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Lese-Tag 7/9
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Am nächsten Tag blieb ich zu Hause. Ich hatte einfach nicht genug Kraft, um in die Schule zu gehen. Ich verbrachte den Tag damit irgendwelche Serien auf Netflix zu schauen und mich dazu zu zwingen nicht an den nächsten Morgen zu denken. Irgendwann gegen 18 Uhr kam Sebastian und ließ sich neben mich in das Bett fallen. «Na du, alles gut?» fragte er grinsend. Ich sah ihn nicht an, sondern antwortete nur leise: «Nein, aber das ist nicht wichtig. Hauptsache du bist hier.» Er seufzte auf und zog mich in eine Umarmung. Ich genoss seinen Geruch so sehr. Er war einfach unverwechselbar und einfach wunderschön. Ich wollte ihm am liebsten für immer riechen können, doch das würde ich nicht. «Es wäre für mich so viel einfacher, wenn du mir erzählen würdest, was dich so zerstört», hauchte er mir besorgt zu. Ich schüttelte nur den Kopf. Nein es wäre nicht alles einfacher. Für ihn wäre es nur viel schlimmer. «Können wir einfach irgendwelche Sachen auf Netflix gucken und die Zeit zusammen einfach genießen?», fragte ich ihn leise, damit ich mir über das alles keine Gedanken machen musste. Er nickte und ich schaltete The Big Bang Theory an. Es war irgendwie nicht die beste Wahl, da mir nicht zum Lachen zumute war, aber es war besser als jede Heul-Serie. Während wir das schauten, begann Sebastian Muster auf meinen nackten Arm zu malen. Es war schöne. Seine Berührungen waren einfach sehr angenehm. So verbrachten wir den gesamten Abend bis ich schließlich an seine Brust gelehnt einschlief.
«Felix, aufstehen wir müssen... Oh, Sebastian, was machst du denn hier?», weckte mich die Stimme meiner Mutter. «Ich habe hier geschlafen», antwortete der Junge neben mir verwirrt. Ein Seufzen der Frau, die im Türrahmen stand, erklang: «Er hat es dir also nicht gesagt.» Schnell schlug ich meine Augen auf und sah in die Gesichter der beiden. «Was hast du mir nicht gesagt?», wollte nun Sebastian irritiert von mir wissen. «Mama, kannst du bitte einfach gehen. Wir kommen gleich runter.» Sie tat worum ich sie gebeten hatte und verließ das Zimmer.
«Felix, was ist los?», fragte Sebastian wieder unsicher. Ich wollte es ihm nicht sagen. Es würde ihm einfach so schlecht gehen. Langsam stand ich auf und ging auf meinen Schreibtischstuhl zu, auf dem ich mich dann auch niederließ. «Rede doch mit mir», forderte der Junge, der Oberkörperfrei in meinem Bett saß, auf. Ich seufzte und sah an die Decke. Dann erhob ich meine zitternde Stimme: «Man Sebastian, ich ziehe weg. Nach München. Wir... ich habe eine Anfrage von Bayern bekommen und mein Vater war der Meinung ich müsste sie annehmen. Und... ach man ich will nicht weg von hier oder eher von dir.» Sebastian sah mich bestürzt an. «Aber... du kannst mich doch nicht alleine lassen. Ich brauche dich doch», während er sprach wurde seine Stimme immer brüchiger und ihm fingen an Tränen über die Wangen zu laufen. Diese ganze Situation brachte auch mich zu Weinen. «Wann geht es los?», fragte er mit gebrochener Stimme. Ich sah ihn traurig an. «Ungefähr jetzt», murmelte ich möglichst leise. Irgendwie hoffte ich, dass er es nicht gehört hatte, doch sein verzweifelter Aufschrei verreit etwas anderes. Er fing an zu schluchzen und zu schreien: «Warum? Du hättest es mir doch sagen können. Wir hätten wenigstens noch so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen können. Und ich Idiot war auch noch über Nacht bei Stella und nicht bei dir. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich natürlich mit dir die Schule geschwänzt. Ach man, Felix. Lass mich nicht alleine. Ich liebe dich doch.» Ich musste schlucken und sah ihn an: «Wenn ich es dir erzählt hätte, wäre die Stimmung aber noch schlimmer gewesen als eh schon. Es war schon irgendwie gut so. Auch wenn ich selber gerne mehr Zeit mit dir verbracht hätte.» Er weinte noch mehr und sah mich an. «Felix, ich wollte mit dir mein gesamtes Leben verbringen. Und jetzt sind uns nur so wenige Monate geblieben.» Jedes Wort, das er sagte, machte das Loch in meiner Brust noch größer. Ich wollte gerade noch etwas erwidern, doch da erklang die Stimme meines Vaters von unten: «Wir müssen los, Felix!» Ich sah Sebastian an, der immer noch am Boden zerstört war. Ich stand auf und ging zu meinem fast leeren Kleiderschrank. Dort lag nur noch ein Stapel mit Hoodies von Sebastian, den ich griff. Es tat weh ihm diese zurück zu geben, doch es war schließlich nicht mein Eigentum. Ich streckte die Pullover in seine Richtung und murmelte: «Das sind deine, du solltest sie nehmen.» Er sah mich nur an und sagte mit relativ fester Stimme: «Behalt sie, sie gehören dir. Ich will sie nicht.» Dankbar sah ich ihn an und drückte die Hoodies an mich. So hatte ich wenigstens ein bisschen von ihm mit mir in München. «Wir sollten runtergehen», forderte ich den verheulten Jungen auf. Er folgte mir die Treppe hinunter und vor die Garage. Nachdem ich die Hoodies in den Wagen gelegt hatte, stellte ich mich gegenüber von Sebastian. «Meinst du wir können eine Fernbeziehung führen?», fragte dieser immer noch weinend. Ich schüttelte nur den Kopf und flüsterte: «Wenn ich wüsste, dass ich nur ein Jahr in München wäre, dann ja, aber es ist eine unbegrenzte sehr lange Zeit. So lange weiß ich nicht, ob das gut ist.» Er sah mich noch entsetzter an und weitere Tränen liefen ihm über die Wangen. «Ich strich über diese und hauchte: «Wir können ja Freunde bleiben. Wir können Skypen und telefonieren, aber wir sind eben dann kein Paar mehr.» Er nickte und murmelte: «Besser als gar nichts.» Ich sah ihn weiter an. «Ich muss jetzt wirklich gehen», wollte ich mit fester Stimme sagen, doch es kam nur ein tonloses Schluchzen heraus. Er nickte, drückte mir noch einen letzten Kuss auf die Stirn und ließ mich in das Auto einsteigen. Ich schloss die Tür, doch kurbelte mein Fenster herunter. «Das war es also jetzt», stellte Sebastian fest und sah mich an.
«Ja, weißt du Sebastian, vielleicht sind manche Beziehungen einfach nicht für immer bestimmt.»
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