von Seraya", erwiderte Cuinn und ich lachte leise, auch wenn alles in mir sich dagegen sträubte.

Die Tränen waren inzwischen getrocknet, doch ich spürte noch die Stelle, an der sie hinabgelaufen waren.

„Sie können dir nichts beweisen", sagte Cuinn. „Also hast du außer ein paar misstrauischen Blicken nichts zu befürchten."

Ich biss mir auf die Lippe. „Und wer ist dann der Verräter? Wenn es einen gibt", fragte ich in der naiven Hoffnung, dass Cuinn jetzt einen Namen und ein paar Beweise nennen würde. Doch seine Augenbrauen zogen sich zusammen und seine braunen Augen wurden düster.

„Das weiß ich nicht", antwortete er. „Und ich würde ungern jemanden beschuldigen, ohne mir sicher zu sein."

Er sah zu mir. „Nimm das alles nicht zu persönlich. Seraya hat nichts gegen dich. Sie ist einfach nur verzweifelter und skrupelloser als wir alle und würde alles tun, um diesen Ort zu verlassen."

Auch töten?, fragte ich mich unwillkürlich und ich sah diese Frage auch in Cuinns Iris aufflackern.

Er schüttelte rasch den Kopf und reichte mir die Hand. Einen Moment blickte ich sie einfach nur an, ehe ich sie ergriff. Einige Sekunden lang hielt er mich einfach nur fest, doch dann stahl sich ein kleines, herausforderndes Lächeln auf seine Lippen.

„Ich bin echt enttäuscht, dass du auch nur einen Moment gedacht hast, ich würde das alles glauben." Sein Blick huschte über mein Gesicht und blieb an den Spuren meiner Tränen hängen, doch er sagte nichts dazu.

Ich hob mein Kinn, auch wenn alles in mir verlangte, beschämt wegzublicken. Ich wollte mich nicht für meine Tränen schämen. Fast schon herausfordernd erwiderte ich Cuinns Blick, bis er letztendlich belustigt lächelte.

„Ich habe noch nie eine so stolze und sture Person gekannt", sagte er und erhob sich, wobei er mich ebenfalls mit nach oben zog, da er noch meine Hand hielt. „Es tut mir Leid", fügte er hinzu und auch, wenn er es nicht aussprach, wusste ich, was er meinte. Ich kniff die Augen zusammen und blickte in seine Iris und in ihr konnte ich nichts lesen. Doch ich meinte, darin Schuld zu sehen.

„Ist schon in Ordnung", erwiderte ich. Diese Worte kamen mir schwer von den Lippen, doch sie waren ehrlich. Ich spürte Cuinns forschenden Blick, der herausfinden wollte, ob ich die Worte auch wirklich ehrlich meinte.

„Und du bist die misstrauischste Person, die ich je gekannt habe", sagte ich mit einem Augenrollen, woraufhin Cuinn breit lächelte und seine Hände in den Jackentaschen vergrub.

„Wir sollten zurückgehen. Sonst denken die Anderen noch, dass ich dein Komplize bin", sagte er und einen Moment lang verharrten wir auf der Stelle, nicht zu nah aneinander, aber auch nicht weit.

Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich zu ihm treten sollte, meine Hand nach ihm ausstrecken sollte, doch dieser Gedanke verflog rasch und ich folgte Cuinn durch den hohen Schnee.

Ich hatte das Haus in tiefster Verzweiflung verlassen, in dem Glauben, dass alle von meiner Schuld überzeugt waren.

Und nun kehrte ich zurück. Immer noch hoffnungslos.

Aber wenigstens nicht mehr so alleine.

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