Judies klare Worte treffen mich wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht, ich habe das Gefühl das mein Herz auf der Stelle stehen bleibt und plötzlich wird mir so übel das sich in diesem Moment bestimmt schon leichte Schweißperlen auf meiner Stirn bilden und mein Magen zu grummeln beginnt. Das Geländer hinter mir ist aufeinmal mein einziger Halt als ich das Gefühl habe mein Gleichgewicht zu verlieren, panisch kralle ich meine Hände in das Gerüst und halte die Luft an. Immer wieder hallen ihre Worte in meinem Inneren wieder und als ich schon fast vergesse Luft zu holen, legt die Blondine vor mir ihren Kopf leicht schief.

Ihre Verwirrung ist ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, aber das sorgt nicht dafür das die schlimmen Gedanken die plötzlich durch meinen Kopf zischen wie giftige Pfeile weniger werden oder gar verstummen. Meine Zukunft ist ruiniert, ich werde alles verlieren...

Jake, meinen guten Ruf an der Schule, den Ruf in der gesamten Stadt und bei meinen Eltern... Um Himmels Willen, ich wusste zwar das ich früher oder später dem Abgrund immer näher komme aber das es so plötzlich passiert hätte ich beim besten Willen nicht erahnen können.

Wie soll ich meiner Freundin erklären das es mir furchtbar Leid tut? Das ich mich mit Arian nur meinen dämlichen Gelüsten hingegeben habe, ohne zu wissen was ich alles damit zerstören könnte.

,,Verdammt Devin, es ist schon in Ordnung. Ich verzeihe dir okay? Du musst jetzt nicht so tun als würdest du wegen dieser Sache gleich in Ohnmacht fallen" das amüsierte Lachen von Judie reißt mich wie ein imaginäres Katapult zurück in die Realität. Wie benommen musterte ich die Blondine die einen Kopf kleiner ist als ich und die immer ein freches Grinsen auf ihren perfekt geschwungenen Lippen trägt. Außerdem hat sie eine süße Stupsnase, dichte braun gefärbte Augenbrauen und strahlend blaue Augen die dem Sommerhimmel locker Konkurrenz machen. Auf Make-Up legt sie keinen besonderen Wert und wenn sie nicht gerade auf einer Party unterwegs ist, trägt sie eine schwarze Brille die ihren feinen Gesichtszügen sehr schmeichelt. ,,Äh was?" Mehr bringe ich in diesem Moment nicht raus, viel zu sehr pocht mein Kopf und lässt mich beinahe wahnsinnig werden. ,,Mir tut es ehrlich gesagt auch Leid, ich habe ein wenig übertrieben und das was ich zu dir gesagt habe, habe ich eigentlich nicht so gemeint" gibt Judie schulterzuckend wieder als würde sie nicht mitbekommen das ich kreidebleich vor ihr stehe und vermutlich gerade aussehe als hätte ich einen Geist gesehen.

,,Ich habe mir schon gedacht das du dieses Bild nicht gepostet haben kannst, du hasst schließlich das Internet und bist weniger auf den sozialen Netzwerken unterwegs als meine Granny" fügt sie unbekümmert hinzu. Ungläubig sehe ich sie an als ich realisiere worüber sie redet, gleichzeitig fällt mir ein schwerer Stein vom Herzen und mein bebender Körper kommt langsam aber sicher zur Ruhe. Meine hektische Atmung wird wieder langsamer und das unangenehme Ziehen in meiner Magengegend lässt nach. ,,Leider bist du auch eine totale Niete im aussuchen deiner Passwörter und da ich gerade mit Jordan Mackenzie um die Schülersprecherwahl kandidiere, bin ich mir zu 99% sicher das dieser Vollidiot dahinter steckt" als sie unseren Mitschüler erwähnt, ziehen sich ihre dichten Augenbrauen verärgert zusammen. Sie scheint von den inneren Konflikt der eben noch in mir getobt hat, nichts mitbekommen zu haben. Gott sei Dank!

,,Ich bin gerade so erleichtert du hast ja keine Ahnung" pruste ich seufzend aus ,,Ich könnte dich niemals so sehr verletzen, du bist mir viel zu wichtig und abgesehen davon klingt deine Theorie gar nicht so verkehrt. Wobei ich mir nicht vorstellen kann das Jordan so abgebrüht ist" erwidere ich viel zu schnell und hilflos grinsend.

Judie zuckt bloß mit den Achseln und nimmt einen großzügigen Schluck von dem Bier das sie noch immer in der Hand hält ,,Wie dem auch sei, wir müssen unbedingt herausfinden wer dahinter steckt also berufe ich hiermit ein Notfall Meeting morgen in der Schule ein!" Beschließt die taffe Blondine schließlich und wartet gar nicht erst auf eine Bestätigung meinerseits. Aber ich würde sowieso zustimmen, immerhin spiele ich in dieser ganzen Misere eine große Rolle und möchte meiner langjährigen Freundin so gut es geht zur Seite stehen.

,,Apropos wo ist überhaupt Patty? Ich konnte sie heute noch nicht erreichen und eigentlich lässt sie sich doch nie eine Party, mitten in der Woche, entgehen" fragt Judie schließlich und scheint das Thema mit dem geheimnisvollen Posting für heute Abend abgehackt zu haben, was mich erleichtert durchatmen lässt, denn ich glaube nicht das mein zart besitterter Körper noch mehr Stress stand halten könnte.

,,Keine Ahnung, bei mir hat sie sich auch nicht gemeldet" gebe ich ahnungslos wieder, wobei mir plötzlich einfällt was Arian mir erzählt hat. Wenn Patty wirklich eine Affäre mit unserem Lehrer eingegangen ist, dann wird sie absofort wohl öfter mit ihm ihre freie Zeit verbringen. Ich finde den Gedanken zwar immernoch ein wenig komisch, weil ich nicht gedacht hätte das Patty so einen bizarren Geschmack hat, aber ich würde sie deshalb auch nicht verurteilen. Wie könnte ich auch? Ich bin nicht besser als sie, ich trage auch ein dunkles Geheimnis mit mir herum und das könnte noch schwerwiegende Folgen haben wenn es heraus kommt...

Judie scheint angestrengt über etwas nachzudenken, denn sie murmelt etwas unverständliches vor sich hin und sieht mich plötzlich so an als hätte sie mich als Kriminellen entlarvt. ,,Stimmt es etwa das sie was mit Johnny hat?! Ich habe immer gedacht sie würde auf..naja" verlegen kratzt sich die zierliche Schülerin am Hinterkopf ,,Er ist halt so speziell, ich hätte nicht gedacht das Patty auf so eine Art Jungs steht" wenn Judie nur wüsste, denke ich leicht schmunzelnd... Obwohl wir alle drei gut miteinander befreundet sind, ist das Band von Patty und mir unzertrennlich. Wir kennen uns von Anfang an, weshalb ich beschließe ihr Rückendeckung zu geben. Denn Judie ist zwar loyal, einfühlsam und eine tolle Freundin, aber auch eine Tratschtane die interessante Gerüchte nur sehr schwer für sich behalten kann ,,Ich habe ihr von meiner leiblichen Mutter erzählt, vielleicht steckt sie mitten in den Recherchen um sie ausfindig zu machen. Du weißt ja, wenn sie einmal ihrer ^Detektiv Arbeit ^ nachgeht, dann schottet sie sich von der Außenwelt komplett ab" antworte ich also. ,,Warte, du weißt von deiner echten Mutter und du erzählst mir nichts davon?!" Empört sieht Judie mich an und stemmt wie eine wütende Lehrerin ihre Arme in die Hüften, um mich daraufhin vorwurfsvoll anzusehen.

,,Ich wollte es dir ja erzählen aber es hat sich noch keine Gelegenheit dafür geboten. Außerdem ist es sowieso nicht relevant, das habe ich Patty schon gesagt...Ich komme gut ohne sie aus und habe zwei Eltern die ich liebe" wie meine Beste Freundin sieht nun auch die Blondine mich an als könnte sie kein Verständnis für diese Aussage aufbringen. Doch bevor sie etwas erwidern kann, kommen plötzlich Jake, Arian und ein Junge den ich nicht kenne aus dem Haus getorkelt und auf uns zugelaufen.

Die starken Arme von meinem Freund schließen sich wie ein schützenden Panzer um mich und ziehen mich in eine innige Umarmung, die ich unter den hasserfüllten Blicken von Arian allerdings kaum genießen kann. ,,Oh Mann ey wir haben euch nur ein paar Minuten alleine gelassen und schon seid ihr besoffen? Was für Loser!" kommentiert Judie genervt, bekommt aber von allen Seiten nur eine stumpfe Antwort zugerufen. ,,Tut mir Leid Baby, aber ich vertrage wohl doch nicht mehr soviel" lallt Jake in meine Ohren, was mich leicht zum schmunzeln bringt. Diesen Kosenamen nutzt er sonst nie und dafür bin ich dankbar, denn ich finde ihn schrecklich. ,,Dev!" Die unverwechselbare Stimme von Arian vibriert in meinen Ohren, lässt meinen Puls schneller werden und fesselt mich an Ort und Stelle.

,,Ja-a?" Erwidere ich zögerlich und sehe ihn kurz danach mit mahnenden Blick an, jetzt wo er betrunken ist soll er bloß keine scheiße bauen. Zu meinem Bedauern ignoriert er meine Blicke und stützt sich stattdessen auf dem Geländer ab, wobei er uns den Rücken zudreht. ,,Ich habe deinen Freund erzählt das du eine verdammt gute Lehrerin bist" sagt er gerade heraus, wahrscheinlich liegt in jenem Moment ein verschmitztes Grinsen auf seinen perfekt geschwungenen Lippen. In mir beginnt es zu brodeln, denn nun sind die Blicke aller auf mich gerichtet. Einschließlich dem von Jake, dessen Augen trüb und müde wirken. Er hat eindeutig zuviel getrunken, dabei habe ich ihn nur einige Minuten alleine gelassen.

,,Ich habe ihm Nachhilfe gegeben" kläre ich Judie, sowie den fremden Jungen auf der nur desinteressiert mit den Schultern zuckt. ,,Ich glaube jetzt schreibe ich ganz sicher eine Eins in Mathe" versichert der Schwarzhaarige beiläufig und zündet sich im nächsten Moment eine Zigarette an.

Sein andauernder Drogenkonsum werden ihn früher oder später noch gesundheitliche Probleme einbringen, aber es würde ohnehin nichts bringen ihn darüber aufzuklären, er macht ja doch was er möchte.

,,Sie ist halt die Beste" stimmt Jake lachend zu und drückt mir einen sanften Kuss auf die Wange, was mein Herz zum stolpern bringt. Genau so einer Situation wollte ich unbedingt entgehen, denn ich weiß nicht ob sich Arian zusammen reißen kann wenn seine Sinne von dem Alkohol benebelt sind.

to be continued...