Kapitel 33
„Kann sein. Deshalb war ich immer vorsichtiger, wenn wir zusammen waren. Aber das hat sich bei mir gelegt, nachdem keiner mehr da ist, um mich darauf aufmerksam zu machen. Allerdings war Sarah auch gerne mal gemein und hat mich oft geneckt", gab er mit einem Lachen zurück. Es war das erste Mal, dass Haru über Sarah reden konnte, ohne sofort traurig zu werden.
„Klingt nach einem wundervollen Menschen", murmelte Sezuna nachdenklich.
Haru nickte. „Sie war wirklich speziell. Sie wusste, wie sie mich motivieren und zähmen konnte. Ich hätte alles für sie getan. Und sie hat mich jeden Tag zum Lachen gebracht, egal wie wütend oder traurig ich war", erinnerte er sich und sah nach dem Fisch, doch der war noch nicht fertig.
„Warst du früher oft deprimiert und traurig?", wollte Sezuna neugierig wissen und blickte nun vom Himmel ins Feuer, während sie ihren Gedanken nachhing.
Wieder nickte er. „War ich und ich bin es heute noch. Vielleicht sogar noch mehr als früher. Sarah hat mir immer aus dem Loch geholfen, wenn ich kurz davor war aufzugeben. Ihre offene, oft sarkastische Art hat mich zum Lachen gebracht und sie hat mich ständig meine Probleme vergessen lassen."
„Und das ist dir bisher bei niemand anderen gelungen?", fragte Sezuna leise, während sie den Blick weiterhin ins Feuer hielt.
Dieses Mal schüttelte er den Kopf. „Nein. Versteh mich nicht falsch, du bringst mich auch oft zum Lachen und deine Art ist sehr befreiend. Aber meine Sorgen vergesse ich trotzdem nicht. Das liegt aber nicht an dir, sondern an mir", versicherte er Sezuna. „Sarah und ich ... gehörten einfach zusammen. Sie war wie meine Schwester und beste Freundin und meine richtige Freundin zusammen. Ihr konnte ich alles sagen, was ich sonst niemanden sagen konnte. Meine tiefe Verzweiflung, ein Dämon zu sein, der sich nicht beherrschen kann und alles vernichten wird, wenn es soweit ist. Wie sie es geschafft hat, mit wenigen Worten mich das vergessen zu lassen, weiß ich nicht. Vielleicht waren auch ihre Berührungen etwas, was meine Seele geheilt hat, bis sie nicht mehr da war", meinte er schulterzuckend.
„Wie schön, dass du die Frage gleich auf mich beziehst", meinte Sezuna mit einem schiefen Lächeln. „Das war nicht so gemeint."
„Weil ich dich nicht verletzen will, Sezuna. Du bist ein sehr liebes, nettes Mädchen und wirst eine fantastische Ehefrau sein. Du verdienst es nicht, von jemanden wie mir durch Worte verletzt zu werden. Oder auf irgendeine andere Art", erklärte Haru und nahm den Fischspiess, da der Fisch endlich fertig war. „Außerdem bist du das Einzige Mädchen, das ich seit Sarah näher an mich rangelassen hab."
„Das ist lieb von dir, aber du musst nicht immer darauf achten, dass du mich mit deinen Worten nicht verletzt. So schnell trifft mich sowas nicht", versicherte sie und lächelte erneut. Den Blick noch immer ins Feuer gerichtet.
Verlegen rieb er sich seinen Nacken, nachdem er vom Fisch gebissen hatte. „Das sagst du, aber ich weiß, dass ich manchmal sehr böse und egoistisch sein kann. Meine Mutter sagte einmal zu mir: hättest du deinen Zwilling nicht getötet, wärst du der beste Sohn, den es je gab. Diese Worte haben mich so sehr verletzt, dass ich angefangen habe, böse und trotzig zu werden, weil sie mich nicht so akzeptieren wollen, wie ich bin. Sarah war das egal, sie hat einfach gekontert, wenn ich böse war und es endete meistens dabei, dass wir lachend auf dem Boden lagen."
„So etwas sollte eine Mutter niemals sagen", meinte Sezuna leise. „Ich nehme an, dass es bei der Geburt passiert ist und sie dir die Schuld daran gibt?"
Haru nickte und sein Kauen wurde langsamer. „Oft wünsche ich mir, dass meine Schwester auf der Welt wäre anstatt ich. Selbst meine Mutter sagt immer, ich bin ein Dämon, der ihre wundervolle Tochter umgebracht und deren unschuldiges Leben Geraubt hat", sagte er schulterzuckend, als wäre es normal, so etwas zu sagen.
„Deine Mutter ist für die Geburt verantwortlich. Es ist als ihre, nicht deine Schuld", beharrte Sezuna. „Dass sie die Schuld auf dich schiebt, zeigt nur, dass sie als Frau noch nicht bereit für ein Kind war."
„Keine Ahnung. Sie sagt immer, dass sie sich eine Tochter anstatt einen Sohn gewünscht hat. Ich habe zu lange gebraucht, um herauszukommen und damit das Schicksal von meiner Schwester besiegelt. Weil meine Magie schon bei der Geburt im Bauch explodiert war, weil ich kommen wollte. Durch die magische Explosion im Bauch meiner Mutter ist meine Schwester gestorben, bevor sie überhaupt auf der Welt war. Ich bin für alles verantwortlich, was geschehen ist." Bei Harus Worten hörte er auf zu essen, denn er hatte keinen Hunger mehr.
„Man kann jemanden nicht für etwas verantwortlich machen, das er weder bewusst getan hat, noch steuern konnte. Dass du zu langsam rausgekommen bist, ist ebenfalls nicht deine Schuld. Es gibt genug magische und nicht magische Kniffe, eine Geburt zu beschleunigen", erklärte Sezuna leise und legte den Kopf ein wenig schief.
„Mag sein, aber meine Mutter wollte keine Hilfe haben. Sie war sich sicher, dass sie alles selbst schafft. Selbst mein Vater konnte nicht helfen und nichts für meine Schwester tun. Gerade deswegen war Sarah so wichtig, weil sie wie eine Schwester war und mir die Liebe gegeben hat, was meine Eltern nicht getan haben. Umarmungen, Küsse und liebe, all das haben sie mir verwehrt und gedacht, Geld reicht aus", sagte Haru gedankenverloren und kaute auf seiner Unterlippe.
„Das tut mir leid", murmelte die Rothaarige und unterdrückte das Bedürfnis Haru in den Arm zu nehmen. Sie wusste, dass er es nicht wollte. „Aber warum verwehrst du dir jetzt selbst alle das?"
„Weil ich nicht noch einmal abhängig davon werden will. Ich will nicht, dass es sich wieder so schön ist und sich gut anfühlt und dann wird mir wieder alles genommen, weil ich mich nicht kontrollieren kann. Es ist besser, alles zu verwehren, dann habe ich nichts zu verlieren", meinte er leise. „Sarah hat einmal zu mir gesagt: Dein Zwilling ist gestorben und hat dir ihre magischen Fähigkeiten vermacht, schon bevor die Geburt losging. Du musst stark für euch beide sein und allen beweisen, dass du für sie mitlebst." Und nun konnte er seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Unaufhörlich flossen sie an seinen Wangen hinab, doch Haru schien das gar nicht zu merken.
„Da hat sie recht. Und du solltest das Leben für sie auch mit genießen", erklärte Sezuna, während sie sich erhob und sich hinter Haru stellte, um ihn von hinten in den Arm zu schließen.
Zu ihrer Überraschung wehrte Haru sie nicht ab, sondern ließ es geschehen. Er legte sogar eine Hand auf ihren Arm und lehnte sich leicht an das rothaarige Mädchen. „Ich kann es nicht genießen, wenn ich weiß, dass ich doch sowieso nur Unglück bringe. Wie soll ich für meine Schwester das Leben genießen, wenn man mir Sarah genommen hat? Sie war die Einzige, die mir gezeigt hat, dass man mich auch lieben kann, wie ich bin und nicht nur, wenn ich mich änder."
Sezuna senkte ein wenig den Blick, weil sie sich durch seine Äußerung getroffen fühlte, doch sie zeigte es nicht. „Hier ist niemand, der will, dass du dich änderst", flüsterte sie. „Du bist frei von Zwängen und kannst das Leben genießen, ohne dass dich jemand einsperrt oder dir vorschreibt, wie du zu sein hast."
„Solange ich frei bin. Irgendwann ist die Freiheit zu Ende, entweder durch meine Eltern oder durch etwas anderes. Mein Zwang ist es selbst jetzt, jeden zu beschützen, vor allem vor mir, verstehst du? Du erinnerst mich so oft an Sarah, vor allem, wenn wir diskutieren oder wenn wir Spaß haben. Du weißt gar nicht, wie sehr ich das vermeide, damit ich nicht an sie denken muss. Und dennoch genieße ich diese Momente sehr, auch wenn ich sie nicht zugeben will", flüsterte er heiser. Haru zog Sezuna an sich heran, und legte nun seine andere Hand auf ihren Arm, der ihn umarmte. „Du weißt nicht, wie sehr ich Angst davor habe, nachzugeben und einfach ich selbst zu sein."
„Du trägst Narben auf deiner Seele", murmelte Sezuna leise. „Und du fängst jetzt erst an mit ihnen zu leben, statt dich von ihnen kontrollieren zu lassen. Das braucht Zeit", sagte sie verständnisvoll und legte ihre Wange auf seinen Kopf.
„Ich kann einfach nicht so leben, wie ich sollte. Nicht nach allem, was passiert ist. Ich kann nicht ich selbst sein, weil mich niemand so nehmen wird, wie ich wirklich bin. Jemand, der Menschen umbringt, weil er sich nicht kontrollieren kann. Ich will nicht, dass jemand mich für all das verurteilt", weinte er und vergrub seinen Kopf an ihrem Arm.
Sezuna blieb einfach stehen und streichelte ihn sanft. „Es wird seine Zeit brauchen, doch ich bin zuversichtlich, dass du das schaffst", flüsterte sie. „Ich glaube an dich."
„Ich glaube, ich habe nicht mehr die Kraft, zu heilen. Niemand wird da sein, der mich auffängt, wenn ich nicht mehr kann und falle. Niemand wird mich jemals so lieben, wie Sarah es getan hat, mit all meinen Fehlern und einfach ich selbst. Du wärst die erste seit sieben Jahren, die an mich glauben würde ...", brachte er heiser und unter einigen Schluchzern hervor. Schon wieder heulte er sich bei ihr aus, wie sehr er das hasste. Aber er konnte sich einfach nicht zurückhalten.
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