Kapitel 21: Von Anfang an...
Im Gegensatz zu meinem Sprung in die parallele Zeitlinie, bemerkte ich meine Rückkehr kaum. Doch dies lag einfach nur an meinen Emotionen, die mich überwältigten. Zitternd und weinend lag ich da, kaum bewusst, dass ich mich längst wieder in meiner eigenen Zeit befand.
Die Trauer um Katsuki dieses anderen Ichs hatte mich geradezu ins bodenlose gerissen. Zusammen mit der Angst davor, dass es wieder passieren könnte, versetzte sie mich in einen beinahe hysterischen Zustand. Erst als ich immer und immer wieder meinen Namen hörte, fand ich allmählich in die Gegenwart zurück.
„Eiji! Eijirou!", hörte ich Katsukis besorgte Stimme direkt neben mir rufen.
Meine Augen flogen auf. Meine Sicht war von Tränen verschwommen und mir entwich nichts weiter als ein erstickter Laut. Ich lag noch immer auf dem Sofa und sah Katsuki neben mir sitzen. Ich tastete nach ihm, wollte ihn berühren und sicher gehen, dass es ihm gut ging. Katsukis Hand griff wieder nach meiner. Ich atmete erleichtert aus und schloss wieder die Augen, während ich mich nur auf seine warme Hand konzentrierte.
Katsuki legte sich zu mir und ich konnte dem Drang nicht widerstehen mich an ihn zu kuscheln. Seine andere Hand fuhr beruhigend über meinen Rücken und schon bald normalisierte sich meine Atmung und meine Gedanken klärten sich ein wenig.
Doch trotzdem wollte ich nicht wirklich aus dieser Umarmung heraus. Ich öffnete vorsichtig die Augen und sah zu Katsuki hinauf. Seine Augen waren geschlossen und erst jetzt nahm ich das tiefe raue beruhigende Summen wahr, das er von sich gab. Aber dennoch hatte sich eine tiefe besorgte Falte zwischen seinen blonden Brauen gebildet. Ohne darüber nachzudenken, streckte ich meine Hand, die nicht Katsukis hielt, nach seinem Gesicht aus und strich mit dem Daumen über die Furche über seiner Nase, um sie glattzustreichen.
Katsukis Augen flogen auf und sein Summen erstarb. Ich erstarrte, doch wegesehen konnte ich nicht. Seine sonst so scharfen feurigen Augen blickten mich voller Sorge und Überraschung an. Mein Blick wanderte zu seinen hellen Lippen, der Drang ihn zu küssen war mit einem Mal beinahe überwältigend.
Das Schließen einer Tür riss mich aus meiner Starre und ich zuckte ein wenig zusammen. Nana kam herein, ein Glas Wasser in den Händen. Ihr Blick war ebenfalls besorgt, doch es war auch eine gewisse Neugier darin zu erkennen.
„Geht es dir wieder besser, Kirishima?", fragte sie sanft und reichte mir das Glas.
Ich richtete mich halb auf und rückte verlegen ein wenig von Katsuki ab. Doch seine Hand ließ ich nicht los. Tatsächlich war das kühle Wasser überraschend erfrischend und belebte mich. Dennoch fühlte ich mich noch immer ein wenig leer.
„Es geht mir besser", antwortete ich mit einem leichten Lächeln. Meine Stimme klang rau und meine Kehle fühlte sich trotz des Wassers trocken an. Katsuki richtete sich neben mir ebenfalls auf und wie von selbst suchte ich wieder seine Geborgenheit, indem ich mich an ihn lehnte.
Nanas Mundwinkel zuckten nach oben, als ich Blick zwischen mir und Katsuki hin- und hersah. Momentan war mir egal, dass Katsuki und ich noch nicht über unsere Gefühle geredet hatten. Tief in meinem Inneren wusste ich, dass er genauso empfand und ich brauchte gerade einfach nur seine Nähe.
„Das ist gut", sagte Nana schließlich. „Du hast uns einen Heidenschreck eingejagt. Ich hatte ehrlich Angst, dass etwas nicht funktioniert hat und du dich vielleicht sogar verletzt hast ..."
Katsukis Griff um meine Hand wurde bei ihren Worten ein wenig stärker und ich ließ mich ein wenig mehr gegen ihn sinken. Kurz schloss ich nochmal die Augen, wollte ihnen so dringend von meinen Erfahrungen berichten und scheute mich gleichzeitig sie auszusprechen.
„Nein es hat alles funktioniert. Mehr als das eigentlich. Ich habe alles erfahren, was ich wissen wollte. Was ich wissen muss, um meine Mission zu erfüllen ... Aber eigentlich geht es um mehr. Um so viel mehr..." Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht und atmete noch einmal tief durch.
Und so begann ich von dem Brief zu erzählen. In Katsukis Anwesenheit verschwieg ich natürlich seinen Tod und damit den Hauptaspekt, warum diese zukünftige Version meiner Selbst ihn überhaupt geschrieben hatte. Doch der gesamte Rest des Briefes war mehr als ausreichend, um die beiden in eine Art gespannte Schockstarre zu versetzten.
Ich erzählte ihnen von All for One, der sich mittels der Erinnerungen die das ZRP sammelte zu einem überirdischen Wesen entwickelt und die Macht über Japan übernommen hatte. Und ich erzählte ihnen von den Gefangenen, die unter dem ZRP in Zellen saßen und die All for One als menschliche Hüllen verwenden würde.
Ich erzählte dies alles mit leiser Stimme und ohne, dass sie mich unterbrachen. Irgendwann während meines Berichtes hatte Katsuki seinen Arm um meine Hüfte geschlungen und seinen Kopf tief in Gedanken versunken auf meine Schulter gelegt.
Als ich endete, herrschte einen Moment Stille. Eine Stille, in der alle Beteiligten, inklusive mir, zu begreifen versuchten was für eine Auswirkung eine solche Machtübernahme bedeuten würde. Doch meine Gedanken fingen nur wieder an zu rasen und ich schloss stöhnend die Augen.
„Ich will nach Hause", flüsterte ich leise. Ich war erschöpft. Überwältigt von den neuen Erkenntnissen und meinen Emotionen.
Keiner der beiden widersprach. Und so stand ich auf, während Katsuki an meiner Seite bleib, eine Hand an meine Hüfte gelegt. Wir verabschiedeten uns von Nana und machten uns auf den Rückweg zum Wohnheim.
Wie schon beim letzten Mal, als wir von Nana zurückgegangen waren, schwiegen wir beide eine ganze Weile, einfach um das soeben Erfahrene zu verarbeiten. Doch diesmal wich Katsuki nicht von meiner Seite. Den ganzen Weg über, lag seine Hand auf meiner Hüfte und gab mir so das Gefühl von Sicherheit und Nähe.
„Ich muss da rein", flüsterte Katsuki schließlich, als wir zwischen den Bäumen im Park entlanggingen.
Ich versteifte mich und blieb stehen. „Bitte tu das nicht", flehte ich leise.
Katsuki sah stirnrunzelnd zu Boden und wendete sich mir dann langsam zu. „Du weißt, dass sie meine Mutter mitgenommen haben. Nachdem, was du mir soeben erzählt hast, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie noch lebt. Ich kann doch nicht untätig herumsitzen, wenn sie dort feststeckt! Außerdem dürfen wir nicht zulassen, dass dieser All for One tatsächlich an die Macht kommt!"
In Katsukis Augen brannte das Feuer des Tatendranges. Normalerweise hätte ich ihn dafür bewundert, doch gerade machte es mir einfach nur Angst. Ich wandte den Blick ab und biss mir auf die Lippen. Meine Gedanken rasten. Ich wollte ihn irgendwie aufhalten, wusste jedoch, dass ihn kaum davon abbringen würde seine Mutter zu retten. Und das wäre auch nicht richtig,
„Bitte..." Das war das einzige Wort, das mir einfiel. Ich sprach es leise und hoffte, dass er verstand, wie wichtig mir das Anliegen war.
Doch Katsuki legte mir eine Hand an die Wange und zwang mich so ihn wieder anzusehen. Wieder war da diese Falte zwischen seinen Augenbrauen. „Sag mir warum ich nicht gehen sollte."
Meine Kehle war trocken. „Weil es zu gefährlich ist", flüsterte ich schließlich mit rauer Stimme.
„Eijirou ich muss dahin! Verstehst du nicht? Es geht hier um meine Mutter. Aber gleichzeitig auch um so viel mehr als meine persönlichen Konflikte mit dem ZRP! Das hier geht die gesamte japanische Bevölkerung was an! Jemand muss etwas tun!"
„Ich weiß! Ich bin doch auch der Meinung, dass sich jemand dem ZRP stellen muss! Darum geht es doch gar nicht"
„Worum verdammt geht es dann?"
„Es geht um dich!" Ich schrie ihm die Worte förmlich ins Gesicht. Erst in diesem Moment war mir klar geworden, dass wir mit unserer Diskussion immer lauter wurden und wir uns an einem öffentlichen Ort befanden. Schnell sah ich mich um und stellte erleichtert fest, dass es an diesem kalten windigen Herbsttag wenig Leute in den Park verschlagen hatte. Dann wandte ich mich wieder Katsuki zu und sah ihm verzweifelt in die Augen. „Bei meiner Mission ging es von Anfang an um dich."
Katsuki Augen wurden einen Moment groß, doch dann lächelte er leicht. „Das weiß ich doch."
„Wa-Was?", fragte ich perplex.
Er strich mir über die Wange, mit einem Mal einen sehr sanften Ausdruck in den Augen. „Ich habe schon lange so etwas in die Richtung geahnt, da du so verschwiegen in diesem einen Punkt warst, obwohl du mir doch alles andere erzählt hast. Und als du mich dann rausgeschickt hast, um Nana von allem zu erzählen, ist bei mir endgültig der Groschen gefallen."
Ich blickte zu Boden und biss mir auf die Unterlippe. „Verstehst du jetzt, warum ich dich nicht einfach gehen lassen kann?"
Katsuki Stimme war leise und bewegt, als er darauf antwortete. „Dann komme mit mir."
Vorsichtig schaute ich wieder hoch. Katsuki war mir so nahe, dass mir beinahe der Atem stockte. Ich sah seinen Blick zu meinen Lippen flackern und ich leckte mir instinktiv über die Lippen. Mein Herz schlug mit einem Mal verdammt schnell.
„Okay", flüsterte ich.
Dann spürte ich Katsukis Lippen auf meinen.
Der Kuss war sanft und fragend und einen Moment lang konnte ich mich auf nichts anderes konzentrieren, als Katsukis warme Lippen. Ich legte meine Arme um seinen Hals und zog ihn noch ein wenig dichter an mich.
Als wir uns voneinander lösten, war es so, als hätte jemand die Welt wieder um mich herum angeschaltet. Auf einmal hörte ich wieder das Rauschen der Blätter über uns und die Straße am Rande des Parks.
Und dennoch konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. Katsukis Wangen waren ein wenig gerötet und seine Lippen waren einen Spalt geöffnet, während er mir in die Augen sah. Und in diesen Augen – Augen, deren Blick sonst so scharf und unnachgiebig war – sah ich mit einem Mal in aller Klarheit die Liebe, die ich auch für ihn empfand.
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