Kapitel 8
Sezuna blinzelte ihn mit großen, unschuldigen Augen an. „Du würdest mich hier hilflos zurücklassen?", fragte sie, fast schon, als wäre sie ein kleines, hilfloses Kind.
„Nur allzu gern und ohne schlechtes Gewissen. Hilflos bist du nämlich nicht. Aber ich hätte wenigstens einen Vorsprung, vor dir wegzulaufen", gab er zurück und gähnte. Das Wetter machte ihn müde, doch die Unterhaltung mit Sezuna war irgendwie erfrischend nach dem Schock, als er aufgewacht war.
„Selbst, wenn ich mich befreien könnte, hätte ich keine Chance dich einzuholen", meinte sie fast schon belustigt.
„Wie würdest du dich denn befreien?", fragte er neugierig und ein seltsames Blitzen war in seinen Augen zu sehen.
Sezuna legte ein wenig den Kopf schief. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich würde ich hoffen, dass die Gewichte auf deine Magie reagieren, wenn ich sie einsetze", meinte sie, da sie bisher noch nicht herausgefunden hatte, wie sie die Gewichte los wurde. Aber sie hatte es auch nicht aktiv versucht.
„Tja, das werde ich dir sicher nicht verraten", gab er gut gelaunt zurück. „Wenigstens habe ich dir eines voraus: Sport. Du müsstest mich sowieso erst einmal einholen, damit ich sie dir abnehmen oder leichter machen kann." Haru lehnte sich zurück auf seine Arme und hatte ein kleines Lächeln im Gesicht.
„Stimmt, im Grunde bin ich dir mit diesen Dingern ausgeliefert", stimmte sie ihm widerwillig zu. Es fühlte sich fast so an, als hätte er sie an der Leine.
Haru antwortete nicht, doch sein Lächeln wurde breiter dabei. „Das hört sich seltsam an, wenn du sagst, du bist mir ausgeliefert. Noch kannst du dich frei bewegen, zwar mit minimalen Gewichten, aber selbst wenn ich sie Dir nicht abmachen würde, würdest du dich an sie gewöhnen und sie wären eines Tages ein Teil von Dir", sagte er dann.
„Stimmt, nur wird die Haut unter den Gewichten durchaus gereizt und wenn ich irgendwann doch einmal ein wenig dicker werden sollte, könnte das schmerzhaft werden", meinte die Rothaarige wieder in ihrer recht sachlichen Art, bevor sie schief grinste. „Jeder andere Junge hätte das schon längst ausgenutzt."
Haru brach in lautes Gelächter aus. „Du und dick werden? Mach dich nicht lächerlich. Du isst wie ein Vogel, da kann man nicht dicker werden. Außerdem kann ich sie jederzeit erweitern, wenn es sein muss", beruhigte er sie, würde jedoch bei ihrem letzten Satz stutzig. „Wie meinst du das, dass jeder andere Junge das ausgenutzt hätte? Von was sprichst du eigentlich?", wollte er wissen.
Sezuna winkte ab. „Unwichtig", meinte sie lächelnd und wollte nicht weiter auf das Thema eingehen. „Musst du sie zum Erweitern auch berühren?"
Doch nun war Haru neugierig geworden. Er schüttelte seinen Zeigefinger warnend. „Erst wirst du mir antworten, Sezuna. Du lenkst zu schnell vom Thema ab und machst mich neugieriger. Also, raus mit der Sprache. Sonst sage ich dir auch nichts", warnte er sie.
Sezuna verdrehte die Augen. „Was denkst du denn wohl?", wollte sie wissen. „Du weißt mit welcher Art von Leuten ich mich herumschlagen musste."
Haru legte nun seinen Kopf schief. „Ich weiß wirklich nicht, was du meinst. Mit solchen Leuten, die dich gezwungen haben, ihre Hausaufgaben zu machen?", fragte er und es war, als würde er wirklich nicht wissen, auf was sie hinauswollte.
Erneut machte sie diese wegwerfende Handbewegung. „Du weißt dass Kei jedem Mädchen hinterherstarrt, das nur ansatzweise Brüste besitzt oder?"
„Ach, das meinst du. Herrgott, das was du meinst, tun normale Jungs. Ich bin nicht normal, also fällt das schon mal weg", grinste er schwach, als er endlich verstanden hatte. Seine Beine hatte er nun von sich gestreckt, aber er lehnte noch immer auf seinen Unterarmen.
„Deshalb sagte ich ja jeder andere Junge", meinte sie und holte ihren Rucksack, um darin herumzukramen.
Haru machte eine wegwerfende Handbewegung. „Hätte mich auch gewundert, wenn sich die Jungs nicht so benommen hätten. Wobei Kei ja mehr als schlimm war. Ist doch kein Wunder, wenn sie hinter dir her sind", meinte er.
„Wieso?", wollte Sezuna wissen und hielt kurz in ihrer Bewegung inne, bevor sie zu Haru blickte.
„Na siehst du überhaupt in den Spiegel?", fragte er kopfschüttelnd. „Du bist verdammt hübsch, verdammt schlau und so ungefähr alles, was ein Junge begehrt. Warum wundert es dich dann überhaupt, wenn sie so ... sexuell interessiert sind?"
„Männer mögen keine intelligenten Frauen und hübsch bin ich auch nicht", wandte Sezuna schnaubend ein, als könnte sie seine Meinung überhaupt nicht teilen.
„Das ist vielleicht deine Meinung. Aber was erwartet man schon von euch Mädchen? Ihr sagt immer, dass ihr nicht hübsch seid und merkt dabei gar nicht, dass es nicht stimmt. Entweder wollt ihr dann nur von einem Jungen hören, dass er euch hübsch findet oder ihr seid wirklich nicht ganz richtig im Kopf", meinte Haru kopfschüttelnd.
„Ich denke einfach, dass meine und deine Definition von hübsch sich unterscheiden", meinte sie schulterzuckend. „Wenn du der Meinung bist, dass ich hübsch bin, dann fühle ich mich geschmeichelt. Aber die Jungen, die das bisher zu mir gesagt haben, waren nur darauf auf, mich möglichst schnell in ein Zimmer zu verfrachten, damit sie mich ausziehen können."
„Nicht jeder Junge ist gleich. Es gibt Ausnahmen", warnte er sie mit dem Zeigefinger. „Wenn du es nicht zugelassen hast, bist du schlau gewesen. Das zeigt, dass du stark bist, wenn du dich gegen sie wehren konntest. Wie auch immer du es geschafft hast. Vielleicht wollten sie sich auch einfach nicht mit dir anlegen", grinste er breit.
Sezuna legte den Kopf schief und fragte sich, wie er darauf kam, dass sie sich hätte dagegen wehren sollen. „Das stimmt wohl", murmelte die auf seine erste Aussage bezogen. „Ich glaube nur die wenigsten teilen meine Ansicht von Beziehungen."
„Mag sein. Beziehungen sind immer kompliziert, oft wollen beide etwas anderes. Wobei, es ist deine Entscheidung, was du letztendlich machst. Du wirst bestimmt jemanden finden, der zu dir passt", meinte er. „Außerdem: bei so vielen Jungs in der Schule war es für viele Mädchen schwer, sich gegen sie durchzusetzen. Ich weiß es, weil ich es gesehen hab."
„Vielleicht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es jemanden gibt, der mich wirklich will", murmelte die und holte eine kleine Packung fritiertem Spek hervor. „Ich bin zu kalt und kalkulierend für eine Beziehung."
„Du bist noch jung, Sezuna. Manchmal dauert es, bis du den Richtigen findest. Es gibt immer einen Menschen, der zu einem passt. Alle anderen Beziehungen können funktionieren, aber es gibt nur einen Seelenverwandten auf der Welt", meinte er schulterzuckend, wobei er auf die Packung schielte. Schon allein der Geruch ließ ihn daran erinnern, wie hungrig er war. „Davon abgesehen gibt es immer noch zwei Arten von Jungs: Die einen sind nur auf das eine aus, die anderen nicht. Und die meistens Jungs waren definitiv das erste."
Sezuna reichte ein Stückchen an Haru weiter, bevor sie sich selbst eines nahm, um ihren Hunger zu stillen. „Mag sein. Aber Beziehungen sind doch immer gefühlsbasiert. Ich denke ich werde niemals irgendjemanden die Gefühle entgegenbringen, die es für eine wirkliche Beziehung bedarf."
„Meinst du? Nicht alle sind gefühlsbasiert. Manche werden wegen einem Zweck verheiratet, wobei ausser Acht gelassen wird, ob man sich mag oder nicht. Das sind solche Dinge, die nicht auf Gefühlen basiert. Außerdem verletzen Gefühle am Ende sowieso nur", meinte er abwehrend und aß hungrig den Speck mit einem Bissen. Dann streckte er seine Hand aus, damit sie ihm ein weiteren reichen sollte.
Sezuna drückte ihm einen zweiten in die Hand, bevor sie die Packung wieder weg packte. „Vor den Tod meiner Eltern war ich verlobt. Das wurde sber annulliert."
„Warum?", fragte er interessiert, während er den zweiten Streifen in den Mund stopfte. Er zog eine Schnute, als sie die Packung wegpackte. „Und warum sind deine Eltern gestorben?", wollte er wissen.
„Bei dem Unwetter, das unser Dorf zerstört hat. Wie viele andere im Dorf auch. Inklusive meines Verlobten und seiner Familie", erklärte sie scheinbar gefühllos.
„Das tut mir leid für dich. War es eine gewollte Ehe? Oder war sie für einen Zweck?", fragte er sie und musterte sie nachdenklich.
„Es war für einen Zweck. Die Familie war auch ganz in Ordnung", murmelte sie und seufzte.
„Dann hattest du Glück. Oft sind solche Ehen nicht gut, gerade weil man sich nicht kennt und man vielleicht zu unterschiedlich ist. Schade, dass sie gestorben sind. Vielleicht hättest du dir die Schule dann nicht antun müssen", meinte er noch immer nachdenklich.
„Ich denke es ging da mehr darum, dass sie Geld hatten und gut für mich sorgen konnten. Und die Vorstellung magisches Blut in der Familie zu haben, gefiel ihnen", meinte sie und streckte ihre Arme zur Seite aus.
„Sei froh darüber. Bestimmt war es gut für euch alle. Und es hätte euch wohl auch geholfen, vor allem, weil du so viel weißt. Und zusätzlich hättest du jemanden gehabt, der für dich gesorgt hätte. Was will man mehr", meinte er nur und musterte sie kurz, bevor er sein Gesicht wieder dem Feuer zuwandte.
Sezuna seufzte. „Es hat mir zumindest ein Ziel gegeben. Jetzt hab ich nichts mehr, auf das ich hinarbeiten kann. Kein schönes Gefühl."
„Doch hast du. Deine Zukunft. Deine Arbeit und deine Bücher. Ich bin mir sicher, dass du bald einen sehr guten Job haben wirst. Du bist doch sowieso ein Arbeitstier, da sollte es dir nicht schwerfallen, eine gute Arbeit zu finden", sagte Haru zu ihr.
„Ich denke nicht, dass es eine arbeit gibt, die mich lange hält. Es wird so schnell eintönig", murmelte die und klang nicht spnderlich erpicht darauf, irgendwo in einem Büro zu hocken.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro