34.
Es verging ein recht unspektakulärer Monat. Frühs ging ich zur Uni, der Nachmittag gehörte meist Stegi und Garfield und am Abend arbeitete ich oder lernte. Niemand war seitdem wieder bei uns eingebrochen und auch niemand versuchte meinem Freund ein Haar zu krümmen, wenn wir draußen unterwegs waren. Selbst den Nachbarn hatte ich nicht noch einmal dabei erwischt, wie er ihn ungeniert betrachtete, wohl größtenteils deswegen, weil ich ein weiteres Aufeinandertreffen der beiden tunlichst zu vermeiden versuchte.
Aber es hatte sich auch nichts an der Situation geändert: Stegi war noch immer ein Katzen-Menschen-Hybrid, ein sogenannter Neko, wie ich im Internet herausgefunden hatte. Sie galten allerdings als reine Fantasiewesen und ich fand absolut keinen ernst zu nehmenden Beitrag über jemanden, den ein ähnliches Schicksal ereilt hatte wie meinen Dino. Und die Zeichnungen, die ich beim Durchscrollen bemerkt hatte, ähnelten Stegi auch nur teilweise - sie besaßen nämlich durchgehend eine scheinbar normale Körpergröße und außerdem menschliche Hände und Füße, keine Pfoten.
Das hieß aber auch, dass wir seiner Rückverwandlung ebenfalls keinen Schritt näher gekommen waren. Es gab insgesamt keine dokumentierten Fälle von Mensch-Tier-Hybriden, weder über ihre Entstehung, noch über eine Heilung, eben weil sie als pure Erfindungen galten. Wir stimmten auch darüber überein, nicht zu einem Arzt zu gehen. Zu groß war uns das Risiko, dass sie Stegi als medizinisches Wunder deklarieren und mir wegnehmen würden, um eventuell Experimente an ihm durchzuführen oder noch schlimmere Sachen. Und dann gab es noch immer die Möglichkeit, dass derjenige von ihm erfuhr, er bei uns eingebrochen war. Alles keine rosigen Aussichten, also hatten wir unsere Bemühungen vorerst in den Sand gesetzt und gelernt, uns mit den Gegebenheiten zu arrangieren.
Ein wenig Hoffnung hatte ich auch noch in Stegis Gedächtnis, dass er sich vielleicht irgendwann erinnern konnte, was in der Zeit zwischen Weihnachten und Frühlingsbeginn mit ihm passiert war. Einmal, so glaubte ich, hätte er es fast geschafft. Wir hatten geschlafen und ich war mitten in der Nacht von seinem Zucken wach geworden. Er hatte gewimmert und sich gekrümmt und um ein Haar noch mit seinen eigenen Händen gewürgt, hätte ich ihn nicht aufgehalten und zu wecken versucht. "I-ich war im Wasser, T-timmi! Ich w-wäre beinahe ertrunken!", hatte er unter Schluchzern und Tränen hervorgebracht. Es musste sehr real gewesen sein für ihn. Vielleicht so real, dass es die Wirklichkeit war, die sein Gehirn irgendwie verdrängte und weggesperrt hatte. Er war also irgendwo im Wasser gewesen. In der Saale vielleicht, diesem Fluss durch Jena in der Nähe seiner Wohnung? Hatte ihn die Strömung mitgerissen oder ihn jemand mit Gewalt hinein gezwungen? Fragen über Fragen und jede machte das große Rätsel über allem noch komplizierter. Was hatte ein Nahtod mit einem Wandel zum Neko zu tun? Doch egal wie sehr wir beide darüber gegrübelt hatten, wir kamen auch hier nicht weiter.
Eines Abends sollte sich allerdings etwas ändern. Etwas grundlegendes in meiner und Stegis Beziehung zueinander, das indirekt schwerwiegende Folgen mit sich zog, von denen wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts ahnen konnten.
Stegi hatte mir beim Aufräumen und Saubermachen nach dem Essen geholfen und dabei die ganze Zeit auffällig herum gezappelt, als läge ihm etwas auf dem Herzen, und beim Zähneputzen offenbarte er es mir schließlich: "Timbo? I-ich hätte einen großen Wunsch an dich!"
Ich schaute erleichtert lächelnd zu ihm hinunter. "Und ich dachte schon, du hättest dir Flöhe aufgelesen, weil du so hibbelig bist!" Dafür bekam ich einen Schlag gegen den Unterarm und gespielt jammerte ich ein wenig vor mich hin. "Nagut okay, alles was du möchtest, Dino! Was gibt es denn?"
"I-ich...", er stockte und begann, den Saum seines Pullovers zwischen seinen Pfoten zu kneten. Es sah wie immer unfassbar süß aus, wenn er das tat! "Ich möchte bitte mit dir schlafen! Das wäre mein Herzenswunsch!"
Kurzzeitig schien ich die Durchschlagskraft von Stegis Worten nicht ganz zu begreifen. So als hätte er eben bloß gemeint, er wünsche sich eine neue Hose oder wollte morgen unbedingt wieder in den Park gehen. Also schmunzelte ich und wandte mich bereits wieder meinem Spiegelbild über dem Waschbecken zu, als in mir die Alarmglocken zu läuten begannen. Er wollte was?! M-mit mir schlafen? Aber...
"Nein Stegi. Das geht nicht. Tut mir leid, aber das können wir nicht!", schälten sich die Wörter merkwürdig abgehackt und mit einem sauren Nachgeschmack aus meinem Mund, während ich begann, nahezu mechanisch meinen Kopf zu schütteln. Stegis eben noch glücklich Miene wich innerhalb einer Sekunde blankem Entsetzen. "Warum nicht? Wir sind doch zusammen und du hast gesagt, dass du mich liebst!", rief er laut und mit hoher Stimme. Etwas in mir krampfte sich dabei zusammen und beinahe hätte ich seinem Drängen widerstandslos nachgegeben. "Ich liebe dich doch, aber-"
"Wieso soll es dann nicht gehen? Bitte Timmi, bitte!"
"Nein, hör zu Stegi-" Wenn er mich nur ausreden lassen würde, dann könnte ich wenigstens versuchen, es ihm zu erklären! Doch er brachte sich stattdessen immer weiter in Rage: "Liegt es doch daran, dass ich jetzt so anders bin?! Wir kennen uns schon seit Jahren, wohnen so lange zusammen und trotzdem findest du mich jetzt ekelig o-oder unnatürlich! Und belügst mich auch noch!" Verletzt blickte er zu mir hoch, Tränen kündigten sich in seinen Augen an. Er hatte Recht. Es lag wirklich an seinem neuen Körper, aber ganz anders, als er es dachte! Bevor er mich beiseite schubsen konnte, schlang ich meine Arme um ihn und hielt ihn fest. "Nein, ich finde dich weder ekelhaft, noch unnatürlich! Ich liebe dich von ganzem Herzen und ich habe auch schon einmal darüber nachgedacht, aber es geht einfach nicht, Dino! Ich würde dich dabei verletzen und das will ich nicht, verstehst du das? Ich könnte mir das nicht verzeihen!", murmelte ich beschwichtigend, während es in mir durch die Endgültigkeit in meiner Stimme und meinen Worten dumpf zu wummern begann. Das war ein weiterer, unendlich trauriger Nachteil. Wir mussten nicht nur unsere Beziehung für Außenstehende geheim halten, sondern konnten nicht einmal diesen letzten Liebesbeweis vollziehen. Es war zum Verzweifeln und ich hatte mir deswegen einfach jeden weiteren Gedanken daran strikt verboten.
Stegi war da hartnäckiger. Mit riesigen Kulleraugen schaute er mich an: "Das macht mir nichts, Timbo! Bitte, lass es uns wenigstens versuchen! Wir können dann immer noch aufhören, aber ich halte die Versuchung einfach nicht länger aus! Sag bitte Ja, für mich!"
Unentschlossen stand ich da und wägte ab. Es war so gut wie unmöglich und ich wollte nicht, dass Stegi bei dem Versuch litt. Doch andererseits würde er niemals locker lassen, bis ich nicht seinem Drängen nachgab und er seinen Wunsch erfüllt bekam. So war es schon immer gewesen und ich verfluchte mich insgeheim, als ich wieder unter seinem Betteln nachgab. "Nagut. Aber wirklich nur versuchen!"
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Lemon voraus! Also, zumindest so ähnlich :'D
Soll ich den heute noch posten oder für morgen aufbewahren?
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