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Das Wochenende war einfach toll. Wir hatten einfach wahnsinnig viel Spaß. Am Samstag waren wir Schwimmen gewesen und hatten uns am Abend mit dem Film ‹Kindsköpfe› amüsiert. Leider war es schon Sonntag und das hieß, dass wir wieder nach Hause mussten. Ich hasste Verabschiedungen und die hatte ich jetzt wieder vor mir. Von Alina und ihrem Freund Philipp. Die beiden waren einfach zwei der wichtigsten Menschen in meinem Leben und ich sah sie viel zu selten.
«Och Felix, wenn du weinst, wird das hier alles andere als leichter.» Meine Schwester stand mir gegenüber und sah mich an. «Das weiß ich doch auch, aber ich kann das nicht unterdrücken», murmelte ich bedrückt. «Ach komm doch her», forderte Alina mich auf und zog mich in ihre Arme. Ich drückte ihren noch kleineren Körper als den meinen an mich. Meine Tränen verebbten nach ein paar Minuten und wir lösten uns voneinander. Jetzt sah ich Philipp an. Sein Gesicht zeigte ein leichtes Lächeln während er seine Arme ausbreitete, in die ich mich auch schnell fallen ließ. «Pass auf dich auf», flüsterte er mir zu, bevor ich mich auch von ihm trennte. Jetzt stand ich neben Sebastian der sich auch von den beiden verabschiedet hatte. Ich wollte noch etwas sagen, doch dazu kam ich nicht, denn unser Zug fuhr in den Bahnhof ein. Schnell murmelte ich noch eine Verabschiedung und betrat hinter Sebastian den Waggon. Erneut liefen mir Tränen die Wangen hinunter, während ich mich neben meinen Freund auf den Sitz sinken ließ. Er bedachte mich nur mit einem traurigen Lächeln und wand sich dann wieder ab. Das war das erste Mal, dass ich wirklich sauer darauf war, dass er in der Öffentlichkeit anscheinend auf gar keinen Fall schwul wirken wollte.
Ich verließ den Zug eine Station vor Sebastian und ich sah ihn weder an, noch verabschiedete ich mich in irgendeiner Art von ihm. Er hatte es tatsächlich durchgezogen. Er hatte mich nicht getröstet. Nicht mit einem Wort. Er hatte einfach nur neben mir gesessen und Musik gehört. Ich war einfach unglaublich sauer auf ihn. Sein Ego sollte ihm eigentlich weniger wichtig sein als ich, aber anscheinend war dem nicht so.
Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen. Mein Vater hatte mich am Bahnhof abgeholt und wollte natürlich von mir wissen, warum ich nicht beim Training gewesen war. Es interessierte ihn kein bisschen, ob mein Wochenende schön gewesen war, für ihn zählte nur mein Erfolg. Ich war eh schon wegen Sebastian sauer gewesen, weswegen ich meinen Vater anschrie, es gäbe wichtigere Dinge und er solle doch mal sein Gehirn benutzen. Dies hatte ihn nur noch wütender gemacht und er hatte mich in mein Zimmer geschickt und dort befand ich mich ja jetzt auch.
Eine Träne lief über meine Wange. Ich war gerade mal eine Woche mit Sebastian zusammen und jetzt sowas. Ich war sauer gewesen, ja. Aber hatte ich nicht etwas überreagiert? Immerhin würde er schon seine Gründe haben, dass er nicht als schwul wirken wollte. Doch sprach etwas dagegen mich in den Arm zu nehmen und mich zu trösten? Eigentlich nicht. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Warum musste ich immer alles kaputt machen? Verzweifelt schluchzte ich auf. Immer mehr Flüssigkeit fand ihren Weg aus meinen Augen. Schritte erklangen auf der Treppe zu meinem Zimmer. Erfolglos versuchte ich meine Tränen zu stoppen. Meine Mutter betrat das Zimmer und schloss die Tür sachte hinter sich. Langsam ließ sie sich neben mir auf das Bett sinken. «Was ist los, Felix?», fragte sie mich gerade heraus. Ich schüttelte nur den Kopf. Meine Versuche stark zu wirken waren gescheitert und ein weiterer Tränenschwall überkam mich. Die Frau neben mir zog mich in ihre Arme und ich erwiderte dies. Sie gab mir das, was ich mir von Sebastian im Zug so sehr gewünscht hatte. «Felix, ich weiß, dass das etwas zwischen dir und dem Jungen, der uns zu dem Fußballspiel begleitet hat...» «Sebastian», unterbrach ich sie. «Genau, Sebastian. Ich weiß, dass zwischen euch mehr als Freundschaft ist.» Ich war überrascht, woher wusste sie das? «Hat Hannes dir davon erzählt?», sprach ich meine Befürchtung aus. «Oh nein, das würde er niemals tun», sie unterbrach sich und lächelte mich an. «Es ist einfach die Art wie ihr miteinander umgeht. Immer wenn er hier war, warst du so viel fröhlicher. Ach ja, und ich habe euch gesehen. Am Mittwoch. Ihr habt auf der Couch geschlafen. Felix, er ist ein guter Junge und ich würde dich niemals für das verurteilen, was du bist, ja? Es stört mich nicht, es macht im Endeffekt auch keinen Unterschied für mich. Du bist und bleibst mein Sohn.» Ihre kleine Rede hatte mich glücklich gemacht und ich verstärkte die Umarmung noch einmal, bevor ich mich von ihr löste und sie anlächelte. «So Felix, jetzt erzähl mir, was passiert ist?», ihre Stimme klang bestimmt. «Nichts Großes, wir hatten Streit. Irgendwie.» Meine Antwort war gewagt ausgedrückt. Sie sollte nicht zu viel wissen, auch wenn sie meine Mutter war. «Wenn Sebastian bis heute Abend nicht hier war, um das zu klären, dann bring ich dich persönlich zu ihm.» Ich musste nur schmunzeln: «Danke, Mama.» «So, ich kümmere mich mal weiter um das Abendessen.» Sie stand von meinem Bett auf. Als sie gerade an der Tür angekommen war, stoppte ich sie mit meinen Worten: «Mama?» Ihr Kopf wand sich zu mir. «Ja, Felix.» «Kannst du bitte Papa nichts davon erzählen?», etwas verlegen kratzte ich mich am Kopf. «Wenn du das möchtest, bleibt das ein Geheimnis zwischen uns beiden, aber er ist dein Vater. Denkst du er würde anders reagieren als ich?» Oh ja, das tat ich.
Etwas motivierter setzte ich mich an meinen Schreibtisch. Den Unterrichtsstoff, den ich verpasst hatte, sollte ich wohl noch nachholen. In Geschichte beschäftigten wir uns mittlerweile mit dem zweiten Weltkrieg. Endlich mal ein interessanteres Thema. Wir sollten die Schulausgabe von Anne Franks Tagebuch bis zum nächsten Donnerstag fertiggelesen haben und da ich das ganze Anne Frank-Ding schon immer spannend fand, fing ich mit diesem Teil, der Vor- und Nachbereitung, an.
Es war kaum zu glauben, dass diese junge Autorin ihr Leben teilweise in der Stadt verbracht hatte, neben der ich wohnte, in der ich mich fast genauso häufig aufhielt, wie in Stolberg.
Ich war gerade beim letzten Eintrag angelangt, als ich meine Tür ins Schloss fallen hörte. Mein Kopf wandte sich zu dem Verursacher dieses Geräusches. Dort stand er, Sebastian. «Es tut mir leid, Felix. So unglaublich», platzte es ohne Vorwarnung aus ihm heraus. Wie er da stand, nervös an seinem Pulli spielte und mich bittend ansah, konnte ich gar nicht weiter sauer sein. Ich erhob mich von meinem Schreibtischstuhl und kam auf ihn zu. Er sah mich weiter nur unsicher an. Ohne irgendeine Art von Vorbereitung legte ich meine Lippen auf seine. Es war so unglaublich. Seine Hände fanden ihren Weg zu meiner Hüfte. Glücklich seufzte ich in den Kuss und vergrub meine Hände in den Haaren meines Gegenübers. Kurz löste er sich von mir, nur um das alles noch zu intensivieren. Unterschwellig merkte ich wie Sebastian uns zum Bett manövrierte. Er drückte mich sanft nach hinten. Meinen Arm hatte ich mittlerweile um seinen Hals gelegt und drückte meine Lippen nur noch lustvoller auf die seinen. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus, während Sebastians Hände langsam unter meinen Hoodie rutschten. Sie fuhren meine Bauchmuskeln nach und zeichneten Kreise auf meiner Haut. Der Junge löste sich von meinen Lippen und zog mir den Pulli über meinen Kopf. Dann machte er sich an meinem Hals zu schaffen. Erst küsste er eine Spur zu meiner Halsbeuge und saugte sich dort fest. Ein ungewolltes Stöhnen verließ meine Lippen. Er kommentierte das mit einem mehr als dreckigen Grinsen. Zufrieden betrachtete er den roten Fleck, den er an meinem Halsanfang hinterlassen hatte. Ohne lange zu zögern wiederholte er das ganze neben meinem Kehlkopf. Ich krallte mich in das Bettlaken neben mir und unterdrückte ein weiteres Stöhnen. Als ich seine Hände an meinem Hosenbund spürte, verließ mich der Mut und ich wurde gerade zu panisch. Überfordert drückte ich meinen Freund von mir weg. «Sebastian, ich... ich weiß nicht, ob ich das schon will.» Die Worte verließen geknickt meinen Mund. Sie enttäuschten ihn, das wusste ich. Meine Wangen waren wieder rot angelaufen und ich sah den Jungen, der über mir kniete, nicht an. Ich wollte ihn nicht unglücklich machen. «Hey, Felix. Das ist okay, hörst du? Wenn du dich damit unwohl fühlst, will ich das auch nicht. Es muss dir damit gut gehen», murmelte Sebastian. «Aber, du willst das doch. Ich möchte dir das geben, was du willst.» Ich sah ihn zweifelnd an. «Ach Felix, wenn ich damit irgendetwas tue, was dir unangenehm ist, möchte ich das nicht.» Seine Worte berührten mich. Ich war ihm wichtiger, als seine menschlichen Gelüste. Meine Arme legten sich um den Hals des Größeren und zog ihn zu mir herunter, sodass sein Körper auf dem meinen lag. «Ich liebe dich», hauchte ich in sein Ohr, während ich ihn so nah an mich drückte wie ich nur konnte. Er war einfach der perfekte Junge.
Ich meinte etwas Nasses auf meiner Schulter zu spüren. Verwundert drückte ich Sebastian etwas von mir weg, um in sein Gesicht sehen zu können und tatsächlich, er weinte. «Hey, was ist los?», murmelte ich und strich liebevoll eine Strähne, die in seiner Stirn hing, hinter sein Ohr. «Ich... Ich bin, keine Ahnung, einfach nur... Ach man, du hast gerade zum ersten Mal zu mir gesagt, dass du mich liebst.» Während er das flüsterte, fanden noch mehr Tränen ihren Weg aus seinen Augen. «Du bist verdammt süß, wenn du weinst, weißt du das?», hauchte ich ihm zu, nachdem ich ihn wieder in meine Arme geschlossen hatte. Ein leises Lachen verließ seine Kehle und ich wusste, dass ich einfach den absolut perfekten Jungen in meinen Armen hielt.
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