Kapitel 26: In verirrenden Tiefen
Gemeinsam betraten wir das Zentralgebäude des ZRP durch den Hintereingang. Ich löste den Keil, mit dem ich die schwere Tür festgeklemmt hatte und sie fiel mit einem endgültigen dumpfen Schlag ins Schloss.
Direkt zu unser linken war das Treppenhaus. Die Stufen hinauf in den ersten Stock waren mit dunklem Holz verkleidet, das auch dem Fußboden des Flurs entsprach. Die Stufen hinab jedoch bestanden aus blanken Beton und vermittelten schon vom Treppenabsatz aus einen kellerartigen Eindruck. Eine dünne Kette war davor gespannt. Keine große Barriere, aber eine Verdeutlichung, dass der Weg in den Keller nicht für jedermann bestimmt war.
Ich atmete tief durch und warf einen kurzen Blick zu Katsuki. Dieser hatte angespannt die Zähne zusammengebissen, während er die Umgebung musterte. Doch niemand war da. Niemand sah die beiden Fremden, die nicht hierhergehörten.
Doch natürlich konnte das jeden Augenblick geschehen. Wie auf ein unsichtbares Signal hin, machten wir uns beide auf den Weg zum Treppenabsatz und stiegen schnell über die dünne Kette. Hastig liefen wir die ersten Stufen hinunter, um aus der Sichtachse des Flures zu gelangen.
Erst ein Treppenpodest tiefer hielten wir kurz inne, um uns zu orientieren. Es war verblüffend, was nur ein Stockwerk, geschätzte drei Meter Höhe, für einen Unterschied machen konnten. Die Betonstufen hatten schon verraten, dass hier ein neuer Abschnitt des Gebäudes begann. Doch anstatt wie vermutet den Eindruck eines Kellers zu vermitteln, war der Beton nun glattpoliert und wirkte zusammen mit den eingelassenen Leuchtstreifen fast klinisch steril.
Stirnrunzelnd wandte ich mich um und auch Katsuki scannte die Umgebung ab. Doch abgesehen von den dämmrig blauen Leuchtstreifen, die hier begannen, war nicht viel zu sehen. Kein Flur, nur der nächste Treppenabsatz. Ich lehnte mich an das Geländer und spähte das Treppenauge hinunter.
Ein paar Etagen konnte ich durch die schwache Beleuchtung der Streifen am Boden erkennen, doch dann versankt alles in tiefer Dunkelheit. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass diese Stufen tief unter die Erde führten.
Ich drehte mich zu Katsuki um. „Ich schätze uns bleibt nichts anderes übrig als einfach den Stufen zu folgen", flüsterte ich. Katsuki warf einen letzten Blick die Stufen hinauf – die letzte Chance das Vorhaben abzubrechen – dann nickte er grimmig und begann entschlossenen Schrittes weiter die Treppe hinunter zu gehen. Ohne zu zögern folgte ich ihm.
Kurz darauf fanden wir uns in beinahe vollkommender Dunkelheit wieder. Nur durch die Beleuchtung der Stufen fanden wir noch unseren Weg hinab. Ich hörte Katsukis leisen Atem neben mir und fragte mich, wie lange diese Stufen noch führen würden. Es ging einfach nur tiefer. Und tiefer.
Plötzlich jedoch packte Katsuki meinen Arm. Ich musste ein erschrockenen Laut unterdrücken. Angespannt sah ich mich um und erkannte dann, warum Katsuki mich angehalten hatte. Ich war in Begriff gewesen hinunterzugehen, ohne zu bemerken, dass bei diesem Treppenabsatz erstmals weitere Leuchtstreifen in einen Flur führten.
Katsuki löste den Griff um mein Handgelenk, nur um seine Hand mit meiner zu verschränken. „Wir sollten nachsehen", flüsterte er leise.
Auch wenn es in der Dunkelheit für ihn mit Sicherheit kaum zu erkennen war, nickte ich und drückte kurz seine Hand, ehe wir zusammen vorsichtig in den Flur eintraten.
Ein Sirren erklang. Nicht laut, dennoch laut genug, um mich in der Dunkelheit zu erschrecken. Dann sprang die Neonleuchte an, von deren Bewegungssensor wir anscheinend erfasst wurden. Katsuki zuckte ebenfalls zusammen. Dann, als hätten wir eine Kettenreaktion ausgelöst, wurde der Flur von mehr und mehr Leuchten erhellt.
Mit rasendem Herzen wartete ich darauf, dass eine Art Alarm losging. Für einige Sekunden standen wir beide wie erstarrt da. Doch nichts passierte. Nichts war zu hören, außer dem leisen Sirren der Elektronik. Ich spürte wie Katsuki mir einen kurzen Seitenblick zuwarf und ich nickte leicht.
Gemeinsam gingen wir in den Flur hinein. In weiten Abständen reihten sich stählende Türen den Flur entlang. Es hingen keine Schilder daran, die verrieten, was sich in den Räumen dahinter befand. Lediglich große Zahlen, mit roter Farbe auf dem Metall aufgemalt, nummerierten sie.
Nachdem wir eine ganze Reihe davon passiert hatten, blieb ich zögernd stehen. Der Gang wirkte verlassen. Das war in der Hinsicht, dass wir nicht entdeckt wurden natürlich gut, aber gleichzeitig bedeutete das, dass hier nicht viel zu holen war. Ich ließ Katsukis Hand los, um ein Ohr an eine der Türen zu legen. Nichts war zu hören.
Ich warf Katsuki einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Soll ich versuchen die Tür zu öffnen?"
Ich wusste, dass es ein Risiko bedeutete es zu versuchen. Die Tür könnte alarmgesichert sein und unser Unternehmen würde ein plötzliches Ende finden. Doch ich sah keinerlei Kontrollgeräte. Da war kein Schlitz oder eine Auflagefläche für einen elektronischen Chip. Und auch Sensoren für Personenerkennung wie eine Kamera oder ein Fingerabdrucksensor waren nicht zu sehen. Da war nur ein Schloss. Ein einfaches Schloss, in das ein einfacher Schlüssel gehörte.
Als ich Katsukis scharfen Blick ebenfalls die Tür abscannen sah, musste ich ein wenig lächeln. „Versuch es", sagte er leise. „Ich will wissen, was sie hinter diesen fucking starken Türen verstecken."
Ich atmete tief durch und legte eine Hand an den stahlverstärkten Türgriff und betätigte die Klinke. Sie ließ sich nur schwer drücken, weshalb ich schon dachte die Tür wäre wirklich abgeschlossen, doch dann ging ein Ruck hindurch und ein Zischen erklang. Katsuki trat angespannt neben mich, um einen Blick ins Innere zu erhaschen.
Ich lehnte mich mit aller Kraft zurück, um die Tür weiter zu öffnen. Dabei offenbarte sich wie dick das Türblatt eigentlich war. Ich bewegte gerade ganzen dreißig Zentimeter dicken Stahl. Ächzend ließ ich die Klinke los und spähte an Katsukis Seite hinein.
Dunkelheit. Schon wieder.
Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, welche Gefahren es wohl mit sich bringen würde einfach hineinzugehen, als Katsuki unerschrocken einen Schritt hineintat.
„Kat!", wies ich ihn leise zurecht.
Doch Katsuki warf mir nur ein überlegendes Grinsen zu. „Es gab keinen Alarm. Nicht als wir den Flur betraten und auch nicht, als wir die Tür geöffnet haben. Dieser Trakt ist verlassen. Dann wir können uns auch umsehen."
Ich atmete tief durch. „Werde nicht wagemutig ...", brummte ich und folgte ihm dann. Nach einer kurzen Suche fanden wir einen Lichtschalter. Staunend sahen wir uns um.
In dem ersten Teil des Raumes waren allerlei elektronische Geräte und Monitore zu finden. Vage erinnerte es ich mich an das kleine Labor in meinem Haus in der Zukunft. Doch das hier war – mir fiel kein besserer Begriff ein – Hightech. Diverse Kontrollgeräte waren an einen Stuhl angeschlossen. Ich ging stirnrunzelnd darauf zu. Die Elektroden, die an dem Kopfteil befestigt waren, sahen unangenehm aus. Wozu war das gut?
Ich hob wieder den Blick und sah in den zweiten Teil des Raumes. Er war durch eine dicke Glaswand abgeteilt. Eine Tür war darin eingelassen, die momentan angelehnt war. Doch die dicken Stahlbeschläge und die mehrfache Verriegelung deutete darauf hin, dass dahinter etwas weggeschlossen werden konnte. Außerdem war auf der anderen Seite der Wand ein identischer Stuhl angebracht worden.
Ich verzog das Gesicht und sah zu Katsuki. „Das sieht irgendwie nicht sonderlich sympathisch aus", stelle ich trocken fest.
Katsuki zuckte mit den Schultern. „Was hast du erwartet?" Er ließ den Blick nochmal kurz durch den Raum schweifen. „Lass uns gehen. Wir müssen weiter."
Ich nickte und gemeinsam verließen wir diesen Raum. Wir schalteten das Licht aus und schlossen die Tür. Dieser Flur schien zwar verweist zu sein, dennoch sollte man nicht schon von Weitem sehen können, dass jemand hier gewesen war.
Wir folgten dem Flur und kamen schließlich zu einer Abzweigung.
„Wo lang?", flüsterte ich unsicher.
Katsuki sah sich aufmerksam um, zuckte dann aber mit den Schultern. „Es gibt keinen fucking Hinweis, daher kann jede Richtung potentiell falsch oder richtig sein." Ich zog eine Augenbraue hoch. Katsuki rollte mit den Augen und ging nach dann nach links. Ich folgte ihm.
Eine Weile irrten wir umher. Es sah alles gleich aus und wir erleuchteten einen Flur nach dem anderen, indem wir sie betraten. Es verlor allmählich seinen Schrecken, da wir keiner Menschenseele begegneten.
Doch dann war da ein Flur, der bereits beleuchtet war. Katsuki und ich bemerkten ihn beinahe gleichzeitig und blieben stehen. Er lag rechts von uns. War noch jemand anderes hier oder waren wir vielleicht sogar im Kreis gelaufen?
Ich hielt meinen Atem an und lauschte. Katsuki hatte wieder die Zähne zusammengebissen und stierte in Richtung des Ganges. Und dann waren da Schritte. Wir waren nicht allein.
Ein kurzer Blick zu Katsuki genügte und er verstand. Langsam schlichen wir auf den Gang zu. Die Schritte führten von uns weg und wir warteten, bis sie verklungen waren. Vorsichtig spähte ich in den Flur.
Der Flur sah genauso aus wie der Rest der Flure hier. Dieselben Metalltüren mit den rot aufgemalten Nummern daran. Die erste Tür begann mit der Nummer 243.
„Was machen wir jetzt?", flüsterte ich so leise wie es mir möglich war.
Auf Katsukis Gesicht hatte sich ein grimmiges Grinsen breit gemacht. „Wir gehen weiter. Genau deswegen sind wir doch hier." Ich nickte und gemeinsam betraten wir den Flur.
Unsicher ging ich auf eine der Türen zu und versuchte sie zu öffnen. Doch diesmal war sie verschlossen. Ich legte ein Ohr an die Tür und atmete langsam aus, während ich mich konzentrierte. Und tatsächlich hörte ich etwas. Leise, kaum wahrzunehmen hörte ich ein Scharren... Schritte ... ich war mir nicht sicher.
Stirnrunzeln ging ich zur nächsten Tür, und auch dort hörte ich leise Geräusche. Ich wandte mich an Katsuki.
„In diesen Räumen ist etwas ..." Ich biss mir auf die Lippen. „Meinst du hier sind die Leute gefangen, die das ZRP für gefährlich hält?" So wie Katsukis Mutter ...
Katsukis Blick verfinsterte sich, doch bevor er antworten konnte, wisperte eine leise Stimme durch den Flur. Eine Stimme, die mir Gänsehaut beschaffte.
„Hervorragend, junger Kirishima. Dabei dachte ich, dass Bakugou der Schlaue von euch beiden wäre..."
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