《vor 10 Monaten》
~ Sven ~

Mein Chef hat mich mal wieder losgeschickt, Besorgungen fürs Büro zu machen. Er will mich mit der Aufgabe als Laufbursche degradieren doch stattdessen tut er mir einen Gefallen. Ich werde bezahlt, egal ob ich meinen Job mache oder sinnlos durch die Stadt laufe. Doch jede Minute die ich nicht im 'House of Mobbing' verbringen muss ist ein Gewinn.

Heute haben sie mich zu diesem neuen Café am anderen Ende der Innenstadt geschickt um mich besonders zu ärgern, doch ich werde es schwer haben bei meiner Rückkehr entsprechend angepisst auszusehen damit sie ihre fehlerhafte Einschätzung der Lage nicht bemerken. Ich habe bereits von den schlechten Kritiken gehört und werde zudem besonders lange weg sein. Bingo.

Ich muss fast lachen wenn ich daran denke, dass er mich später zu Überstunden verdonnern wird, weil meine Arbeit ja liegen geblieben ist. Denn auch das ist nicht die Schikane für die er sie hält. Mal ehrlich, zum Einen mache ich diese allein und in Ruhe wenn alle weg sind und zum Anderen muss er die extra bezahlen. Das ist - ding-ding-ding - der Superjackpot.

Im Café wird die Aufmerksamkeit aller auf einen jungen Kerl gezogen, der seinem Gegenüber gerade eine eins A Eifersuchtsszene hinlegt, mit schreien, fluchen, dicken Tränen und wild herumfuchtelnden Armen. >Etwas zu dick aufgetragen.< Ich bin wohl nicht der einzige Zuschauer der so denkt. Dann fällt mein Blick auf das Ziel seiner verbalen Attacken und mir stockt der Atem.

Da sitzt Corbin, locker auf seinem Stuhl, die Augen aufmerksam auf den ausflippenden Kerl vor sich gerichtet, seine Tasse Tee vor den Lippen um ab und an daran zu nippen und absolut cool und ruhig als sei er nicht gemeint und nur ein weiterer Zuschauer. "Sitz nicht einfach so da, sag was!" Dieser Forderung folgt angespannte Stille und alle Augen heften sich nun auf Corbin, der erstmal seine Tasse abstellt und dann die Hände hoch nimmt um sie ganz langsam mehrfach zusammen zu schlagen und ihm zu applaudieren.

"Nicht schlecht. Damit bekommst du bestimmt eine Rolle in 'Doktor Badass'. Vielleicht etwas weniger Herumgefuchtel, ich glaube das wird nicht so gern gesehen." Die Leute um uns herum wenden sich lachend und murmelnd wieder ihren eigenen Plänen zu und der Typ starrt Corbin lange ungläubig an. "Du Arsch", faucht er und macht sich auf den Weg zur Theke, um sich noch was zu bestellen. Dort kommt er neben mir zu stehen als ich gerade meine Bestellung 'to go' abgebe.

"So ein verdammter Scheißkerl", flucht er. "Willst du darüber reden?", entkommt es mir ohne Nachzudenken, was mir einen wütenden Seitenblick einbringt. Dann nimmt er mich wahr und seine Wut richtet sich zurück auf Corbin. "Er macht es sich so leicht," beginnt er zu reden. "Löst in einem die großen Gefühle aus und serviert dich dann eiskalt ab. Aber er hat mir ja schließlich von Anfang an gesagt, dass er in einer festen Beziehung ist und ich nur eine Möglichkeit bin, um seine Neigungen ausleben zu können. Also warum rege ich mich jetzt so auf?"

Im Gegensatz zu vielen anderen erkenne ich Sarkasmus wenn er mir begegnet doch  reagiere ich nicht darauf und sage auch sonst nichts, lasse ihn einfach erzählen und motiviere ihn höchstens mit verständnisvollem Nicken dazu, weiter zu reden.

"Ich habe schon mehr bekommen als jeder andere vor mir, sagt er. Einen ganzen Monat mit mindestens einem Date pro Woche. Er müsse es beenden bevor mehr daraus wird als ein paar Hookups, so seien nun mal die Regeln. Er will keine Affäre, auch nicht mit mir. Also danke für alles aber das war's. Arschloch. Sein Mann kann ihm nicht geben was er braucht aber ich schon. Trotzdem zieht er es nicht mal in Erwägung mit mir statt ihm zusammen zu sein."

Unsere Bestellungen sind fertig und als wir uns umdrehen ist Corbin gegangen. Tränen steigen in dem Anderen auf und ich deute auf die Tür. "Ich muss dies hier zurück ins Bankviertel bringen." Er schaut mich an, als ob ich verrückt bin. "Das sind mindestens 45 Minuten zu Fuß, bis dahin ist das alles eiskalt." Ich grinse nur. "Ich tue nur was man mir aufgetragen hat." Er lacht und nickt verstehend. "Was dagegen, wenn ich dich begleite? Ich muss eh heute noch dahin, kann ich genauso gut auch jetzt gehen." Ich habe nichts dagegen.

"Betrügt er seinen Mann?" Diese Frage brennt mir auf den Lippen seit er mir bestätigt hat, dass Corbin in einer festen Beziehung ist. Mit Finn, so muss es sein. Alles andere macht keinen Sinn. Aber wieso diese anderen Dates, wenn sie doch glücklich miteinander sind? Peter, so hat er sich mir vorgestellt, schüttelt angeekelt den Kopf. "Eine offene Beziehung, so nennen sie es. Er ist ein kleiner Dom der ab und zu einen braucht den er entsprechend benutzen kann. Dabei gibt es dann aber tausend Regeln, die er einhalten muss. Toller Dom."

Mir wird ganz warm bei dem Gedanken mich von Corbin benutzen zu lassen und je länger der Weg dauert und je mehr Peter erzählt um so mehr denke ich daran, dass ich so gerne etwas von der Zuneigung ab hätte, die die beiden miteinander verbindet. "Ich sollte einfach zu ihrem Bauernhof in Vordorf fahren und seinem Mann mal erzählen, was er so mit mir treibt .... getrieben hat. Argh!" Er schreit auf und reißt sich an den Haaren. Wie gut dass ich meine Hände voll habe und so keinen Trost in Form von Berührungen spenden muss.

„Sie arbeiten in der Landwirtschaft?" Finn könnte ich mir ja noch als Bauern vorstellen, aber Corbin? Mein Begleiter lacht und schüttelt den Kopf bei einem ähnlichen Gedanken, wie sich zeigt. "Corbin und Bauer? Lustige Idee aber nein. Sie haben eine Schreinerei und Corbin ist wohl der Künstler unter ihnen." Ich nicke und unterdrücke ein Grinsen, Finn an einer Säge und Corbin beim Schnitzen? Das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen.

"Ich würde das lieber sein lassen", rate ich ihm ab, vielleicht um Finn vor diesem Kerl zu schützen. "So bekommst du ihn auch nicht wieder und wenn sie so offen sind wie du sagst, dann bringt es dir nur noch weitere Demütigungen und am Ende womöglich noch eine Klage ein." Er seufzt abgrundtief und lässt dann Schultern, Arme und Kopf hängen. Er gibt schon ein mitleiderregendes Bild ab aber irgendwie wirkt auch das eine Spur zu viel. Es wirkt erneut wie geschauspielert.

"Er hat mir gesagt sein Mann weiß immer,  wann und wo er sich mit jemandem trifft, aber nie mit wem, wie derjenige aussieht und was er mit ihm treibt. Wenn ich ihm also eins reinwürgen will dann nur, indem ich diese Regel unterlaufe." Sein feuriger Blick zeigt den Wunsch nach Rache, der ihn antreibt und dagegen zu sprechen würde ihn nur noch weiter anheizen. Deshalb versuche ich einen anderen Ansatz.

Ich zucke mit den Schultern, bleibe vor einem Bürogebäude stehen und wende mich ihm zu. "Ich kann dich verstehen, aber würdest du damit wirklich ihn treffen oder nur seinen Mann?" Meine Frage scheint nicht ganz auf taube Ohren zu treffen und deshalb belasse ich es dabei. Soll er selbst die richtigen Schlüsse ziehen.

"Ich muss hier rein", deute ich mit dem Kopf zur Haustür. "Hey, ich wünsche dir, dass du bald den Richtigen findest. Dieser Corbin war es anscheinend nicht." Er sieht sich um und bemerkt wohl erst jetzt, wo er ist. Dann wendet er sich mir wieder zu. "Jedenfalls nicht für länger. Danke Mann, fürs zuhören." Dann zieht er mir noch die Tür auf damit ich hindurch schlüpfen kann und verschwindet mit einem letzten Abschiedsgruß hinter der wieder zufallenden Tür.

Jetzt muss ich erstmal den restlichen Arbeitstag hinter mich bringen und dann ist zum Glück Wochenende. Ich muss einen Weg finden um Corbin zu daten, oder Finn, oder beide. Genau!