Surprise!
ROSA
„Weiß man schon, wie sie auf Brandstiftung kommen. Außer von der Leiche?"
***
„Guzman?", rufe ich, als ich die Villa betrete. Es ist totenstill, was mir eine Gänsehaut beschert, die nicht verschwinden will.
„Hallo?"
Ich sollte mich vielleicht nicht noch dümmer verhalten, denke ich. Denn die Gefahr besteht noch immer, dass die Polizei uns gefunden hat und nur darauf wartet, dass wir in ihre Falle tappen. Oder zumindest ich, aber vielleicht haben sie auch schon Guzman in ihrer Gewalt?
Gott! Wieso musste sich auch mein Leben so derart auf den Kopf stellen, dass ich mich schon wie eine paranoide Trulla aufführe, die zu lange auf einem schlechten Tripp war. Ich bin stehen geblieben und weiß nicht was ich tun soll. Soll ich wieder abhauen, oder mich nicht so anstellen und die Angst, die in meinem Nacken sitzt, an der Wurzel packen und sie auf den Boden werfen, als wäre ich Karatekid?
Ich gehe langsam rückwärts und als ich gegen etwas hartes stoße, lächle ich und könnte mich ohrfeigen.
„Dachte ich es mir doch, aber das nächste Mal schleichst du dich bitte nicht mehr einfach so heran", sage ich lachend und drehe mich um, doch es erstirbt in Sekundenschnelle. Denn nicht Guzman steht vor mir, sondern Gandia.
„Keine Angst, Rosa", sagt er und lächelt mich auf diese kranke Art an, die mich dazu bringt zu schreien. Doch er ist schneller und presst mir seine kalten Hände auf den Mund, in seinen Augen steht der Wahnsinn und doch wirkt er alles andere als leide er unter Wahnvorstellungen.
„Sei still. Ich will dir nichts tun", sagt er und sieht mich an.
Ach ja? Und wenn ich schreie, dann bringt er mich um?
Keine Ahnung, aber ich möchte es nicht ausprobieren. Ich kann nicht fassen, dass er vor mir steht. Lebendig zumindest.
„Wirst du still sein?", flüstert er fast schon mit einem lieblichen Unterton in der Stimme. Ich nicke langsam, nehme den Geruch von Benzin war und frage mich, ob er darin gebadet hat, oder wieso ich diesen ekelhaften Geruch wahrnehme.
Langsam nimmt er die Hände von mir, sodass ich wieder freier Atmen kann. Mein Herz hämmert zwar, aber nicht so, wie man es sich vorstellt, wenn einem der totgeglaubte Entführer gegenüber steht.
Warum ist das so?
Wieso gerate ich nicht in Panik, renne weg oder überwältige ihn, damit ich fliehen kann? Und wieso wusste er, dass wir hier sind?
Ich verstehe das alles nicht.
„Ist Guzman hier? Hast du ihm etwas angetan?", zische ich, was wohl die einzige Reaktion auf sein Auftauchen von mir ist. Im Moment wenigstens. Vielleicht ist mein Gehirn auch einfach viel zu überfordert damit und hat sich ausgeklinkt. Ich kenne sonst wirklich keinen Grund, dass ich nicht außer mir bin.
„Nein. Ich habe ihm nichts getan. Genau wie dir", meint er und bedenkt mich mit einem Blick, der genau sagt, was er mit mir vorhat. Und zwar schmutzige Dinge, solche, die er mir damals im Auto angedroht hat. Das habe ich damals nicht ernst genommen, diesen Fehler würde ich heute nicht wieder machen. Aber im Moment stehe ich noch auf festem Boden und hänge nicht nackt von der Decke, während er sich einen runterholt, oder sonstige Fantasien auslebt.
„Was tust du hier?", übernimmt mein Gehirn dann doch noch seinen Job. Ich schlucke und warte auf seine Antwort, doch er kommt näher und bleibt so dicht vor mir stehen, dass ich ihn mit Leichtigkeit küssen könnte. Was ich natürlich nicht will, aber ich könnte es, wenn ich wollen würde.
Verdammte Gedanken!
Er sieht gut aus, zu gut, um wahr zu sein.
„Für einen Toten siehst du viel zu lebendig aus", höre ich mich sagen. Ich beiße mir auf die Lippe, was ihn schmunzeln lässt. Er verwandelt sich in den Mann, den ich kennen gelernt habe, denn das anzügliche Lächeln umspielt seine Mundpartie und das Leuchten in seinen Augen nimmt zu, als er mit seinem Finger meinen Wangenknochen nachzeichnet.
Ich sollte ihn für all das hassen, was er mir angetan hat und vielleicht liegt es an diesem Stockholmsyndrom, von dem ich keine Ahnung habe, aber ich fühle mich nach wie vor zu ihm angezogen. Aber auf eine andere Art und Weise, eine, die sehr viel tiefer geht als das Letzte Mal.
Es ist fast ein innerer Zwang ihn so nahe an mich heranzulassen, wie ich nur kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich schon von der verbotenen Frucht kosten konnte und ich mich an den Geschmack nur noch verschwommen erinnern kann.
„Ich bin hier, weil ich dich sehen musste. Wir wurden, sagen wir es so, schändlich voneinander getrennt", erwidert er und fährt über meine Unterlippe, die unter der Berührung zu beben anfängt.
Sein Lächeln wird breiter, lüsterner und vor allem lässt es das Pochen zwischen meinen Beinen anheizen. Wieder schlucke ich und schaue ihm in die Augen, fühle mich an all die Male zurückerinnert, in denen wir uns genauso betrachtet haben, fast beobachtet.
Ich will, dass er sich wieder in diesen Mann verwandelt, der das Monster in sich gezähmt hat und nur an die Oberfläche gelassen hat, um mir Angst zu machen. Oder, um mir zu zeigen, was alles mit ihm möglich wäre.
Guzman und die Angst vor der Polizei tritt in den Hintergrund, was nicht sein sollte, doch ich bin machtlos und irgendwie möchte ich auch nicht, dass es sich ändert.
„Wieso?"
Meine Stimme ist nur ein leiser Hauch, seine Präsenz nimmt mich ein. Die dunkle Aura ist wieder da und verdüstert alles in ihrer Umgebung. Pflanzen würden eingehen und jegliches Leben würde nicht mehr existieren. Als wäre er der Gesandter des Leibhaftigen, nur auf der Erde um Geschöpfe wie mich in Versuchung zu führen. Doch wird er das? Ich bin mir nicht sicher.
„Ich kann nicht ohne dich, Rosa. Du bist in meinen Gedanken, in meinen Träumen. Überall", raunt er mir ins Ohr und fängt an meinen Hals zu küssen und mit Bissen zu verwöhnen. Stöhnend schließe ich die Augen und wünschte mir, dass uns keine Kleider mehr trennen würden und er sich nimmt, was ihm gehört. Denn auf eine gewisse Weise tue ich das auch, mit Leib und Seele.
„Wie lange habe ich mir das gewünscht", keucht er und beugt meinen Kopf nach oben, sodass er noch einen besseren Zugang zu den sensiblen Stellen meines Halses bekommt.
Meine Beine werden schwach und von meinen Knien will ich gar nicht anfangen.
Was passiert mit mir? Und wieso fühlt sich das alles viel zu gut an?
Seine Hand wandert über meinen Körper, bis zu meiner Mitte und als er mich berührt schreie ich auf und kriege nicht genug davon.
„Nimm mich!", hauche ich und gebe mich ihn völlig hin.
Ich bin wie ferngesteuert und lasse mit mir machen, was er will. Und so bearbeitet er mich mit seinen Fingern, hart und gnadenlos, bis ich schreiend komme. Zitternd und flehend.
Doch er gibt mir keine Zeit, schon dreht er mich um, presst mich gegen die Wand und zerrt an meiner Hose. Wie besessen reisst er daran und als er es endlich geschafft hat, spüre ich seinen Schwanz an meiner Spalte, durch die er mit der Spitze gleitet.
Wimmernd stoße ich den Atem aus und als er mit einem Ruck in mir ist und sich in mir bewegt, fühle ich mich, wie im Paradies.
Es fühlt sich an, als würde ich nach Hause kommen. In ein Zuhause, dass ich schon viel zu lange nicht mehr betreten habe und sich doch so anfühlt, als wäre ich gerade erst aus der Tür spaziert.
Seine Stöße sind hart und schnell, ich nehme ihn tief in mir auf und begrüße jede Bewegung seines Beckens, dass sich den meinen anpasst. Oder passe ich mich ihm an? Ich weiß es nicht.
„Komm, Rosa! Komm für mich, mein Vögelchen!", knurrt er und verpasst mir ein paar Hiebe auf den Po. Ich schreie und komme mit einer Urgewalt, die mich fast den Halt verlieren lässt. Doch die Wand gibt nicht nach, genau wie Gandia. Denn er zerteilt meine Wände, als würde er mich aufspießen wollen und genau das tut er auch.
Er spießt mich auf, während seine Hand zu meinem Hals wandert und hält ihn mit seinen Fingern umschlungen. Der Druck auf meinen Kehlkopf wird stärker und ich beginne zu röcheln, während er in mich stößt und mich von hinten nimmt. Wieder und wieder.
Tränen treten in meine Augen, meine Lunge brennt wie die Hölle und doch kann ich nicht anders als es zu genießen. Und als er sich in mir ergießt, Salve um Salve, explodiert mein Herz und ich habe das Gefühl im Himmel zu sein.
Ächzend steht er hinter mir, während ich wie ein Häufchen Elend an der Wand stehe und nicht weiß, ob ich es geträumt habe, oder aber, ob es der Wahrheit entspricht.
„Zieh dich an!", weist er mich mit eiserner Stimme an und erinnert mich an die letzten Monate. Ich gehorche, obwohl alle Bewegungen sich viel zu mechanisch anfühlen.
Was habe ich nur getan?
„Wir werden uns wiedersehen, Rosa. Schon ganz bald", raunt er mir ins Ohr, während er mir einen Kuss in den Nacken haucht. Ich schlucke und bin wie hypnotisiert und bin nicht in der Lage etwas zu erwidern.
Keine Ahnung, wie lange ich so dastehe und ob es wirklich real war, was da gerade abgelaufen ist, doch als mich Guzman an der Schulter berührt, zucke ich zusammen und stürze mich in seine Arme.
„Was ist los? Ist etwas passiert?", fragt er mich besorgt.
Ich kann nicht sprechen, ich kann nicht einmal mehr atmen. Viel zu viel ist vorhin passiert und ich bin nicht in der Lage etwas davon wiederzugeben, schon gar nicht, das was am Schluss passiert ist. Oder, was ich viel mehr mit mir habe machen lassen. Und schon gar nicht mit wem.
„Wo warst du?", fragt er mich, während mich seine Arme schützend umfassen. Ich lausche seinem Herzschlag, der mich beruhigt und mich fragen lässt, ob ich Gandias habe schlagen hören.
War er vielleicht nur eine Einbildung? Aber wieso?
Bin ich so labil, dass mich der Abschied meines Vaters und der Besuch am Grab meiner Mutter so derart aufgewühlt hat, dass mich meine tiefsten Sehnsüchte zu so etwas getrieben haben? Das Klingeln seines Handys rettet mich vor einer Antwort, die ich im Moment bei aller Liebe nicht zustande gebracht hätte. Er küsst mich aufs Haar und lässt mich los, dann nimmt er den Anruf an.
„Bro, was ist los? Hast du die Pässe?", fragt er Jesus. Ich atme tief durch und fasse mir an die Wange, dann an die Lippen, an den Hals. All die Stellen, die er berührt hat. Ich schlucke, als ich daran denke, wie real sich das alles angefühlt hat.
„Das ist fantastisch, Bro. Aber ich muss dich noch um einen letzten Gefallen bitten", meint Guzman und lenkt mich von den nagenden Fragen ab, die ich sowieso nicht beantworten kann. Vielleicht niemals.
„Du musst die Jefa finden. Sie hat nicht auf meinen Anruf reagiert und als ich ihr meinen Vater präsentiert habe, schlug sie auch nicht auf. Keine Ahnung was da los ist, aber du kannst sie bestimmt finden und mir dann Bescheid geben, okay?"
Ich runzle die Stirn und verstehe nur Bahnhof, doch als er mich ansieht, hebt er die Hand und gibt mir so zu verstehen, dass ich warten soll. Wahrscheinlich würde er es mir sowieso noch erzählen. Also nicke ich und kann nicht verhindern, dass ich mir an den Hals fasse, den Gandias Finger gerade eben noch umfasst haben.
„Danke, Bro. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde", sagt Guzman und legt auf. Er kommt auf mich zu und will nach mir greifen, doch ich weiche zurück, was ihn die Brauen heben lässt. Doch bevor er etwas sagt, komme ich ihm zuvor.
„Was war da vorher los? Und wieso wolltest du der Jefa deinen Vater ausliefern?", frage ich und hoffe, dass er mir nicht ansieht, wie aufgewühlt ich wirklich bin.
Er fährt sich durchs Haar und senkt den Blick. Als er ihn wieder hebt und sich unsere kreuzen, halte ich den Atem an. Denn ich frage mich, wieso ich mich schon wieder für Gandia entschieden habe – wenn es denn wirklich real wahr – wenn ich einen solchen Mann wie Guzman an meiner Seite habe?
Was ist es nur?
„Ich war am Packen, als mich Rodrigo angerufen hat", erzählt er und während ich ihm zuhöre, schweifen meine Gedanken immer weiter ab. Doch ich zwinge mich immer wieder auf seine Erklärung zurückzukommen und am Ende kann ich mir das meiste zusammenreimen, was mir entgangen ist.
„Ich kann mir nicht vorstellen, was die Jefa daran hindern konnte, sich ihn zu schnappen. Sie hat es ja noch zur Bedingung gemacht, damit wir dich retten können. Ihn gegen dich." I
ch schlucke und kann auch keinen plausiblen Grund finden, der das erklärt.
„Vielleicht musste sie untertauchen", überlege ich laut und bin über jede Ablenkung dankbar. Denn noch immer rattert es bei mir und dass, obwohl ich niemals auf eine Antwort kommen werde.
„Hast du schon gepackt?", fragt mich Guzman. Ich runzle die Stirn und schüttle den Kopf.
„Geh ruhig, du kannst sowieso nichts anderes tun. Und wir müssen morgen vor Sonnenaufgang los", meint er und lächelt mich an.
Ich erwidere es und hoffe, dass es nicht zu gekünstelt wirkt und gehe nach oben. Ich habe sowieso nicht viel, also verstehe ich nicht, wieso er mich unbedingt nach oben schicken will. Aber gemacht werden muss es so oder so, doch als ich in sein Schlafzimmer trete, habe ich das Gefühl nicht allein zu sein. Doch es ist niemand hier, ich kann mich also beruhigen.
„Du wirst wirklich noch paranoid", wispere ich kopfschüttelnd und packe den Kram zusammen, der mir wichtig ist. Der nur aus ein paar Kleidungsstücken und Erinnerungen besteht, die ich zuvor aus dem Loft gerettet habe.
Nie hätte ich gedacht, dass wir das wirklich durchziehen werden. Aber nun sind wir hier, der Abend vor unserer Flucht. Und dieses Mal werden wir es durchziehen, nichts wird dazwischen kommen. Auch kein Gandia, der von den Toten auferstanden ist und sich mit mir vergnügt hat. Nachdem ich alles in die Tasche verstaut und den Reißverschluss gezogen habe, seufze ich und fühle mich überhaupt nicht mehr wohl.
Es ist viel zu ruhig hier oben und wenn dann doch irgendetwas knarrt oder knackst, habe ich das Gefühl, dass mein verdammtes Herz stehen bleibt. Also gehe ich wieder nach unten und stoße zu Guzman, der mit Jesus spricht.
Das ging ja schnell, denke ich, obwohl ich keine Ahnung habe, wie viel Zeit wirklich vergangen ist, seitdem er den Auftrag bekommen hat. Guzman stellt auf laut und was ich dann erfahre ist einfach nur erschreckend.
„Sie wird seit zwei Tagen vermisst, seitdem hat niemand mehr etwas von ihr gesehen oder gehört", meint Jesus und lässt mich nichts Gutes vorahnen.
„Aber das ist nicht alles", meint er und lacht nicht einmal, also muss ihn die Neuigkeit genauso schockieren wie uns, „es wurde heute ein Brand in einem ziemlich miesen Viertel Culiacáns gemeldet worden. Sie gehen von Brandstiftung aus, denn es wurde eine verkohlte Leiche gefunden. Den ersten Eindrücken der Gerichtsmedizin nach zu urteilen, passt sie zu Alma, der Jefa", endet er und lässt uns alle geschockt zurück. Ich habe sie nie persönlich getroffen, doch das was ich erfahren habe, hat mich beeindruckt und es tut mir so schrecklich leid, dass man ihr das angetan hat.
„Weiß man schon, wie sie auf Brandstiftung kommen. Außer von der Leiche?", erkundigt sich Guzman, der mich seltsam mustert. Ich habe keine Ahnung wieso, doch als Jesus ein Wort sagt, kehrt sich mir der Magen um und ich kann nicht anders, als ein paar Schritte zu gehen und mich zu übergeben.
„Rosa?", ruft Guzman und eilt zu mir. „Was hast du?"
Ich hebe die Hand, während ich immer noch nachwürge. Dass mein Körper jemals wegen dem Wort Benzin so stark rebelliert, hätte ich nie gedacht. Doch das würde bedeuten, dass Gandia diese Alma oder Jefa, wie auch immer man sie nennen will, getötet und dann anschließend einen Brand gelegt hat.
Denn seine Hände haben nach Benzin gerochen und das so stark, dass es mir im Gedächtnis geblieben ist. Und nicht nur das, es beweist auch, dass er wirklich hier war. Hier bei mir, oder besser gesagt in mir. Doch davon weiß keiner und das wird auch so bleiben.
Er wollte uns nichts tun, also wird das mein hübsches Geheimnis bleiben.
„Geht's wieder?", fragt Guzman und auch Jesus äußert dieselbe Frage. Ich nicke und atme tief durch. Viel hat sich nicht in meinem Magen befunden, das meiste ist eklige Galle.
Um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, hole ich etwas, um das Erbrochene aufzuwischen, während Guzman mit Jesus telefoniert. Ich weiß alles, was ich wissen muss, denke ich während ich den Lappen nehme und mich darum kümmere. Was sie noch weiter besprechen weiß ich nicht, denn meine Gedanken wirbeln derart herum, dass ich sie nicht einmal mit einem riesigen Kescher zu fassen kriege, hätte ich denn einen zur Hand.
Guzman kommt auf mich zu, nachdem er aufgelegt hat und nimmt mich in den Arm. Ich versteife mich zwar, doch im Moment nehme ich sowieso nichts wahr, auch nicht seine Hände, die auf meinem Arsch ruhen.
„Es tut mir leid, dass du so etwas mitanhören musstest", meint er und tut so, als wäre ich aus Glas. Aber seitdem ich wieder frei bin behandeln mich im Grunde alle so, also nehme ich es nicht persönlich.
Ich ringe mir ein Lächeln ab und sehe, dass er mich küssen will und atme erleichtert auf, als es klopft. Guzman hingegen scheint das als Bedrohung wahrzunehmen, denn er ist auf einmal wie ein Tier auf Raubzug. Doch es wird ganz bestimmt nicht die Polizei sein, denke ich und muss fast sogar darüber schmunzeln. Bevor er etwas unternehmen kann, gehe ich zur Tür und öffne sie.
„Überraschung!", rufen Lina, Santiago und Jesus im Chor.
„Was?!", stoße ich aus und werde von einer aufgedrehten Lina umarmt. Ich habe sie seit meiner Flucht aus meinem ersten Gefängnis, das mir Gandia aufgezwungen hat, nicht mehr gesehen und es tut mir unfassbar leid, aber ich wollte sie nicht noch mehr damit belästigen.
„Ich kann doch meine beste Freundin seit Kindertagen nicht einfach so abhauen lassen, ohne mich von ihr verabschiedet zu haben", meint sie mit schriller Stimme, wie immer, wenn sie aufgeregt ist. Ich bin überrumpelt und selbst, als mich Santiago in die Arme schließt und mich seine Schwester nennt, die er nie hatte, weiß ich nicht, was ich fühlen oder denken soll.
„Bro, lange nichts mehr gehört?", begrüßt Jesus Guzman, der ihn lachend in die Arme schließt.
„Was macht ihr denn alle hier?", fragt er, während ich die Tür schließe und froh darüber bin, dass es dunkel ist und wir drinnen kaum Licht haben.
„Geht es dir gut?", fragt Lina mich und hakt sich bei mir ein. „Hat sich hier jemand übergeben?" Ich schüttle den Kopf und bin immer noch überfordert, und zwar mit allem.
„Wir müssen doch einen standesgemäßen Abschied feiern, oder?"
Jesus nimmt eine Champagnerflasche hervor, Lina den Tequila und Santiago vier Shotgläser.
„Ihr habt an alles gedacht", lacht Guzman und tritt an meine Seite, legt mir seinen Arm um die Schulter zieht mich zu sich.
Blinzeln stehe ich da, als hätte mich jemand paralysiert. Doch als plötzlich Partymusik aus einem modernen Handy dröhnt, scheint die Starre, die mich befallen hat, sich zu lösen und ich taue langsam wieder auf.
Was vor allem an Lina liegt, die mir das gefüllte Shotglas in die Handrückt und mich anbrüllt, das Glas zu exen. Alle feuern mich an und als ich es an meine Lippen ansetze und die durchsichtige Flüssigkeit in einem Zug leere, jubeln und klatschen alle. Das Brennen setzt ein und ich fühle mich für einen Augenblick, als wäre ich nicht mehr auf der Erde, sondern auf einer flauschigen Wolke schwebend.
„Genauso! Party!", schreit Lina und geht in ihrem Element auf. Meine letzte ist schon viel zu lange her und doch scheint mein Körper noch genau zu wissen, wie man sich zur Musik bewegt. Genau wie alle andere, die alle Sorgen und Nöte vergessen und einfach nur noch feiern.
Wir sind jung und frei, glauben, dass die Welt uns gehört und wir nur noch zupacken müssen. Wir vergessen all den Schmerz, die Kraft, die uns die Anstrengungen der letzten Zeit gekostet haben und Genießen nur noch diesen Augenblick.
Lina tanzt mit mir, schwingt ihre sinnlichen Hüften und wirft ihr langes Haar durch die Luft. Ich beneide sie für alles und fühle mich auf einmal etwas down, aber das ändert sich wieder, als sie mir ihre Hand hinstreckt und ich sie ergreife.
Wir drehen uns im Kreis, lachen und kreischend wie zwei kleine Kinder, während die Jungs uns dabei beobachten. Lachend kommen wir zum Stillstand ich kann nicht anders, als sie zu umarmen.
„Danke, für alles", sage ich zu ihr und schaue in ihre Rehaugen.
„Nicht dafür, Süße. Ich bin immer für dich da, egal, wie weit ihr weg seid", antwortet sie und zieht mich in eine feste Umarmung, die ich in mir aufsauge, genau wie diesen Moment der Sentimentalität, der sich über uns legt.
Sie schnieft und auch ich kann die Tränen kaum zurückhalten. Doch bevor ich ganz in Tränen ausbreche, tippt mir Santiago auf die Schulter.
„Darf ich mal?", fragt er und grinst sie charmant an.
„Klar, wir haben noch die ganze Nacht", zwinkert Lina und gesellt sich zu Jesus und Guzman. Der Song ändert sich und eine weibliche Stimme erklingt und singt auf Französisch über das Tanzen.
Wir bewegen uns langsam im Takt und ich frage mich, ob er den Song absichtlich ausgewählt hat, oder ob es purer Zufall ist. Doch egal wie, es passt.
„Ein Leben ohne dich kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Und das meine ich nicht auf romantische Art, sondern, als dein Bruder. Denn der bin ich und der werde ich auch immer bleiben", sagt er mit bebender Stimme. Ich schlucke und weiß nicht, was ich antworten soll.
„Ich meine das ernst, Rosa. Ich bin immer für dich da."
Und aus einem mir unerklärlichen Grund sage ich etwas, das erneut alles ändert und ich bin froh, dass die Musik viel zu laut ist, sodass nur er es versteht.
„Gandia. Er lebt!"
Santiagos Gesichtszüge entgleiten ihm, während die Sängerin zur Höchstform auffährt und sich die Seele aus dem Leib singt. Er schweigt und ich habe Angst, dass er zu Guzman rennt um ihm das erzählt. Deshalb halte ich seine Hand fest und schaue ihm tief in die Augen.
„Er war hier, bei mir", sage ich schnell und füge hinzu: „Und er hat die Jefa getötet. Er hat sie zuerst umgebracht und dann hat er sie angezündet. Ich weiß es, weil ich das Benzin an ihm gerochen hat. Und es würde zu ihm passen, sie hat ihn verraten und so hat er sich an ihr gerächt", rede ich wie ein Wasserfall.
Tiago sieht mich so an, als würde er meinem Redeschwall überhaupt nicht folgen können. Doch bevor er etwas sagen kann, wird er von Jesus unterbrochen. Der Song ist zu Ende und er übernimmt das Reden, als wäre er der Trauzeuge auf einer Hochzeit.
„Ich bin kein Freund der großen Worte, aber ich weiß, dass ihr zwei – Guzman und Rosa – etwas Besonderes seid. Eine Einheit, die nichts und niemand auseinanderbringen wird. Und deshalb ist es mir eine Ehre, euch die Pässe zu überreichen, die euch in ein neues und hoffentlich friedlicheres Leben bringen werdet", meint er und überreicht sie uns.
Alle klatschen und jubeln, nur ich weiß nicht was ich tun soll und ein Blick in Tiagos Augen versichern mir, dass ich damit einen riesengroßen Fehler begangen habe.
Wieso konnte ich meine verdammte Klappe nicht halten und vor allem, wie sage ich es Guzman?
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Oha, was sagt ihr dazu?
eure Amanda
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