First Love
Das erste Mal passierte es in der Grundschule, dass Elias von ihm angesprochen wurde. Sie waren gerade frisch in die zweite Klasse gekommen, berauscht davon, nicht mehr die Jüngsten auf dem Pausenhof zu sein und bereit auf ein neues Schuljahr mit richtigen Noten und Tests - die meisten zumindest, ein Teil der Klasse hatte natürlich bereits keine Lust mehr, zur Schule zu gehen. Elias hatte da diesen großen, schönen Schulranzen, blau mit roten Rennautos darauf und gerade als durch das Tor gehen und die Schule betreten wollte, hielt ihn da dieser Junge am Arm fest; groß, schwarzes Haares und schöne Augen, die ihm entgegen blitzten, außerdem ein breites Lächeln auf den Lippen.
»Hi, ich bin Lukas«, stellte er sich vor und ließ Elias los, der mehr oder weniger in Schockstarre verfallen war - noch nie war er zu diesem Zeitpunkt schon von so einem coolen Mitschüler angesprochen worden! Normalerweise, wenn er mit denen abhängen wollte, musste er immer etwas machen, wie ihre Ranzen tragen oder sein Pausenbrot hergeben.
»I-ich bin Elias«, brachte er deshalb nur etwas schüchtern heraus und beäugte den Jungen wie eine geisterhafte Erscheinung.
»Du hast echt einen coolen Ranzen, Elias! Ich hoffe, du bist dieses Jahr in meiner Klasse.«
Damit verschwand der schöne Junge so schnell wie er gekommen war und flitzte durch das offene Schultor. Zurück blieb ein verwirrter, leicht ängstlicher Zweitklässler, der zum ersten Mal in seinem Leben richtiges Herzklopfen hatte.
»So, es freut mich, euch heute hier in diesem Klassenzimmer pünkzlich zum neuen Schuljahr begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Frau Goss und ich bin dieses Jahr eure Klassenlehrerin.«
Die blonde Frau lächelte in die Runde und faltete etwas nervös die Hände - letztes Jahr erst hatte sie ihr Refendariat beendet und nun musste sie schon eine gesamte Klasse allein bändigen. Hätte sie nur gewusst, wie sehr sie jetzt schon bei den kleinen Jungs ankam; blond, groß und schlank, dazu hatte sie relativ große Brüste und ein hübsches Gesicht - die Kinder waren begeistert. Nur Elias beteiligte sich nicht an der darauf hin folgenden Fragerei, ob seine Lehrerin denn einen Freund hätte, wo sie lebte und ob sie gern Videospiele spielt, sondern starrte auf den Jungen mit den schwarzen Haaren, der eine Reihe vor ihm allein an einem Tisch am Fenster saß. Lukas. Sie waren also wirklich in eine Klasse gekommen und Elias konnte nicht abstreiten, dass ihn das nach ihrer Begegnung heute morgen ungemein freute. Ab Lukas ihn wohl auch schon bemerkt hatte? Vielleicht freute es ihn ja wirklich, Elias wiederzusehen, zumindest wünschte sich jener das ein bisschen. Schließlich konnten sie ja Freunde werden …
Als es dann ein paar Minuten später auch schon zur Frühstückspause klingelte und alle ihre bunten Brotdosen und Trinkflaschen rausholten, nahm er all seinen Mut zusammen und kam mit seinem Pausenbrot, das in eine weiße Papiertüte eingepackt war, herüber zu Lukas' Tisch, wo er verlegen stehen blieb.
»D-darf ich mich zu dir setzen?«, fragte er schließlich stotternd und wurde leicht rot als Lukas ihn darauf hin freundlich anlächelte.
»Klar doch! Wir sind also wirklich in einer Klasse, das find ich toll.«
Der Dunkelhaarige stellten seinen Ranzen vom anderen Stuhl und Elias setzte sich etwas verlegen hin; er hatte keine Ahnung, was er jetzt sagen sollte. Er fand Lukas zwar schon jetzt total nett und lieb, aber er hatte Angst, etwas falsch zu machen, weshalb der Mitschüler ihn wieder verstieß …
»Man, das sieht lecker aus, kann ich was abhaben?«, weckte ihn jener aus seinen Gedanken und starrte mit großen Augen auf eins der Brote mit Salat und Schinken, die Elias ausgepackt hatte.
»Wenn du magst …«
Er beobachtete stumm, wie Lukas sich fröhlich das Brot schnappte und abbiss.
»Hast du den kein eigenes Pausenbrot?«, traute er sich schließlich zu fragen, als er bemerkte, dass auf Lukas' Tischseite lediglich eine Flasche Wasser und sein Schulzeug verteilt waren.
»Mh, nee, meine Mama war heute morgen müde und konnte mir nichts mehr machen. Sie arbeitet als Krankenschwester und muss Abends ganz spät ins Krankenhaus.«
»Aber wer kümmert sich denn um dich, wenn sie nicht da ist? Dein Vater?«
Elias schaute ihn aus großen Augen an.
»Der hat eine andere Familie, seine Freundin heißt Jennifer und sie bekommt bald ein Baby von ihm. Abends bin ich allein in der Wohnung, aber nebenan wohnt eine alte Dame, die manchmal bei uns vorbei kommt.«
»Oh …«, antwortete Elias nur und bereute seine Frage schon wieder. Dabei wollte er doch bloß endlich einen tollen Freund finden! Und dann fragte er gleich sowas dummes.
»Ist schon okay, ich bin gern allein. Mit Menschen kann ich nicht so.«
»A-also, stört es dich, wenn ich hier weiter sitzen bleibe?«
Lukas grinste und legte ihm freundschaftlich einen Arm um die Schulter.
»Nö, bei dir ist das was anderes.«
So verging das zweite Schuljahr, das dritte und auch letztendlich das vierte schnell, ohne dass beide es merkten; sie verstanden sich gut, redeten viel in den Pausen und spielten nachmittags, wenn die Schule aus war, oft noch bei Elias Zuhause. Sie fanden eine streunende Katze auf der Straße, gaben ihr einen Namen und zogen sie gemeinsam auf, übernachteten bei einander und kuschelten sich dann Abends nach einem schönen Film zusammen in ein Bett. Doch natürlich kam es, wie es kommen musste: ihre Grundschulzeit neigte sich dem Ende zu und Lukas würde danach auf das Gymnasium wechseln, während Elias nur auf die Realschule ging; sie mussten sich also trennen. Richtig klar wurde das unseren Helden aber erst, als sie zu ihrer letzten Zeugnisübergabe im Stadttheater auf der Bühne standen, um sie herum Freunde und Familie - sie würden sich bald trennen müssen! Aber das war nunmal das Letzte, was Elias wollte; er hing an seinem Dunkelhaarigen Freund, mochte es, wenn sie redeten, kuschelten und sogar wenn er ihm sein Pausenbrot klaute! In seinen Augen blitzten Tränen auf und als endlich auch er sein Zeugnis bekommen hatte, rannte er nur so von der Bühne, aus dem Saal und raus auf die Straße. Bei den Treppenstufen des Theaters machte er halt, setzte sich und begann hemmungslos zu schluchzen. Er wollte Lukas nicht verlieren! Sie hatten so viel erlebt und er war doch sein einziger Freund … Ein Arm legte sich um seine Schulter und er zuckte zusammen, so dass ihm doch fast das Zeugnis aus der Hand gesegelt wäre.
»Lukas!«
Der Dunkelhaarige setzte sich neben ihn und streichelte ihm über den Rücken, während er weiter weinen musste - er konnte einfach nicht anders. Jetzt, wo er Lukas gesehen hatte, erst recht nicht.
»Ich will nicht, dass wir uns nicht mehr sehen … Ich will bei dir bleiben!«, schluchzte er und lehnte sich an seinen Freund.
»Ich will auch bei dir bleiben, abet das geht nicht … Zumindest jetzt noch nicht. Aber ab der siebten nimmt die neue Schule auch welche auf, die den Test nicht geschaft haben - hat Mama gesagt!«
Er grinste seine schönes Grinsen und Elias stockte.
»Heißt das …«
»Jap, wir müssen nur ein bisschen warten!«
Lukas wuschelte ihm durch die Haare und strich dann über seine Wange.
»Aber selbst bis dahin werde ich dich nicht allein lassen«, sagte er, bevor er Elias zu sich zog und auf den Mund küsste - überflüssig zu sagen, das dies natürlich nicht ihr letzter Kuss war.
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