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»Noch einen Whiskey, Sir?«
Die Stimme des Barkeepers bohrte sich unangenehm in seine Gedanken. Er saß jetzt schon geschlagene drei Stunden hier in dieser anrüchigen Bar, weil er nicht wusste, wohin mit sich. Weil er gehofft hatte, hier vielleicht doch ein wenig Zerstreuung zu finden.
Die Weihnachtstage in Norwich waren so weit ab von der Realität gewesen, dass er jetzt etwas unsanft in diese zurückgefallen war. Er, der ja nicht unbedingt an Liebe oder gar rosarote Romantik glaubte, vermisste seit seiner Rückkehr nach London etwas.
»Verdammt«, fluchte der Vampir ungehalten und nickte dem Mann hinter dem Tresen zu, der ihm daraufhin nachschenkte.
Wenn der Alkohol wenigstens eine Wirkung zeigen würde, dann wäre die ganze ausgelassene Stimmung um ihn herum besser zu ertragen, da war er sich sicher. In wenigen Stunden stand der Jahreswechsel an und die Menschen feierten schon ausgiebig. Was zum Teufel machte er, Hiram, eigentlich hier, in dieser Kaschemme? Er ließ den Blick schweifen, trank sein Glas auf ex und stand auf.
Der Barkeeper kam sofort angelaufen, als ob er Angst hätte, dass sein Gast ohne zu bezahlen das Weite suchen würde. Als hätte er das nötig.
Hiram verdrehte genervt die Augen, gab dem Mann sein Geld und machte, dass er aus der Bar herauskam.
Draußen empfing ihn das typische englische Sauwetter. Obwohl, nicht ganz, denn es regnete nicht. Dafür war es neblig und ungemütlich. Der Schnee, der sich erstaunlicherweise tagelang gehalten hatte, war, bis auf ein paar unansehnliche Haufen am Straßenrand, weggetaut. Hiram schlug den Kragen seines Mantels hoch, zog den Schal vor Nase und Mund und vergrub die Hände tief in den Taschen. So lief er durch die Straßen und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Alleine zu Hause zu sitzen, danach stand ihm nicht der Sinn, aber eine andere Bar war auch nicht das, wonach ihm jetzt war. Er war gereizt, konnte für sich selbst gerade keine Garantie übernehmen, dass er nicht ausrasten und jemanden in Stücken reißen würde, wenn man ihm dumm kam. Hiram seufzte. Also war es wohl doch am besten, nach Hause zu gehen ...
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»Bennett, wo treibst du dich rum?«
Scotts Stimme hatte einen unnatürlich schrillen Ton, was Alex innerlich die Augen verdrehen ließ. Sein Kumpel hatte jetzt schon ein paar Bier zu viel intus und der junge Hexer hoffte, dass ihm das später nicht ein Date mit der Kloschüssel bescheren würde. Andererseits, warum zerbrach Alex sich den Kopf darüber? Scott war alt genug und für seine Taten selbst verantwortlich.
»In der Küche«, rief Alex zurück, während er die Schüsseln mit Nudel- und Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank holte.
»Uiii, das sieht gut aus. Ich hab Hunger.«
»Du wartest gefälligst, bis die anderen da sind«, brummte der junge Hexer und schlug dem Anderen auf die Finger.
»Aua«, heulte der theatralisch.
Alex zog eine Augenbraue hoch und musterte Scott, bevor er ihn wortlos wieder aus der Küche schob.
Sie hatten ein paar Freunde eingeladen und damit es keinen Unfrieden im Haus gab, wegen Lautstärke und anderer Dinge, die anderen Bewohner gleich mit. Von den sechs Mietparteien waren sowieso nur zwei über den Jahreswechsel hier und die würden nicht kommen, da war Alex sich sicher. Aber sie hatten vorgesorgt, denn auf dauerndes Geklopfe wegen Geräuschbelästigung hatte der junge Mann keine Lust. Er war sowieso unleidig und innerlich unruhig, seit er von seinem Weihnachtsurlaub zurück war und ein falsches Wort konnte ihn auf 180 bringen. Am liebsten hätte er sich irgendwohin verzogen, alleine.
Scotts Kopf tauchte erneut im Türrahmen auf. »Kommt dein Lord eigentlich auch?«
»Nein!«
»Nicht? Das ist aber blöd. Vielleicht wärst du dann besser zu ertragen, Bennett.« Der Blonde lachte und wich dem Becher aus, den Alex nach ihm warf und der mit einem Knall an der Wand hinter ihm in tausend Stücke zersprang.
»Halt einfach die Klappe«, knurrte der junge Hexer und nahm einen Handfeger, um die Scherben zusammenzukehren.
Scott lachte nur noch mehr. »Ruf ihn an und sag ihm, er soll herkommen. Deine Launen sind ja nicht zu ertragen. Ein guter Fick soll da helfen.«
Alex starrte seinen Kumpel an. »Du sollst die Schnauze halten.«
»Nöööö ...«, flötete Scott und grinste breit. »Ruf ihn an.«
Schnaubend brachte der Hexer die Scherben in den Mülleimer, bevor er sich an die Arbeitsplatte lehnte und den Anderen musterte.
»Ich kann ihn nicht anrufen.«
»Wieso kannst du ihn nicht ...? Oh Mann, willst du mir erzählen, du hast seine Nummer nicht?«
Alex nickte. »Richtig, ich hab sie nicht, genauso wenig wie seine Adresse.«
Nach dem verlängerten Weihnachtswochenende hatte Alex Hiram mit zu sich genommen und am nächsten Morgen hatte der sich ein Taxi gerufen und war verschwunden. Seitdem herrschte Funkstille, obwohl der Unsterbliche Alex' Handynummer hatte.
Scott schüttelte den Kopf. »Ihr habt sie beide nicht alle. Sorry.«
Damit drehte er sich um und verschwand mit seiner Bierflasche im Wohnzimmer.
Der Hexer sah ihm nach und seufzte. »Ja, ich weiß.«
Er gab seinem Kumpel vollkommen recht, aber Hiram hatte nun mal alle Stricke in der Hand und er, Alex, konnte nur hoffen, dass der Vampir sich meldete.
Schön blöd.
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Zwei Stunden später waren die Freunde der beiden eingetroffen und der Salat fand regen Anklang - der Alkohol sowieso. Jeder, der eingeladen war, hatte noch ein, zwei Leute mitgebracht und so war die Bude rappelvoll.
Die Wohnungstür stand offen, damit nicht dauernd einer hinlaufen musste - wenn man die Klingel überhaupt hörte, denn die Musik lief natürlich nicht auf Zimmerlautstärke. Die Haustüre hatten die Jungs entriegelt und so konnte jeder ins Haus, der zur Party wollte.
Alex lehnte am Fenster und beobachtete die anderen. Ihm war auch nach der dritten Flasche Bier nicht nach Feiern zumute und hätte er Hirams Adresse gehabt, wäre er wohl schon auf dem Weg dahin. Der junge Hexer seufzte leise.
»Was ist los mit dir? Du bist heute eine richtige Spaßbremse.«
Alex wandte den Blick in Richtung der Stimme und lächelte milde. »Ich weiß, Caro. Mir ist nicht nach dem ganzen Rummel hier. Keine Ahnung.«
Caroline, eine seiner besten Freundinnen seit Jahren, strich ihm über die Wange. »Wenn du reden willst, ich bin da.«
»Ich weiß, aber mir ist auch nicht nach reden. Eigentlich will ich nur alleine sein.«
Die junge Frau nickte. »Gut, dann werd ich das mal respektieren.«
Alex sah ihr nach, als sie sich wieder zu den restlichen Leuten gesellte, bevor ein Ruck durch seinen Körper ging. Okay, er war mies gelaunt, er vermisste den blöden Vampir, der es nicht für nötig befand, sich mal zu melden, aber sollte er sich darum den Abend vermiesen lassen?
Nein!
Alex löste sich aus der Ecke am Fenster und ging zu den anderen hinüber. Er nahm Scott den Joint, den dieser sich gerade angezündet hatte, aus dem Mund und machte einen tiefen Zug.
»Hast du dich doch eines Besseren belehren lassen?«, lallte der Blonde und grinste breit.
Alex nickte und ließ sich auf das Sofa fallen, wobei er einen weiteren Zug nahm. Das Gras und der Alkohol würden schon ihr Übriges tun, damit er nicht in Melancholie versank. Oder vielleicht erst recht ... Aber das würde er dann schon merken.
Vielleicht sollte er sich später noch irgendwen für ne Runde Sex klarmachen. So angetrunken oder bekifft, wie die anderen schon waren, sollte das kein Problem werden und außerdem wusste er von mindestens zwei, die sofort mitmachen würden - ganz ohne Verpflichtungen. Vielleicht sollte er, Alex, einfach zu seiner gewohnten Routine zurückkehren und sein Leben genießen, ohne nach irgendetwas oder -wem zu fragen. Ohne Reue. Womöglich wäre das das Beste.
Die Zeit verstrich und es war nicht mal mehr eine halbe Stunde bis Mitternacht. Mittlerweile waren so viele fremde Leute auf der Party eingetrudelt, dass Alex sein Zimmer abgeschlossen hatte, damit sich dort keine Pärchen zurückziehen konnten. Darauf hatte der junge Mann nämlich gar keine Lust, außer, er wäre vielleicht dazu eingeladen mitzumachen.
Die Luft in der Wohnung war zum Schneiden dick vom Rauch der Zigaretten und irgendwie hatte Alex plötzlich das Bedürfnis, den Raum zu verlassen. Unbemerkt von den anderen huschte er hinaus auf den Balkon.
Alex sog die kühle Luft tief in seine Lungen. Sein Atem bildete kleine Wölkchen vor seinen Lippen und der junge Mann war froh, dass er nicht wie einige andere seinen Pullover ausgezogen hatte. So war es zwar kalt, aber für eine Weile ließ es sich aushalten.
Ein Gefühl von Frustration breitete sich erneut in seinem Inneren aus, welches er vorübergehend hatte ausschalten können. Jetzt, alleine hier draußen, traf es ihn wieder mit voller Wucht.
Warum hatte Hiram sich nicht gemeldet? Hatte ihm ihre gemeinsame Zeit in Norwich so viel weniger bedeutet als ihm selbst? Und warum war er, Alex, nur so ein Idiot und hatte sich die verdammte Nummer des Unsterblichen nicht geben lassen?
Der junge Hexer lehnte sich auf die Brüstung und stöhnte genervt auf, als sich die Balkontür öffnete.
»Könnt ihr mich nicht mal einen Moment in Ruhe lassen? Ist das so schwer?«, knurrte er und schloss die Augen.
Im nächsten Augenblick allerdings stutzte er, als ihm der Geruch von Rosmarin in die Nase stieg. Das konnte nur eine Sinnestäuschung sein.
Wahrscheinlich doch zu viel gekifft, dachte er seufzend.
Doch dann legten sich Hände auf seine Hüften und drehten ihn langsam um. Alex öffnete die Lider und sein Blick traf auf blaue Augen.
Einen kurzen Moment war der junge Hexer wie erstarrt, bevor er die Arme um den Nacken seines Gegenübers schlang und seine Nase an dessen Hals vergrub.
»Du bist hier. Ich dachte ...«, er brach ab, weil er hörte, dass seine Stimme leicht zitterte.
»Dass ich dich abserviert habe?«, vervollständigte Hiram den Satz und zog den Hexer an sich. »Nein, das hab ich nicht.«
Alex klammerte sich regelrecht an den Vampir, als ob er Angst hatte, dass dieser sich in Luft auflösen könnte. Hiram schmunzelte und ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. Der Unsterbliche hatte seine Zweifel gehabt, ob es richtig war, hierher zu fahren, aber die Reaktion des jungen Mannes hatte ihn überzeugt und gleichzeitig auch überwältigt. Damit hatte er nicht gerechnet.
Das hier war zwar nur eine weitere Momentaufnahme in ihrer beider Beziehung und Hiram konnte nicht sagen, wie es weitergehen würde und ob überhaupt, aber ... er musste zugeben, dass er sich gerade einfach nur verdammt wohlfühlte.
Das Krachen des Feuerwerks riss die beiden Männer aus ihrem harmonischen Moment.
Alex machte einen halben Schritt zurück, ohne die Arme vom Nacken des Vampirs zu lösen. »Frohes Neues Jahr, Darling«, schnurrte er lächelnd.
»Frohes Neues Jahr, Alexander«, erwiderte Hiram leise, bevor er die Lippen des jungen Hexers mit seinen verschloss.
•*¨*•.¸¸Eɴᴅᴇ¸¸.•*¨*•
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