Hilfe, oder doch eine Falle?
GUZMAN
„Ich verstehe dich, Guzman. Und ich will auch keine Absolution von dir, sondern dir meine Hilfe anbieten."
***
„Verdammte Scheiße!", fluche ich, als ich mich mit dem verdammten Sicherheitssystem des Büros abmühe. Es kann doch nicht so schwer sein, sich in diesem Wirrwarr an Zahlen und Algorithmen zurechtzufinden, oder?
„Cabron! Verflucht!", knurre ich und schlage mit der flachen Hand auf die verfickte Tatstatur. Wo ist Jesus, wenn man ihn braucht? In mir breitet sich eine fucking Wut aus, die mich schon seit gestern gefangen hält. Seitdem ich Rosa gestanden habe, dass ich sie liebe.
„Fuck!", zische ich und fahre mir durchs Haar und stehe auf. Ich brauche jetzt etwas zu trinken. Also steuere ich auf die Minibar zu, die mein Vater schon fleißig genutzt hat. Ich gieße mir den sauteuren Tequila in das Shotglas und setze es an meine Lippen an und kippe den Inhalt runter. Das verdammte Brennen setzt unmittelbar ein und gibt mir die Bestätigung, dass ich noch einen brauche.
Wie konnte ich so dumm sein?
Sie hat die Hölle durchgemacht, hat jede Nacht Albträume und schreit sich die Lunge aus dem Leib und ich vögle sie und gestehe ihr dann meine fucking Liebe.
Ich raufe mir die Haare und schüttle gleichzeitig den Kopf. Es ist ein Wunder, hat sie nicht sofort die Flucht ergriffen, was vielleicht auch noch daran lag, dass mein verdammter Schwanz – der mir immer in die Quere kommt – noch in ihr war, als ich es gesagt habe. Doch ihre Reaktion war eindeutig. Sie hat sich sofort zurück in ihr Schneckenhaus gezogen und aus dem Fenster gestarrt. Während der Rückfahrt herrschte Funkstille und seitdem geht sie mir aus dem Weg.
„Ich bin so ein verdammter Idiot!", knurre ich und könnte mich dafür so oft ohrfeigen, bis ich taub bin. Rosa ist ... die perfekte Frau für mich. Ich will sie nicht noch einmal verlieren, doch genau das habe ich geschafft. Oder?
Vielleicht sollte ich ihr schreiben, oder noch besser sie anrufen, denke ich und gehe wieder zum Schreibtisch rüber und greife nach meinem Handy, als es an der Tür klopft.
Ich drehe mich um und hätte original das Handy fallen gelassen und damit den verdammt teuren Glasschreibtisch geschrottet, der den Raum dominiert und das nur weil mein Alter vor mir steht.
„Was willst du hier?", knurre ich und wirble herum.
Wie um alles in der Welt, ist er hier hoch gekommen, ohne dass ich davon etwas mitbekommen habe?
Wahrscheinlich hat ihn die verdammte Bitch am Empfang hochgelassen. Und mich wollte sie nicht einmal durchlassen? Die kann etwas erleben, wenn ich sie das nächste Mal zu Gesicht bekomme. Mein Messer und ich freuen uns bereits darauf, ihr zu zeigen, was man damit alles anstellen kann.
„Wie es aussieht hast du es dir bequem gemacht, Junge", erwidert er trocken und bedenkt mich mit einem Blick, den ich zu gut kenne.
Ich sollte vielleicht geschockt sein ihn zu sehen, doch das bin ich nicht, was wirklich seltsam ist. Aber vielleicht habe ich auch damit gerechnet, dass er aus der genau dann wieder aus der Versenkung auftaucht, wenn ich es langsam hinkriege, dass alles wie am Schnürchen läuft. Abgesehen das mit Rosa, denke ich bitter und schiebe den Gedanken so weit weg, wie ich nur kann.
„Ich dachte du bist auf einer Insel und lässt es dir gut gehen", erwidere ich kalt. Ich habe keine Ahnung, was ich davon halten soll. Mein Blick ruht die ganze Zeit auf ihm. Er sieht gut aus, noch gebräunter als sonst, was darauf schließen lässt, dass er die Sonne genossen hat, während ich mich auf die Suche nach Rosa konzentriert habe und so einiger Hindernisse überwinden musste.
Der Gedanke an den Toten in Charlottes Büro schleicht sich wieder in mein Bewusstsein, der wegen Rosas Auftauchen etwas in Vergessenheit geraten ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass nie etwas auf mich zurückgefallen ist. „Das war ich auch", meint er und kommt langsam auf mich zu. Er trägt einen kostspieligen Maßanzug, den ihm überhaupt nicht steht. Das seltsame Beige sticht sich zu sehr mit seiner Bräune und lässt ihn wie ein missratener Versuch wie Arnold Schwarzenegger auszusehen. Der Vergleicht hinkt ein bisschen, aber er gefällt mir.
„Ach ja? Und was hat sich geändert?", frage ich bemüht desinteressiert zu klingen. Ich umrunde den Schreibtisch und setze mich wieder, mache es mir bequem und schaue ihn absichtlich genervt an. Und das ist nicht einmal gespielt, denn ich hätte auf seine Anwesenheit sehr gut verzichten können.
Doch er hat schon immer dieser fantastische Eigenart, das perfekte Timing zu finden, um einen den Moment zu zerstören. So war es, als ich mein erstes Date klargemacht und flachgelegt habe und so wird es auch immer bleiben. Ganz egal, wie weit ich es bringe und wie sehr ich mich abrackere. Er wird nie den Sohn sehen, der ich bin, sondern immer der Versager, der ich war.
„Ich habe ich das von Gandias Festnahme gehört und wollte sehen, wie es dir geht", lügt er wie gedruckt, „Du bist doch mein Sohn." Ich breche in schallendes Gelächter aus und kann mich kaum noch einkriegen. Tränen rinnen meine Wangen hinunter, aber nicht aus Trauer, sondern aus Erheiterung.
„Glaubst du wirklich", bringe ich unter dem noch immer anhaltenden Lachflash hervor, „dass ich dir das abkaufe?" Meine Stimme klingt ziemlich schrill, was mich noch mehr zum Lachen bringt.
Und ihn bringt es um seine bemühte Aufrechterhaltung seiner Selbstbeherrschung. Genau, wie in meiner Kindheit. Fehlt nur noch, dass er den Gürtel aus den Schlaufen zieht und mich damit verdrischt. Und erst die Erinnerung an die brennenden Hiebe, die auf meinen gesamten Körper eingeprasselt sind, reißen mich aus meinem Zwang heraus und ich räuspere mich, ehe ich mir die Tränen vom Gesicht wische und ihn ansehe.
„Keine Chance. Und jetzt kannst du dich wieder verziehen", sage ich kalt und will mich wieder dem verdammten Sicherheitssystem widmen, doch der Bildschirm ist mittlerweile rabenschwarz und ich sehne mich nach dem Tequila.
„Ich werde nicht wieder verschwinden, Guzman", meint er und scheint diese Tour selbst zu glauben.
„Tut mir leid, aber deine schauspielerischen Künste waren noch nie sehr gut", erwidere ich und verziehe verächtlich das Gesicht. Was denkt der Typ sich eigentlich?
„Du hast mir nichts mehr zu sagen. Wir beide", ich deute auf ihn und mich, „sind gestorben. Wir sind geschiedene Leute, auch wenn das rechtlich nicht geht. Aber ich denke, du solltest diesen Begriff verstehen. Und jetzt raus hier!", das letzte knurre ich. Mein Kiefer zuckt und das brodelnde Blut in meinen Adern verrät nichts Gutes. Aber mein Alter hebt seinen verräterischen Arsch nicht, also wird es Zeit, dass ich ihm zeige, wie ich mit Wichsern wie ihn umgehe. Doch er kommt mir zuvor.
„Ich weiß, dass ich viel falsch gemacht habe und, dass ich nichts davon widergutmachen kann. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich mich bessern möchte."
Wieder lache ich, doch dieses Mal fällt es um einiges kürzer aus, dafür umso bitterer.
„Sicher. Und ich bin wie Ghandi, nur mit Tattoos und Koks und so", spotte ich und verdrehe die Augen. Meine Geduld sinkt mit jeder Sekunde, die vergeht und er sich im selben Raum wie ich befindet.
„Ich verstehe dich, Guzman. Und ich will auch keine Absolution von dir, sondern dir meine Hilfe anbieten", beharrt er weiter.
Will er mich ködern? Aber mit was und aus welchem Grund?
Er sieht mich aus seinen braunen Augen heraus an, scheint sich Gedanken darüber zu machen, wie viel gequirlte Scheiße er mir noch auftischen muss, damit ich ihm glaube. Aber vielleicht ist es nicht einmal so dumm, dass er hier ist. Immerhin habe ich noch eine Abmachung einzuhalten. Meinen Vater für die Befreiung von Rosa.
Wer hätte gedacht, dass sich mir die Gelegenheit so schnell bieten würde?
„Gut, denn die hättest du, sowieso nie erhalten", sage ich kalt und warte auf seine Reaktion. Doch nicht einmal seine beschissene Ader tritt hervor. Vielleicht hat er sich vorher Botox spritzen lassen, damit er sich nicht verrät. Was? So abwegig wäre das gar nicht.
„Und du bist nicht hier, weil du dir mein Geschäft wieder unter die Nägel reißen möchtest?", provoziere ich ihn, um zu sehen, was wirklich dahintersteckt. Aber selbst, wenn er sich hier am Riemen reißt und mich nicht wieder als Prügelknaben benutzt, traue ich ihm nicht. Ich wäre ein verdammter Eunuch, wenn ich das tun würde. Um ihn hier zu behalten ist es vielleicht nicht schlecht, wenn ich ihn das Glauben lassen würde.
Nur, woher weiß ich, dass der nicht genau dasselbe macht? Dass er genau weiß, dass ich ihm seine Show- die nicht mal für die goldene Himbeere reichen würde- abkaufe? Ich habe keine Garantie, alles, was ich kann, ist es zu versuchen.
„Ich möchte mich mit dir aussöhnen, Guzman. Und vielleicht wäre ein Essen genau der richtige Anfang. Was meinst du?", meint er und lächelt mich sogar an. Okay, spätestens jetzt, wüsste ich, dass etwas faul an der Sache ist. Denn ein Lächeln, habe ich noch nie von ihm erhalten. Na ja, vielleicht ein abschätziges oder eines voller Genugtuung, nachdem er mich verprügelt hat.
„Nichts spricht gegen ein Essen und ich könnte mir keine miesere Begleitung vorstellen", sage ich voller Sarkasmus und lache darüber, als wäre es der beste Scherz, den ich je gerissen habe. Dabei ist es mein voller Ernst.
„Danke, das bedeutet mir sehr viel", heuchelt er und steht auf.
Ich tue es ihm gleich und als sich unsere Blicke kreuzen, weiß ich, dass er genauso ein falsches Spiel spielt, wie ich und zum ersten Mal erkenne ich da eine gewisse Ähnlichkeit, die mich erschreckt.
Denn das letzte was ich will, ist etwas mit diesem Mann gemeinsam zu haben. Im Gegensatz zu ihm, gehe ich nicht über Leichen, um zu bekommen was ich will, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich töte, weil es nicht anders geht, oder, weil es derjenige verdient hat. Denn Töten ist immer etwas Persönliches und das wird es auch bei ihm sein, wenn mich die Jefa lässt. Nur so können wir jemals sicher vor Rodrigo Alvarez Davila sein.
-----------------------
Ich hoffe es hat euch gefallen :D
Eure Amanda
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro