Kapitel 58
Er blickte umher und bemerkte die Rothaarige in der Badewanne. Zuerst war er erleichtert, bis er begann sich zu fragen, warum ihre Haare wieder rot waren. Beim Nähertreten bemerkte er, dass sie die Augen geschlossen hatte. War sie eingeschlafen. Erst dann konnte er das leichte Blut an ihrer Nase erkennen. Wie damals, als sie ganz plötzlich Nasenbluten bekommen hatte.
Ohne nachzudenken hob er das Mädchen schnell aus der Wanne. „Sezuna! Wach auf! Was ist passiert?", fragte er geschockt und legte sie vorsichtig auf dem Boden ab, wobei er ihr ein Handtuch über ihren Unterkörper legte. Was war nur geschehen? Er erinnerte sich daran, als sie aus der Nase geblutet hatte, aber was war jetzt der Grund dafür? Magie wollte er nicht anwenden, sonst würde er es noch schlimmer machen. Immer wieder rief er ihren Namen und er legte seinen Kopf an ihre Brust, um zu hören, ob sie überhaupt noch atmete.
Ihr Herz schien normal zu schlagen und ihr Atem ging auch normal. Haru konnte auch nicht erkennen, dass etwas geschehen war, was sie verletzt hatte.
Erneut rief er ihren Namen und dieses Mal öffnete sie flatternd ihre Augen. Jedoch wirkte sie orientierungslos, als sie sich umblickte.
„Mann Sezuna, was ist passiert?", fragte er drängend, als sie endlich ihre Augen öffnete. Er richtete sie auf, indem er sie in die Arme schloss und sah sie eindringlich an. Haru verstand nicht, was mit ihr geschehen war und wieso sie so reagierte. Hatte es mit seiner Massage zu tun gehabt? Oder was war der Auslöser gewesen?
Sezuna hob zitternd die Hand und hielg sie unter ihrr Nase, wo sich noch immer Blut befand. „Ich ... hatte einen Anfall", brachte sie mühsam hervor und kämpfte damit im Hier und Jetzt zu bleiben, anstatt sich von den Bildern erneut erschlagen zu lassen.
Weil Haru nicht wusste, was er tun sollte, hob er sie hoch und brachte sie aus dem Badezimmer ins Bett. Es war ihm egal, dass sie noch nass war, das war nicht wirklich wichtig. Anstatt sie allein zu lassen, setzte er sich auf das Bett und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Kopfende. Dann zog er das rothaarige Mädchen in seine Arme und hielt sie fest, wobei er sie sanft streichelte. Mehr konnte er nicht machen, denn Haru hatte keine Ahnung, was man in diesem Fall tun musste. „Ruh dich aus", sagte er leise zu ihr.
„Kannst du mir irgendwas erzählen oder fragen", fragte sie und klang ein wenig verzweifelt. „Irgendwas, das mich im Hier und Jetzt hält, sonst kann ich die Bilder nicht ...", begann sie, brachte aber den Satz nicht ganz zu ende, weil sie sich den Kopf hielt und ein leises Stöhnen von sich gab.
Also begann Haru von seiner Kindheit zu erzählen. Er sprach leise mit Sezuna, wobei er ihr erzählte, dass er als Kind ein Baumhaus gebaut und dort viel Zeit verbracht hatte, wenn er von zu Hause weggelaufen war. Das hatte er oft getan, wenn seine Eltern böse mit ihm gewesen waren. „Warst du schon einmal in einem Baumhaus?", fragte er sie, um sie abzulenken. Viel konnte er ihr nicht erzählen, denn sehr viel erlebt hatte er nicht, weil er oft eingesperrt gewesen war. Und die Dinge mit Sarah wollte er ihr ersparen.
„Nein", murmelte sie, schien aber ein wenig entspannter zu sein, als zuvor. „Aber ich habe früher gerne auf den Bäumen gesessen."
„Bist du nach oben geklettert wie eine Katze und hast dich versteckt oder hast du einfach nur die Ruhe und die Aussicht genossen?", fragte er weiter. Haru ahnte, dass er nur Unsinn von sich gab, aber solange er Sezuna irgendwie hier behalten konnte, war ihm alles recht.
„Ich habe geschlafen", erklärte sie leise. „Ich habe auf den dicken Ästen gelegen, mich gesonnt und manchmal geschlafen."
„Also wie eine Katze", stellte Haru leicht lächelnd fest. Noch immer streichelte er sie vorsichtig und sanft, wobei er sich nicht sicher war, ob sie das überhaupt fühlte. „Vielleicht sollte ich dir mal ein Baumhaus bauen, am besten mit Terrasse, sodass du dich Sonnen kannst", schlug er vor. Insgeheim fragte er sich, welche Bilder und Erinnerungen sie so durcheinander gebracht hatten.
„Dann würde ich die ganze Zeit nur im Weg rumliegen", bemerkte sie leise lachen, bevor ihr Blick wieder ein wenig in die Ferne zu gehen schien. Trotzdem schien es, als würde sie sich unter seinen sanften Berührungen ein wenig entspannen.
„Würdest du nicht, du hättest dein eigenes Plätzchen, aber erwarte nicht, dass ich dir dein Essen hinstelle wie einer richtigen Katze", erwiderte er. „Sprich mit mir Sezuna, erzähl mir etwas von dir, wenn es dir hilft, dich abzulenken", bat er sie. „Was für Bilder haben dich so verwirrt?", wollte Haru wissen.
Sezuna versuchte sich an der Bitte um Erzählungen festzuhalten. Sie versuchte aus dem plötzlichen Bildergewirr schlau zu werden und irgendwo darin eine Erinnerung zu greifen, die sie erzählen konnte. Irgendwie war ihr Kopf beim Essen und so entstand das Bild einer Torte.
„Als ich vier wurde, hat meine Mutter mir eine große Torte gebacken", sagte sie, weil es das einzige war, was sie gerade wirklich greifen konnte. Sie begann die Torte in einer Genauigkeit zu beschreiben, als hätte sie ein Bild davon vor sich. Sogar die Zahl der Erdbeeren konnte sie nennen, wobei sie jedoch Mühe hatte an diesem einen Punkt zu bleiben.
„Deine Mutter war anscheinend sehr liebevoll", stellte er fest. „Was war dein liebstes Fach in der Schule?", fragte er weiter, weil er den Verdacht hatte, dass es vielleicht mit ihrer Vergangenheit zu tun hatte, was vielleicht nicht so schön gewesen war. Aber bei Sezuna konnte er sich nie sicher sein.
„Ich mochte Magie-Theorie", sagte sie wie aus der Kanone geschossen und ihre Gedanken fokussierten sich wieder auf die Magie, die sie scheinbar nicht mit dem Geschehen in Verbindung bringen konnte, auf das sie sich keinen Rein wusste.
„Welchen Lehrer habt ihr darin gehabt?", fragte er weiter. „Was habt ihr alles gemacht und wie war der Unterricht?"
Sezuna begann zu erzählen und verlor sich förmlich darin.
Haru hoffte, dass es Sezuna half, sich wieder zu sammeln. Seine Beine waren durch die unbequeme Haltung eingeschlafen und sie kribbelten fürchterlich, aber er würde sich solange nicht bewegen, bis es Sezuna besser ging. Würde sie ihm erzählen, was sie so außer Fassung gebracht hatte? Weil er konnte sich keinen Reim darauf machen.
Sezuna erzählte eine Weile weiter, bis sie endete und ihn anblickte, bevor sie die Stirn runzelte. „Danke", murmelte sie. „Es geht mir besser."
Haru drückte sie leicht an sich und lächelte erschöpft. Er machte sich wirklich Sorgen um sie und wollte sie nicht überfordern. Ihm lag die Frage auf der Zunge, was passiert war, doch wahrscheinlich würde sie dann wieder die Fassung verlieren.
„Es tut mir leid, dass ich dir Sorgen gemacht habe", murmelte sie und lehnte sich erschöpft an ihn.
„Willst du mir erzählen, was genau dich verwirrt hat?", wagte er schließlich zu fragen, nachdem er sie einfach weiter gestreichelt hatte. „Aber bitte nur, wenn es dich nicht gleich wieder verwirrt. Ich würde dich nur gern ein wenig besser verstehen."
„Ich weiß es nicht genau. Ich habe über den Tag nachgegrübelt und plötzlich ... Sind die Bilder auf mich eingestürzt. Ich hatte zu viele Antworten auf eine Frage und die waren nicht logisch. Als würde du die Frage stellen was ist 1+1 und du bekommst acht Antworten die nichts miteinander zutun haben, du aber von allen glaubst sie sind richtig", versuchte sie ein wenig mühsam zu erklären. „Und wenn du dann versuchst herauszufinden welche davon stimmt und sie alle nicht logisch sind ..."
„Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen", seufzte der blonde Junge und fuhr sich frustriert durch seine kurzen Haare. „Kann ich dir vielleicht mit der Beantwortung der Frage helfen? Oder hat sie mit diesem seltsamen Mann zu tun?"
„Ja, genau damit", meinte sie und griff sich an den Kopf, während sie mühsam versuchte nicht schon wieder ihre Gedanken in diese Richtung driften zu lassen.
„Ich weiß, dass er ein wenig seltsam war. Aber selbst ich habe keine Antworten auf diesen Mann. Aber lass uns von etwas anderem sprechen. Warum sind deine Haare wieder rot?", fragte er nun, um sie weiterhin abzulenken.
Durch seine Frage konnte sich Sezuna recht gut fokussieren. „Ich denke, weil ich meine komplette Magie darauf verwendet habe, dass mein Kopf nicht explodiert", meinte sie ein wenig unschlüssig. „Diese Gabe fordert viel Magie, dass sie den Körper nicht völlig kaputt macht, oder eher das Gehirn."
„Sag mir, was ich in Zukunft tun kann, wenn das passiert", bat er sie. „Hast du denn überhaupt genügend Kraft, sie wieder in blond zu färben oder brauchst du meine Energie?" Haru selbst hatte seine Energie bereits komplett wieder zurückbekommen und musste aufpassen, dass sie nicht wieder ausbrach.
„Es wäre lieb, wenn du das machen könntest", meinte Sezuna und lächelte ein wenig schief. „Und was du bei den Anfällen tun kannst. Ich weiß nicht. Blöde Fragen stellen, die meine Gedanken auf andere Dinge bringen als die, über die ich nachdenke?", sagte sie und es klang mehr wie eine Frage.
„Dann solltest du mir aber auch gleich sagen, wenn das passiert. Oder wenn du dich so fühlst. Ich kann nämlich nicht in deinen Kopf sehen, was darin vor sich geht. Oder auch die Anzeichen sehen. Vor allem wenn du alleine bist kann ich es nicht", sagte Haru zu ihr und bewegte nun endlich seine Beine, die er nicht mehr fühlen konnte. Er hielt ihr die Hand hin, damit sie ihm die Steine geben konnte, auch wenn sie sich an ihr gekuschelt hatte.
„Ich weiß nicht ob ich das kann. Es kommt so plötzlich, dass ich oft schon nicht mehr weiß, wo ich bin", gab sie ein wenig verlegen zu, während sie ihm die Steine reichte, die sie auch in der Badewanne umgelegt hatte. „Ich war nicht einmal mehr in der Lage aus der Badewanne zu steigen oder um Hilfe zu rufen", murmelte sie.
„Dann weiß ich leider nicht, wie wir deine Anfälle verhindern können", gab er traurig und auch ein wenig frustriert zu. Haru nahm die Steine und füllte sie relativ schnell auf, bevor er ihr diese zurückgab.
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