Festnahme Widerwillen
GUZMAN
„Halt deine scheiss Klappe, du schuldest mir etwas und jetzt wird es Zeit, dass du dich in die Überwachungskameras des Gouverneurs hakst und herausfindest, wer sie ist!"
***
„DEA!", höre ich jemanden schreien, als ich wieder zurückgehe. Ich renne los, sehe, wie vier Männer in ziviler Kleidung sich zu erkennen geben. Sie zücken ihre Waffen und richten sie auf meinen Vater, der mit dem Gobernador spricht.
„Senior Davila, nehmen Sie die Hände nach oben, sodass ich sie sehen kann!", brüllt einer der Männer. Ein schmieriger Typ mit schwarzen Haaren, dunklen Knopfaugen und einem Zweitagebart um Mund und Kinn.
„Ich bin Special Agent Miguel Gandia von der DEA" spricht er weiter, während er sich meinem Vater nähert. Der die Hände in die Luft streckt und mich mit einem eindringlichen Blick bedenkt. Doch ich werde einen Scheiss tun und mich verpissen.
Die Gäste um uns herum sind wie versteinert, aber so langsam bröckelt die Starre und sie reagieren wieder. Die meisten Frauen kreischen, als wären sie Hühner, die von einem Fuchs bedroht werden. Die Pistolen sind alle auf meinen Vater gerichtet, sie haben also keinen Grund so auszurasten.
„Es liegt der dringende Tatverdacht der Bestechung von Regierungsbeamten und anderen schweren Delikten gegen Sie vor", sagt der überhebliche Typ und das Funkeln in seinen Augen beweist mir, dass er jede Menge Spaß daran hat meinen Vater zu blamieren.
„Das muss ein Irrtum sein", mischt sich der Gobernador ein. Doch einer der anderen Agents zeigt ihm den Haftbefehl, sodass ihm jegliche Hände gebunden sind.
„Es tut mir leid, Junge", meint er zu mir und schüttelt den Kopf.
„Tun Sie doch etwas!", schreie ich und würde ihm am liebsten an die Gurgel springen, doch es hat mir zu viele schwerbewaffnete Polizisten vor Ort, sodass ich es belasse. Aber meine Wut wächst mit jeder weiteren Sekunde und steigt ins Unermessliche.
„Das ist ein abgekartetes Spiel!", brülle ich weiter, bis ich vor meinem Vater stehe. Dem nun die Arme auf den Rücken gedreht und ihm vor aller Augen Handschellen angelegt werden.
„Verdammte Cabronnes!", knurre ich und will sie daran hindern. Doch mein alter Herr schüttelt den Kopf.
„Lass es, gib lieber unserem Anwalt Bescheid. Es wird sich alles aufklären. Denn ich bin ein ehrenwerter Geschäftsmann und kein Krimineller", meint er mit ruhiger Stimme. Das er das nicht ist, weiß ich gut genug, aber fast jeder Mann hier ist auf der falschen Seite, sodass man ihm das nicht vorwerfen kann.
„Aber -", weiter lässt er mich nicht reden.
„Tu es, mein Sohn. Sie werden keine Beweise finden."
Ich nicke, sehe hilflos zu, wie er abgeführt wird. Die Leute um mich herum zerreißen sich bereits das Maul, was ich nicht zulassen kann.
„Jeder, der noch ein verficktes Wort sagt, wird den morgigen Tag nicht mehr erleben!", schreie ich und demonstriere ihnen, dass ich es verdammt ernst meine.
Denn als einer, ein dicker Mann mit Glatze und Speckfalten am Nacken den Mund aufmacht, knöpfe ich ihn mir vor. Ich verpasse ihm wortlos ein paar Hiebe gegen seine hässliche Fresse und richte mir danach das Sakko.
„Noch jemand, der mich herausfordern will?", sage ich kalt und schaue jedem Pisser in die Augen. Doch keiner traut sich, was mich enttäuscht.
„Das habe ich mir bereits gedacht, bei solchen Luschen. Nichts gegen Sie, Gobernador", sage ich, als ich mich ihm wieder zugewandt habe. Er sieht mich genauso geschockt an, wie alle anderen. Aber das ist mir sowas von scheissegal.
„Feliz cumpleanos", füge ich hinzu, klopfe ihm auf die Schulter und verlasse diese beschissene Party so schnell ich kann. Der Fahrer meines Vaters fährt vor, als ich durch das Tor laufe und als ich einsteige, hoffe ich nur, dass sich alles fügt.
Denn trotz allem, was zwischen uns vorgefallen ist, ist er mein Vater und ich muss alles dafür tun, damit er nicht in den Knast wandert.
Die Fahrt verbringe ich rastlos, während in meinem Kopf jedes noch so schlimme Szenario abläuft. Aber sie haben alle den gleichen Ausgang. Die Polizei findet Beweise und bringen ihn vor Gericht, dort gerät er an einen von der DEA geschmierten Richter und wird zu lebenslang in irgendeinem versifften Drecksloch verdonnert.
Doch so weit wird es nicht kommen, dafür besitzt er viel zu viel Ansehen und einflussreiche Freunde, die ihn daraus boxen werden. Als der Wagen vor dem Anwesen meines Vaters hält, steige ich aus und renne über den Kies, haste die drei Stufen hinauf und reiße die Tür auf. Sie fliegt krachend gegen die Wand und bringt eines der teuren Gemälde zu Fall.
Es fällt scheppernd zu Boden und liegt beschädigt herum, doch ich kümmere mich nicht darum, sondern renne die Treppen nach oben in sein Arbeitszimmer. Außer Atem durchsuche ich die verdammten Schubladen, aber ich finde sein Notizbuch einfach nicht.
„Verfickte Scheisse!", knurre ich und fege das meiste vom Schreibtisch herunter. Als das Licht angeht, erschrecke ich und sehe Catalina, Papas zweite Frau, vor mir stehen. Sie schlingt den rosa Morgenmantel enger um ihren scharfen Körper und kommt auf mich zu.
„Um Himmelswillen, was ist denn passiert?", fragt sie mich besorgt. Ihre großen Augen sind auf mich gerichtet und wollen herausfinden, was ich hier mache.
„Es geht um Vater ... er wurde festgenommen", lasse ich die Bombe platzen. Catalinas elfenhafte Gesichtszüge entgleiten ihr, doch sie bricht zu meinem Erstaunen nicht in Tränen aus.
„Er braucht einen Anwalt", sagt sie und kommt auf mich zu.
„Ja, deshalb habe ich ja auch hier gesucht. Aber ich finde dieses kack Notizbuch einfach nicht", erwidere ich genervt. Catalina tritt neben mich und sieht mich kurz an, ehe sie in Richtung Safe geht und die Kombination eingibt.
„Er hat für einen solchen Fall Vorbereitungen getroffen, Guzman", sagt sie in ruhigem, beinahe mütterlichem Tonfall. Als sie sich umdreht, hält sie eine Mappe in ihren zittrigen Händen. Ich nehme sie ihr ab und blättere durch die Seiten.
„Was ist das alles?", frage ich und habe keine Ahnung, was das soll. Catalina wohl auch nicht, denn sie knetet ihre Finger, als ob sie nur so die Angst um ihren Mann in den Griff bekommt.
„Er meinte nur, dass dies seine Anwälte brauchen", erklärt sie. Ich nicke und halte inne, denn ich erinnere mich daran, dass Dad sein Zeug oft im Wohnzimmer aufbewahrt.
Ohne sie aufzuklären, renne ich die Stufen nach unten und durchsuche alles, doch es ist nicht hier. Ich fahre mir durchs Haar, lockere die Fliege um meinen Hals, denn auf einmal bekomme ich kaum noch Luft. Ich muss mich beruhigen, denn jede Minute zählt. Also schließe ich die Augen und versuche mich daran zu erinnern, wo er es zuletzt bei sich hatte.
Es muss hier gewesen sein, aber wo? Ich öffne die Augen und schaue mich um, betrachte die ganze Einrichtung und als mein Blick auf die alte Kommode fällt, bin ich mir sicher, dass es dort sein muss. Mit zwei großen Schritten stehe ich davor und öffne die Schublade und atme erleichtert aus, als ich es entdecke. Der lederne Einband fühlt sich seltsam kalt an, als ich es herausnehme und die Stelle mit den Nummern.
„Hast du es gefunden?", fragt sie, als sie die Treppe runterkommt. Ich drehe mich zu ihr um und sehe, wie sie auf mich zukommt.
„Ja." Ich nicke. „Jetzt werde ich die Anwälte anrufen." Gesagt getan. Ich klingle sie um ein Uhr morgens aus dem Bett, schnauze sie an und trommle sie zusammen.
Zwei fahren direkt zu meinem Vater, die anderen vier versammeln sich eine Stunde später im Arbeitszimmer und nehmen die Mappe an sich. Nachdem sie sich verpisst haben, stehe ich wie unter Strom. Ich tigere auf und ab und kann keinen klaren Gedanken fassen.
„Er darf nicht in den Knast", sage ich kopfschüttelnd. Catalina steht im Türrahmen, in ihrer Hand hält sie einen Drink, der im spärlichen Licht wie flüssiger Bernstein schimmert.
„Das wird auch nicht passieren, dafür hat er eine Armee von Anwälten. Und sie alle wissen, was zu tun ist", meint sie und stößt sich ab. Barfuß kommt sie auf mich zu. Ihr Blick ist getrübt, aber sie sieht nicht hoffnungslos oder gar verzweifelt aus. Wie macht sie das nur?
Catalina hat sich nie als meine Stiefmutter aufgespielt, hat sich mich nie gedrängt sie Mama zu nennen. Und doch ist sie mit den Jahren zu eine Art Ersatz für mich geworden.
„Ruh dich aus, Guzman. Schlaf ein bisschen und morgen sehen wir weiter", meint sie und bleibt vor mir stehen. Ihre dunklen Rehaugen ruhen auf mir und ein schwaches Lächeln huscht über ihre Lippen. Als sie mich an der Wange berührt, sie kurz streichelt, flutet mich eine Welle der Liebe, sodass ich mich etwas entspanne.
„Warum bist du so ruhig?", frage ich sie leise. Catalinas Lächeln wird traurig und als sie ihre Hand von meiner Wange nimmt, sehe ich ihr an, dass es sie genauso sehr belastet. Nur ist sie die Ruhe selbst und ich ein wandelnde Zeitbombe.
„Ich glaube an deinen Vater, Guzman. Das solltest du auch tun", erwidert sie und küsst mich liebevoll auf die Wange, ehe sie sich umdreht und dem Raum verlässt. Ich bin froh, dass sie hier ist. Catalina erinnert mich oft an meine Mutter, sie war fast genauso ruhig.
Der Unterschied zwischen ihnen ist einfach, meine Mama war eine humorvolle, offene und temperamentvolle Frau, die sich aber dennoch die innere Ruhe bewahrt hat. Catalina dagegen ist still und überlässt meinem Vater meistens das Sprechen. Sie wäre eine perfekte First Lady, denke ich kopfschüttelnd.
Trotzdem ist sie genau das richtige Gegenstück zu meinem Vater und ich will sie nicht mehr missen. Als ich in meinem Zimmer ins Bett falle, erhellt der Mond den Raum und lässt mich an den heutigen Abend denken und den vor vier Jahren.
Damals war ich noch in Miami, unterstand meinem Onkel und habe für ihn den Vertrieb des bolivischen Koks übernommen. Aber als ich sie auf dieser Studentenparty gesehen habe -auf die ich nur durch Zufall gegangen bin - wusste ich plötzlich, dass dieses Mädchen mein Untergang sein wird. Ich glaube nicht an Schicksal oder so ein Zeug, aber bei ihr ... bei ihr denke ich das wirklich.
Die Gedanken an unser heißes Aufeinandertreffen lässt mich nicht schlafen, weshalb ich mein Handy schnappe und einen Freund von mir anrufe. Er wird mir helfen, sie zu finden. Denn bis jetzt weiß ich nicht einmal ihren Namen, aber das wird sich schon bald ändern.
„Jesus. Ja, verdammt ich bin es", sage ich genervt.
Der Typ ist ein Computer Crack, der sollte sich die Nächte mit programmieren um die Ohren schlagen und nicht um vier Uhr in der Früh verschlafen ans Handy gehen.
„Lass alles stehen und liegen und besorg mir die Namen eines Mädchens. Ihren Namen weiß ich nicht, aber sie war auf der Party des Gobernadors", füge ich hinzu.
„Und dafür weckst du mich, Cabron?", flucht er und zündet sich eine Zigarette an. Er nimmt zwei tiefe Züge und pustet den Rauch aus, der ihn wahrscheinlich wie dichter Nebel umhüllt.
„Halt deine scheiss Klappe, du schuldest mir etwas und jetzt wird es Zeit, dass du dich in die Überwachungskameras des Gouverneurs hakst und herausfindest, wer sie ist", knurre ich und lege auf.
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Oh je, was denkt ihr über das Kapitel?
Eure Amanda
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