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Kapitel 22 [Eve]

„Eve."

Ich hörte Cuinns Stimme kaum, denn sie war so leise, lediglich ein hauchdünnes Wispern. Ich drehte den Kopf und erwiderte seinen leeren Blick, der auf mich gerichtet war und doch ganz woanders zu schweben schien.

Ich sah bereits, wie Juna uns mit flatterndem, rotem Haar entgegen rannte, wenige Meter hinter ihr folgten die Anderen, ich konnte selbst über die Entfernung ihre Angst spüren.

Der Schnee blendete mich und ich musste meine Augen zusammen kneifen, um Cuinns Gesicht sehen zu können, drauf wartend, dass er weitersprach, doch er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.

Seine Lippen bebten, suchten nach den richtigen Worten, doch ehe er seinen Mund öffnen konnte, war Juna mit einem Schrei bei uns angekommen und blieb fassungslos vor uns stehen.

Ihre geschockten Augen huschten zwischen uns hin und her und sie wartete darauf, dass Cuinn oder ich etwas sagten, ihr erklärten, was passiert war, wieso ein solch lauter Knall die Stille durchbrochen hatte, wieso wir humpelten, wieso unsere Blicke so leer waren.

„Ihr...ihr", stotterte sie und machte einen Schritt auf mich zu. Ich blickte zu Cuinn, dessen ausdrucksloser Blick immer noch auf mir ruhte, doch er schwieg und sagte nichts mehr.

Er ließ meine Hand los, die sich auf einmal wieder kalt und seltsam leer anfühlte. Ich konnte nichts anders, als auf Cuinns Finger zu starren, die er rasch in seinen Hosentaschen vergrub, ohne den Blick von mir zu nehmen.

„Cuinn! Was ist passiert, man?!", rief Kai, der nun ebenfalls bei uns angekommen war. Seine Wangen waren gerötet und sein schwarzes Haar zerzaust, als er Cuinn mit funkelnden, schockierten Augen anblickte.

Cuinn verharrte noch einen kurzen Moment neben mir, doch dann wandte er sich von mir ab und trat neben Kai, der in bei der Schulter packte und eindringlich anstarrte. Cuinn sagte immer noch nichts und auch ich reagierte nicht auf Junas Hagel an Fragen, brachte nichts außer ein paar stammelnden Worten hervor und endete deshalb in einer von Junas festen Umarmungen.

Meine Augen ruhten auf Cuinn, der mit fest aufeinander gepressten Lippen neben Kai stand und in die Ferne blickte, in die Richtung, wo gerade die Sonne unterging.

Der Schneesturm hatte fast aufgehört, doch die sanften Schneeflocken, die noch auf uns hinabfielen, schimmerten sanft im orangenen Licht, landeten federleicht auf meinen Wimpern und ließen meine Sicht verschwimmen, landeten auf Junas rotem Haar und in Cuinns Gesicht, das er leicht in den Nacken gelegt hatte, um in den Himmel blicken zu können.

Als hätte er meinen Blick gespürt, blinzelte er und erwiderte ihn und einen kurzen Augenblick später erschien auf seinen Lippen ein winziges, kaum sichtbares Lächeln. Es verblasste so schnell, dass ich es für Einbildung hielt.

Ich hörte Schritte hinter mir, eilig und hektisch stapften sie durch den hohen, kalten, nassen Schnee, der bis in die Weite reichte, der jeden Winkel dieser Bergwelt erfüllte.

Ich habe die Nase voll von Schnee und diesem verfluchten Haus.

Ich fuhr herum, um kurzerhand in Daisys starre Augen zu blicken. Sie kamen mir seltsam vor, nicht ängstlich oder geschockt, sondern vorsichtig. Hoffnungslos.

Sie warf Cuinn einen kurzen Blick zu und ihre dunklen Augen wurden einen Moment heller und sie atmete erleichtert auf. „Gott sei Dank", flüsterte sie. „Cuinn war schon draußen."

„Von wo draußen?", schaltete sich Noah ein, dessen Blick unruhig umherblickte, darauf wartend, dass ihm jemand die Lage erklärte. Auch Serayas müde Augen, die immer wieder in die Ferne schweiften, sahen mich fragend an.

„Aus meinem Zimmer", antwortete Cuinn, als niemand sonst seine Stimme erhob, und ich war überrascht über den festen Klang seiner Stimme, die gerade noch so ängstlich und kraftlos geklungen hatte.

Es war ein seltsames Bild, ihn in T-Shirt bei dieser Kälte draußen zu sehen, doch er schien sie kaum wahrzunehmen.

„Mein Zimmer ist explodiert." Es war beinahe schon lustig, wie trocken und beiläufig seine Worte klangen. Als würde er uns gerade erzählen, was es zu Abend geben würde.

Juna versteifte sich neben mir und Noah beugte sich ungläubig vor, als hätte er sich verhört. Schön wär's.

„Was hast du da gerade gesagt?", fragte Paul und lehnte sich mit verschränkten Armen nach vorne.

Ein leises, ironisches Lachen entschlüpfte Cuinns Lippen, während er seine Augen geschlossen hatte, als müsste er sich zusammenreißen, nicht vor Zorn aufzuschreien.

„Ich glaube, du hast mich gut verstanden", sagte er, immer noch mit verschlossenen Augen. „Aber, wenn du willst kann ich es noch einmal sagen." Er schlug seine Augen wieder auf und ich zuckte zusammen, als ich den blanken Zorn in ihnen erblickte. „Mein. Zimmer. Ist. Explodiert", sagte er langsam wie zu einem kleinen Kind. „Ach ja, fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass ich in diesem Zimmer war."

„Deshalb bist du also plötzlich losgestürmt, Eve", sagte Seraya mit einem Blick auf mich und ich nickte zaghaft mit glasigen Augen, ich wagte es nicht, etwas zu sagen, denn man würde zweifellos das Zittern in meiner Stimme hören.

Und was wäre daran so schlimm? Ich bin gerade fast gestorben, verdammt, da habe ich doch das Recht zu zittern!, empörte sich eine Stimme in meinem Kopf und ich wusste natürlich, dass sie Recht hatte.

Aber das war egal.

Wie ironisch, dass ich sonst immer auf Fakten vertraute, sie jedoch in Momenten wie diesen einfach ignorierte.

„Ich bin nämlich der Froschkönig", meinte Cuinn. Seine Stimme war nun so aufgebracht, dass sie vor Wut zitterte. Er lachte erneut bitter auf. „Wie es aussieht hattest du Recht, Juna. Ich sehe wahrscheinlich wirklich aus wie ein Frosch."

„Beruhig dich, Cuinn", versuchte Juna ihn zu besänftigen, doch er machte eine abwinkende Handbewegung.

„Nein, ich beruhige mich nicht, Juna", sagte er mit so einer Kälte, die Juna die Sprache verschlug. Sie richtete sich auf und einzig und allein der Fakt, dass Cuinn gerade fast gestorben war, schien sie davon abzuhalten, ihn anzufahren.

Cuinn fuhr sich energisch durch die Haare und atmete schnaubend aus.

„Du bist nicht der Einzige, der hier angegriffen wird", meinte Seraya mit einem sehr sauren Unterton, woraufhin Cuinn sie mit einem herausfordernden Blick durchbohrte. „Kein Grund auf uns wütend zu sein", fügte sie hinzu und hob abwehrend die Hände. „Wir stecken hier immerhin alle mit drin."

Ich schloss die Augen für einen Moment, denn auf einmal war ich müde und deprimiert von den ewigen Diskussionen, die unsere Gruppe zu spalten schienen.

„Und wie stellst du dir das jetzt vor?", fragte Cuinn und seine aufeinander gepressten Lippen verrieten mir, dass er sich zusammenreißen musste, Seraya nicht anzuschreien. „Was sollen wir tun, wenn wir nicht einmal mehr in unseren Zimmern sicher sind. Wenn einfach jemand kommen kann und eine Bombe vor unsere abgesperrte Zimmertür legt?"

Er legte den Kopf leicht schräg und musterte Serayas ratloses Gesicht fast schon mit Genugtuung.

„Ich weiß, wo der Täter hingegangen ist", sagte Daisy auf einmal, woraufhin sieben Augenpaare zu ihr schossen. Ihr Blick war undefinierbar, doch mir entging das Zittern ihrer Unterlippe nicht.

„Ich bin ihm vorhin nachgelaufen", sagte sie leise und entschieden. „Er ist im Keller verschwunden. Ich wollte euch aber lieber Bescheid geben, bevor ich da selber runter gehe und vermutlich nicht mehr lebend raus komme." Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Warum hast du das nicht gleich gesagt?", fuhr Kai sie an.

„Ist doch egal", fauchte ich ihn an und stellte fest, dass das meine ersten Worte in dieser Diskussion waren. Und glücklicherweise schien meine Stimme wieder ihre gewöhnliche, abweisende Kälte angenommen zu haben.

Unverletzlich. Undurchdringlich.

Ich wandte mich an Daisy. „Vielleicht ist da ein Weg hier raus." Es war ein einfacher, kurzer Satz, doch er ließ jedes einzelne der Gesichter ein wenig aufhellen, selbst Cuinns zornige Augen beruhigten sich ein wenig.

„Vielleicht muss dann niemand von uns den Berg runter klettern", fügte Seraya hinzu, was sie vor allem an mich richtete.

„Worauf warten wir dann noch?", fragte Noah, der mit hoffnungsvoller Miene in Richtung Sonnenuntergang blickte.

Die Dämmerung setzte ein, tauchte die Welt in einen wunderschönen Farbton, für den ich keinen Namen kannte, doch er war zweifellos das Schönste, was ich je gesehen hatte. Grautöne vermischten sich mit dämmrigen türkis, ließen den Schnee nun bläulich schimmern und die ganze Zeit über lag ein goldener Schleier über dem Himmel, der die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages einfing.

Noah setzte sich in Bewegung, dicht gefolgt von Daisy, Paul und Seraya. Ich konnte an den ungeduldigen Schritten, die frische Spuren im Schnee hinterließen, sehen, wie hoffnungsvoll wir waren, wie viel Angst wir vor Enttäuschung hatten.

Juna stand immer noch neben mir und starrte mit glänzenden Augen ins Licht, während Kai leise auf Cuinn einredete, dessen Gesicht immer noch so reglos war wie zuvor.

„Du bist nicht der Froschkönig", sagte ich schließlich in die Stille hinein, woraufhin mich Juna und Kai mit verwirrten Blicken musterten.

Cuinn hob leicht den Kopf, ohne zu reagieren. „Du bist der eiserne Heinrich", fuhr ich unbeirrt fort, was mir noch seltsamere Blicke einfing, doch das war sowieso egal, weshalb ich einen Schritt auf ihn zumachte.

Er ließ mich nicht aus den Augen, als ich mich ihm näherte.

„Die Person, die all das tut, kennt dich gut", sagte ich leise, sodass nur Cuinn meine Worte klar und deutlich verstehen konnte. Immer noch regte sich nichts in seinem Gesicht, doch seine Augen wurden schmaler.

„Weißt du, wie ich erkannt habe, dass du der Nächste bist?", flüsterte ich, da ich es für angebracht hielt, Cuinns Geheimnisse nicht laut heraus zu posaunen. Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr ich fort: „Weil sich das Märchen auf die letzten Worte deiner Cousine bezieht. Sie passen zum Märchen. Zur Rolle des Eisernen Heinrichs."

Wenn diese Worte Cuinn schockierten, so zeigte er es nicht.

Er beugte sich leicht zu mir. „Und darf ich fragen, wie du ungehindert an der Person vorbeigekommen bist, die uns fast getötet hat?", wollte er wissen und ein winziges, für ihn typisches Funkeln kehrt zurück in seine matten, kühlen Augen.

„Ich bin geklettert", erklärte ich und deutete in Richtung Haus. „Dort hing ein Seil, das in den zweiten Stock führt und über das Daisy vermutlich entführt wurde."

„Du bist an einem Seil an der Hauswand hochgeklettert, um mich zu retten?", hakte Cuinn nach und konnte nun trotz seines Zorns nicht verhindern, dass seine Mundwinkel zuckten.

Ich hob eine Augenbraue. „Ich weiß nicht, was daran so lustig sein soll", meinte ich mit gespielt, kalter Stimme.

„Wir sollten jetzt gehen, Leute", sagte Kai ungeduldig, der sich bereits in Richtung Haus aufgemacht hatte, und winkte Juna, Cuinn und mich zu sich. Ich seufzte und setzte mich hinter Juna in Bewegung, die es nun eilig zu haben schien, zum Keller zu gelangen.

Verständlicherweise.

Wir hatten sowieso schon zu viel Zeit mit „Du bist Schuld – Nein, du bist Schuld"- Diskussionen verschwendet, die nirgendwohin führten, außer, dass wir alle noch wütender, noch ängstlicher und noch hoffnungsloser wurden.

„Hey, Eve, warte kurz", rief Cuinn hinter mir und ich drehte mich wieder zu ihm.

Er stand immer noch auf der selben Stelle wie zuvor, beeilte sich jedoch zu mir zu gelangen, was sich durch den hohen Schnee schwieriger herausstellte als gedacht.

Ich legte den Kopf leicht schräg und kam nicht umhin, Cuinns Kälte-Resistenz zu bewundern, da er die letzten Minuten, ohne sich zu beklagen, in seinem schwarzen T-Shirt im Schnee gestanden hatte. 

Als Cuinn immer noch schweigend neben mir eintraf, zogen sich meine Brauen zusammen.

„Ja?", fragte ich mit einem ungeduldigen Unterton.

Ich bin eine Meisterin darin, so zu tun als wäre ich genervt. Denn in Wahrheit war ich keinesfalls genervt. Vielleicht war es einfach der Fakt, dass Cuinn auf einmal so nah bei mir stand, der mich nervös machte und mein Gehirn in Matsch verwandelte.

„Ich muss dir noch danken. Ich hätte das schon viel früher machen sollen", sagte er und seine Stimme klang dabei so ehrlich, wie ich ihn selten erlebt hatte.

Ich zuckte mit den Schultern. „Kein Problem", erwiderte ich und setzte mich wieder in Bewegung, doch Cuinn griff nach meinem Arm und sah mich eindringlich ein.

„Wirklich, Eve. Ich wäre jetzt tot ohne dich."

„Ja. Vermutlich wärst du das jetzt", sagte ich etwas zu leise, um gleichgültig zu wirken, weshalb ich mich rasch räusperte und ein kleines Lächeln aufsetzte.

Cuinn ließ mich nicht aus den Augen und streckte ganz langsam seine Hand aus, um sie an meine Wange zu legen.

Überrascht riss ich die Augen auf, doch ich wich nicht zurück, ließ seine Finger ganz leicht über meine Haut streichen und versuchte mit aller Kraft das Kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren.

„Ist das deine Art dich zu bedanken?", fragte ich mit möglichst selbstbewusster Stimme. „Ein einfaches danke hätte auch gereicht."

Meine Stimme klang so grauenhaft zittrig und alles andere als überzeugend, dass Cuinn mich belustigt ansah, ohne seine Hand von mir zu nehmen.

„Langsam frage ich mich, wieso ich dir je gesagt habe, dass du eine gute Lügnerin bist, Eve", sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. Er beugte sich vor, sodass seine Lippen dicht bei meinem Ohr waren, wo er für einen Moment verharrte. „Danke", sagte er leise. „Der Froschkönig steht tief in deiner Schuld."

Ich wagte es nicht, mich zu bewegen, zu Worten anzusetzen, denn Cuinns Lippen, die ganz leicht über mein Ohr streiften, schienen meine Gedanken aufzulösen. Ich blinzelte wie benommen und so seltsam gut es sich auch anfühlte, wich ich ein wenig zurück.

Cuinns Augen wirkten unbeschwert, doch ich bemerkte den kaum sichtbaren, gekränkten Schimmer in ihnen.

„Nein, es ... es liegt nicht an dir", flüsterte ich, da meine Stimme kaum im Stande zu sein schien, lauter zu werden. Cuinn legte fragend den Kopf schief.

„Es ist nur, dass... ", ich suchte vergeblich nach den richtigen Worten, doch Cuinn zuckte mit den Schultern. „Ist auch egal", meinte er gleichgültig, was wiederum mein Herz etwas schwerer machte.

„Ich habe bloß das Gefühl, dass du das hier", ich deutete unbestimmt auf meine Wange, „nur machst, weil du das Gefühl hast, mir etwas zu schulden. Du weißt schon. Dass du mir so dankbar bist, dass du dir etwas einbildest, was du unter normalen Umständen eigentlich gar nicht tun würdest."

Cuinn schwieg, seine braunen Augen sagten mir nichts, es ließ sich nicht darin lesen, ob ich Recht hatte.

Unruhig wich ich seinem Blick aus und war erleichtert, als Junas ungeduldiger Ruf die Stille durchbrach und ich einen Vorwand hatte, mich von Cuinn abzuwenden und Richtung Haus zu eilen.

Feigling, war das Einzige, was in meinem Kopf schwirrte. So benimmt sich doch keine erwachsene Frau. So kindisch und feige.

Ich spürte Cuinns Blick, der sich in meinen Nacken einbrannte, und ich musste mir immer wieder einreden, dass ich das Richtige getan hatte. Cuinn war gerade nicht er selbst. Er war gerade fast gestorben, stand unter Schock, suchte vielleicht nach Nähe zu irgendwem.

Und wer bot sich da schon besser an als seine Retterin?

Er hatte meine Worte außerdem nicht abgestritten.

Ich vergrub mein Gesicht in dem Schal, den ich um meinen Hals geschlungen hatte und betrat den Rubinpalast, in dem die Luft noch immer qualmig und stickig war. Ohne Cuinn anzusehen, hielt ich ihm die Tür auf, sodass er neben mir eintreten konnte.

Schweigend eilten wir in den Gemeinschaftsraum, wo wir von den Anderen erwartet wurden. Ich ignorierte Junas fragenden Blick auf mir und näherte mich der Treppe, die in den Keller führen würde.

Unschlüssig trat ich von einem Bein aufs Andere und sah mich unruhig um. „Gehen wir alle zusammen da runter?", fragte ich schließlich, woraufhin Noah nervös mit den Schultern zuckte, während Kai nickte. „Natürlich. In Horrorfilmen endet es schließlich auch nie gut, wenn sich die Leute aufteilen", erwiderte er ungeduldig und begann die Treppenstufen hinab zu steigen, wobei mir das ängstliche Flackern in seinen Augen nicht entging.

Cuinn trat an mir vorbei und folgte Kai ohne zu zögern, woraufhin in uns alle Leben kam.

Ich war die Letzte, die durch die knarzende schmale Kellertür trat und ins Halbdunkel spähte. Paul betätigte einen verstaubten Lichtschalter, der nach einigen Sekunden, die alte Glühbirne an der Decke auf flimmern ließ. Das schummrige Licht ließ mich in den langen, schmalen Korridor des Kellers sehen, dessen Wände und Boden allesamt grauer Beton waren. Es gab kaum Türen, lediglich am Ende des Ganges eine und etwa in der Mitte auf der rechten Seite. Der Rest der Wände war leer und grau. Ein modriger, alter Geruch, der nach einer Mischung aus altem Tee und toten Tieren, stank, erfüllte die Luft und ließ mich die Nase rümpfen.

„Wenigstens wird die Suche nicht so lange dauern", bemerkte Seraya flüsternd neben mir in Anbetracht der Tatsache, dass es nur zwei Türen gab und ich stimmte ihr murmelnd zu.

Nur der Klang von Daisys kleinen Absätzen auf dem Betonboden und unsere raschen, aufgeregten Atemzüge erfüllten die Stille.

Auch, wenn ich es die ganze Zeit vermieden hatte, warf ich Cuinn einen kurzen Blick zu, doch er schien in Gedanken ganz woanders zu sein, denn seine Augen ruhten auf der kalten, leeren Wand, während wir den schmalen Korridor entlang traten. Ohne darüber nachzudenken näherte ich mich ihm und berührte ihn leicht an der Schulter.

Er blinzelte und seine gerade noch abwesenden Augen sahen mich fragend an. „Jemand von uns hätte bei der Kellertür bleiben sollen", sagte ich laut genug, dass jeder es hören konnte und Cuinns Gesicht wurde blasser, als er sich umdrehte und zur Kellertür spähte.

Auch die Anderen blieben wie angewurzelt stehen. „Ich kann bleiben", sagte Paul schließlich, wobei seine Augen in dem spärlichen Licht ängstlich umher blickten. „Aber ich fände es besser, wenn jemand Anderes mit mir bleibt. Juna, du?"

„Sei doch kein Feigling, es wird sowieso niemand kommen", warf Seraya ein, ehe Juna antworten konnte und ihre Stimme klang ungeduldig und genervt.

Ich kniff die Augen zusammen. „Er ist ein Feigling, weil er Angst hat?", fragte ich mit eisiger Stimme, woraufhin Seraya herumfuhr und mich mit schief gelegtem Kopf ansah.

„Er benimmt sich wie ein kleines Mädchen, das Angst vor den Monstern unter ihrem Bett hat. Der Täter ist hier im Keller. Wir sollten also so viele wie möglich hier sein."

„Wie ein kleines Mädchen?", zischte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Seit wann ist Angst etwas, was für kleine Mädchen reserviert ist?" Serayas Augen wurden kühler. „Du weißt ganz genau, wie ich das meine."

„Nein, weiß ich nicht", erwiderte ich. „Erklär dich."

„Ist jetzt egal, Leute", mischte sich Juna ein und stellte sich beschwichtigend zwischen Seraya und mich. „Ich bleibe mit Paul vor der Kellertür, falls noch irgendjemand draußen ist und darauf wartet, uns im Keller einzusperren."

„Genau", stimmte Kai ihr zu und sah mich mit funkelnden Augen an. „Hör mal auf aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, Eve. Diese Diskussion ist unnötig."

Ich presste meine Lippen fest aufeinander, ohne die Blicke der Anderen zu beachten und auch, wenn ich wusste, dass er Recht hatte, spürte ich eine unglaubliche Wut in mir aufkeimen.

Nur Mädchen weinen", hatte mein Vater zu Stevie gesagt und das Schlimmste war, dass meine Mutter zustimmend genickt hatte, als wäre sie einverstanden mit dieser Sicht, als würde sie nicht realisieren, dass diese Worte nicht nur Stevie kaputt machten, sondern auch sie und mich.

„Tut mir Leid", sagte ich mit ausdrucksloser Stimme und meine Augen folgten Juna und Paul, die sich in Richtung Kellertür aufmachten, ehe ich mich von ihnen abwandte und wortlos in die entgegen gesetzte Richtung bewegte. Ich griff nach der Türklinke der ersten Tür und blickte zurück zu den Anderen.

„Was ist? Kommt ihr jetzt oder nicht?", fragte ich ungeduldig, woraufhin Cuinn zu mir trat und mir auffordernd zu nickte.

Die Tür schwang knarzend auf und ich schlüpfte durch den Spalt. Mit zusammen gekniffenen Augen sah ich in den dunklen Raum, spürte meinen dumpfen Herzschlag so laut und deutlich wie Cuinns Schritte hinter mir. Ich tastete an der Wand nach einem Lichtschalter, doch meine Hände fanden nichts.

Zum Glück trug Cuinn sein Handy bei sich und leuchtete mir mit dessen Taschenlampe, sodass man halbwegs in dem Halbdunkel sehen konnte. Der Raum war überraschend groß, und in ihm befand sich allerlei Krempel. Alte Fahrradreifen lagen auf Kartons, deren Ecken von Ratten angenagt worden waren. Überall hingen Spinnweben und es türmten sich Stapel von Holzbrettern, die morsche und vergessen an den Wänden lehnten.

„Mir gefällt die ganze Sache nicht", flüsterte Daisy, die an mir vorbei trat und vorsichtig zu dem Krempel schritt. Ich blieb stehen, musterte mit misstrauischem Blick die hohen Stapel, blickte ängstlich um die Ecke, als würde jeden Moment jemand herausgesprungen kommen.

Denn hier irgendwo musste jemand sein, wenn Daisy Recht hatte und der Brandstifter tatsächlich in den Keller gerannt war.

Cuinn folgte mir mit dem Schein seiner Taschenlampe und trat gegen einen kaputten Karton, der im Weg lag. Er rümpfte seine Nase und murmelte etwas, was sich nach ein paar weniger netten Schimpfwörtern anhörte. Kein Wunder aber auch, denn es stank hier so höllisch, dass ich mich zusammenreißen musste, mir nicht die Nase zuzuhalten.

Kai und Seraya standen auf der gegenüberliegenden Seite des großen Raumes, wo nur wenig von Cuinns Taschenlampe ankam, und suchten hinter den aufgestapelten Brettern nach einer Tür oder irgendetwas, was einen Fluchtweg darstellte.

„Wir sollten vielleicht noch in den anderen Raum", schlug Daisy vor, und da niemandem ein besserer Vorschlag einfiel und wir ohnehin nichts zu finden schienen, verließen wir den Raum und traten durch die Tür, die ganz am Ende des Kellergangs zu finden war. Sie war deutlich schmaler als die Erste und auch hier konnte ich keinen Lichtschalter finden, weshalb Cuinn vorging, um uns zu leuchten.

„Wieso ist hier alles so dunkel?", murmelte Daisy neben mir, doch der scheinbar riesige Kellerraum warf ihr Flüstern als hohles Echo zurück.

Cuinn blickte flüchtig nach hinten, um zu sehen, ob wir alle da waren und in dem Moment, als er seinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, stolperte er.

Er taumelte etwas und fing sich selber gerade noch vor dem Fall. Fluchend sah er auf den Boden und erstarrte. Das geisterhafte Licht der Taschenlampe ließ sein Gesicht noch blasser aussehen, als er ohnehin schon war, und seine Augen starrten wie gelähmt auf den Boden, auf das Etwas, worüber er gestolpert war.

Oder besser gesagt, auf die Person, über die er gestolpert war.

Instinktiv wich ich zurück, nicht ohne davor nach Cuinns Hand zu schnappen, um ihn ebenfalls wegzuziehen. Er ließ es mit sich geschehen, wie benommen blickte er auf die schwarz gekleidete Gestalt, die mit offenen Augen dalag und ins Leere starrte.

„Das ist er", flüsterte Daisy und drängte sich an Cuinn und mir vorbei, um sich hinzuknien. „Derjenige, der die Bombe vor Cuinns Zimmer gelegt hat."

Man sah nicht, wie dieser Mann aussah, was unter seiner Sturmhaube, die nur die Augen freiließ, lag, und ich wollte es auch nicht sehen.

Ich wollte diesen toten Mann nicht sehen.

Wollte ihn lieber als vermummten Attentäter in Erinnerung behalten, nicht als Mensch.

Noch im selben Moment schämte ich mich für diese Gedanken, doch ich wagte es trotzdem nicht, ihm die Maske abzunehmen.

„Oh mein Gott", flüsterte Seraya, die neben mich getreten war und voller Unglauben auf die Leiche starrte.

Wir schwiegen. Schockiert über das, was uns hier erwartete. Denn die ganze Zeit über war es uns gelungen, dem Tod zu entrinnen, ihm knapp zu entkommen und im Nachhinein darüber zu lachen. Und nun blickten wir ihm entgegen. Cuinns Handy, von dem der sanfte Lichtstrahl ausging, zitterte in seinen Händen.

Mit plötzlich unglaublich müden Beinen kniete ich mich neben den Toten und griff nach dem zerknüllten Zettel, den dieser in der Hand hielt. Ich ekelte mich davor, und mein Magen schien sich zu drehen. Meine Sicht verschwamm und ich gab den Zettel wie benommen an Cuinn weiter, da er sich wieder gefasst hatte und vermutlich eher in der Lage war, seine Angst vor den Anderen zu verbergen als ich.

Mich krümmend, richtete ich mich wieder auf, ohne den Blick von dem Toten zu nehmen.

„Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ihr hier so leicht wegkommt, oder?", begann Cuinn mit fester Stimme den Zettel zu lesen, doch ich hörte den leicht zittrigen Ton in ihr, den er immer so gekonnt als rhetorisches Mittel verkaufte.

„Ihr mögt es vielleicht geschafft haben, euren Schicksalen zu entfliehen, aber eure Hoffnung trügt euch. Was würdet ihr denken, wenn ich euch sage, dass selbst dieser tote Mann, den ihr vor euch seht, von mir betrogen wurde? Er dachte wirklich, dass hier im Keller eine Tür nach draußen ist, dass hier der Fluchtweg ist, den er nutzen kann, nachdem er seinen Auftrag durchgeführt hat. Wie naiv von ihm. Zu schade, dass ich ihn hierher geschickt habe, ohne dass er wusste, dass er an den Folgen des Weines, den ich ihm gestern angeboten habe, sterben wird. Und so findet ihr ihn nun hier. Der Ärmste. Schneewittchen, Dornröschen und der Froschkönig mögen vielleicht überlebt haben, aber jetzt beginnt der Spaß doch erst so richtig." Cuinn stockte für einen Moment. „Ihr alle werdet bezahlen. Aber jetzt, husch husch. Beeilt euch, sonst könnten eure Freunde, die ihr an der Kellertür stehen gelassen habt, noch in Schwierigkeiten geraten."

Mein Gesicht wurde noch blasser und auf einmal wurde meine Sicht so unscharf, dass ich ein wenig taumelte.

„Nein", flüsterte Kai. „Nein, nein, nein, verdammte Scheiße!"

„Juna und Paul sind in Gefahr", sagte Daisy und auch ihre Stimme klang so müde, so kraftlos, dass ich sie nicht ansehen musste, um zu wissen, wie sie aussah. „Schnell, wir müssen zu ihnen!"

Selbst diese eindringlichen, panischen Worte klangen schwach, lustlos, als wären wir bereits zu erschöpft, um Verzweiflung zu spüren. Es war die Hoffnungslosigkeit, die mich erdrückte.

„Kein Ausweg im Keller, wie wir erhofft haben", sagte ich leise und begann, mich viel zu langsam in Richtung Ausgang zu bewegen, um den Keller, dieses dreckige, hässliche Loch zu verlassen.

„Überall Bomben und Anschläge. Drohungen und verdammte Scheißmärchen, die mich inzwischen in meinen Alpträumen verfolgen."

Meine Stimme war lauter geworden, denn sie lenkte ab. Dieser Zorn lenkte mich von dieser kalten Hoffnungslosigkeit ab, die mir zuzuflüstern versuchte, dass wir diesen Ort nicht lebendig verlassen würde.

„Und Tod", zischte ich mit einem hasserfüllten, fassungslosen Blick in Richtung der reglosen Gestalt, die im Schein von Cuinns Taschenlampe aussah wie ein Geist.

Verbittert biss ich mir auf die Lippe bis sie blutete und noch fester, noch viel fester, dass ich fast schreien wollte. Die Blicke der Anderen lagen glänzend auf mir, doch sie schienen in Gedanken, in hasserfüllten Gedanken versunken zu sein.

„Wir müssen Paul und Juna helfen", sagte Daisy erneut und trat auf mich zu. Mit zitternden Beinen und glänzendem Blick, aber entschlossen.

Ohne zurückzublicken, verließ Daisy den verlassenen Kellerraum, ihre Absätze hallten laut auf dem Betonboden wider. Die Schatten an den Wänden hingen wie dunkle Ungeheuer über uns. Kais Gesichtsmuskeln waren so angespannt, dass er aussah, als würde er gleich explodieren und Noahs braune Augen waren zusammengekniffen, während er sich mit fassungslosem Blick umsah.

„Ich bin müde", sagte er und folgte Daisy rasch und auch Seraya, die noch immer wie paralysiert auf den Toten starrte, riss sich von dem Anblick los und setzte sich in Bewegung.

Zuletzt folgte auch Cuinn den Anderen. Wir wussten nicht, was uns draußen erwarten würde, wussten nicht, ob wir Juna und Paul antreffen würden, ob wir hier je lebend herauskommen würden.

„Ich habe Märchen schon immer gehasst", sagte ich mit versteinertem Blick, als Cuinn an mir vorbei trat. Er hielt für einen kurzen Moment in seiner Bewegung inne, ohne mich anzusehen.

„Ich nicht", erwiderte er leise und seine Augen flackerten im Schein der Taschenlampe auf. Er war am Ende. So wie wir alle. „Aber jetzt tue ich es", fügte er hinzu und seine Augen waren müde und kalt und hatten jeglichen Glanz verloren. 

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