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Kapitel 25

„Ich habe das Gefühl, dass gleich die Wehen losgehen und ich ein Kind gebäre, denn mein Bauch war sicher noch nie so voll!" Elisha lässt sich erledigt auf mein Bett fallen und ich setze mich mit etwas weniger Schwung neben sie. „Eure Köche sind super, versteh mich nicht falsch, aber ich esse hier immer so viel."

„Das sagst du auch über eure Köche. Und das Restaurant am Hafen, das mit den Fischbrötchen", erinnere ich sie und stehe wieder auf, weil es mir zu warm ist und ich ein Fenster öffnen will.

„Ach, die Fischbrötchen", seufzt Elisha genießerisch und schließt die Augen. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich diese Fischbrötchen vermissen werde, wenn ich von hier wegziehe?"

„Du willst wegziehen?", wiederhole ich und gerate kurz in Panik, weil ich mich nicht erinnern kann, dass sie das jemals erwähnt hat.

„Also, nicht in nächster Zeit", sagt Elisha und ich beruhige mich wieder. „Aber ich glaube eigentlich, dass mir meine Eltern irgendwann einen Ehemann außerhalb von Himmelsteich suchen, weil mich hier keiner interessiert, und dann werde ich wegziehen müssen. Ich will nicht unbedingt, aber ich halte mich geistig schon mal bereit, damit ich nicht komplett überfordert bin, wenn es dann so weit ist."

„Wer sagt denn, dass es so kommen muss?", frage ich leise und lege mich wieder neben sie. Ich möchte auch ganz sicher nicht, dass sie wegzieht, allein der Gedanken, dass ich eine mehrtägige Kutschenreise unternehmen müsste, wenn sie nicht gar mehrere Wochen dauert, nur um meine beste Freundin zu sehen - Nein, das geht absolut gar nicht.

Elisha seufzt schwer und dreht ihren Kopf auf die Seite. „Niemand sagt das", sagt sie und zuckt mit den Schultern. „Ich glaube nur, dass es sehr wahrscheinlich ist."

Wir schweigen für einen Moment. Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll und wie wir verhindern können, dass Elisha einfach wegzieht und mich hier allein lässt.

„Ich habe mir übrigens große Sorgen gemacht, als ihr ans Meer aufgebrochen seid", unterbricht Elisha die Stille und dreht sich jetzt komplett auf die Seite, um mich anzusehen. Ihre linke Hand krabbelt über das Laken zu meiner linken und dann halten wir uns gegenseitig an den Händen fest, als wären wir wieder Kinder und hätten Angst vor dem Gewitter.

„Das tut mir leid", ist das, was mir dazu einfällt, und ich drücke ihre Finger kurz. „Du hast es aber sehr gut versteckt, ich habe nicht wirklich etwas gemerkt."

Elisha lächelt schmal. „Ich hatte in der Nacht davor einen Traum, in dem, nun, in dem du auf einer Patrouille warst und dich dabei stark verletzt hast." Sie schweigt einen Moment. „Vielleicht bist du auch gestorben, ich weiß es nicht genau."

„Aber das war nur ein Traum", erinnere ich sie und rücke ein wenig näher, als müsste ich erst beweisen, dass es mir in der Realität noch gut geht. „Nur ein blöder Albtraum, keine Sorge."

Elisha mustert mich zögerlich, den Mund halb geöffnet, die Wörter schon auf der Zunge liegend, als sie es sich anders überlegt.

Sie schließt den Mund, entzieht mir ihre Hand und hat sich dafür im nächsten Moment an mich gekuschelt, ihr linker Arm um mich gelegt, ihr Kopf an meinen Hals gelehnt. „Ich hoffe, dass es nur ein Traum bleibt."

„Mir wird schon nichts passieren", sage ich und lege ihr meinen rechten Arm um.

„Kannst du mir das versprechen?", flüstert Elisha und erstaunt bemerke ich, wie gepresst ihre Stimme klingt, als würde sie Tränen zurückhalten.

Ich drücke mich enger an sie und gebe ihr einen spontanen Kuss auf die Haare. „Das kann ich dir nicht versprechen, aber ich glaube dennoch daran, dass das nicht das Ende ist, das die Götter für mich vorgesehen haben."

„Deine Selbstsicherheit hätte ich auch gerne", seufzt Elisha und ich lache kurz auf.


Ich würde es deutlich mehr genießen nicht mehr auf Patrouille gehen zu müssen, wenn ich aufhören könnte an den Strand zu denken.

Als ich das erste Mal allein im Bett liege und darauf warte, dass meine Augen schwer werden, erinnere ich mich wieder und wieder, wie im Zwang, an das Gefühl der Hilflosigkeit im Sandsturm, an die Gewissheit, dass ich dort und damals sterben konnte.

Vor allem das letzte raubt mir den Schlaf und bastelt aus dunklen Zimmerecken schnaufende Monster mit leuchtenden Augen und fingerlangen Zähnen, als wäre ich wieder ein kleines Kind.

Tagsüber gebe ich mir große Mühe diesen nächtlichen Unsinn nicht weiterzumachen, sondern gehe brav meinen Aufgaben nach.

Ich stehe meine Schichten im Gefängnis ab, helfe den Gehilfen (unter ihnen auch Nikolas Doyle) Briefe an die umliegenden Gemeinden und Dörfer zu verfassen und zu warnen, dass mindestens vier gefährliche Verfluchte unterwegs sein konnte. Am Freitag, knapp zwei Tage nach dem Treffen im Café, stehe ich im Hof und wohne der Hinrichtung der Mäusefrau und ihrem Mann zu. Es ist eine blutige und ekelhafte Angelegenheit, aber wenn wir jeden Verfluchten einfach nur in eine Zelle stecken und dort lassen würden, hätten wir bald keinen Platz mehr.

Dennoch plagt mich danach die übliche Übelkeit und ich verzichte auf den Fünf Uhr Tee, um mir dafür einen Kräutersaft gegen Bauchbeschwerden einzuverleiben.

Elisha und ich treffen uns am Samstag, weil es ein neues Theaterstück gibt, und ich sitze am Rand der Stuhlreihe, während Elisha inmitten ihrer Freundinnen sitzt und sich angeregt mit ihnen unterhält.

Man sollte meinen, dass ich nach über einer Woche endlich meinen inneren Frieden damit gefunden hätte, was am Strand passiert ist, aber selbst hier im Theater zucke ich unangenehm zusammen, als ein Schauspieler einen Verfluchten darstellt und eine Maschine heftige Winde durch den Saal schickt. Die Mädchen bemerken davon natürlich nichts, aber ich verschränke die Arme und ziehe die Schultern hoch, während es in meinem Bauch schon wieder rumort.

Nach dem Theater gehen wir ans Seeufer und setzen uns auf Bänke nah am Wasser. Um uns herum herrscht das übliche geschäftige Treiben des Hafens, von dem ich mich aber unangenehm fern fühle. Es fühlt sich fast wie ein Traum an und wird noch unwirklicher, wenn ich die ganze Zeit an den Strand denken muss und wie knapp wir einer Katastrophe entkommen sind.

„Du wirkst bedrückt", meint Elisha und setzt sich neben mich.

Ich zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht und tue überrascht. „Wirklich?"

„Ja und du bist schlecht darin es zu verstecken." Sie knufft mich in die Seite und nimmt dann meine Hand zwischen ihre. „Was ist los?"

„Ich muss einfach nur an diesen Strand denken und was dort passiert ist und ich werde es einfach nicht los", antworte ich ihr und komme mir prompt bescheuert vor. Elisha will sicher nicht so genau wissen, wieso ich mich so weinerlich verhalte.

„Das tut mir leid", sagt sie überraschend und drückt meine Hand. Verwirrt sehe ich zu ihr. „Ich weiß natürlich nicht genau, was passiert ist, aber ich habe ein paar Dinge hört und sie klingen alle furchterregend."

Ich nicke zustimmend, noch immer verwirrt, dass Elisha mich nicht einen Schwachkopf schimpft und dass ich mich gefälligst zusammennehmen soll. Vielleicht tut sie auch nur so und gleich offenbart sie mir irgendeinen Scherz, den sie sich mit mir erlaubt.

„Deswegen ist es umso besser, dass ich eine Überraschung für dich habe", verkündet sie plötzlich und zieht mich auf die Beine.

„Du hast was?", mache ich und folge ihr zu den Anliegern, nicht ganz sicher, was gerade passiert.

„Keine Sorge, wenn es dir zu viel wird, kannst du jederzeit fliehen, aber ich dachte, es wäre eine schöne Idee. Quasi auch um die Halbzeit deiner Dienstzeit zu feiern, dass du es bald geschafft hast, es ist ja nur noch ein Jahr ab dem Herbst." Ich weiß nicht von was Elisha redet und ich bin zu verwirrt, um zu fragen. Also lasse ich mich einfach von hier auf ein kleines Ausflugsschiff ziehen und auf eine Bank drücken.

Ihre kichernden Freundinnen setzen sich um mich herum und dann entdecke ich auch noch ein paar meiner Kameraden. Louis Murray und Charlie Winston sitzen an der Reling und winken mir fröhlich zu. James entdecke ich erst, als er sich neben mir setzt und mir ein Glas Champagner anbietet.

Ich nehme es an und sehe mich dann am vollen Deck um. „Was passiert hier?", frage ich ihn, doch ich habe kaum zu Ende gesprochen, als James schon den Kopf schüttelt.

Das Boot legt ab und wir fahren in die Mitte des Sees. Von hier sieht man Himmelsteich als eine Ansammlung spielzeuggroße Häuser und die umhereilenden Menschen sind kleine wimmelnde Punkte. Und wenn ich mich dann im Kreis drehe, kann ich den Himmelswald sehen, große Bäume mit satten grünen Blättern und hier und da huscht ein Eichhörnchen umher, verschwindet ein Hase im Unterholz oder steigt ein Schwarm Vögel auf. Es hat etwas friedliches, aber gleichzeitig muss ich an all die Verfluchten denken, die mir in diesem Wald schon begegnet sind.

Die Maschinen, die bisher laut gebrummt und gedröhnt und Dampf in den Himmel gespuckt haben, verstummen und ebenso auch alle Gespräche. Alle Augen richten sich erwartungsvoll auf Elisha, die breit strahlend in der Mitte steht und mir zuzwinkert.

„Liebe Gemeinde", beginnt sie und muss sofort innehalten, um aufgeregt zu kichern. Einige ihrer Freundinnen stimmen mit ein und Louis Murray flüstert Charlie etwas hinter vorgehaltener Hand zu, ehe sie beide stumm zu lachen anfangen.

„Wir haben uns heute hier versammelt, um den Geburtstag unseres geschätzten Freundes Henry Balfour nachzufeiern!" Großer Jubel bricht aus und die allgemeine Aufmerksamkeit wandert zu mir.

Ich gebe mir Mühe zu lächeln, aber mir kann sicher jeder die Überraschung ansehen.

„Eigentlich war sein Geburtstag letzte Woche, aber da er auf Patrouille war konnte er ihn logischerweise nicht feiern." Elisha wendet sich jetzt direkt an mich und ihr Lächeln wird noch ein wenig breiter. „Deswegen holen wir ihn heute nach. Henry, ich wünsche dir von Herzen alles Gute und Gesundheit und dass du uns noch viele, viele Jahre mit deiner Gegenwart beglücken kannst. Du bist mein bester Freund und ich bin so dankbar, dass dich die Götter in meinem Leben platziert haben."

Sie hebt ihr Glas und ruft: „Auf Henry!"

„Auf Henry!", echot es rundherum und dann nehmen alle einen Schluck Champagner.

Ich sitze wie erstarrt auf meinem Platz und weiß nicht, ob ich breit strahlend oder weinen will. Elishas kleine Lobrede auf mich hat irgendetwas in mir aufgelöst, sodass es wie warmer Haferbrei durch mich sickert und dieses seltsam flüssige Gefühl in mir verbreitet.

James klopft mir auf die Schulter und steht auf, als Elisha auf mich zukommt.

Ihr Lächeln wird etwas schwächer, als sie mir vorsteht, und sie runzelt die Stirn. „Ist es eine blöde Überraschung?", fragt sie und ich schüttle eilig den Kopf.

Ehe sie noch mehr sagen kann, stehe ich auf und drücke sie an mich an, vollkommen überwältigt davon, dass jemand eine Überraschungsfeier für mich organisiert hat und dass so viele Menschen dazugekommen sind.

„Nein nein", sage ich mit kratziger Stimme und räuspere mich. „Ich habe nur nicht damit gerechnet und deine Worte waren so lieb und vielleicht fange ich gleich zu weinen an, weil du wahrhaftig der beste Mensch bist, den ich kenne."

„Ach Henry", sagt Elisha und streicht mir über den Rücken. „Dabei hast du mein Geschenk noch nicht einmal gesehen."

Das bringt mich zum lachen und dann muss ich doch weinen. Ich verstecke mein Gesicht an Elishas Hals und hinter ihren offenen Haaren und lasse mich von ihr hin und her wiegen.


Elisha hat mir eine wunderschön illustriere Ausgabe von Bis Mich Die Erde Wieder Ruft geschenkt, meine liebste Einschlafgeschichte als Kind. Beim Durchblättern bestaune ich die feinen Zeichnungen von dem kleinen Igel, der seinen sicheren Bau verlässt, um die große Welt zu erkunden, und muss wieder ein wenig weinen. Elisha weiß, wie traurig ich war, als unsere damalige Ausgabe versehentlich angebrannt wurde und dass wir sie deswegen wegwerfen mussten.

„Vielen Dank", bringe ich heraus, ehe mich eine neue Flut Tränen überkommt, die heute wohl gar nicht mehr aufhören wollen.

Ich schäme mich furchtbar, dass mich alle so viel weinen sehen, aber niemand behandelt mich deswegen anders. James lächelt mich nur an, Louis tätschelt mir die Schulter und Charlie lacht, ehe er über seine eigenen Füße stolpert und auf dem Hintern landet.

Gwen, eine von Elishas guten Freundinnen, schenkt mir im Namen aller Mädchen eine kleine Statur von Anyia, die sie als Lehrerin abbildet. Ich starre sie sicher eine halbe Stunde an, drehe sie hin und her und bewundere all die Details. Sie hat sicher viel gekostet, denn allein der Preis für die Goldverzierung an ihrem Kleid erscheint mir zu groß, um ihn mir auch nur vorzustellen.

Die Soldaten schenken mir einen selbstgebastelten Gutschein: Wenn du das nächste Mal in der Stadt bist und dein ganzes Erbe ausgeben willst sag Bescheid und wir retten deinen Geldbeutel. Einmalig einsetzbar.

„Habe ich mir ausgedacht", verkündet Charlie stolz und wirft sich in die Brust. Dort glänzt ein metallischer Lorbeer-Anstecker und irgendjemand hat ein Stück Papier in den Halbkreis geklemmt, auf dem Beste Ideen-Haber gekritzelt steht.

Ich kichere auch noch eine Stunde später, wenn ich daran denke.

Nachdem ich alle Geschenke ausgepackt habe, werden wir in den kleinen Raum unter Deck geführt. Eine lange Tafel, die sich durch den Raum windet und mit Tee und Kuchen gedeckt ist, wartet dort auf uns. Ein Stuhl hat eine gelbe Papierkrone auf der Lehne und wie mir die Besatzung erklärt ist das mein Stuhl und die Krone für mich.

Bethany, Elishas Nachbarin, hilft mir die Krone aufzusetzen und dann wird der Kuchen auch schon ausgegeben. Ich esse sicher mehr als ich sollte, aber es ist mir egal, denn Elisha und ihre Freunde haben diese Feier für mich organisiert und ich werde so viel Kuchen essen, wie ich es als Kind nie geschafft habe.


Am nächsten Morgen stehe ich mit relativ guter Laune auf und bis zum Mittag hält sich diese ungewöhnlich gute Stimmung. Ich muss nicht an den Strand denken, sondern bin in Gedanken noch bei gestern und dass sich so viele Menschen eingefunden haben, um meinen Geburtstag zu feiern.

Es ist eine gute Sache, dass ich nicht auf Patrouille bin, denn ich würde es absolut nicht mitbekommen, wenn ein Verfluchter vor mir stehen und mich bedrohen würde. Die Anderen müssten mich retten, weil ich gedanklich noch immer auf dem Ausflugsschiff bin und darüber sinniere, ob und wo ich meine nächste Geburtstagsfeier abhalten soll. Ich würde erst wieder zu Sinnen kommen, wenn mir ein Bein fehlt und ich kurz davor bin zu verbluten.

So kann ich in der Sicherheit des Gefängnisses sein, in einem relativ ruhigen Seitenflügel, und auf der Rückseite eines alten Zellenplans Notizen verfassen, wie meine Feier aussehen soll.

„Was machst du da?", fragt Charlie und späht über meine Schulter.

„Nichts", sage ich ein Ticken zu hastig und drehe den Zettel eilig um, sodass man den alten Lageplan sieht. Mein Gesicht wird warm und ich räuspere mich unnötig laut, als würde ich mich dadurch weniger auffällig verhalten.

Charlie sieht nicht überzeugt aus, begnügt sich aber damit mich über seine breite Nase zu mustern. Wenn ich ihm so direkt ins Gesicht schaue, erinnern mich seine Rastalocken an einen verblühten Löwenzahn, als würde der nächste Windstoß seine Haare mit sich nehmen und in der Stadt verteilen.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln und schiebe den Zettel unauffällig unter mein Glas, um mich dann wieder den Briefen zu widmen, die wir eigentlich gerade überfliegen sollen. Clay und seine Gehilfen haben generische Textblöcke erstellt, in die wir einfach nur Details über die Verfluchten, ihre Attackenmuster und andere Besonderheiten einfügen müssen. Es ist eine einfache, langweilige Aufgabe, für die ich nicht nachdenken oder wirklich präsent sein muss. Aber dennoch fällt es mir gerade schwer mich dazu aufzuraffen.

Die Tür zu unserem kleinen Gemeinschaftsraum öffnet und William Perish tritt herein, einen weiteren Stapel Briefe unter dem Arm.

Ich kann mir ein Aufstöhnen nicht verkneifen und blicke über die Briefe, die sich bereits auf dem Tisch vor uns ausbreiten. „Wen will Clay denn alles informieren? Soll jeder Bürger und jede Kirchenmaus mitbekommen, wie wir hier versagt haben?"

William Perish zuckt mit den Schultern und lehnt sich gegen die Tür, damit sie mit einem leisen Klicken zugeht. „Das wissen nur die Götter", brummt er und legt den Stapel auf dem Tisch ab. „Ich kann nur sagen, dass der Hauptmann meinte, dass wir jede einzelne Autorität der Umgebung separat anschreiben sollen, falls es eine Schwalbe nicht schafft. Also nicht nur den Bürgermeister jeder einzelnen Stadt, sondern auch das Oberhaupt der Stadtwache und die Priester."

Charlie schaut überrascht von dem Brief auf, den er gerade ausfüllt. „Wieso denn die Priester?"

William zuckt mit den Schultern und setzt sich auf den Stuhl rechts von mir. Ich versteife mich ein wenig, ehe ich die Schultern ausschüttle und mir sage, dass wir hier alle im gleichen Boot sitzen und es nichts bringt meine Energie darauf zu verschwenden William misstrauisch zu beobachten, wenn noch tausend Briefe auf uns warten.

„Priester werden für Notfälle ebenfalls im Kampf ausgebildet. Im Grund sind sie die zweite Verteidigungslinie sollten wir, die Soldaten, fallen", werfe ich ein und falte den nächsten Brief zusammen, während ich mich nach einem leeren Umschlag umsehe. „Soweit ich weiß, ist ein solcher Notfall noch nie eingetreten, aber das hat ja kaum Aussagekraft für zukünftige Ereignisse."

Charlie schaut mäßig beeindruckt und William nickt überrascht, als wäre es ihm just in diesem Moment ebenfalls eingefallen.

„Gut, dann lasst uns mal überlegen", sagt Charlie und klemmt sich die Zungenspitze zwischen die Lippen, während er die Spitze seines Tintenstiftes an einem Tuch säubert und aufgeriebene Papierfasern von ihr zupft. „In der Umgebung gibt es drei größere Gemeinden und jede Gemeinde hat noch einmal fünf Städte. Es gibt außerdem noch fünf Dörfer und die unabhängige Stadt in Richtung der Irrlichtsümpfe. Das macht insgesamt - Götter, wieso hängt dieser blöde Faden jetzt da?"

„37 Briefe", führt William weiter, während Charlie wütend vor sich hin murmelt und an der Spitze seines Stiftes herumfingert. „Je drei Gemeindeoberhäupter, elf Bürgermeister, elf Oberhäupter der Stadtwache, elf Oberste Priester. Außerdem hat die Freistadt noch einen Repräsentanten, der mit den Gemeinden zusammenarbeitet und als hohe Autoritätsperson ebenfalls einen Brief braucht."

Ich lasse den Blick über unseren Tisch schweifen. „Wir haben, ich schätze mal, bisher so acht Briefe geschafft?"

Charlie schnaubt frustriert und pfeffert seinen Stift auf den Tisch, um nach einem neuen zu greifen. „Na, dann wissen wir ja, was wir den Rest der Schicht machen können, nicht wahr, Jungs?"

Es hat etwas frustrierend Eintöniges immer und immer wieder die gleichen Wörter in die Lücken zu füllen und die Briefe dann zu versiegeln. Wir kommen zwar recht schnell voran, aber ich wünsche mir dennoch nach zehn Minuten und sechs weiteren Briefen, dass wir etwas anders tun könnten.

„Glaubt ihr, es bringt überhaupt etwas diese Vorwarnungen zu verschicken?", durchbricht Charlie die Stille und schaut mit großen Augen auf. „Ich meine, wir waren auch vorgewarnt und trotzdem wurden wir am Strand komplett überrumpelt. Wenn die Verfluchten nicht von selbst gegangen wären hätten wir dort unser Ende finden können."

Ich möchte ihm gerne antworten und ihm versichern, dass unsere Arbeit Sinn hat und dass wir am Ende natürlich siegreich aus der ganzen Angelegenheit herauskommen werden. Allerdings fällt es mir schwer die passenden Worte zu finden, wenn Charlie genau das ausspricht, was ich mir seit Tagen denke.

„Natürlich bringen diese Briefe etwas", antwortet William mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein und sieht ebenfalls von den Briefen auf. Er lächelt Charlie ermutigend an und tätschelt seinen Arm, auch wenn er sich dafür leicht vorbeugen muss. „In der direkten Offensiven mögen wir am Strand gegen die Verfluchten verloren haben. Aber eine Siedlung, eine befestigte Siedlung, hat doch ganz andere Möglichkeiten sich gegen Verfluchten zu behaupten. Mit den Informationen, die wir ihnen liefern, können sie mögliche Schwachstellen in ihren Verteidigungen stopfen und sind bereit, sollten die Verfluchten wirklich an ihnen vorbeiziehen und sich zum Kampf entscheiden. Nur weil wir verloren haben, weil wir nicht das volle Ausmaß dessen wussten, was uns erwarten würde, heißt das nicht, dass das Schicksal dieser Siedlungen bereits besiegelt ist."

Charlie steht der Mund auf und ich fühle mich genauso. Bisher habe ich William als arrogant und selbstbezogen gesehen, aber sicher nicht als jemanden mit taktischem Geschick oder empathischen Veranlagungen. Fast kommt es mir so vor, als würde ich neben einer anderen Person sitzen, auch wenn er so aussieht wie William.

„Ähm", macht Charlie und blinzelt. „So habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht. Danke."

William lächelt ein schmales Lächeln, nickt Charlie zu und widmet sich wieder seinen Briefen.

Ich nehme meinen Stift ebenfalls in die Hand und spähe aus dem Augenwinkel rüber zu William. Fast kommt es mir vor, als wäre er gereift, als hätte er endlich eingesehen, dass sein bisheriges Verhalten weder uns noch ihm weiterhilft. Als hätte er wie eine Schlange eine alte Haut abgestreift und mit der neuen an Intelligenz und Reife dazugewonnen.

Oder vielleicht hat der Kampf am Strand uns alle einfach näher zusammen rücken lassen und er versucht seinen Teil dazu beizutragen, dass wir als eine große Einheit wie geölt funktionieren.

„Wir haben bisher selten zusammengearbeitet, nicht?" Charlie klingt behutsam und sieht zu William, ohne seinen Kopf wirklich zu heben. Als William zu ihm blickt verkrampfen sich seine Finger, als erwarte er einen verbalen Schlag.

Stattdessen nickt William nur und sieht zwischen Charlie und mir hin und her. „Vor allem in dieser Konstellation noch nicht", ergänzt er und lächelt ein kleines, kaum erkennbares Lächeln.

Es reicht jedoch, damit für Charlie das Eis gebrochen ist. Er richtet sich auf, setzt ein breiter werdendes Lächeln auf und fängt von der Pferdezuckt seiner Eltern zu erzählen an. Ich höre nur mit einem Ohr zu, aber William erwidert gelegentlich etwas und wirkt fast interessiert, als Charlie darüber kichert, wie ein Fohlen beim ersten Galoppieren gegen die Wand gerannt ist und dann eine geschlagene Minute einfach nur vor der Wand saß und nicht weiterwusste.

Irgendwann beginnt dann William von seinem eigenen Pferd zu erzählen und wie er es als kleines Fohlen bekommen und großgezogen hat.

„Einmal habe ich die ganze Nacht mit ihm im Stall geschlafen, weil es draußen gewitterte und er Angst vor den Blitzen hatte", erinnert sich William und Charlie macht ein Gesicht, als hätte er gerade etwas sehr Süßes gesehen.

„Nein!", ruft er aus und legt sich eine Hand ans Herz. „Wie putzig. Du musst mich mal mit zu euren Pferden nehmen, diesen Goldschatz muss ich aus der Nähe sehen."

„Gerne doch", meint William und die Beiden grinsen sich an. Ich finde es immer noch seltsam, dass William ein vollkommen anderer Mensch zu sein scheint, aber ich finde ihn deutlich angenehmer als den arroganten William, der nur am prahlen und angeben ist.

Oder vielleicht sind meine vorigen Gedanken ebenfalls falsch und William ist einfach ruhiger und weniger prahlend, wenn er von Leuten umgeben ist, die sich ebenfalls wenig aus Ruhm und Ehre machen wie seine üblichen Freunde.

„Apropos Goldschatz." Charlie beugt sich vor, wobei er fast das Tintenfass umwirft, und wackelt verschwörerisch mit den Augenbrauen in Williams Richtung. „Ich habe gehört, du hast deinen ganz eigenen und sehr menschlichen Goldschatz."

Ich bin mir nicht sicher, ob Charlie einfach einen Hitzschlag hat oder ich zu blöd bin, um zu verstehen, was er meint. Vermutlich liegt es an mir, denn hinter den dicken Steinmauern des Gefängnisses ist es angenehm kühl, also kann Charlie keinen Hitzeschlag haben.

„Was genau meinst du?", frage ich also einfach nach, ehe mein Kopf sich mit Knoten füllt.

Charlie wackelt erneut mit den Augenbrauen und wirkt äußerst dämlich dabei.

„Meinst du Julia?", erwidert William und erntet dafür begeistertes Kopfnicken von Charlie.

„Oh, Julia Perrigrins", mache ich und sofort schießt Charlies neugieriger Blick zu mir. Ich weiche ihm aus und schiebe dafür das Tintenfass aus seiner Reichweite, ehe er es wirklich noch umwirft.

„Ich habe sie bei einer Tanzfeier kennengelernt", erkläre ich, ehe mich Charlie danach ausquetschen kann, und greife eilig nach dem nächsten Brief. Es ist mir irgendwie unangenehm über diesen Tanz zu reden, denn ich kenne weder Charlie noch William wirklich gut und würde Fremden, die sie ja eigentlich für mich sind, nicht so viel aus meinem Privatleben erzählen.

„Oh stimmt", macht William als er sich erinnernd und nickt zustimmend. „Wie hieß nochmal die junge Dame, die bei dir war?"

„Elisha Toumur", sage ich mehr murmelnd und blicke auf den Brief in meinen Händen. Ich habe noch nicht eine einzige Lücke ausgefüllt, aber dafür jede Menge Tintenflecke am Rand des Blattes hinterlassen. Und sie sind sogar größtenteils schon getrocknet, weil ich wie ein Idiot in die Luft gestarrt habe, anstatt zu arbeiten.

Ich hole tief Luft und lockere meine Schultern. Wieso bin ich denn schon wieder so angespannt? Ist es so schlimm, dass mich jemand nach meiner besten Freundin fragt? Wieso reagiere ich in letzter Zeit immer so komisch?

„Stimmt, ich wusste doch, dass ich ihr Gesicht von irgendwoher kenne", nickt William. „Ihre Eltern haben uns mal auf einer Feier vorgestellt und haben nicht so unauffällig wie sie dachten anklingen lassen, dass Elisha Toumur eine gute Partie für mich wäre."

Ich muss mich stark beherrschen, um nicht wütend aufzuschnauben.

William Perish mit Elisha, meiner besten Freundin Elisha! Das war ja eine schöne Vorstellung, sie und dieser arrogante Idiot, der hatte ihr großes Herz und ihre Freundlichkeit doch gar nicht verdient.

Beruhig dich, Henry, ermahne ich mich selbst. Du gehst schon wieder über Grenzen.

Charlie grinst. „Aber da war dein Herz bereits an die gute Julia vergeben."

William nickt und wird doch tatsächlich verlegen. Er senkt den Blick, seine Wangen bekommen einen rosa Hauch und er kratzt sich im Nacken. „Nun, das mit Julia und mir ist eine schon ältere Sache."

„Uh, wie alt genau?", will Charlie wissen, der definitiv zu viel Spaß dabei hat William auszuquetschen. Vielleicht ist das auch nur seine Rache für all die Male, als William ein Idiot war.

Jetzt lächelt er wie ein Idiot und ich spüre erneut einen Hauch von Eifersucht, aber nicht weil ich Miss Perrigrin so dringend heiraten will. Nein, ich erwische bei dem Gedanken, wie schön es doch wäre jemanden zu haben, von dem man sich so sicher ist geliebt zu werden, wie es William von Julia Perrigrin ist.

Mutter würde sicher Luftsprünge machen, wenn sie hören würde, dass ich über das Thema Heirat freiwillig nachdenke. Und noch dazu mit so viel Enthusiasmus!

Eine schrillende Glocke unterbricht meine Gedanken und überrascht schaue ich auf. „Wir bekommen neue Verfluchte?", mache ich, schon halb aufgestanden und eine Hand nach meinem Helm ausgestreckt.

Charlie zuckt mit den Schultern und zieht seinen Schwertgurt um die Hüfte enger. „Scheint ganz so", meint er und stürmt als erster aus dem kleinen Raum.

William und ich folgen ihm den steinernen Flur entlang, bis wir den Aufzug erreicht haben. Ich drücke auf den Knopf für das Erdgeschoss und wir ruckeln drei Stockwerke nach unten, ehe der Aufzug wieder aufgeht.

Wir gehen zur Halle auf der Rückseite, wo gerade das Tor aufschwingt. William geht vor und begrüßt die Männer. Zuerst bin ich verwirrt, denn es treiben sich zu viele Männer für eine kleine Patrouille und zu wenige für eine große Patrouille herum. Dann legt sich ein Schalter in meinem Kopf um und ich begreife, dass sich zwei kleine Patrouillen zusammengetan haben müssen.

„Wir haben fette Beute gemacht", grinst einer der Soldaten und die anderen gackern zustimmend wie durchgedrehte Hühner.

„Ach ja?", mache ich minimal neugierig und wende mich dem blitzenden Käfig zu, den fünf Männer gerade an seinen Platz schieben.

Zuerst sehe ich durch all die Blitze nur eine Frau und einen Mann, die sich eng aneinander klammern und alles aus großen Augen anschauen. Dann bemerke ich die hellen Haare, das Muschelmuster auf dem Hemd des Mannes und ein Blitz fährt in mich hinein, als ich begreife, dass diese Verfluchten die vom Strand ist.

„Das sind die vom Strand!", entfährt es mir und ich bemerke beschämt, dass ich fast schon aufgeregt klinge.

William und Charlie sehen sich die Verfluchten jetzt näher an und machen große Augen, als sie sie erkennen. Ich verschränke meine Hände hinter dem Rücken und gebe mir Mühe nicht zu begeistert zu wirken.

„Stimmt", macht William und die ankommenden Patrouillen gackern erneut. Allerdings würde ich an ihrer Stelle ähnliche Geräusche von mir geben, also bin ich in keiner Position sie zu bewerten. „Ich werde sofort dem Hauptmann eine Nachricht schicken. Ihr ruht euch jetzt besser aus, Jungs, ihr habt gute Arbeit geleistet!"

Die Patrouillen jubeln laut und zerstreuen sich wieder.

Ich komme mir leichter vor, denn wenn wir schon zwei der vier Verfluchten gefangen genommen haben, haben wir vielleicht doch eine Chance. Vielleicht gelingt es uns ja doch die zwei fehlenden zu fangen und dann kehrt endlich wieder Ruhe hier ein. Die umliegenden Gemeinden und Städte werden nicht einmal erfahren, was hier passiert ist.

Wir müssen alle Briefe umschreiben. Ich erstarre und fühle das Grauen in mir aufsteigen.

Oh nein. Nicht die Briefe. Wir haben doch schon so viele fertig gemacht, nur um sie ein zweites Mal zu machen.

Nun. Besser einen Brief doppelt schreiben als einmal eine Abschiedsrede für einen gefallenen Soldaten.

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„Schenkt mir einen Stern, denn ich hatte Geburtstag!" - Henry, sehr überwältigt, wenn man etwas nettes für ihn macht.

So Kinder. Das ist das Kapitel vor dem Sturm. Ich meine das ernst. Das nächste Kapitel wird alles andere als spaßig und ich kann ja schon mal spoilern, dass ich geweint habe, als ich es geschrieben habe.

Wer Vermutungen hat, wie das Chaos genau über Henry und Co. hernieder geht, dem kann ich als Hinweis geben, dass der letzte Satz dieses Kapitels mehr Bedeutung hat als ihr momentan noch ahnt.

:D

Spaßig, ich weiß.

Dieses Kapitel ist außerdem viel passiert und ich konnte erneut feststellen, dass ich Henry und Elisha sehr liebe. Welcher Charakter ist bisher euer Liebling? Welchen könnt ihr gar nicht leiden? Bei wem hängt ihr in der Schwebe? Lasst es mich wissen!

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