Verbindungen
Elijahs Worte erreichte zwar Tobias Ohren, aber sie verblieben ungehört, da sich die Aufmerksamkeit von dem Omega auf etwas ganz anderes gerichtet hatte. Dort wo Elijah sein Fell berührte, kribbelte seine Haut angenehm und schien sich unwillkürlich zu erwärmen. Obwohl seine Finger nur ganz wenig Druck ausübten, drang Elijah's Berühung bis in sein Innerstes. Er spürte wie sein Herz immer schneller schlug, doch nicht wie früher aus Angst. Da war etwas anderes, nur konnte er es nicht benennen, weil er es einfach nicht kannte. In seinem alten Rudel waren Berührungen oft mit Verletzungen oder Demütigungen einher gegangen, nur bei Sam hatte er sie genossen, bei ihm hatte sie ihm Nähe und Vertrauen gespendet. Doch das Gefühl das Elijah in ihm auslöste, war damit nicht zu vergleichen. Sam hatte ihn nie so vorsichtig oder zärtlich berührt wie der Alpha, der ihn anfasste, als sei er etwas unheimlich Kostbares. Für einen Moment verwoben sich ihre Blicke und Tobias wagte es nicht zu atmen. Die ganzen letzten Tage hatte er bereits gespürt, wie sich eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen gebildet hatte. Sie zeigte sich in den kleinen Dingen.
Jede Nacht, wenn die Schatten ihn im Schlaf überfielen, wurden sie von starken Armen verdrängt, die sich um seine Hüfte schlangen. Jeden Morgen wartete eine warme Tasse Tee auf dem Esstisch auf ihn, weil Elijah sich gemerkt hatte, dass er Kaffee nicht mochte und seinen Tee am liebsten etwas abgekühlt und nicht zu heiß trank. Wenn Tobias den Raum betrat, senkte der Alpha seine Stimme, weil der Omega laute Stimmen mit seinem alten Rudel verband. Es waren diese Momente, in denen Tobias jedes Mal zu dem Alpha sah, in denen sein Blick etwas weicher wurde und seine Mundwinkel zuckten. Kaum merklich. Man konnte es kein Lächeln nennen, aber es war ein Anfang. All das brach jetzt über ihn herein, wo ihre Augen einander gefangen hielten. Er konnte spüren, wie diese Verbindung ihn allmählich in ihren Bann zog und die Wände brökelten, die er um sein Herz errichtet hatte. Bereit ein wenig nachzugeben. Nicht viel. Aber vielleicht gerade genug, um Platz für etwas Neues zu machen.
"Mir geht es gut, falls das irgendjemanden interessiert", brummte Miles schließlich und zerstörte diesen besonderen Augenblick. Tobias war zurück in der Realität und zuckte erschrocken zusammen. Sich immer noch die Rippen haltend, lief Miles zu ihm und Elijah hinüber, was der Omega mit einem Knurren kommentierte. Schützend stellte er sich vor den Alpha und fixierte den Beta, bereit ihn anzugreifen, sollte er sich weiter nähern. Noch schmückte ihn das weiße Fell und somit würde er alles tun, um Elijah zu beschützen.
"Es interessiert uns aber nicht", knurrte Elijah, "Was fällt dir ein mich anzugreifen? Dir ist hoffentlich bewusst, dass das Konsequenzen für dich haben wird."
Der Beta zuckte betroffen zusammen und sah beschämt zu Boden.
"Ich wollte unbedingt, dass er sich verwandelt und habe wohl irgendwie die Nerven und damit auch die Kontrolle über meinen Wolf verloren. Es tut mir wirklich leid, Elijah. Aber du musst sagen, dass mein Plan funktioniert hat. Unser weißes Wölfchen ist erwacht."
Das Knurren des Omegas wurde daraufhin intensiver und er baute sich bedrohlich vor Miles auf.
"Ist ja gut, beruhig dich Kleiner, ich bin jetzt friedlich. Ich versprech's", murmelte Miles, doch Tobias schien sich damit nicht zufrieden zu geben.
"Du bist für ihn immer noch eine Bedrohung", stellte Elijah gedankenverloren fest.
"Das sehe ich auch. Könntest du mir dann auch erklären, wie wir ihn von diesem Beschützer-Trip wieder runter bekommen?"
Nachdenklich legte der Alpha seinen Kopf schief und antwortete anschließend: "Ich denke, es könnte helfen, wenn du dich vor ihm unterwirfst."
Miles setzte bereits zu einer trotzigen Erwiderung an, da rollte Elijah nur mit den Augen und deutete mit seiner intakten Hand auf den Boden: "Tu es einfach."
Unter protestierendem Schnauben ließ sich der Beta auf die Knie sinken und beugte seinen Kopf unterwürfig, was tatsächlich dafür sorgte, dass Tobias seine Anspannung mit einem Grummeln aufgab und nur Sekunden später wieder seine menschliche Gestalt annahm. Die Verwandlung hatte ihn viel Kraft gekostet, so dass er beinahe zu Boden fiel. Es gelang ihm, sich im letzten Moment noch abzufangen, während Miles wieder auf seine Füße kam und wieder zu ihnen stieß.
"Ich fürchte, Cassandra wird von meinen Trainingsmethoden nicht unbedingt begeistert sein, wenn sie uns sieht", sagte der Beta nachdenklich, bevor er Tobias einen Arm um die Schultern schlang, um ihn zu stützen, "Aber wir werden um einen Besuch bei ihr nicht herum kommen."
In der Tat war Cassandra außer sich, als die drei zum Rudelhaus zurückkehrten. Sie sprang sofort von dem Sofa auf, auf dem sie zuvor gemeinsam mit Benjamin gesessen hatte und setzte Elijah und Tobias neben Vampir, danach half sie Miles sich auf einen Sessel niederzulassen. Sie eilte in ihr Zimmer, aus dem sie ihre Tasche mitbrachte und Tobias sogleich ein paar Kräuter zur Stärkung heraussuchte. Miles und Elijah unterzog sie einer kurzen Untersuchung, die sie mit einem düsteren Gesichtsausdruck beendete.
"Ich fasse mal zusammen: Ein gebrochener Arm, drei gebrochene Rippen, eine angeknackste Nase, sowie einen völlig ausgelauchten Omega. Was habt ihr euch dabei gedacht?"
"Wir haben trainiert", schnaubte Miles.
"Als ich sagte, du sollst mit Tobias trainieren, meinte ich damit nicht, dass ihr euch kopflos verletzten sollt."
"Die Verletzungen waren auch nicht geplant, aber die Hauptsache ist doch, dass es geklappt hatund Tobias Wolf zum Vorschein kam."
"Wirklich?", fragte Cassandra verblüfft.
"Ja", stimmte Elijah zu, "Aber er scheint sich nur dann zu offenbaren, wenn Tobias das Gefühl hat, jemanden beschützen zu müssen."
"Das deckt sich mit den alten Legenden", warf Benjamin ein, woraufhin Miles ein lautes Stöhnen von sich gab.
"Na super. Und was soll uns das nützen? Wir brauchen seine Fähigkeiten im Kampf nicht in der Verteidigung."
"Vielleicht gelingt es dir ja deinen Wolf zu wecken, wenn du dir einfach eine Erinnerung ins Gedächtnis rufst, bei der du das Bedürfnis hattest, jemanden zu schützen", sagte Cassandra an Tobias gewandt, der zögerlich nickte und sich bereits erheben wollte, als Cassandra ihn auch schon sofort wieder in die weichen Sofakissen drückte, "Das versuchst du aber nicht heute. Der Tag war anstrengend genug. Morgen ist auch noch ein Tag."
Der Omega brachte nur ein schwaches Nicken zu Stande. Es stimmte, er war erschöpft und müde, obwohl die Kräuter Wirkung zeigten und ihm etwas Stärke zurückgaben. Elijah hatte Cassandra in der Zwischenzeit einen Verband angelegt, mit etwas Glück würde sein Arm über Nacht heilen. Miles Rippen würden etwas länger brauchen, daher hatte der Beta für's Erste Ruhe verordnet bekommen.
"Danke dir, dass du uns verarztest hast", murmelte der Alpha zu der Hexe und hob dann fragend eine Augenbraue, "Ich hoffe, wir haben euch nicht bei einem wichtigen Gespräch gestört?"
"Wir sprachen gerade darüber, ob es nicht eine Möglichkeit gibt mehr über die weißen Wölfe zu erfahren. Immerhin ist unser Wissen über sie sehr begrenzt", antwortete Benjamin, "außerdem haben wir darüber gerätselt, wie wir an ein paar Exemplare des 'Schwarzen Nachtschattens' kommen."
"Was ist der schwarze Nachtschatten?", kam es Tobias über die Lippen.
"Eine hoch giftige Pflanze", fuhr Benjamin fort, "Nicht nur für Menschen und Werwölfe, sondern vorallem auch für Vampire. Es ist sehr schwer einen Vampir zu töten. Selbst für Werwölfe, eure Zähne können nur die Kehle eines Vampirs verletzen, alle anderen Körperteile sind durch unsere einzigartige Haut geschützt. Dafür reicht ein einziger Tropfen des Nektars des Nachtschattens aus um einem Vampir sofort den Gar auszumachen. Natürlich sind sich die Vampire dieser Gefahr bewusst und haben alle Nachtschatten zerstört. Allerdings ist Cassandra der Meinung, dass in dieser Hinsicht noch nicht alle Hoffnungen verloren sind."
"Es gibt viele magische Wesen, die sich in den Krieg zwischen den Vampiren und den Wölfen nicht einmischen. Sie bilden quasi eine neutrale Macht und bestehen zum größten Teil aus Hexen wie mir. Man erzählt sich, dass dazu auch einige Urhexen gehören, sie sind besonders mächtige Hexen, die bereits lebten, als der Krieg noch gar nicht begonnen hatte. Ihnen soll es gelungen sein, einige Nachtschatten vor den Vampiren bewahrt zu haben, denn in Kombination mit anderen Pflanzen wird er zu einem starken Heilmittel", beendete Cassandra Benjamins Ausführung.
"Dann sollten wir unbedingt versuchen mit den Urhexen in Kontakt zu treten", sagte Elijah.
"Ich habe mich bereits mit meiner alten Lehrmeisterin in Verbindung gesetzt", antwortete Cassandra, "Sie wird versuchen, mir zu helfen, sie ausfindig zu machen."
"Ich will eure Euphorie ja nicht trüben", fuhr Miles dazwischen, "Aber diese Pflanzengeschichte hört sich nicht überzeugend an. Wenn sie so hoch giftig sind, wird uns das nachher selbst zum Verhängnis."
"Es ist bisher auch nur eine Überlegung", beruhigte ihn Benjamin, "Doch wir wollen nichts unversucht lassen. Vielleicht gibt es ja einen Weg die Pflanzen so zu nutzen, dass sie uns nicht gefährden."
"Einen Versuch ist es wert", befand Elijah, woraufhin Miles nur mit den Schultern zuckte und sich dann langsam erhob.
"Ich für meinen Teil werde mich jetzt aufs Ohr hauen", verkündete der Beta gähnend und grinste, als er bemerkte, dass auch Tobias die Augen bereits zugefallen waren und der Omega seinen Kopf auf Elijahs Schulter abgelegt hatte.
Nachdem Miles verschwunden war, hob Elijah seine gesunde Hand und strich Tobias sanft ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der Omega war keineswegs, wie alle dachten, in einen tiefen Schlaf gefallen, sondern döste dank der Kräuter nur, aber Elijahs Geste ließ ihn die Augen geschlossen halten. Die Zuneigung des Alphas stumm genießend.
"Er ist dir wirklich ans Herz gewachsen oder?", fragte Cassandra leise.
Elijah zuckte mit den Schultern, stoppte sich jedoch sofort, als er sich daran erinnerte, dass Tobias Kopf auf diesen ruhte.
"Er ist der weiße Wolf. Natürlich kümmere ich mich um ihn", entgegnete der Alpha ruhig. Cassandras darauf folgendes Kopfschütteln sah Tobias nicht, dessen Lungen sich schmerzhaft verkrampften, als es sich kurz so anfühlte, als habe man ihm ein Schwert in seinen Körper gerammt. Seine Augen brannten hinter seinen Lidern, während eine quälende Erkenntnis die Wände seines Herzens mit Druck verstärkte und jede Lücke, die sich gebildet hatte, im Keim erstickte und verschloss, als habe es sie nie gegeben. Er hatte sich getäuscht. Ein weiteres Mal. Wieder in Elijah. Wie hatte er glauben können, der Alpha würde ihn mögen? Ihm würde etwas an ihm liegen? Für ihn war er bloß ein Mittel zum Zweck, eine Möglichkeit den Krieg zu gewinnen. Nicht mehr. Tobias musste sich ihre Verbindung eingebildet haben, gewiss hatte ihm seine Wahrnehmung einen Streich gespielt, hatte ihn glauben lassen, dass er sich tatsächlich auf dem Weg zu einer bessern Zukunft befinden würde. Ein törichter Fehler. Seine Finger zuckten für eine Sekunde, als wollten sie etwas festhalten, das ihm gestohlen worden war. Er fühlte sich belogen, aber vorallem unendlich beraubt.
"Ich werde ihn hoch bringen, damit er besser schlafen kann", murmelte Elijah und nahm Tobias in seine Arme, seinen gebrochenen Arm ignorierend, da dieser schon nicht mehr schmerzt, und trug ihn nach oben. Die Tränen, die dabei über Tobias Wangen flossen, bemerkte er in der Dunkelheit des Schlafzimmers nicht.
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Friede-Freude-Eierkuchen wäre zu einfach... oder? Was meint ihr, ist Cassandras Kopfschütteln ein Zeichen dafür, dass sie Elijah nicht glaubt oder ist sie entsetzt, dass er Tobias nur benutzt? :P
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