LÄUFERIN
Krachend fällt die Haustür hinter mir ins Schloss.
Ich wirble herum und renne die nächsten hundert Meter.
Immer wenn ich das Gefühl habe, ich bin nicht mehr, dann renne ich.
Bis ich mein Herz in meinem Kopf hämmern höre.
Das ist meine Gewissheit, dass ich noch bin.
Noch.
Keuchend bleibe ich stehen.
Wo bin ich überhaupt?
Mir wird bewusst, dass ich nichts dabei habe. Gar nichts. Ich trage meine Klamotten, das ist alles.
Moment.
Ich kenne diese Straße.
Unwillkürlich muss ich lächeln.
Ohne darüber nachzudenken haben mich meine Füße hierher getragen.
Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht.
Ich laufe in letzter Zeit viel zu oft davon. Ich weiß nicht, wann ich das Kämpferische verloren habe.
Es ist schleichend von mir gewichen. Ich habe es zu spät bemerkt.
Jetzt kann ich es nicht mehr zurückholen.
Ich laufe und laufe und komme doch nicht an.
Ich bin eine Läuferin.
Eine ewige Läuferin.
Ich schiebe die Hände in meine Hosentaschen und denke nach.
Wovor bin ich gerade weggelaufen?
Vor der Angst Verantwortung zu übernehmen.
Vor dem Nichtbereitsein.
Vor dem Leben.
Und hier stehe ich nun.
Hier stehe ich immer, wenn ich nicht weiter weiß.
Immer, wenn ich Hilfe brauche.
Immer, wenn ich nicht weiß, ob ich reden oder schweigen will.
Immer, wenn ich nicht weiß, ob ich schreien oder heulen will.
Ich gehe die Stufen hinauf.
Bevor ich klopfen kann, öffnet er die Tür.
Ohne ein Wort zu sagen, trete ich ein.
Ich setze mich auf sein Bett und verschränke die Arme vor der Brust.
Er setzt sich neben mich.
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll."
"Dann sag einfach nichts."
Deshalb komme ich hierher.
Zu ihm.
Weil er immer das richtige sagt.
"Ich habe dich gesehen. Auf der Straße. Ich dachte mir, vielleicht willst du zu mir."
"Ich will immer zu dir."
"Ich weiß."
Wieder schweigen wir.
Wir berühren uns nicht.
Jeder hängt seinen Gedanken nach.
Schließlich nehme ich seine Hand.
"Danke."
"Wofür?"
"Dass du da bist. Dass du mich aushältst. Dass ich immer zu dir fliehen kann. Dass du immer das Richtige sagst."
"Weißt du...du könntest bleiben."
Könnte ich das?
Würde ich nicht weglaufen?
Würde ich bleiben?
Bei ihm?
Ja.
"Ich will bleiben."
***
"Kommst du runter?"
"Fünf Minuten noch."
Ich lächele meinem Spiegelbild zu.
Ich werde ihm gefallen.
Langsam, Stufe für Stufe, gehe ich die Treppe hinunter.
Auf ihn zu.
"Du bist wunderschön."
Ich lache.
"Bist du dir sicher?"
Ich bin mir sicher.
Bei ihm bin ich sicher.
Ich nicke.
"Ja."
"Bereust du, dass du damals geblieben bist?"
"Ich habe es nie bereut. Nicht eine Sekunde."
Das stimmt. Es war die richtige Entscheidung.
"Ich liebe dich."
"Ich liebe dich."
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