November 2010
Eigentlich wäre jetzt reihenfolgetechnisch die Gegenwart dran gewesen, aber da hänge ich gerade an einer nervigen Szene fest, also gibt's noch ein Vergangenheits-Kapitel.
Viel Spaß!
... btw., ich distanziere mich wie immer von allem, was meine Charaktere so von sich geben.
Ich bin der Meinung gewesen, ein T-Shirt unter meiner Winterjacke würde ausreichen. Wie sich herausstellte, war das nicht klug.
„Ist dir nicht kalt?" Efraim umklammerte mit einer Hand meinen Ellenbogen, mit der anderen fuhr er die Außenseite meines Unterarmes nach. „Du hast Gänsehaut."
Aber die hatte ich nicht nur wegen der Kälte.
„Normalerweise achtet Josias immer darauf, dass ich mich warm genug anziehe", murmelte ich und betrachtete seine Hände. Sie waren groß, sein Griff fest. Ich mochte es, wenn er mich anfasste. „Aber heute früh war sein Handyakku alle, deswegen hat unser Wecker nicht geklingelt und wir haben verschlafen. Da hat er nicht mehr nachgeprüft, was für Klamotten ich mir rausgesucht habe."
„Entscheidet er auch, welche Unterwäsche du trägst, und hilft dir morgens beim Schnürsenkel Binden?" Er ließ von mir ab und rollte mit den Augen. „Ernsthaft, Jude, du musst dringend etwas unabhängiger von ihm werden. Das ist hart ungesund, wie ihr euch benehmt."
„Wieso?" Ich rückte Josias' Rucksack auf meiner linken Schulter zurecht. Er brauchte immer Ewigkeiten auf der Toilette. „Es ist wichtig, dass wir aufeinander aufpassen. Außerdem", ich schob die Unterlippe vor, ein Gesichtsausdruck, den ich seit ein paar Monaten perfektioniert hatte. Zumindest meinte Efraim, dass es mittlerweile niedlich aussah, wenn ich schmollte, „bin ich sehr wohl eigenständig. Josie guckt nur, dass meine Sachen gut zum Wetter passen."
„Wenn du das sagst." Er verdrehte nochmal die Augen, bevor er seinen Rucksack zu Boden schmiss und sich das ausgewaschene, hellgraue Sweatshirt vom Körper schälte, das er immer so lange trug, bis Imani es ihm irgendwann heimlich klaute und zum Waschen gab. Er hielt es mir hin. „Na los, zieh das an."
Ständig beschwerte er sich über Josias und Josias sich über ihn, aber wenn es um mich ging, verhielten sie sich ähnlich. Mich wunderte es, wie sie es schafften, das auszublenden.
„Danke." Ich nahm ihm sein Sweatshirt ab, ließ meinen und Josias' Rucksack ebenfalls zu Boden fallen und wickelte mich schließlich in das Kleidungsstück ein. Es war mollig, noch aufgeheizt, und roch wie seine Bettwäsche. Nach Weichspüler und Paprika-Chips.
„Kein Ding. Ich frier nicht so schnell, hab unter dem hier", er zupfte kurz an dem beigefarbenen Pullover, den er trug, „noch ein T-Shirt drunter."
Ich nickte und zog die Kapuze enger an meinen Nacken. „Ich gebe es dir nach der Schule wieder."
„Mach dir keinen Stress. Ich habe noch ein paar zuhause rumfliegen." Er musterte mich kurz, grinste dann. „Wenn der Kontrollfreak gleich vom Klo zurückkommt, kannst du ihm ja zeigen, wie toll ich mich im Gegensatz zu ihm um dich gekümmert habe."
Stimmt – vielleicht konnte es die Wogen zwischen ihnen etwas glätten, wenn Josias endlich verstand, dass Efraim mir nicht schadete.
„Also dann!" Efraim schnappte sich seinen Rucksack wieder vom Boden und stupste mich in die Seite. „Wir sehen uns in der Mittagspause. Ich halte euch zwei Plätze in der Mensa frei."
„Ist gut." Ich winkte ihm und sah seiner kleiner werdenden Silhouette hinterher, bis die Tür zur Jungentoilette aufging und Josias herauskam, mir gerümpfter Nase.
„Sie hatten keine Papiertücher mehr", sagte er und schüttelte seine Hände aus. Ein paar Tropfen trafen mich, bevor er ruckartig mit dem Herumwedeln stoppte. „Ist das Efraims Sweatshirt?"
Als Antwort wackelte ich mit den Ärmeln herum. Sie waren mir etwas zu lang.
Josias quittierte es mit einem erneuten Naserümpfen. „Warum hat er es dir gegeben?"
„Weil mir kalt war."
Wir sahen uns kurz schweigend an, bis er schnaubend seinen Rucksack vom Boden klaubte.
„Sag deinem besten Freund", er spuckte die Wörter richtiggehend aus, „dass ich ihn trotzdem nicht ausstehen kann. Er kann dir so viel Kleidung leihen, wie er möchte – es entschuldigt nicht, dass du wegen ihm andauernd in Schwierigkeiten gerätst."
Eigentlich brachten wir uns eher gegenseitig in Schwierigkeiten. Wobei es niemals etwas Schlimmes war, nur ein paar Schrammen hier und ein paar Schrammen da und die eine oder andere verlorene Fingerkuppe. Efraims kleiner Finger an der linken Hand war einen halben Zentimeter kürzer als der an seiner rechten. Ein Schlittschuhunfall.
„Aber", ich grapschte nach meinem eigenen Rucksack, als Josias sich in Bewegung setzte, und eilte ihm hinterher, „du musst zugeben, dass er mir mit meinen sozialen Fähigkeiten hilft. In den Pausen reden ein paar der Mädchen jetzt schon freiwillig mit mir und in Gruppenarbeiten haben wir sogar richtige Gespräche."
„Was dann auch das einzig Positive an Efraim ist." Josias seufzte und bog am Ende des Flurs nach rechts ab, wo es zu den Chemieräumen ging. Heute würden wir mit Bunsenbrennern hantieren dürfen. Endlich mal Unterricht, der Spaß machen würde.
„Judah?"
Wir hielten inne, ein bisschen verwundert über die Unterbrechung, und sahen synchron hinter uns. Zara, ein Mädchen aus besagtem Chemiekurs, stand keine fünf Meter von uns entfernt und kam wie in Zeitlupe näher.
„Ich, ähm." Sie fummelte am Saum ihres T-Shirts herum. Sie war klein und echt schmal, was man ab Herbst immer nur an ihren Beinen sehen konnte, weil der Rest durch Baggy-Oberteile und riesige, ausgeleierte Hoodies versteckt wurde. Ich fand sie ganz in Ordnung, sie hatte mich in Mathe allein dieses Halbjahr schon über zwölf Mal ihre Hausaufgaben abschreiben lassen. „Ich hatte am Samstag Geburtstag und wollte dieses Wochenende nachfeiern ..."
„Ah." Also hatte ich ihren Geburtstag vergessen. Während der Schultage bekam ich immer mit, wenn jemand Geburtstag hatte und konnte pflichtbewusst gratulieren, aber so hatte ich natürlich nicht gratuliert. Trotzdem war es etwas komisch, dass sie sich ihre Geburtstagswünsche jetzt persönlich abholte. Schließlich waren wir keine Freunde. „Alles Gute nachträglich." Und damit wollte ich mich auch schon wieder abwenden, als sie nach meinem Handgelenk griff.
„Warte!"
Ich blinzelte und schaute auf ihre Finger. Sie sahen arg zierlich aus – ob Efraim das gleiche dachte, wenn er mein Handgelenk ansah? Obwohl ich ein Junge war? „Was denn?"
„Ich wollte dich fragen, ob du", sie zog ihren Arm zurück und starrte gen Boden, „vielleicht kommen magst ...?"
„Zu deiner Feier?"
Sie hob den Blick wieder. Ihre Wangen waren gerötet. „Ja, und Efraim wird auch dort sein, seine Freundin ist nämlich meine beste Freundin, falls ... falls das was ändert? Ich meine, dein Bruder ist natürlich auch eingeladen, ich dachte nur-" Sie brach ab, rang ihre Hände. „Willst du kommen?"
Die erste Feier, auf die explizit ich eingeladen worden war. Nicht Josias, sondern ich.
Wow.
Ich versuchte, nicht allzu merkwürdig zu lächeln. Seit Efraim regelmäßig mit mir Grimassen schnitt, wurde ich souveräner darin. Obwohl er meinte, ihm gefiel mein echtes Gesicht immer noch am besten. „Klar."
„Echt?" Zaras Wangen wurden noch dunkler. „Das freut mich, dann ... ich hab deine Nummer ja aus dem Klassenchat, also schicke ich dir die Uhrzeit und meine Adresse einfach aufs Handy, wenn du nichts dagegen hast?"
„Kannst du machen."
„Okay, ich schreib dir!" Sie sah sehr, sehr glücklich aus, als sie an Josias und mir vorbeirauschte, während Josias ihr amüsiert hinterherblickte. Amüsiert und vielleicht sogar ein bisschen stolz, dass ich es nach Jahren letztlich geschafft hatte, mich in unsere Klasse einzugliedern.
„Sie mag dich", sagte er. „Das heißt, du kannst jetzt zumindest das eine Geschlecht ausprobieren, wenn dir schon das andere verwehrt bleibt."
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.
Ich sah ihr nachdenklich hinterher. Zara war süß. Es wäre bestimmt spannend, sie zu küssen. Und mehr. „Ihre geröteten Wangen haben dir das verraten, oder? Dass sie mich mag?"
„Ihre gesamte Körpersprache hat es." Er deutete in Richtung des Klassenzimmers. „Verbring Zeit mit ihr und im Anschluss mit irgendeinem anderen Mädchen und du wirst den Unterschied merken. Das wäre allgemein ein gutes Training für dich. Zeit mit anderen Menschen als Efraim zu verbringen, meine ich."
Was aber nur funktionieren würde, wenn ein anderes Mädchen ebenfalls Lust dazu hatte – daher zuckte ich erstmal mit den Schultern, unschlüssig, und lief neben ihm her die letzten Meter zum Klassenzimmer. „Du gehst aber mit mir auf die Feier, richtig? Ohne dich gehe ich nicht hin." Wenn Efraim dort nämlich mit seiner Freundin zusammen auftauchen würde, könnte ich mich nicht an seine Fersen heften. Als ich es das letzte Mal getan hatte, war eine Gruppe Jungs aus seinem Jahrgang drauf und dran gewesen, mir den Schwulenstempel aufzudrücken, weil es falsch war, sich zwischen ein Pärchen drängen zu wollen.
Keine drei Tage später hatte Efraim die Beziehung mit ihr beendet.
„Als würde ich dich unbeaufsichtigt irgendwo hingehen lassen, wo du Unfug anstellen könntest." Josias schüttelte den Kopf und schob mich durch den Türrahmen ins Innere des Raumes. „Selbstverständlich komme ich mit."
Wie intim möchtest du mit ihr werden? Nur diese eine Frage und plötzlich standen wir inmitten der Drogerie am großen Markt, circa eine Dreiviertelstunde Busfahrt von der Schule entfernt, und sahen uns einer Wand Kondompackungen gegenüber.
Ich nahm meinen Blick von den bunten Kartons und linste zu Josias. „Welche soll ich nehmen?"
Aber er sah mich nicht an, runzelte bloß die Stirn und guckte frustriert. „Woher soll ich das wissen? Ich habe noch nie welche benutzt und ich plane es momentan auch nicht."
Was doof war, weil er eigentlich immer derjenige war, der über alle möglichen Alltagssachen Bescheid wusste.
Ich schaute zurück zu den Kondomen. Es gab gerippte und genoppte, die klassische Variante, gefühlsechte, extra dünne, welche mit Geschmack und sogar eine Sorte, die den Höhepunkt hinauszögern konnte. Leider hatte ich keinen blassen Schimmer, woran man die für Anfänger erkannte.
Weshalb ich erstmal einfach alle eintütete.
„Leg die extra dünnen weg." Er starrte auf die Auswahl, die ich zur näheren Begutachtung in unseren Korb geschmissen hatte. „Die reißen leichter und ich möchte mich dich nicht als Vater vorstellen müssen. Zumal du das Kind vermutlich eh auf mich abschieben würdest, sobald wir in zwei Jahren gemeinsam ausziehen."
Das ergab Sinn, also wanderte die erste Packung wieder aus unserem Korb hinaus. „Die gerippten und genoppten?"
„Die könnten bei zu viel Reibung zu Verletzungen führen, vermute ich."
Nächstes Nicken meinerseits, nächste aussortierte Packung. War mir sowieso schleierhaft, warum jemand Noppen in der Nähe seines Penis' haben wollte.
„Die gefühlsechten sind mir ebenfalls suspekt." Josias kniff die Augen zusammen und grapschte nach denen, die den Sex verlängern sollten. „Und hier werden vermutlich irgendwelche gesundheitsschädlichen Substanzen verwendet."
Und schon hatte sich unsere Auswahl auf zwei reduziert.
„Classic scheint mir am vielversprechendsten." Er hielt sich den kleinen Karton vor die Nase und las sich die Rückseite durch.
„Aber", ich holte die letzte Packung aus dem Korb, „die mit Geschmack sind bunt. Rot für Erdbeergeschmack, gelb für Banane und blau für Blaubeere."
„Ich denke nicht, dass die Schleimhaut einer Scheide sich für den Geschmack eines Kondoms interessiert."
Daraufhin schwieg ich erstmal einen Moment, bevor ich ihm die Classics aus der Hand riss und sie zurück zu den anderen pfefferte. „Ich werde sie benutzen, also entscheide ich auch, welche ich haben möchte. Und ich will die bunten."
Er schnaubte. „Dann bitte mich nicht um Hilfe, wenn du letztlich doch tust, wonach dir der Sinn steht."
„Ich tue nur, was-" Ich verstummte, blinzelte auf das 52mm auf dem Klappentext meiner Geschmacks-Packung. „Josias?"
„Was?"
„Es gibt auch verschiedene Größen."
„Wir gehen hoch!" Efraim schubste mich zur Untermauerung vor sich her die Treppen nach oben.
„Tut das!" Imani lächelte uns vom Wohnzimmer aus zu, einen dicken Schmöker in der Hand. „Nur eine Sache noch, bevor ihr euch verdrückt."
„Hm?" Efraim packte mich am Kragen und schleifte mich wieder ein paar Stufen nach unten, damit wir beide seine Mutter ansehen konnten. „Was'n?"
„Ich habe mich an Pfannkuchen aus Milchzucker herangewagt – soll ich euch welche hochbringen? Die müsstest du auch essen dürfen, oder Judah?"
Milchzucker durfte ich tatsächlich essen.
„Japp", sagte ich und nickte enthusiastisch. „Voll gerne."
„Dann lese ich noch das Kapitel zu Ende und mache sie euch gleich danach warm." Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu.
„Danke, Ma." Efraim umrundete mich und zerrte mich weiter am Kragen in den ersten Stock hinauf, grinste, als wir schließlich in seinem Zimmer ankamen, wo Imani uns nicht mehr hören konnte. „Sie hat echt lange herumexperimentiert, bis ihr die Pfannkuchen gelungen sind. Der Milchzucker ist wohl echt scheiße zum Backen."
„Warum hat sie dann keinen normalen Zucker benutzt?"
„Na, für dich vielleicht? Wieso sollte sie das denn sonst tun?" Er schnippte mir gegen die Stirn und fläzte sich auf seinen Teppich. „Sonst kannst du ja nie bei uns mitessen, wenn's was Süßes gibt."
Oh.
Ich setzte mich neben ihn. „Das ist nett von ihr."
„Mhm." Er stützte sich nach hinten auf die Handballen ab. „Sie ist echt 'ne tolle Mutter. Bin froh, dass ich mich für sie entschieden habe." Sein Blick wurde düster. „Allerdings hat sie sich seit Neustem dazu entschieden, wieder Kerle zu daten. Sollte sie irgendein Arschloch mit nach Hause bringen, das sie schlecht behandelt, muss ich mir überlegen, was ich tue."
Ich legte den Kopf schief. „Warum willst du überhaupt etwas tun? Wenn er sie schlecht behandelt, hat er weniger Zeit, dich schlecht zu behandeln."
Er grunzte. Es klang ulkig. „Weil ich sie mag und deswegen nicht zulassen werde, dass jemand ihr wehtut."
„Ah!" Langsam kam Licht ins Dunkel. „Du meinst, wie bei Josias und mir? Wir würden füreinander sterben."
„Sterben ist billig. Keiner braucht diesen Märtyrer-Mist. Ich", er klopfte sich gegen die Brust, „beschütze. Wenn's sein muss, würde ich dafür sogar wen abmurksen."
Beschützte ich Josias etwa nicht, wenn ich mich für ihn verletzen ließ?
„Sieh es mal auf die Art." Efraim schwang sich hoch und beugte sich zu mir. „Stell dir vor, wir beide sind nachts unterwegs und werden von irgendwelchen Idioten überfallen. Wäre es dir da lieber, ich würde mich opfern und dir sagen, du sollst in der Zwischenzeit abhauen, oder wäre es nicht viel geiler, wenn ich die Bastarde einen nach dem anderen ins Krankenhaus verfrachte? Dann sind die auch gleich aus dem Weg geräumt und können uns später nicht nochmal nerven. Wenn ich sie nur aufhalte, sind sie nach meiner Opferung ja immer noch da, um dir irgendwann in der Zukunft eine aufs Maul zu geben. Damit ist doch niemandem geholfen."
Es ratterte gehörig in meinem Schädel, weil ich Josias natürlich nicht beschützte, wenn ich die Gefahr einfach nur auf mich lenkte, sie aber nicht im Keim erstickte. „Das leuchtet mir ein."
„Klar tut es das, schließlich hab ich's gesagt." Er grinste breit, wechselte das Thema: „Kommst du morgen wieder mit, wenn ich zum Schwimmtraining gehe?"
Anderthalb Stunden, in denen ich ihn in engen Shorts bespannen konnte, ohne dass es auffällig war? „Auf jeden Fall."
„Cool." Er rückte dichter zu mir auf. „Falls-"
„Eure Pfannkuchen!" Imani schwang die Tür auf und kam mit einem Tablett zu uns ins Zimmer herein, darauf ein Berg der angekündigten Pfannkuchen, zwei Gläser Milch und eine Tube Reissirup. „Lasst sie euch schmecken."
„Danke." Efraim rutschte wieder von mir weg, stand auf und nahm ihr das Tablett ab. „Bist die Beste."
Ich blickte vom Essen zu ihr auf. Wäre jemand wie sie mein Elternteil, hätte ich kaum einen Grund, Josias überhaupt jemals zu beschützen. „Ich wünschte, meine Mutter wäre wie du."
„Das-" Imani schlug sich eine Hand vor den Mund. „Judah, du-" Sie begann zu blinzeln, sehr heftig, bevor sie sich hastig zur Tür umwandte und aus dem Raum verschwand. „Guten Appetit, Jungs!"
Komische Reaktion. „Hätte ich das lieber nicht sagen sollen?"
„Ne, alles gut." Efraim stellte das Tablett zwischen uns ab und schnappte sich direkt den ersten Pfannkuchen. „Sie ist abartig nah am Wasser gebaut und geht jetzt vermutlich erstmal 'ne Runde heulen."
„Also habe ich sie verletzt?" Ich starrte auf den überladenen Teller neben den Gläsern. Wenn ich sie verletzt hatte, würde sie bestimmt nie wieder etwas für mich backen.
„Das waren Freudentränen." Er faltete seinen Pfannkuchen zu einem Päckchen und stopfte ihn sich in einem Happen in den Mund.
Wie sinnlos, traurige Dinge zu tun, wenn man eigentlich fröhlich war.
Ich zuckte mit den Schultern und grapschte mir auch eines der Gebäckstückchen. Hauptsache, ich hatte Imani nicht unbeabsichtigt verletzt und bekam weiter Essen von ihr vorgesetzt.
Zwanzig Minuten später war alles verputzt und ich war zurück bei dem Gedanken, der mich überhaupt erst hierher getrieben hatte: „Kannst du mir zeigen, wie ich ein Kondom richtig überrolle?"
Zuerst Stille, bis Efraim ein unterdrücktes Lachen ausstieß. „Ich soll dir zeigen, wie man sich ein Kondom richtig anzieht?"
„Du hattest schon öfter Sex, deswegen weißt du, wie es funktioniert", erklärte ich und lief zur anderen Ecke des Raumes, nahe seinem Bett, kramte dort aus meinem Rucksack die Kondompackung heraus, die Josias und ich keine zwei Stunden zuvor gekauft hatten, und hielt sie ihm hin. „Die hab ich extra zum Üben mitgebracht."
„Okay." Er gluckste noch ein paar Mal, räusperte sich schließlich und kam auf mich zu, um mir den Karton abzunehmen. „Wer ist denn die Glückliche, für die du das lernen willst?"
„Zara. Sie mag mich scheinbar und hat mich zu ihrer Geburtstagsfeier am Freitag eingeladen."
„Zara?" Efraim hob beide Brauen. „Das ist die beste Freundin meiner Freundin, oder?"
„Mhm."
„Nice." Er gab mir eine Kopfnuss. „Ich wusste nicht, dass du auch da sein wirst – ich besorge uns Alk, dann können wir uns heimlich betrinken, wenn der Oberstleutnant mal kurz nicht hinschaut. Aber erstmal", er drückte den Karton auf und präsentierte mir ein einziges der viereckigen Kondomtütchen, „bewahre ich dich davor, dich hardcore vor Zara zu blamieren."
Ich lächelte, erwartungsvoll und auch ein bisschen neugierig. Zwar hatte ich bei den Duschen in den Schwimmbädern hier in der Umgebung schon den einen oder anderen Penis live und in Farbe gesehen, aber eben noch nicht seinen. Weil Efraim sich nach seinen Trainingseinheiten oder unseren Ausflügen immer erst zuhause wusch. „Bin bereit."
„Gut." Er sprang auf die Beine und huschte zur Zimmertür. „Ich hole fix 'ne Banane."
Eine Banane.
Zugegeben, ich war enttäuscht. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass wir richtig üben würden, mehr aneinander als mit Gegenständen, aber das wäre vermutlich nicht besonders hetero gewesen.
„Ich warte", meinte ich und kroch zurück zu seinem Teppich, platzierte die Kondome neben mir und streckte die Beine aus, während er die Treppen hinunterpolterte, unten kurz mit seiner Mutter redete und anschließend wieder zu mir hinauf sprintete.
„Hab eine kleine, eine mittelgroße und eine extra gigantische geholt." Efraim hob drei Bananen in die Luft. „Welche darf's sein?"
„Äh." Ich musterte seine Mitbringsel. Die größte befand sich in wirklich unrealistischen Sphären und die kleine sollte ich definitiv nicht wählen, das sagte mir mein Instinkt. „Die mittelgroße."
„Hervorragende Wahl." Er ließ sich neben mich fallen, schob die ausgeschiedenen Bananen beiseite und stopfte mir die auserwählte zwischen die Oberschenkel, schmunzelnd. „So kannst du dir vorstellen, es wäre dein Ding."
„Der hat aber keinen Knick nach der Hälfte."
„Too much information." Eine gelbe Kondomtüte landete in meiner Hand. „Demonstrier mir erstmal, wie du es machen würdest, und dann erklär ich dir, wie's richtig gemacht wird."
Ich nahm es ihm nicht übel, dass er direkt davon ausging, dass ich es nicht hinkriegen würde, weil es stimmte. Ich benötigte allein vier Versuche und drei verschiedene Ecken, um überhaupt erst die Plastikverpackung aufzureißen, bevor ich das Gummi am Rand anpacken und über die Banane stülpen konnte. Genau einen Zentimeter tief, dann war Sense.
Ich brach den Versuch ab. „Was hab ich falsch gemacht?"
„Du hältst das Teil verkehrt herum. Moment." Efraim nahm mir das Gummi ab und pustete dagegen. „So kannst du sehen, welche Seite nach unten gehört."
„Danke." Zurück in meiner Obhut ploppte ich das Teil – dieses Mal korrekt – auf die Bananenspitze und rollte es ab. Bis zur Hälfte, dann klemmte es irgendwie.
„Wie hast du das denn geschafft?" Er lachte leise. „Deine Skills sind echt unschlagbar."
Ich machte mir nichts draus. Hätte ich irgendwelche Skills besessen, hätte ich ihn nicht um Rat fragen müssen. „Mach's mir halt vor."
„Nah." Er schob sich hinter mich, die Knie angestellt, die Hände um meine Hüften, die Brust komplett an meinem Rücken. „Learning by doing, Sonnenschein. Wir machen's zusammen."
Er war so nah, ich konnte seine Worte als Hauch an meiner Ohrmuschel spüren.
Ich wurde augenblicklich hart. „Wie du meinst."
„Okay." Er presste sich noch dichter an mich. „Also, zuerst öffnest du die Packung."
„Mhm." Ich atmete tief ein, zückte eine neue Packung aus dem Karton – in blau – und friemelte sie etwas ungeschickt auf, holte das Gummi heraus und blies von beiden Seiten dagegen, bis eine richtiger aussah als die andere.
„Sehr schön. Und jetzt", er umfasste meine Hände mit seinen, „drückst du oben das Reservoir ein, damit die Luft dort weg ist, und legst das Gummi vorsichtig auf der Spitze ab."
Es war unmöglich, dass er so viel größer als ich sein konnte. Zwischen sechzehn und siebzehn Jahren konnte doch nicht so ein heftiger Unterschied liegen – aber es gefiel mir. Viel zu gut.
Ich leckte mir über die Unterlippe und tat, was er sagte, stellte mir dabei allerdings vor, dass das da unten kein Obst war, sondern etwas anderes. Etwas ziemlich stark Durchblutetes.
„Wenn das hier dein Schwanz wäre", er behielt meine rechte Hand oben, während er mit der anderen direkt unter das Gummi griff und eine flüchtige Wichsbewegung zu meinen Oberschenkeln hin nachahmte, „würdest du im nächsten Schritt deine Vorhaut runterziehen und anschließend", er griff wieder nach dem Kondom und schob es langsam mit beiden Händen – unseren beiden ineinander verhakten Händen – über den Rest der Banane, „das Kondom abrollen. Bis runter an die Wurzel."
„Wir", ich starrte auf seine Finger, wie sie meine bedeckten, wie sie sie umschlangen, „sollten das nochmal üben. Nur zur Sicherheit."
„Wieder zusammen oder willst du es allein probieren?" Seine Stimme vibrierte an meiner Wirbelsäule.
„Zusammen." Ich griff nach dem nächsten Kondom. Die Packung enthielt insgesamt zwölf Stück, minus die zwei, die wir gerade benutzt hatten, also könnten wir sogar noch einige Male üben.
„Gut." Er streckte sein linkes Bein aus, drückte es gegen meines. „Dann los, Jude. Zeig mir, was ich dir beigebracht habe."
Aber ich zeigte ihm absolut nicht, was er mir beigebracht hatte. Ich versaute jeden einzelnen Versuch, versaute sie alle extra, damit er mir immer wieder vormachen musste, wie es ging. Damit wir noch ein paar Minuten länger so aneinandergeschmiegt dasitzen mussten.
Bis die Packung irgendwann leer war.
Ich fühlte mich wie eine aufgedrehte Heizung, als ich abends daheim ankam und mich nach einer flotten Dusche zu Josias ins Bett legte, der artig die drei Kapitel von Das Parfum las, die wir in Deutsch bis morgen als Hausaufgabe aufgedrückt bekommen hatten.
„Was hast du drüben so lange gemacht? Du hast das Abendessen verpasst." Er schaute über den Buchrand zu mir. „Ich habe dir etwas übriggelassen und es im Kühlschrank im obersten Fach versteckt."
Ich winkte ab, mit den Gedanken ganz woanders. „Hab bei Efraim mitgegessen."
„Etwas Verträgliches?"
„Ja."
„Gut." Er wandte sich wieder ab, während ich die Lider schloss und mich zur Seite rollte.
„Josias?", murmelte ich dabei. „Wir müssen morgen wieder zum Markt fahren."
Er blickte nicht einmal auf. „Wozu?"
Ich rupfte die Bettdecke vom Fußende und kuschelte mich zufrieden in sie ein. „Weil ich neue Kondome brauche."
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