Schock
Grob wurde er erneut in sein Verließ geschubst, er stolperte dabei und fing sich gerade noch so an den Gitterstäben ab. Durch diese konnte er sehen, dass es Cara ähnlich erging, sie fluchte, als die Wächter verschwanden und sie in der stinkenden Hölle zurück ließen. Cara war beinahe sofort an seiner Seite, kritisch beäugte sie seine Wunde, die nach wie vor blutete, auch als Tobias seine Hand darauf presste.
"Ich fürchte, er hat einige wichtige Blutbahnen getroffen", informierte sie ihn besorgt, "Man erkennt es an der Geschwindigkeit, in der das Blut die Wunde verlässt."
Der Omega nahm dies stumm zur Kenntnis. Er dachte noch immer an das Buch, wie es ihm entrissen worden war, an die zerstörten Seiten. Er wurde diese Bilder nicht mehr los, sie spulten sich immer wieder in Zeitlupe ab und endeten jedes Mal mit Sebastian. Er hasste ihn so sehr.
"Tobias?", fragte Cara und er musste sich eingestehen, dass er ihr gar nicht mehr zugehört hatte, "Ich habe gesagt, du sollst dich setzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass dein Kreislauf versagt und meiner Meinung nach haben wir bereits genug Probleme, also wäre es nett, wenn wir uns ein weiteres sparen könnten."
"Es ist für immer verloren", murmelte er leise und ging überhaupt nicht auf ihre Worte ein. Der Blutverlust verlangsamte seine Gedanken und lähmte sein Bewusstsein Stück für Stück. Er hatte zu viel ertragen müssen in den letzten Tagen und durch James bereits genug Blut verloren. Sein Körper rebellierte, er war nur einen Hauch davor seinen Dienst wie im Keller zu versagen und sich die Erholung mit Gewalt zu holen, die er brauchte. Das altbekannte Rauschen hatte sich wieder in seinen Ohren eingenistet, er schnappte nach Luft, weil er das Gefühl hatte zu wenig zu bekommen und schwankte bedrohlich.
"Setz dich verdammt nochmal hin!", zischte Cara und griff mit ihrer Hand durch die Gitterstäbe, um ihn entschlossen an den Schultern herunter zudrücken. Seine Beine gaben sofort nach und knickten kraftlos zusammen.
"Und jetzt atme. Ganz langsam. Ein und Aus", flüsterte sie ihm eindringlich zu und machte ihm das Atmen sogar vor, "Du musst dich beruhigen, derzeit bist du auf dem besten Wege zu hyperventillieren. Dein Herz rast."
In der Tat schmerzte seine Brust. Sie war mit einem Mal viel zu eng, während sein Herz gegen seine Rippen hämmerte, als wolle es herausspringen. Es erinnerte ihn daran, wie er damals auf der Jagd gewesen und vor James und den anderen geflohen war. Es war das gleiche Gefühl, das Gefühl zu ersticken. Daher versuchte er an das einzige zu denken, was ihm bisher Halt gegeben, ihn beruhigt hatte. Er dachte daran, wie sein Herz vor Freude bis zu seinem Hals geschlagen hatte, als Elijah ihm seine Liebe erklärt hatte und wie er irgendwo gerade auf ihn warten würde.
"Ich vermisse ihn", hauchte er atemlos, hektisch, während Cara versuchte beruhigend auf ihn einzusprechen, "Ohne ihn fehlt ein Teil von mir. Ohne ihn fühlt es sich an, als wäre ich unvollständig."
"Denk daran, was er dir jetzt sagen würde. Er würde wollen, dass du stark bist, dass du durchhälst, bis ihr wieder vereint seid", antwortete die Vampirin, die auf Anhieb verstanden haben zu schien, von wem er redete. Und ihre Worte halfen. Ja, er musste stark sein, hatte er sich doch vorgenommen zu kämpfen. Er durfte nicht aufgeben, nicht, wo eine Chance darauf bestanden, mit Elijah glücklich zu werden. Deshalb zwang er sich dazu, die Luft nur langsam aus seinen Lungen entweichen zu lassen, bis das Hämmern seines Herzens etwas nachließ.
"Ich wünschte, wir könnten noch über den Mindlink kommunizieren, aber er ist zu weit entfernt", seufzte Tobias, den dabei ein unangenehmes Stechen in der Magengegend heimsuchte. Merkwürdig. Dabei war er in dieser Region im Augenblick nicht schwerer verletzt. Beinahe fühlte es sich so an, als würde doch noch eine Verbindung zu Elijah zu bestehen, denn das flaue Gefühl erschien seltsam fremd, als stamme es nicht von ihm, aber es konnte unmöglich sein, dass Elijah ihm Gefühle zusenden konnte. In dem Falle hätte auch ihre Kommunikation funktionieren müssen.
"Bald wirst du wieder bei ihm sein", flüsterte Cara ihm beruhigend zu und lächelte erleichtert, als sein Blut endlich nicht mehr durch seine Adern raste, "So ist es gut."
Nach einer Weile, als keine Gefahre mehr bestand, dass er plötzlich umfallen würde und er sich deutlich besser fühlte, ließ sie ihn los und auch seine Hand löste sich von seinerm Hals. Zwar blutete er noch immer ein wenig, aber nicht mehr so stark wie am Anfang. Sebastian hatte ganze Arbeit geleistet.
"Ich habe noch etwas für dich", fügte Cara hinzu. Geraschel erklang, während sie in die hinteren Taschen ihrer Hose griff. Es hörte sich fast so an wie Pergament. Ihre Hände kamen wieder zum Vorschein und reichten ihm tatsächlich einige Seiten. Die Buchseiten. Jene, die er noch hatte ergreifen wollen. Sie waren an manchen Stellen durchtränkt von seinem Blut und doch waren einige Absätze noch zu lesen. Cara hatte sie gerettet.
"Cara-",setzte er an, nur schüttelte sie da bereits mit dem Kopf.
"Ich will keine Dankesreden hören. Das war selbstverständlich. Alle waren viel zu sehr auf dich fixiert, da war es ein Kinderspiel, die Seiten einzustecken. Ich hoffe, sie werden dir das geben können, was du dir von ihnen erhofft", murmelte sie und griff ein weiteres Mal in ihre Hosentaschen, "Und da ist noch etwas. Als du zu Boden gingst, ist es aus deiner Hose gerutscht."
Sie drückte ihm ein kleines, schwarzes Fläschchen zu und es verschlug ihm die Sprache, als er erkannte, dass es sich dabei um den schwarzen Nachtschatten handelte. Er hatte ihn völlig vergessen, dabei musste er ihn vor dem Austausch gegen Sam verstaut haben. James und die anderen hatten ihn nur sporadisch durchsucht, bevor sie ihn eingesperrt hatten, dabei mussten sie den Nachtschatten wohl übersehen haben. Unschuldig lag das Fläschchen in seinen Fingern, es ließ nicht darauf vermuten, welche todbringende Wirkung sein Inhalt hatte.
"Der Nachtschatten", flüsterte er, als er seine Sprache wiederfand und entlockte Cara damit ein verblüfftes Schnauben.
"Ich dachte, Sebastian hätte ihn ausgerottet?"
"Die Urhexen besitzen noch ein paar wenige Exemplare. Sie schenkten ihn mir."
"Haben sie dir auch verraten, wie du ihn nutzen kannst?"
"Leider nicht", antwortete er gedankenverloren und schwenkte das Fläschchen langsam hin und her, "Aber ich wollte ihn trotzdem. Für alle Fälle."
Cara nickte. "Ich glaube, ich hätte es nicht anders gemacht. Pass nur bitte auf, dass du ihn nicht versehentlich hier auskippst. Ich hänge wirklich sehr an meinem ewigen Leben."
"Keine Angst, ich werde aufpassen", versprach er und verstaute den Nachtschatten wieder in seinen Taschen. Mit einem Grinsen wollte er sich nun den Buchseiten zuwenden, doch es verblasste sofort wieder. Schritte ertönten. Erneut. Dabei lag der Vorfall in der Bibliothek doch erst einige Stunden zurück. Eilig faltete er die Seiten zusammen und stopfte auch sie in seine Hose, bevor jene zwei Wächter, die ihn noch kurz zuvor in das Verließ geworfen hatten, es wieder aufsperrten und ihn gewaltsam in ihren Griff nahmen. Er war zu schwach, um sich zu wehren oder zu protestieren. Panik erfüllte seine Glieder. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Cara schrie nach ihm. Aber er konnte sich nicht noch einmal zu ihr umdrehen, bevor man ihn bereits wieder die Stufen empor hievte. Wobei er mehr als einmal stolperte, weil seine Beine ihn noch immer nicht so recht tragen wollten.
Tobias hatte keine Ahnung was ihn erwartete. Was Sebastian sich für ihn ausgedacht hatte. Er hatte damit gerechnet, dass der Vampir ihm sein Handeln übelnehmen und sich etwas überlegen würde, um ihn zu bestrafen, nur hatte er nicht gedacht, dass dies so schnell erfolgen würde. Anders als das letzte Mal führte man ihn nicht in die Bibliothek, sondern in die Empfangshalle, die er damals mit James und Zacharias berteten hatte. Nur war sie jetzt vollkommen leer, bis auf Sebastian, der auf seinem Thron saß und in einer scheinbaren Seelenruhe auf ihn wartete. Jedes noch so kleinste Geräusch hallte an den Wänden wieder, von denen noch immer unzählige Vampire auf ihn herabzustarren schienen. Er wandte sich unter ihnen Blicken, doch waren sie nichts in dem Vergleich zu der puren Boshaftigkeit, die sich in Sebastians Pupillen abzeichnete.
"Tobias", sprach der König und seine Stimme war dabei messerscharf, "Wie ich sehe, hast du dich bereits erholt. Zu schade. Ich hatte gehofft mehr Schaden angerichtet zu haben."
Der Omega presste die Zähne aufeinander. Das hier war Sebastians wahres Gesicht, gänzlich ohne freundliche Fassade und was es offenbarte, ließ ihn vor Angst zittern. Egal was es war, was der Vampir für ihn geplant hatte, es würde James übertrumpfen, dessen war er sich sicher. Sein Zittern blieb Sebastian nicht verborgen, schmunzelnd legte er seinen Kopf schief und offenbarte kurz darauf lächelnd seine Fangzähne. Es war Tobias Blut, das noch an ihnen klebte und im Licht rötlich schimmerte.
"Wenn man eines über mich sagt, dann ist es wohl, dass ich mich an meine Worte halte. Wie ich bereits sagte, habe ich dir den leichten Weg angeboten und dir für deine Verweigerung Konsequenzen versprochen", er machte eine kurze Pause. Als genieße er den Moment. Tobias Zittern wurde stärker und gleichzeitig machte er sich bereit. Bereit, dass die Wächtern ihn schlagen und prügeln würden oder Sebastian erneut seine Zähne in seine Wunde vergraben würde. Doch nichts Vergleichbares geschah. Sebastian war eben nicht James. Er verfolgte andere Mittel und Wege, wie Tobias feststellen musste. Als eine Person aus dem Schatten des Throns hinter Sebastian hervor trat und der Omega den vertrauten Haarschopf erkannte, raste sein Herz nicht wie zuvor. Es blieb stehen. Der Schock überkam ihn in Sekundenschnelle. Selbst sein Zittern stockte. Fassungslos gefror er ein. Nicht in der Lage zu reagieren, nicht gewillt das zu akzeptieren, was er sah. Es konnte nicht sein. Das durfte nicht passieren.
"Ich dachte mir, dass es an der Zeit ist, dass du die Wahrheit erfährst", erklärte Sebastian lächelnd und drehte sich dann zu dem Jungen an seiner Seite, dem er väterlich auf die Schulter klopfte, "Möchtest du ihm von unserem Plan erzählen, oder soll ich das tun, Sam?"
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Wieder mal ein Kapitel mit dem ich etwas unzufrieden bin, hoffe es gefällt euch trotzdem :)
Hiermit ist Sam zurück, der ja eigentlich bei Elijah sein sollte?! Was er wohl bei Sebastian zu suchen hat? :P
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