Kapitel 3
„Versuchst du etwa, mich schon wieder zu bestechen?", fragte er sie murrend, wobei er ein Augen halb öffnete, um zu sehen, ob es wirklich Kekse waren. Obwohl er gegessen hatte, war er hungrig.
Sezuna saß einfach nur da und hielt mit beiden Händen einen Keks an dem sie knabberte. Dabei hatte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Eichhörnchen, wie Haru auffiel.
Da sie nicht antwortete, drehte er sich einfach um, um ihr den Keks aus der Hand zu schnappen. „Gib her, der gehört mir", murmelte er mit vollem Mund, bevor er sich wieder zum Feuer drehte. Sezuna besaß wirklich die Frechheit, vor ihm Kekse zu essen.
Es knisterte erneut und danach hörte er sie erneut an einem Keks knabbern, doch sie sagte dazu nichts und das leichte Lächeln auf ihren Lippen konnte er auch nicht sehen.
„Wenn du schon hier bist, dann gib mir wenigstens noch mehr Kekse", maulte er, nachdem sein Keks bereits verschwunden war. Deswegen hielt er ihr auch die Hand hin, welche er nach hinten ausgestreckt war. Das Mädchen wusste wirklich, wie sie ihn bestechen konnte, zumindest zu reden.
Erneut knisterte es ein wenig, bevor Sezuna ihm vier große Kekse auf die Hand legte. Völlig kommentarlos.
Damit schien sie ihn zumindest zu beruhigen. Es war eine Weile still, solange Haru die Kekse aß, doch dann murmelte er leise, dass er ihre Kochkünste vermisst hatte.
Sezuna sagte nichts, rückte aber ein Stückchen näher an ihn heran, damit sie ein wenig mehr Wärme spüren konnte. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie kalt ihr eigentlich war.
„Du bist ganz schön aufdringlich, weißt du das?", fragte er sie, als er ihre Anwesenheit mehr spürte. Dennoch rutschte er widerwillig zur Seite, sodass sie näher zum Feuer kommen konnte.
Sezuna nahm das als Aufforderung und kam näher, um ihre Hände an das Feuer zu halten. Ein erleichterter Seufzer verließ ihre Kehle, als sie spürte, dass ihre viel zu kalten Finger langsam gewärmt wurden.
Weil sie so schmächtig war, kühlte sie viel schneller aus, als andere.
Sobald sie näher war starrte er wieder ins Feuer. „Warum bist du nicht einfach in der Schule geblieben? Dort wärst du besser aufgehoben. Ich verstehe nicht, warum du unbedingt mitkommen willst", meinte er kopfschüttelnd.
„Ich verstehe dich auch oft nicht und du erklärst mir auch nicht immer alles", murmelte sie und man konnte ihr anhören, dass ihre Stimme noch immer ein wenig vor Kälte zitterte.
„Du musst mich auch nicht verstehen. Was ist daran so schwer zu verstehen, dass ich gehe, wenn ich sowieso von der Schule fliege? Außerdem weißt du doch jetzt endlich, was mit mir ist und trotzdem gibst du keine Ruhe", bemerkte er. Frustriert schnaubte er und rutschte plötzlich näher an sie heran, um den Arm um sie zu legen, wobei er sie leicht zu sich zog. Nicht, weil er fror oder es wollte, aber er wusste, dass Mädchen im Allgemeinen schneller froren und er konnte es weder hören noch mitansehen, wie das dunkelhäutige Mädchen fror.
Sezuna spürte die plötzliche Wärme, die von Haru ausging und kam nicht umhin ein wenig rot zu werden, als ihr klar wurde, dass er sie umarmte.
Egal wie oft er es versuchte zu leugnen, er kümmerte sich um andere und war ein herzensguter Mensch. Das wusste Sezuna schon lange, weshalb sie sich von seiner Fassade kaum irritieren ließ. „Aber du musst mich verstehen?", fragte sie, weil es doch ein wenig unfair war. Er durfte Dinge tun, die sie als unlogisch erachtete, aber wenn sie genau das gleiche tat, musste sie sich ihm gegenüber rechtfertigen?
„Ich werde dich niemals verstehen, warum du nicht einfach hörst, wenn man dir was sagt. Wenn man es gut mit dir meint und dich beschützen will. Egal wie sehr ich es versuche. Genauso als ich zu dir gesagt hab, du sollst mich alleine lassen, bevor ich meine Kontrolle verloren hab. Weißt du eigentlich, dass du hättest sterben können? Wir zwei sind zu verschieden mit den Ansichten, aber du solltest wenigstens ab und zu hören, wenn man dir was sagt", murrte er. Harus Hand lag lose auf ihrer Schulter dabei, er wollte ihr nicht noch näher kommen als er schon war.
„Wenn ich geglaubt hätte, dass ich dabei drauf gehe, wäre ich nicht bei dir geblieben. Ich weiß was ich tue", versicherte sie und kam nicht umhin sich beschützt und geboren zu fühlen. Sie wusste, dass er es meistens nur gut mit ihr meinte, doch das hieß nicht, dass sie seine Einstellung immer teilte.
Es kamen undeutliche Worte aus seinem Mund, aber man merkte, dass er anderer Ansicht war. „Es wäre von vornherein besser gewesen, wenn du nicht so neugierig gewesen wärst und einfach die Dinge auf sich beruhen gelassen hättest, wie sie waren", meinte Haru und seufzte. Da hatte er schon geglaubt, frei zu sein und nun das. Er fühlte sich für das Mädchen verantwortlich, auch wenn er es gar nicht wollte, dass sie hier war. Die Wärme des Feuers machten es gemütlich und eine ähnliche Erinnerung kam in ihm hoch, die ihm Tränen in die Augen trieb. Aber Haru wollte nicht schon wieder weinen und sich bloßstellen. Nicht schon wieder vor ihr.
„Mag sein, aber so bin ich nun einmal. Neugierig und ohne Selbsterhaltungstrieb", murmelte sie und bemerkte die leichte Veränderung in seiner Stimme. „Und laut den Lehrern besserwisserisch."
„Ach nein, das hätte ich gar nicht festgestellt", erwiderte er sarkastisch und mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wie kommen sie nur darauf?", wollte er wissen und es war ein leichtes Lachen in seiner Stimme zu hören, als würde er sich darüber amüsieren.
Sezuna zuckte leicht die Schultern. „Die meisten Menschen haben einfach eine zu eingefahrene Meinung von den Dingen und sind nicht in der Lage ihren Blickwinkel darauf zu verändern."
„Hätte nie gedacht, dass du besserwisserisch bist", bemerkte er, wobei ein leichter Spott zu hören war. „Das sind eben Lehrer: alte, runzlige Gestalten, die meinen, sie wissen alles und bringen am Ende doch nichts fertig", murmelte er dann und nahm schließlich seinen Arm von Sezunas Schultern, als er merkte, dass sie nicht mehr zitterte. Dennoch blieb er nahe bei ihr sitzen.
„Ich nutze halt nicht nur eine einzige Quelle auf die ich mich mit meinem Wissen beziehe", murmelte sie und klang, als würde sie jeden Moment einschlafen.
„Wie meinst du das?", wollte er wissen und sah sie von der Seite teilweise neugierig an.
„Lehrer beharren immer darauf, dass ihr Weg der einzig richtige ist. Dass sie alles wissen, was man über das Thema wissen kann. Findest du aber in anderen Büchern Dinge, die dem widersprechen, bekommst du nicht einmal die Möglichkeit darüber zu reden. Dir wird gesagt du sollst es wieder vergessen, weil das falsch ist und dann geht es mit dem selben Einheitsbrei weiter", murmelte Sezuna leise erklärend. „Hat man ein Problem, dann nimmt man eben den Weg, den man immer nimmt und geht der nicht, versucht man es trotzdem weiter, weil es der einzige Weg ist, der richtig ist."
„Kein Wunder, warum sie dich besserwisserisch nennen", murrte er. „Du redest wie ein Buch höchstpersönlich. Glaube ja nicht, dass ich dich verstehen kann. Dafür bin ich zu dumm", gab er dann zu und schlang seine Arme wieder um die Beine, welche er angezogen hatte.
„Statt vielleicht auf die Idee zu kommen um ein Hindernis herum zu gehen, nehmen sie lieber Hammer und Meisel und hauen Stück für Stück das Hindernis weg, weil es schon seit Generationen so gemacht wurde und wenn du meinst, man könnte ja vielleicht ringsherum gehen, wirst du als Ketzer abgestempel", erklärte sie nüchtern, bevor sie leicht gähnte.
„So ist die Welt eben. Ich werde trotzdem nie verstehen, warum du ausgerechnet wissen musstest, warum ich so bin wie ich bin. Schon allein Leila gesagt hat, dass du nichts mit Gefühle anfangen kannst, weil du keine Logik dahinter siehst. Und gerade deswegen wollte ich es dir nicht sagen, weil du mich sowieso nicht verstehen kannst. Weil du keine Logik hinter meinen Verhalten siehst", meinte Haru, der sein Gesicht von ihr abgewendet hatte.
„Nur weil ich hinter Gefühlen keine Logik sehe, heißt das nicht, dass ich nicht danach suche oder versuche sie zu verstehen", murmelte Sezuna und klang ein wenig beleidigt.
„Es ist besser, wenn du es gar nicht erst versuchst. Gefühle sind kompliziert und verletzen einen nur am Ende. Ich wollte nicht, dass du mich für das verurteilst, was ich getan habe", sagte er, wobei die Worte nur leise über seine Lippen kamen. „Wenn du nicht verletzt werden willst, dann suche nicht danach. Es macht alles einfacher."
Sezuna seufzte leise und zog ebenfalls ihre Beine an sich heran, um die Arme darum zu schlingen. „Warum darf ich nicht selbst entscheiden, was ich machen will? Ich verstehe ja, dass du es irgendwie gut meinst, aber ... ich werde schon aufhören, wenn ich merke, dass es mir nicht gut tut. Manchmal muss man eben verletzt werden."
„Dann tu das. Lasse dich verletzen und lerne daraus. Vielleicht verstehst du dann, was ich gemeint habe. Gute Nacht", knurrte er nicht gerade freundlich. Haru zog aus seinen Hosentaschen die kleinen Vierecke hervor und sprach den Zauber aus, der die Dinge auf die ursprüngliche Größe brachten. Sein Kissen drückte er fest an sich, als er sich mit dem Rücken zu Sezuna legte und zog die Decke bis zu den Ohren.
„Gute Nacht", murmelte sie und zog aus ihrem Rucksack ebenfalls eine Decke, bevor sie sich mit dieser zusammen auf dem Boden einrollte und die Augen schloss.
Wenigstens war es jetzt still in der kleinen Hütte und es dauerte nicht lange, bis Haru eingeschlafen war. Besonders gut schlief er allerdings nicht, denn er fühlte sich nicht wohl dabei, dass Sezuna hier und gleich so nah war. Er wachte immer wieder auf, wobei er nur einen kurzen Blick auf sie warf, ob alles in Ordnung mit ihr war, bevor er sich wieder umdrehte.
Immer, wenn sich Haru kurz nach ihr umdrehte, erwachte auch Sezuna und warf ihn einen kurzen Blick zu, wenn er sich wieder hingelegt hatte. Dabei hoffte sie sehr, dass sie es bemerkte, wenn er am Morgen erwachte und weiter ging. Er würde es ihm auch zutrauen, dass er sie hier zurückließ.
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