Kᴀᴘɪᴛᴇʟ 3
„Was ist da passiert, Jonathan? Wieso liegt sie schon im Bett?"
„Beruhige dich, Nora. Ihr ging es nicht so gut, sie ist schon schlafen gegangen."
„Ist...ist sonst noch irgendwas passiert?"
„Was meinst du?"
Die Stimmen werden leiser, ich höre Jonathans und Noras Schritte die Treppe heruntergehen. Verschlafen öffne ich die Augen und blinzele verwirrt. Was ist passiert?
„Was meinst du denn, Nora?", reißt mich Jonathans Stimme aus der Küche aus den Gedanken.
„Nichts. Hab ich doch schon gesagt."
„Du würdest nicht fragen, wenn du nichts damit meinen würdest."
Langsam kommen die Erinnerungen wieder in mein Gedächtnis und ich richte mich vorsichtig auf, um nach dem Lichtschalter zu tasten. Mein Blick landet auf der Uhr, die anzeigt, dass es halb acht am Abend ist. Ich habe also nur ein paar Stunden geschlafen. Nora und Louis scheinen gerade zurück gekommen zu sein.
Leicht grinsend verlasse ich das Bett und tapse zur Tür. Es geht mir schon sehr viel besser, als noch vor ein paar Stunden.
Meine Schritte sind auf dem Holzboden kaum zu hören, während ich die Treppe herunter husche.
„Es ist egal, Jonathan!", meint Nora energisch, ich kann die Gereiztheit in ihrer Stimme hören. Sie sollten nicht wegen mir streiten.
„Nein, sag es mir, Nora." Jonathans Stimme ist ungewöhnlich ruhig.
Ich trete langsam Richtung Küchentür, bleibe jedoch zögernd stehen. Was soll ich machen? Ich kann sie doch nicht belauschen... Aber mittendrin reinkommen ist auch falsch. Unentschlossen wippe ich hin und her, während Jonathans und Noras Stimmen immer lauter werden. Mist. Was soll ich tun?
Ich beobachte, wie Nora schnaubt und sich hastig über die Haare streicht. Sie greift nach einer roten Tasse und trinkt ein paar Schlucke. Jonathan steht ruhig da, sein Gesicht ist in meine Richtung gedreht, aber ich glaube, er sieht mich nicht.
„Ich weiß nicht, was dein Problem ist!", zischt Nora und ich beiße mir auf die Lippen. Wieso streiten sie wegen mir? Es ist doch nichts passiert! Ich merke, wie sich meine Fingernägel in das Treppengeländer bohren. Unschlüssig starre ich zu meiner Schwester, während ich versuche mich abzulenken.
Auch, wenn meine Seele danach schreit, Nora und Jonathan zu lesen, atme ich tief durch und entferne mich langsam von der nach Holz riechenden Küchentür. Durch das Fenster kann ich bereits die komplette Dunkelheit erkennen, die von einem unendlichen Schwarz ausgedrückt wird. Ohne es zu wollen, schweifen meine Gedanken wieder zu der Frau. Ihre schmalen Hände waren fassungslos hochgerissen, während ihre zarten Fingerspitzen ihr Kinn berührt hatten.
Meine Hand verkrampft sich, ich spüre, wie mir schlecht wird.
Ist das Ekel?
...vor mir selbst?
Ich schüttele ungläubig den Kopf und husche über den Parkett Richtung Haustür. Ich weiß selber nicht wohin ich will. Eigentlich will ich nur der Realität entfliehen. Den Fakt ausblenden, dass ich die Kontrolle über meine Seele verloren habe, den Streit vergessen, der hier wegen mir stattfindet. Ich versuche an etwas Schönes zu denken, an etwas, das mich mit Wärme erfüllt.
Das erste, was mir in den Kopf schießt, wenn ich an etwas schönes denken soll, ist meine kleine Holzkiste unter meinem Nachttisch. Ich weiß, dass es nicht die typische Definition von etwas "Schönem" ist, ... aber ich liebe diese Holzkiste. Sie ist kaum größer als ein dickes Buch und in ihr befinden sich ein paar alte Zeichnungen und Briefe.
Ich stelle mir vor, wie ich mit meinen Fingerspitzen über das weiche Fichtenholz streiche, das fein bearbeitet und filigran verziert ist. Ich rieche daran und versinke in den Düften des Waldes. Moosig und nach frisch gepflückten Kräutern.
Ich weiß selber nicht genau, wie ich diese Holzkiste bekommen habe, doch immer, in jeder Erinnerung, erscheint sie, als wäre sie schon immer da gewesen. Vielleicht hat sie mir meine echte Mutter hinterlassen, als ich kleiner war...oder ich habe sie im Waisenhaus bei einem schmuddeligen Flohmarkt gekauft. Ich weiß es nicht.
Ohne es zu merken, allein von meinen Beinen gesteuert, bin ich in den Wintergarten gegangen und habe mich in den roten Sessel neben den Johannisbeerstrauch gesetzt. Gedankenverloren starre ich durch das Glas in den Vorgarten, in dem man kaum noch etwas erkennen kann.
Einzig und alleine eine einsame Straßenlaterne beleuchtet den schmalen Schotterweg draußen, doch auch dieses spärliche Licht wird scheinbar von der Dunkelheit verschluckt.
Ich mag die Dunkelheit.
Ich mag sie, weil die meisten Menschen sie nicht mögen und sich vor ihr fürchten, weshalb sie sich nachts fast nie hinauswagen. Sie haben vor dem Angst, was in ihr lauern könnte, doch mir ist es egal. Denn ich kann auch in kompletter Finsternis jede Seele lesen, jede Absicht erkennen und jede Gefahr ... beseitigen.
Etwas nervös blicke ich auf meine schmalen Finger hinab.
Was wollten die Menschen heute von mir? Wieso sind sie mir gefolgt? Oder war es nur Zufall?
Nein. Der Mann hat mich direkt angeblickt, nicht zufällig, sondern bewusst. Sein Blick war ausdruckslos, seine Seele hat förmlich danach geschrien, gelesen zu werden, aber ich war zu weit weg.
Mein Blick richtet sich wieder aus dem riesigen Fenster, diesmal voller Unsicherheit.
Wer könnte dort draußen noch so lauern...? Vielleicht steht gerade jemand vor der Scheibe und beobachtet mich.
Vielleicht...
Ein Geräusch ertönt, es klingt wie ein Klirren.
Ich springe auf.
Mein Herz setzt aus und ich habe das Gefühl meinen Atem doppelt so laut in meinen Ohren dröhnen zu hören. Bei meinem kläglichen Versuch, einschüchternd zu sein, habe ich meine Fäuste geballt und halte sie vor meinen Körper.
Wer ist da?
Ich spüre ein Kribbeln in mir, während meine Seele umherschweift, suchend nach Mensch und Beute. Gierig und bereit zu zerstören.
„Es ist alles gut!", ertönt eine tiefe Stimme und ich zucke zusammen.
Jonathan. Schon wieder.
Langsam lasse ich die Fäuste sinken, unentschlossen, ob ich wütend oder erleichtert sein soll. Ich ringe mir ein Lächeln ab und verstecke meine Hände hinter dem Rücken, um das Zittern zu verstecken.
„Wieso bist du schon wieder so schreckhaft?", will Jonathan wissen, der im matten Licht der Lampe steht. Ich kann am Boden vor ihm Scherben sehen, die wohl das Klirren verursacht haben.
Ich schweige, wissend, dass ich keine glaubhafte Ausrede für meine Schreckhaftigkeit habe.
Unangenehme Stille erfüllt den Raum, während ich unschlüssig da stehe und Jonathans forschender Blick mich durchbohrt.
Ich räuspere mich vorsichtig und blicke auf den Boden.
Rasch bücke ich mich, um die Scherben aufzusammeln, doch Jonathan schüttelt den Kopf, sodass ich in meiner Bewegung innehalte. Ohne zu blinzeln halte ich seinem Blick stand.
Innerhalb einer Sekunde sitzt Jonathan neben mir auf dem Boden und schiebt die Scherben weg. „Das mache ich später", erklärt er und seufzt.
„Also, Eileen. Was ist los?"
„Mir geht es einfach nicht so gut. Das ist alles", erwidere ich sofort ehrlich, denn es stimmt schließlich.
Jonathan schweigt. Im matten Licht des Flures, welches durch die angelehnte Tür des Wintergartens strömt, glitzern seine braunen Augen.
Ich spüre seine Fingerspitzen an meiner Wange.
Was macht er da?
Ich kann mich nicht bewegen, seine Augen ziehen mich in ihren Bann und meine Seele will gierig nach ihm greifen.
Lass ihn die Wahrheit spüren! Lehre ihn alles, zu was seine Seele nicht in der Lage war.
Die sanfte Berührung lässt meine Unterlippe erzittern und tausend Gefühle stoßen auf mich ein.
Es fühlt sich gut an. Seine Finger sind so zart und warm.
Aber ich darf das nicht. Er darf das nicht. Es ist zwar eine liebe Geste, doch er sollte diese nicht mir gegenüber zeigen, sondern Nora. Das geht zu weit.
Ich zucke zusammen und weiche ein wenig zurück, woraufhin die Wärme meine Lippen verlässt. Ich bringe keinen Laut heraus, kann nur in seine Augen starren, die mich funkelnd mustern.
Ich weiß, dass seine Tat falsch war.
Ich erhebe mich mit wackligen Beinen und spüre den Scham in mir hochkommen. Zittrige Beine sind ein Zeichen von Schwäche und ich darf keine Schwäche zeigen.
Ich spüre Jonathans durchdringenden Blick auf meinem Rücken, als ich die Tür des Wintergartens öffne und in den Flur husche.
Das ist mir alles zu viel.
Kurzerhand entschließe ich mich, schlafen zu gehen, da mich die Müdigkeit bereits übermannt. Mein Schlafrhythmus ist sehr komisch geworden, wie ich feststelle, woraufhin ich schmunzeln muss.
Doch kurz darauf verlässt mich das Lächeln wieder. Ich kann mir das nicht erlauben, denn ich habe Menschen verletzt, ich habe Dinge getan, die nicht zu verzeihen sind.
Bin ich nicht in der Lage einfach zu leben, lachend und mit Leidenschaft?
Oder will ich mir einfach nicht erlauben glücklich zu sein?
***
Kinderlachen erfüllt meine Ohren, als ich gerade gedankenverloren am Küchentisch mein Frühstück verspeise. Sofort erwache ich aus meinem Tagtraum und schlucke den Bissen Brot hastig herunter, ehe ich mich an meinen kleinen Neffen richte.
„Na hallo! Wer ist denn da?", frage ich gespielt erstaunt, während ich mich von meinem Stuhl erhebe, um Louis auf den Arm zu nehmen. Er ist drei Jahre alt und erzählt gerne stundenlang Geschichten. In dem Todesjahr meiner Mutter, ist er zur Welt gekommen. Ich erinnere mich noch daran, dass er unser kleiner Lichtblick war, uns Hoffnung gegeben hat, nachdem wir alleine waren.
Ich drücke Louis einen Kuss auf die Wange, der ihn mit verzogenem Gesicht wegwischt. Ich grinse und küsse ihn neckend nochmal auf die Wange, weshalb er lachend versucht sich aus meinem Griff zu winden.
„Du kleiner Frechdachs!", sagt Nora, die mit einer Tasse Tee in der Hand neben mir auftaucht. Ihr Blick ist warm und voller Liebe, während sie ihren Sohn betrachtet.
Louis' Seele windet sich, um zu meiner zu gelangen, doch ich wehre mich mit allen Mitteln dagegen. Niemals würde ich das wagen. Niemals.
Ich spüre Noras Blick auf mir, sie versucht herauszufinden, wie es mir geht, doch ich weiche diesem gekonnt aus. Ich habe keine Lust mehr auf das ganze Gefrage, ob es mir gut geht. Jeden Tag werde ich von mindestens drei Personen gefragt, ob alles in Ordnung sei, was ich immer bejahe. Es wird sowieso niemand verstehen, was ich alles durchmachen muss...
„Nora, um wie viel Uhr ist nochmal die Übernachtung?", fragt Jonathan, während er in seinem Kalender blättert. Sofort sieht Nora mich entschuldigend an.
„Achja, Eileen. Tut mir leid, dass ich dir nicht schon Bescheid gegeben habe. Louis übernachtet bei einem Freund. Da muss ich ihn hinbringen", erklärt sie voller Bedauern und massiert ihre Schläfe. Aufmunternd lächele ich sie an, um ihre Anspannung ein wenig zu lösen. „Klar, kein Problem", meine ich und drücke Noras Hand leicht, woraufhin sie sich ein wenig entspannt.
„Ich glaube, die Übernachtung beginnt um halb drei", sagt Nora, an Jonathan gerichtet, der immer noch vor dem Kalender steht.
„Mama, Papa, ich will mit euch Fangen spielen!", ruft Louis plötzlich begeistert und hüpft eifrig auf der Stelle herum. Nora nickt erschöpft und auch Jonathan, der nicht besonders erfreut zu sein scheint, murrt zustimmend.
Fragend blickt mich Nora an, doch ich schüttle den Kopf. „Ich wollte noch, so lange ich hier bin, einen Spaziergang zum Rapsfeld machen", erkläre ich und deute Richtung Tür. Ich möchte nachdenken. Über irgendetwas.
Schon wenige Minuten später stehe ich in meinem warmen Wintermantel vor dem Rapsfeld. Die gelben Blumen verschwimmen am Horizont, dort wo abends immer die Sonne untergeht. Die kühle Luft erfüllt voller Frische meine Lunge, sodass ich entspannt die Stille genießen kann.
Meine kalten Finger fischen meine Kamera aus der Tasche heraus, woraufhin ich sie mit ruhiger Hand positioniere.
Klick.
Und schon habe ich einen Moment festgehalten, einen friedlichen Moment an einem Rapsfeld.
Ich liebe Fotografie. Diese Kunst wird oft unterschätzt, denn sie besteht nicht, wie viele denken, nur aus einem Knopfdruck. Hinter der Kamera geschieht so viel mehr. Es ist nicht einfach, ein Foto zu schießen, bei dessen Anblick der Betrachter das Gefühl hat eine Geschichte zu lesen. Dieses Bild muss einen auf den ersten Blick in eine andere Welt entführen, einem den Atem rauben.
Eine Windböe kommt auf, während ich auf den Kiesweg unter meinen Füßen blicke.
Hier ist fast nie jemand und das liebe ich an diesem Ort. Diese Einsamkeit, diese angenehme Stille. Ich liebe das Gefühl, die einzige auf der Welt zu sein, inmitten der Natur.
Ich höre ein Rascheln. Ganz leise.
Ich halte meinen Atem an, obwohl meine Lungen nach Luft schreien. Schon wieder bekomme ich zittrige Finger, während ich versuche die Kamera hastig in meine Tasche zu stopfen.
Ich beginne langsam zu laufen, doch letztendlich erhöht sich mein Tempo und meine Beine rennen hastig weiter.
Ich spüre den harten Kies unter meinen Füßen, die sich plötzlich wie schwere Klötze anfühlen.
Wer verfolgt mich? Oder bin ich einfach wieder zu paranoid?
Ich werfe einen Blick über die Schulter, um zu überprüfen, ob dort wirklich eine Person ist. Doch da ist niemand. Natürlich nicht. Wieso sollte mich auch jemand verfolgen? Ein seltsames Lachen entschwindet meinem Mund, es ist nervös und erleichtert zugleich. Ich bleibe stehen, um kichernd zu Atem zu kommen. Ausdauer war noch nie meine Stärke. Ich denke daran zurück, wie Nora und ich immer um die Wette gerannt sind - immer war ich die Verliererin.
Ich lehne mich an einen dicken Baumstamm, der neben dem riesigen Rapsfeld steht und versuche regelmäßig zu atmen. Vorsichtig ziehe ich meine Kamera wieder aus der Tasche, um ein Foto zu schießen.
Ein erneutes Rascheln lässt mich in meiner Bewegung innehalten. Es ist wieder nur ganz leise, doch es ist präsent. Ich habe es mir nicht nur eingebildet.
Vielleicht ist es ja nur ein Hase im Gebüsch.
Ich spreche mir selber im Stillen gut zu, um die Panikattacke zu verhindern, die sich bereits langsam wieder anbahnt. Meine Seele schweift suchend umher, doch weit kommt sie nicht, da sie dicht an mich gebunden ist.
Hinter mir ist eine Seele... Ich spüre sie.
Sofort, ohne nachzudenken, fahre ich herum.
Meine Augen sind weit aufgerissen, während sie in die eines fremden Mannes starren. Er ist in einen schwarzen Wintermantel gehüllt, seine hellen Augen blicken mich ausdruckslos an.
Es scheint, als wäre die Zeit stehengeblieben. Ich kann mich nicht vom Fleck rühren, so sehr mein Kopf mir befiehlt wegzurennen.
„Eileen Walker", meint der Fremde mit einer ungewöhnlich rauen Stimme, sodass sich mir alle Haare aufstellen.
Woher kennt er meinen Namen?!
„Interessant Sie nun persönlich kennenzulernen", fährt der Mann fort, ehe er sich mit den Fingerspitzen über den kahl rasierten Kopf fährt. Er ist um die 40 Jahre alt, doch seine Augen strahlen voller Jugendlichkeit.
Was will er von mir?
Als der Mann einen Schritt auf mich zu macht, kommt endlich wieder Leben in meinen geschockten Körper, Blut und Adrenalin schießen durch mich und lassen mich laut aufschreien.
Unbeeindruckt lacht der Mann über meinen kläglichen Aufschrei, während seine Augen amüsiert glitzern.
„Ich nehme an, Sie wissen nicht, wieso ich hier bin, oder?", krächtzt der Mann und legt den Kopf schief, um mich zu betrachten. „Nun, ich würde sagen, ich bin aus... geschäftlichen Gründen hier."
Ich spüre die Angst bis in meine Knochen und meine Hände beginnen wie immer zu zittern, diesmal aus gutem Grund. Ich bekomme kein Wort über die Lippen, denn die Furcht erfüllt mich überall und lässt mich starr und geschockt dastehen.
„Was auch immer ich jetzt mache ... ich bitte Sie, Miss Walker. Nehmen Sie es mir nicht persönlich. Ich bin mir sicher, Sie sind eine ganz reizende, junge Dame", erklärt der Unbekannte und schüttelt gespielt bedauernd den Kopf.
Als ich die Klinge in seiner Hand aufblitzen sehe, ertönt ein ohrenbetäubender Schrei. Mein Schrei. Die blanke Panik erklingt schrill, durchbricht die Stille.
Ich selber bin in einer Schockstarre, kann mich nicht rühren und nicht klar denken. Meine Gedanken rasen umher, suchen verzweifelt nach Auswegen, während mein Körper still steht, sich nicht rühren kann.
Doch meine Seele handelt. Blitzschnell und voller Sehnsucht stürzt sie auf den Mann, gräbt nach seiner Seele, um sie zu lesen. Fassungslos lasse ich meine sie ziehen, überlasse ihr die komplette Kontrolle über meine Gabe.
Ich spüre, was er spürt.
Ich sehe, was er sieht.
Unglaubliche Schreie dröhnen über das menschenleere Rapsfeld, teils von dem Fremden, teils von mir. Ich kann nicht mehr zwischen seinem und meinen Körper unterscheiden, denn ich bin er. Ich bin tief in seiner Seele verankert.
Erzähl ihm alles! Belehre ihn! Zeig ihm alles, was er ist!
Ich spüre, wie mein Körper beginnt, sich zu bewegen, meine Beine rennen fort, so schnell wie noch nie.
„Du widerliche...", erklingen hinter mir die Schreie des Mannes, seine kontrollierte, mächtige Stimme hat sich zu verzweifelten Rufen entwickelt. Ich sehe ihn nicht. Aber ich weiß, wie er gerade aussieht. Er hat keine Kraft mehr, liegt vielleicht am Boden, weint.
Ich habe ihn mit sich selber konfrontiert und die meisten Menschen können das nicht, wollen das nicht.
Meine Seele ist wieder tief in mir, denn sie hat die des Mannes losgelassen. Sie hat genug angerichtet. Fast schon unschuldig sitzt sie nun in mir, ihre Gier ist für's erste befriedigt. Doch ich spüre noch den Nachgeschmack der Seele des Fremden. Ich spüre noch einen Hauch dessen, was er gefühlt hat, als er mich angesehen hat.
Todesangst.
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