Polizisten zum Verlieben | Teil 2
»Also …«
Etwas unschlüssig stand Joe auf dem Revierparkplatz, direkt vor dem noch relativ neuen Streifenwagen, den er zu Dienstzeiten sein - nun geteiltes - Eigen nannte. Julius stand neben ihm, grinsend und mit verschränkten Armen; irgendwie war Joe diese ganze Situation einfach nur peinlich. Zwar hatte er sich zuletzt ganz gut mit dem temperamentvollen Polizisten verstanden, aber der war immerhin Noahs Bruder, was hieß, dass da wohl doch noch so ein paar Gene in ihm drin stecken mussten, die seinem lauten und etwas unkonventionellen Chef glichen. Kurz, das Ganze machte ihn etwas nervös.
»Schon gut, ich bin nicht wie mein Bruder, also keine Angst. Hey, was hälst du davon, wenn wir, um meinen ersten Tag hier zu feiern, mal zu McDonalds rannfahren und uns ein zweites Frühstück holen? Ich zahle auch.«
»Das … Das wär super!«
Etwas perplex, aber nicht unangenehm überrascht nickte Joe und stieg begeistert auf den Beifahrersitz des Streifenwagens, während Julius auf der Fahrerseite den Wagen startete.
»Noah wird uns zwar umbringen, wenn wir im neuen Wagen essen, aber das ist es mir wert - hatte nämlich kein Frühstück, mal wieder. Ich lebe zeitweise mit meinem Bruder zusammen, bis ich hier was neues gefunden habe und er frisst einfach immer den ganzen Kühlschrank leer! Und ihm ist total egal, wenn auf der Toastbrotpackung dick und fett mein Name steht …«
Julius lachte ein strahlend weißes Zahnpastalächeln und sah ihn schelmisch an.
»Okay, das ist viel Information auf einmal. Ich quartiere mich auch erstmal bei Noah ein - wir sind also Leidensgenossen. Wie heißt dein Bruder denn?«
»Lukas. Er ist ein paar Jahre älter als ich und um ehrlich zu sein … Er ist mit einem Mann zusammen, Elias. Der übernachtet auch manchmal bei uns. Nicht, dass ich was dagegen hätte - die beiden sind quasi schon ewig zusammen, glaube ich - aber … es ist einfach peinlich, sich zu begegnen«, erklärte Joe unnötiger Weise und wusste selbst nicht, warum er gleich so mit der Tür ins Haus fiel; was ging es seinen Partner schon an, dass sein Bruder schwul war? Aber na ja, bisher hatte er das eigentlich niemandem so richtig erzählt, nichtmal den anderen Jungs vom Revier und was raus musste, musste raus.
»Ach so ist das. Tjah, ich kenn das auch - schon früher hat Noah ständig irgendwelche One Night Stands mit nach Hause gebracht. Weiblich und männlich … Ein Wunder, dass unsere Eltern dieses Playboy-Gehabe überhaupt geduldet haben. Ich meine, er macht den Vorurteilen um Bisexuelle wohl richtig Ehre.«
»Noah ist bi?!«
Joe konnte seine Überraschung nicht verbergen; klar sprachen sie auf dem Revier nicht unbedingt über ihr Liebesleben, aber sie arbeiteten immerhin schon ein halbes Jahr zusammen …
»Hm, ja. Und ich übrigens auch. Ich hoffe, das ist kein Problem für dich.«
»Nein, natürlich nicht … Eigentlich weiß ich auch nicht so richtig, ob ich wirklich hetero bin. Mit Frauen krieg ich's einfach nicht hin.«
Joe seufzte und sah aus dem Fenster.
»Bieg da ab, um die Ecke ist es schon«, instruierte er seinen neuen Partner und lehnte sich dann wieder zurück.
»Ah, Stress mit Frauen, so so … Naja, da kann man nix machen, aber du findest schon irgendeinen Idioten für's Leben.«
Julius zwinkerte ihm zu, wobei ihm eine seiner blonden Haarsträhnen ins Gesicht fiel; ja, hübsch war er, ohne Frage. Und sicher sowohl bei Männern und Frauen beliebt …
»Sag mal, darf ich dich was fragen? Dein Bruder heißt ja Lukas, aber dein Name ist amerikanisch und in dem Land hast du ja auch laut Noah lange gearbeitet - wie hängt das zusammen?«
Froh über ein neues Thema setzte Joe gleich zu einer sehr Umfangreichen antwort an:
»Na ja, unsere Eltern leben getrennt. Meine Vater ist Amerikaner und ich habe bei der Scheidung seinen Namen behalten, während Lukas den unserer Mutter angenommen hat und mit ihr hier in Deutschland geblieben ist. Naja, ich spreche also gut Englisch und Deutsch, das ist das einzig Gute an der Sache.«
»Aha.«
Julius nickte verständnisvoll und stoppte dann grinsend den Wagen.
»Also, was für ungesundes Zeug darf es jetzt sein? Ich nehm auf jeden Fall Chicken Nuggets.«
Schon nach einer Woche konnte Joe Blackstone ohne zu zögern sagen: sein Partner war toll! Inzwischen verstanden sie sich wirklich gut, aßen und lachten, verbrachten auf der Arbeit die meiste Zeit zusammen und Abends gingen sie manchmal noch einen trinken - wobei Joe ihm in einem Anflug von Übermut sogar einmal einen kleinen Kuss auf den Mund verpasst hatte, aber Julius war ein Gentleman und verlor kein Wort darüber. Schön, hier in Deutschland endlich so einen tollen Freund gefunden zu haben. Was ihn aber um so mehr verblüffte, war aber, dass sein allseits beliebter Chef Noah ihn seitdem anstandslos in Ruhe ließ und keine kleinen Kappelleien mehr an der Tagesordnung waren. Nicht, dass er das vermisste oder so, aber irgendwas musste da doch faul sein … Sprich er wollte diesem plötzlichen Sinneswandel mal auf den Grund gehen und verabschiedete sich mit der Ausrede noch liegengebliebenden Papierkram bearbeiten zu müssen, von seinem Partner.
»Sei nicht traurig, dafür geb ich dir morgen auch wieder einen aus!«, sagte er und wartete bis sein Partner verschwunden war, bevor er auf leisen Sohlen zu Noahs Büro schlich; musste ja keiner wissen, dass er mal freiwillig zum Chef ging. Vor der Bürotür angekommen nahm er schließlich all seinen Mut zusammen und klopfte an, bevor er auf das schroffe »Herein« hin die Klinke hinunter drückte unf eintrat.
»Ich bin's nur«, grüßte er und fühlte sich plötzlich wie der letzte Idiot. Was hatte er denn bitte sagen wollen?! Hi, Noah, warum schreist du mich eigentlich nicht mehr an, seit Julius da ist? Ich vermisse das doch!
»Aha, und was willst du um diese Zeit noch hier? Müsstet du jetzt nicht mit deinem neuen Partner die Bars in der Gegend unsicher machen?«
»Nein, ich hab ihm gesagt, dass ich heute noch was zutun hab …«
Noah sah von dem Papierberg auf, der sich auf seinem Schreibtisch stapelte. Er hatte dunkle Bartstoppeln im Gesicht und tiefe Augenringe - ob er wohl bewusst nicht nach Hause ging und auch nachts arbeitete, um seinem Bruder aus dem Weg zu gehen? Julius hatte da doch mal irgendwas in der Richtung gesagt.
»Heißt das, du hasst ihn genauso wie deine anderen Partner? Tjah, ich kann's dir nicht verübeln, er ist schon ein Idiot. Aber erstmal kann ich da nichts machen, auch wenn ich ihn gern rausschmeißen würde.«
Joe traute seinen Ohren kaum.
»Er … er ist doch dein Bruder! Wie kannst du sowas nur sagen? Er ist toll, ich verstehe mich gut mit ihm und es macht Spaß, bei ihm zu sein. Du bist echt ein Idiot!«
Damit rauschte Joe ab - nicht ohne vorher noch einen der Papierstapel vom Tisch zu werfen, versteht sich.
Noch am selben Abend war eben jener Polizist schon wieder zerfressen von Schuldgefühlen - konnte schließlich niemand seinen Bruder so super leiden - und rief aus reiner Verzweiflung Julius an.
»Ich hab mich mit Noah gestritten und weiß nicht, was ich machen soll«, schoss es gleich aus ihm, so dass am anderen Ende der Leitung ein kurzes Schweigen herrschte; Julius war die Direktheit seines Partners jetzt zwar schon etwas gewohnt, aber es brauchte eben Zeit, um solche harten Informationen zu verarbeiten.
»Oh Mann … Dann komm am Besten her, hier können wir in Ruhe reden - Noah ist auch nicht da, also keine Sorge.«
Eine halbe Stunde später saß Joe dann auch schon im schicken Wohnzimmer der Drei-Raum-Wohnung und rutschte unruhig auf den Polstern der schwarzen Couch herum, die beinahe auseinander zu fallen schien; generell wirkte es nicht gerade so, als würde sein Chef sich große Mühe geben, die Wohnung zu gestalten. Teppiche, Tapeten, Möbel … Nichts hier passte auch nur ansatzweise zusammen.
»Jetzt noch mal von vorn: Was genau ist passiert?«
Julius kam aus der Küche gestapft und stellte zwei eisgekühlte Bierflaschen auf den Couchtisch. Joe seufzte und nahm einen Schluck von der Flasche; sollte er Julius wirklich alles erzählen? Auch dass sein Bruder ihn rausschmeißen wollte?
»Na ja …«, begann er, doch schüttelte dann wieder den Kopf - ein paar Details sollte er wirklich für sich behalten.
»Ich musste zu ihm … wegen dem Papierkram. Jedenfalls hat er mich ganz genervt gefragt, wieso ich denn nicht mit dir unterwegs bin und hat weiter rum genörgelt. Da bin ich sauer geworden, hab seine Papiere vom Tisch gefegt und bin abgehauen. Jetzt glaube ich, dass ich überreagiert habe … Ich meine, er hat sowieso müde gewirkt und als hätte er tagelang am Stück durchgearbeitet - ich hätte mich darauf nicht einlassen sollen.«
»Hm«, machte Julius nur und trank auch einen Schluck Bier.
»Tjah, in letzter Zeit ist er öfter gereizt. Hat wohl viel Arbeit und dann noch jede Nacht mit irgendwem ins Bett zu steigen … Er ist halt auch nicht mehr der Jüngste. Das wird schon wieder.«
Der Blonde grinste ihn an und Joe konnte nicht anders als ihm um den Hals zu fallen.
»Danke, man! Du hast recht, ich mach mir einfach zu viele Sorgen. Lieber sollte ich mir selbst jemanden zum Vögeln suchen.«
Er ließ seinen Partner los und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.
»Hm, vielleicht hast du da auch schon jemanden«, antwortete Julius bloß und beugte sich auf dem alten Möbelstück weiter vor, bis seine und Joes Lippen sich berührten.
»Wa …«
Erschrocken zuckte jener zurück; sollten sie das wirklich machen?! Inzwischen hatte er zwat schon darüber nachgedacht, es mit einem Mann zu versuchen, aber Julius war sein Partner! Und er mochte ihn, wollte also nicht, dass sie sich danach vielleicht nicht mehr so mochten und normal reden konnten …
»Hey, ist nur so eine Idee. Du musst ja nicht, wenn du nicht willst. Finde dich nur schon ziemlich heiß und man kann's ja mal versuchen.«
Julius zuckte mit den Schultern und griff wieder zu seinem Bier.
»Vergiss am Besten, dass ich das gesagt hab.«
»Nein!«
Joe schüttelte energisch den Kopf, im Grunde hatte Julius nämlich recht. Sie konnten es doch versuchen und einfach vergessen, wenn es nicht ihren Vorstellungen entsprach. Das würde schon werden. Noah schlief ja auch mit vielen Leuten - Wieso konnte Joe das nicht auch mal machen?
»Ich … will, dass du mit mir schläfst.«
ENDE TEIL ZWEI
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