DRITTENS
Es war ein grauer Morgen. Die Zofe strich mir mit einer Bürste durch mein Haar während ich ganz still auf dem gut gepolsterten, mit rotem Stoff überzogenem, Hocker saß und mich nicht traute auch nur eine Bewegung zu machen. Die Zofe flocht mein Haar zu einem Zopf. Seelenruhig beobachtete ich sie im Spiegel vor uns dabei. Ob sie ihre Arbeit mochte? Ob sie sich auch ein anderes Leben wünschte? Wäre es töricht gewesen, wenn ich sie gefragt hätte? Die Zofe bedeutete mir aufzustehen, nachdem sie den Zopf mit einem Bändchen zusammengebunden, mir die Krone meiner Mutter aufgesetzt und ihre Hände schleunigst von mir weggenommen hatte. Diese Krone. Sie erdrückte mich. „Ich danke dir", sagte ich und nickte der Zofe zu um ihr zu signalisieren, dass sie abtreten konnte. Nach einem vornehmen Knicks tat sie das auch. Noch lange hatte ich mich im Spiegel begutachtet. Nicht weil ich einen Fehler in meiner Frisur suchte, sondern eher, weil mich die Farbe des Haarbands nicht losließ. Es war hellblau. Das Haarband meines Ritters hatte exakt dieselbe Farbe. Ich war mir klar. Ich musste ihn heute sehen.
Ein Teil meines königlichen Kleides streifte über den Boden hinter mir her. Es war der Länge des dunkelblauen Stoffs geschuldet. Mein Weg führte mich in den Übungsplatz, welcher im Innern des Schlosses eingebaut war. Schon von Weitem konnte ich das Klingen sämtlicher Schwerter hören. Je näher ich dem Eingangstor kam, umso lauter wurden auch die Schreie der Ritter. Ich fragte mich, warum die königliche Garde so viele intensive Trainingseinheiten angeordnet hatte, wo doch der Krieg und jegliche Gefahr gebannt war. Über eine höhere Ebene, die wie mich wie im Thronsaal vom Boden, auf dem die tapferen Soldaten übten, trennte, beobachtete ich die Trainingseinheit. Scheinbar hatte mich noch keiner bemerkt. Ich hörte, wie ein Kommandant seiner Truppe immer wieder irgendwelche Befehle gab, die sie ausführen mussten. Ich erinnerte mich daran, dass dieser der Feldherr im Krieg war, bei dem Vater... Ein anderer Kommandant überprüfte jeweils, ob die benannte Technik auch richtig ausgeführt wurde. Zwischen jungen Knappen, die wohl die Ausbildung erst begonnen hatten, und Kämpfern, die weit fortgeschrittenere Attacken einübten, sah ich ihn. Link. Anders als alle anderen Krieger trug er keinen Helm, sodass ich seine hellen Strähnen, die wie immer zu einem lockeren und sehr kurzen Zopf gebunden waren, erkennen konnte. Es war, wie wenn er die Sonne, den einzigen leuchtenden Punkt, in diesem Gemenge darstellte. Er war der einzige Lichtblick den Hyrule hatte. Auf mich konnten die Bürger ja kaum zählen.
Ein Junge in einem Kettenhemd, ich schätze ihn auf etwa vierzehn Jahre, war gerade dabei gewesen einen Bogen zu spannen als ihm einer der Kommandanten seine Waffe aus den Händen riss. Er schrie ihn an, jedoch konnte ich seine Worte nicht verstehen. Das wilde Herumhantieren sprach jedenfalls dafür. Ich sah, wie Link sein Schwert sinken ließ. Eine Art Zorn war in seinem Gesicht zu erkennen. Als der Kommandant das Visier seines Helmes ein Stück nach oben schob und ich somit eine freie Sicht auf seine Augen hatte, erkannte ich auch wieso. Das war Links Vater. Die beiden hatten kein gutes Verhältnis. Ich erinnerte mich an die Situation auf der Burgmauer. Schon einmal hatte ich die beiden streiten gesehen. Und nun beschimpfte Links Vater auch noch die neuen Auszubildenden, weil einer davon einen Fehler gemacht hatte. Das konnte doch nicht sein. Ich war die Königin. Ich hätte eingreifen können. Doch ich tat es nicht. Mir fehlte der Mut. Und das obwohl ich jegliches Recht für einen Eingriff gehabt hätte. Niemand hätte mir Vorwürfe gemacht. Sie alle unterstanden mir. Sie alle hätten meine Befehle befolgt. Und doch fühlte sich diese Macht einfach nur ungewohnt und falsch an. Ob ich jemals damit klar kommen würde?
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Ich sah, wie Link den Jungen schützend an sich zog und seinem Vater den Bogen aus der Hand nahm. Er ging mit seinem Schützling etwas zur Seite und gab ihm seinen Bogen wieder. Dankend sah ihn der Knappe an. Für ihn muss es etwas ganz Besonderes gewesen sein vom Helden gerettet zu werden. Klar, Link war eine Art Vorbild für alle jungen Ritter. Mit der nötigen Geduld zeigte Link dem Jungen wie er den Bogen handhaben sollte, damit er zielsicherer schießen konnte. Ein anderer Ritter, den ich noch nie gesehen hatte, unterstützte die beiden dabei. Ich sah dabei zu, wie der Knappe den Pfeil spannte und ihn sogleich auf eine aufgestellte Zielscheibe schoss. Er traf fast genau in die Mitte. Link und der andere Ritter lobten ihn lächelnd, während Links Vater sich komplett von den dreien abwendete. Es war so schön anzusehen, wie sorgsam Link mit dem Jungen umging und ihm gelassen alles in Ruhe erklärte. Wie er wohl mit seinen eigenen Kindern umgehen würde? Im selben Atemzug, in dem dieser Gedanke aufkam, verdrängte ich ihn wieder. An was erlaubte ich mir bitte zu denken? Ja, Link konnte Kinder haben, wenn er denn welche wollen würde. Nur nicht mit mir. Ich war die Königin und er meine ehemaliger Leibwächter. Die Hylianer würden uns verachten, Links geschlossenen Eid rückgängig machen, wenn das denn ginge, und ihn wohl oder übel hinrichten. Das konnte nicht in meinem Sinne sein. Und das war es auch nicht. Ganz und gar nicht. Niemals würde ich zulassen, dass ihm etwas passiert. So, wie er es auch mir versprochen hatte. Damals hatte er sich mit seinem Leben mir geschworen. Also tat ich es innerlich auch.
Für ihn. Und für mich.
Für meine Liebe.
Gerade als ich meine Augen von seinem männlichen Auftreten abwenden wollte, trafen sich unsere Blicke und schon wieder verlor ich mich in seinem tiefen Blau.
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