Kapitel 18: Hoffnungsschimmer
Nana Shimura hatte auf den ersten Blick ein wenig distanziert und streng gewirkt. Aber es stellte sich heraus, dass dies ein vollkommen falscher Eindruck war. Sie hatte sich einfach nur vollkommen der Friedensidee von All for One verschrieben und war daher am Anfang etwas vorsichtig gewesen. Aber nachdem sie sicher war, dass wir dieser Idee nicht feindlich gegenüberstanden, stellte sich heraus, dass sie eigentlich sehr fröhlich war und viel lächelte.
Wir hatten uns zusammen im Wohnzimmer auf die Couch gesetzt und erzählten einfach ein bisschen, um die Stimmung zu lockern. Katsuki hielt sich zurück, aber ich und Nana kamen uns so ein wenig näher.
Schließlich aber sprach ich das Thema an, weshalb wir überhaupt hergekommen waren. „Bei dem Gespräch gestern, hat er mir gesagt ich solle die Zukunft verändern. Er meinte ich solle seinen Bruder aufhalten. Aber wie ich das tun soll und warum, konnte er mir nicht mehr sagen. Sein vergangenes Selbst hat seinen Körper vorher verlassen. Weißt du genaueres darüber?"
Nana sah mich stirnrunzelnd an. „Ich ... weiß gar nicht was ich sagen soll. Du weißt bereits, dass sie die Erinnerungen der Bevölkerung sammeln, auch wenn das der Grundidee von All for One widerspricht. Aber ... ich wüsste nicht, was sein Bruder damit zu tun hat. Er ist vor über 40 Jahren gestorben, lange bevor das Zeitreiseprogramm an den Start ging."
Ich starrte sie verblüfft an. „Aber ... bei ihm klang es so, als stammte die Idee von der Umstrukturierung des Programmes von ihm! Und ich bin mir ganz sicher, dass er wortwörtlich meinte, ich solle seinen Bruder aufhalten!"
Nana hob hilflos die Schultern. „Ich muss gestehen, ich kann mir das nicht erklären. Ich weiß nicht wie er das meinte. Seinen Bruder habe ich nie kennengelernt, denn er starb noch vor meiner Geburt. Und als er von ihm erzählt hat, hat er nur erwähnt, dass er Mitgründer des Zeitreiseprogramms war. Mehr kann ich dir leider nicht darüber sagen."
Katsuki räusperte sich. „Okay, es ist natürlich durchaus möglich, dass sein vergangenes Selbst Eiji besucht hat, bevor sein Bruder gestorben ist und sich die Sache damit erledigt hat. Aber wir sollten nicht vergessen mit wem wir es hier zu tun haben. Er wusste, dass Eiji die fucking Zeitlinie verändert hat. Das bedeutet, dass schon damals haben einige wenige Leute durch Seelensprünge die Datenbank mit ihren Erinnerungen bestückt haben. Denn sonst hätten er die Zukunft nicht soweit rekonstruieren können, um das mit Eiji herauszufinden. Und verdammt .... jemand der so viel Wissen darüber hat, müsste auch wissen, wenn sein Bruder in der nächsten Zeit stirbt."
Nana runzelte die Stirn. „Da hast du zwar recht, aber deshalb weiß ich leider nicht mehr darüber. Mir ist es ein absolutes Rätsel."
Ich sackte ein wenig in mich zusammen. Nana war in diesem Fall meine einzige Hoffnung gewesen. Dennoch schaute ich nach einem Moment wieder auf. „Sag mal Katsuki, würdest du mir den Gefallen tun und nach draußen gehen?" Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich auf einmal die Distanziertheit in seinen Augen sah. „Es tut mir leid, aber vielleicht kann Nana mir bei meiner Mission helfen..."
Katsuki schnalzte mit der Zunge. „Tch. Klar, vertrau ihr ruhig mehr als mir." Mir zog es das Herz zusammen, doch ich widersprach nicht. Ich konnte es ihm nicht erklären. Er stampfte aus dem Zimmer.
Nana zog eine Augenbraue hoch, während er ihm hinterher sah. Als die Tür mit einem lauten Rums zufiel, wandte sie sich neugierig mir zu. „Ich dachte deine Mission wäre es die Zeitlinie zu verändern und seinen Bruder aufzuhalten – was auch immer das nun heißen mag."
Ich kratzte mir verlegen den Hinterkopf. „Wie du weißt habe ich die Zeitlinie bereits verändert. Und zwar dadurch, dass mein zukünftiges Selbst Kontakt zu mir aufgenommen hat."
Nana beugte sich vor und sah mich interessiert an. Und so holte ich tief Luft und erzählte von dem Zettel, den ich damals im Save Space gefunden hatte. Dann berichtete ich von dem anschließenden Seelensprung und was ich alles in der Zukunft herausgefunden hatte. Auch dass es eine Zukunft war, die nicht der jetzigen Zeitlinie entsprach. Am Ende gab ich zu, wie sehr es mich all das belastete. Denn ich hatte nicht herausfinden können, was Katsuki in der anderen Zeitlinie passiert war und höchstwahrscheinlich auch in dieser passieren wird, bevor das ZRP mich vom Programm ausgeschlossen hat.
Ich vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich habe versagt. Ich glaube ich werde ihn nicht beschützen können." Auf einmal war mir nach Weinen zu Mute. Ich hatte es das erste Mal laut ausgesprochen und die Verzweiflung nagte an meinen Eingeweiden. Ich biss mir in die Lippen, um nicht loszuheulen.
Ich hörte wie Nana von ihrem Platz auf dem Sofa aufstand, um sich neben mich zu setzten. Sie legte ihre Hand auf meinen Rücken und rieb mich beruhigend zwischen den Schulterblättern. „Kirishima ... Wir kennen uns noch nicht sehr gut, aber ich kann jetzt schon sagen, dass du ein großartiger junger Mann bist. Ich bin mir sicher, dass es dir gelingen wird. Dein Freund wird schon nicht..."
„Wie soll ich ihm denn helfen können? Er ist bereits im Ausbildungsprogramm der Spezialeinheit angenommen worden. Wie soll ich ihn denn bitte unterstützen, wenn ich nicht an seiner Seite bin? Doch nur, indem ich genau weiß, was passiert! Aber ich habe keinen Zugang mehr zur Zukunft." Ich hob den Kopf und sah sie verzweifelt an.
Mitgefühl und Sorge spiegelte sich in ihrer Miene. „Was macht dich so sicher, dass es noch immer passieren wird? Schließlich hat sich die Zeitlinie verändert."
„Meine Zeitlinie hat sich verändert", korrigierte ich leise. „Aber das heißt nicht, dass es bei ihm nicht dabeibleibt. Außerdem... Es passt alles zu sehr zusammen, weißt du? Ab diesen einen Seelensprung, in dem ich die Botschaft erhalten habe, hat sich so viel verändert. Und alles, wirklich alles hängt mit dem ZRP zusammen. Ich habe meine Mission, Katsuki verfolgt seine eigene und seit gestern kenne ich noch mehr Geheimnisse über das Programm! Ich habe einfach das Gefühl, da ist etwas Großes was über allem steht. Anders kann ich es mir nicht erklären."
Nana nickte leicht. „Ich verstehe. Zugegebenermaßen glaube ich auch nicht, dass die Veränderung deiner Zeitlinie viel für deinen Freund geändert hat. Außer vielleicht du sagst es ihm konkret. Aber ... Wie soll ich es sagen... das sollte deine allerletzte Waffe sein. Du hast schon recht, dass man einer Person besser nicht sagt, wie sie stirbt. Das ... würde jeden verstören."
„Was soll ich nur tun? Ich treffe in meinen Recherchen überall nur auf Mauern und komme keinen Schritt weiter."
Nana sah mich ernst an. „Ich konnte dir zwar nicht mit deinen anderen Fragen helfen, aber es kann sein, dass ich dir bei diesem Problem helfen kann."
Überrascht sah ich sie an. „Wie das?"
Sie schwieg kurz. „Ich weiß nicht genau, wie ich das erklären soll, ohne zu tief in die Zeitreisetheorie einzusteigen. Stell dir die Zeit wie ein Baum vor. Der dicke feste Stamm ist die originale Zeitlinie. Die Zeitlinie, die über Jahrtausende hinweg seinen Weg genommen hat. Denn erst durch das Programm und das Wissen über die Zukunft war es überhaupt möglich Einfluss auf sie zu nehmen. Doch nun gibt es viele kleine Verzweigungen, wenn sich einzelne Zeitlinien durch veränderte Entscheidungen oder Handlungen verändern. Ab diesem Zeitpunkt existiert die ursprüngliche Zeitlinie noch, aber in einer Art Parallelwelt."
Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen. „Mir schwirrt der Kopf."
Nana lachte verlegen. „Es ist verwirrend. Und manchmal frage ich mich, ob das noch andere Auswirkungen haben wird. Aber für dich könnte eine Sache relevant sein: In gewissem Rahmen, wenn die Verzweigung der Zeitlinien nicht zu weit in der Vergangenheit liegt, kann man Seelensprünge dorthin machen ... gewissermaßen?"
Ich starrte sie an. „Wie soll das denn bitte funktionieren?"
Sie zögerte. „Es ist mehr Theorie als Praxis. Aber zufälligerweise ist die Zeittheorie mein Spezialgebiet. So habe ich den Erfinder des Programms auch kennengelernt." Sie zwinkerte mir zu. „Deine Seele wird die andere nicht so weit unterdrücken können, wie bei einem Seelensprung in die eigene Zukunft. Grund dafür ist, dass keine Freigabe dafür erfolgt ist. Aber ich kenne Mittel, die die Seele zumindest stark genug macht, dass du dort bei vollem Bewusstsein sein wirst. Außerdem wird das Zeitfenster deutlich kürzer sein, da es sonst viel zu viel Kraft kostet."
„Du willst mir damit sagen, dass du mich in die ursprüngliche parallele Zeitlinie schicken kannst?"
Sie nickte bedächtig. „Ich habe es zugegebenermaßen noch nie gemacht. Ich glaube niemand hat das. Ich will nicht selbstgefällig wirken, aber ich glaube, wenn es jemand kann dann ich. Du meintest, dass dein ursprüngliches zukünftiges Ich etwas vorbereitet hat, damit du Bakugou retten kannst? Dann lass uns hoffen, dass es dir genügend Informationen an die Hand gibt."
„Das klingt... alles recht vage. Aber es scheint mir die der einzige Weg zu sein, um an Informationen zu gelangen. Mehr noch, es ist überhaupt ein Weg, denn vorher hatte noch nicht einmal die Hoffnung jemals etwas darüber zu erfahren." Doch dann runzelte ich die Stirn. „Wenn es sogar möglich ist mit der Seele in eine parallele Zeit zu springen, könnte du mich nicht auch in meine eigene Zukunft schicken?"
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher wie weitreichend die Sperre, die sie dir auferlegt haben, ist. Vielleicht kann man sie brechen, vielleicht auch nicht. Aber da du so im Visier des ZRPs bist würde ich das nicht riskieren. Das könnte Konsequenzen haben, die ich nicht absehen kann."
Lange sahen wir uns an, bis ich langsam nickte. „Okay. Ich wäre bereit es zu versuchen. Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte."
Nana lächelte mich an. „Ich bin froh, dass ich dir helfen kann. Hoffen wir nur noch, dass es funktioniert." Sie drückte mich einmal fest.
Erleichterung durchströmte mich. Das erste Mal seit einer ganzen Weile verspürte ich wieder so etwas wie Hoffnung. Das erste Mal tat sich ein Weg vor mir auf. Ein Weg Katsuki zu retten.
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