
Auf eine letzte Nacht
Knapp zwei Monate war es her, dass ich wegen dem Besichtigungstermin in Berlin war. Eine Zeit voller nervigem Papierkram, aber doch voller Vorfreude und Euphorie das alles, damit ich nun den Schlüssel, welchen ich kürzlich vom Vermieter bekommen hatte, in das Schloss schieben und so meine Wohnungstür öffnen konnte. Da konnte selbst das klare Novemberwetter und der Regen, jener gegen die großen Fenster schlug, nichts an meiner positiven Stimmung ändern. Noch würde ich zwar in das Haus meines Vaters, der immer noch nichts von der Wohnung wusste, zurück kehren und in dem gewohnten Bett im Kinderzimmer schlafen, aber schon Morgen -sollte alles klappen- stand das gleiche Möbelstück in meinem neuen Schlafzimmer.
Ja das mit meinem Vater sollte ich wohl bis dahin geklärt haben, aber nicht ich war es gewesen, welche meiner Tochter eine Deadline gegeben hatte, wann sie aus dem Haus sei müsste, sondern er. Für mich hatte diese Mann damit in kleinster Weise das Recht sich zu beschweren, aber selbst wenn, hatte ich nun die Freiheit mich zurück zu ziehen, wenn es ihm nicht passte.
Ich stellte die Musik auf meinen Ohren noch lauter, bevor ich mit ausgestreckten Armen und den Kopf in den Nacken gelegt durch die Räume tanze. Wohn- und Esszimmer, Küche, Schlafzimmer, Badezimmer und Gamingzimmer, alles meins, alles so frei, sodass ich hüpfen und mich drehen könnte, soviel ich wollte. Ich war leise genug, als dass die Bewohner unter mir nicht gestört wurden. Keiner würde herkommen und mich für verrückt erklären. Es hatte sich wirklich gelohnt nach der Schlüsselübergabe hier zu sein und einfach zu genießen. Dumm nur, dass da mein Handy zum dritten Mal klingelte. Da fiel sogar mir auf, dass es sich nicht um meine normale Musik, sondern den Song für eine Anruf handelte.
„Du hattest angerufen, was wolltest du?" War das erste, was ich sagte, als die Person auf der anderen Seite annahm. Vielleicht hatte ich zulange gebraucht zum Musik aus schalten und vielleicht hatte die Person deswegen wieder aufgelegt, aber nur ganz vielleicht.
„Du bist nicht zu Hause." , stellte mein Vater klar und das ohne eine Begründung oder ähnliches. Genau auf den Punkt, meiste ein bisschen unhöflich, aber meist sehr ehrlich, ja das was er eben, mein Dad.
„Jup." Meine Stimme klang Ausdrucks los. Hohl. Die Freude, jene noch vor Sekunden in jeder meine Bewegungen mit Schwang war in wenigen Millisekunden vollkommen gewichen. Ein Satz von diesem Mann und ich lag wieder unglücklich am Boden und hielt nur mit Kraft die Maske der Teilnahmslosen. Man könnte es schon fast als ein Talent seinerseits bezeichnen diesen Effekt auf mich zu haben. Schafften immerhin nur zwei Personen. Er und Bas...
Ich unterbrach mich selbst in meinem Gedankengang. Nein an dieses Arschloch wollte ich jetzt wirklich nicht denken. Schlimm genug, dass Stegi manchmal von ihm erzählte und ich auch sonst durch Clips und Nachrichten im Chat immer und immer wieder an ihn erinnert wurde.
Die Person auf der anderen Seite der Leitung forderte mich dazu auf ihr zu sagen wo ich war. Am liebsten hätte ich laut gebrüllt, dass ihn das nichts an ging, aber die Vernunft in mir siegte und brachte ein „Bin in Berlin hervor".
Irgendwie schien er die Hauptstadt nicht so sehr zu lieben wie ich, denn ich bekam erst einmal eine Standpauke über die angeblichen Gefahren, welche hinter jeder Ecke lauern sollten. Schön hier fand man Drogen, Menschenmassen und ein Partyleben. Wow wo gibt es das nicht, außer in irgendwelchen kleinen Dörfern, da gab es Punkt Nummer zwei etwas weniger. Gerade das war ja der Punkt, warum ich hier wollte. Die verschiedenen Kulturen, Menschenmassen und vielleicht auch die ein oder andere Party, auch wenn ich eigentlich kein Mensch war, der Partylöwe spielen musste.
Zusammen einsam. War das nicht so ein Teil von einem Gedicht über die Großstadt, was ich in der Schule hatte? Eigentlich auch egal, aber genau das wollte ich.
Es war bereits dunkel, wo der hell erleuchtete Intercityexpress in den Bahnhof fuhr. Hannover Hauptbahnhof. Meine Haltestelle nach 2 Stunden Fahrt. Annehmbare Zeit würde ich sagen, aber ich hatte nicht vor diese Strecke häufiger zu fahren. Vielleicht mal zu Weihnachten, sollte mein Familiensinn sich plötzlich bemerkbar machen. Ok ein sehr unwahrscheinliches Ereignis. Da war es wahrscheinlicher, dass ich auf Facebook Gaming wechselte (was ich nicht vor hatte). Hannover in den Nacht war schön. Nicht so schön wie Berlin mit seinen Lichtern, aber es war gut anzusehen. So war es auch ok durch die Straßen zu gehen, auch wenn mir den Weg durch Angst bereitete. Als Frau im Dunkeln musste man eben immer diese gewissen Angst haben. Traurig, wenn ich ehrlich bin, auch wenn es inzwischen normal ist.
Am richtigen Haus angekommen fühlte es sich so fremd an dieses als Zuhause zu betiteln. Wenige Stunden weg von hier stand das Haus, welches zum Teil mein neues Zuhause war. Leer und ohne Bewohner, zumindest noch, und doch so viel schöner als das, vor welchem ich nun stand. In der Küche bewegte sich eine Silhouette. Scheiße mein Vater war da. Ich hatte innerlich immer noch darauf gehofft mich einfach zu verkriechen und es nicht in Angriff nehmen zu müssen, die Erklärung, was ich in den letzten drei Monaten getrieben hatte. Leichte Aufregung stieg in mir auf, aber eigentlich konnte mir egal sein, was jetzt passiert. Kisten zünde packen. Nicht in Erinnerungen an meine Mutter versinken und dann stand ich quasi schon wieder in meiner Wohnung, egal was er nun sagen würde, aber ein dummer, kindisch naiver Teil in mir sah in ihm doch noch irgendwie den Vater, der er für mich doch eigentlich nie gewesen war und diesem Teil war seine Meinung wichtig.
Mit meinem Klingeln bewegte sich der schwarze Schatten aus dem Raum. Verschwand so aus meinem Blickfeld. Meinen Schlüssel hatte ich zwar dabei, aber ich war zu faul um ihn aus meiner Tasche zu Fummeln. Na gut, vielleicht hätte ich einmal nicht das Faultier in mir gewinnen lassen, denn so wurde ich sofort mit meinem Vater konfrontiert.
Die Tür öffnete sich und eine junge Frau stand davor. Die Haare ein wenig verwuschelt und das Make Up unordentlich verwischt, aber mit einem ehrlich freundlichen Lächeln. Wie erstarrt stand ich da. Bitte lass meine Theorie nicht wahr sein, dachte ich mir nur und schaute weiter zu ihr hinauf. Sie könnte meine Schwester sein, so jung war sie. Vielleicht drei vier Jahre älter als ich. Ich hatte schon länger die Theorie mein Vater hätte eine Beziehung am laufen -sein verändertes Verhalten und das übermäßige Abwesend sein hatten mich zu dieser Annahme gebracht-, aber ich hätte nicht gedachte, dass die Person soooo jung sein könnte. Meine Mutter war auch jünger als mein Vater gewesen, aber eben nur fünf Jahre und keine Jahrzehnte. Ein 56 jähriger alter Sack mit einer unter 25 jährigen, da lag ein halbes Leben dazwischen. Was konnte sie in einem Menschen wie ihm sehen? So viel Geld, dass er deswegen interessant wurde, hatte mein Vater auf jeden Fall nicht und sie sah auch nicht aus wie eine solche Person. Ja mein Schubladendenken schlägt mal wieder komplett zu, aber kennt das nicht jeder, wenn man so einen Menschen seht und sich denk die Person ist sicher so oder so? Genau das hatte ich bei ihr. Sie schien so das typische Bauerndorfmädchen. Vielleicht ein wenig naiv. Aber natürlich hübsch.
Ok ich sollte erstmal abwarten, vielleicht war sie ja ganz anders und hoffentlich dachte ich auch einfach viel zu viel in die Situation und sie war gar nicht die Freundin des Mannes, welcher jetzt auch in der Tür auftauchte. Scheiße er hat Lippenstift an der Wange. Ich will wieder nach Berlin, ohne Vater und komische Freundin. Allein dieser Lippenstift, jener in der selben Farbe auf den Lippen der jungen Frau waren, gab mir die Gewissheit mit meiner schlimmsten Vermutung richtig zu liegen. Sie war seine Freundin.
Meinem Vater schein es vollkommen egal zu sein, dass ich gerade Dinge über ihn und seinen Geschmack erfuhr, welche ich eigentlich nie hatte erfahren wollte. Seine einzigen Worte warten fast die selben wie vorhin am Telefon, als ich noch durch die Wohnung tanzte. Irgendwie fühlte sich dieser Zeitpunkt extrem lang her, fast wie die Ferien am ersten Schultag nach den Sommerferien.
„Wo warst du?" War der Typ jetzt schon so alt, dass Alzheimer rein kickte, oder wollte er mich einfach aus juggs und dollerei zur Weißglut treiben? Ich glaube keine Option wäre optimal. Die dumme Tusse -Ich mochte sie jetzt einfach mal nicht, dass sie die Freundin meines Vater war reichte um sie unsympathisch zu finden- legte ihre Hand beruhigend auf die Schulter meines Vaters. Keine Sorge Bitch der ist noch ruhig, so wie er gerade ist, aber das ändere ich schon noch. Das kann ich noch und heilig versprechen.
„Sollten Sie dies nicht vergessen haben, so wüssten sie, dass ich Ihnen vor gerade einmal zwei ein halb Stunden am Telefon eine sehr ähnliche Frage beantwortet habe." Wie ich ins Siezen gerutscht war? Keine Ahnung, aber ich sollte ihm halt deutlich machen, wie wenig Beziehung wir zu einander haben.
„Eleonora, rede nicht in einem solchen Ton mit mir!" Ein gekünsteltes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während die Hände vom Oberkörper des Mannes vor mir verschwanden. Besser so.
„Natürlich Vater.", sagte ich und legte als meine Schauspielfähigkeiten in die Schleimspur des ersten und allen Ekel in das zweite Wort. Ich war stolz auf meine Vorführung. Vielleicht steckt doch eine kleine Schauspielerin in mir, wo bei ich den Ekel nicht mal hatte spielen müssen. Dieser Mann ekelte mich genug an.
Das künstlich schockierte Gesicht konnte sich die Tante auch sparen. War bei mir verschwendete Mühe und wurde eh nur mit einem Augenrollen quitiert. Mein Vater schien nun endgültig mit mir fertig zu sein und wollte sich schon abwenden, aber ich sah meinen Moment gekommen. Das, "Kannst dich schon mal dran gewöhnen, da wohne ich ab morgen dann.", versuchte ich so locker wie möglich klingen zu lassen, als wäre es nur eine nebensächliche Information.
"Was", schrie mich mein Vater nahe zu an. Wirklich eine Emotion konnte ich in dem Ausruf nicht erkennen. War er Wütend, Entsetzt, Überrascht oder keine Ahnung, was in diesem verkorksten Gehirn abging. Nichts für mich verständliches auf jeden Fall.
"Schon mal über Hörgeräte nachgedacht? Ich ziehe nach Berlin. Morgen." Ich war respektlos, dass musste mir keiner erklären, aber es tat so gut einfach raus zu sagen, was doch immer im Hinterkopf schlummerte, wenn ich mit diesem Mann sprach.
Ich machte dass, was ich am Besten konnte. Ich fliehe aus der Situation in mein Zimmer. Ob ich mich je ungemütlich werdenden Situationen stellen würde? Vermutlich nicht, da gewann der Flucht-Trieb und die Faulheit definitiv. Warum auch? Bisher war ich ja auch so recht gut durch Leben gekommen. Faulheit siegt oder so.
Einmal hatte das Leben mal das Bedürfnis nicht allen Filmklischees zu entsprechen und so hämmerte niemand gegen die verschlossene Zimmertür oder brüllte mir wutentbrannt nach. Es war einfach still. Fast hätte ich es als unangenehm empfunden, doch da klingelte auch schon das Handy in meiner Hosentasche und Stegi fühlte die Leere des Raumes, welcher nur noch wenig beherbergte außer einem Stapel Kisten und den größeren Möbeln. Mir kam die Möglichkeit in den Sinn, dass mein Vater wo möglich in meinem Zimmer war -was eigentlich nie passierte- und schon von meinem Umzug geahnt hatte -die Kisten machten es recht offensichtlich, allerdings hätte er mich dann früher versucht zu erreichen und nicht erst heute.
Möbelabbauen war alleine so gut wie unmöglich, aber ich hoffte einfach, dass ich es irgendwie schaffen würde. Ich hatte ja viel zum zu Üben. Bitte lass mich bis morgen fertig sein...
1920 Wörter
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