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Gegenwart


„Die gesamte Woche lang?" Josias klang misstrauisch und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Die wenigen Male, die ich jemals eine Übernachtungsparty bei ihm zuhause ausgeschlagen hatte, weil ich anderweitig beschäftigt gewesen war, konnte ich an einer Hand abzählen. Vor allem, seit sein Bett so gut wie jede Nacht von der Bettdecken-Burrito-Diva okkupiert wurde.

Ich schlief nicht gerne allein im Gästezimmer. Und noch weniger gerne teilte ich Josias, weil ich als sein Zwilling ja wohl ein universales Anrecht auf ihn hatte.

„Mein Zielobjekt ist nur nachts unterwegs, also muss ich eben auch nachts herumschnüffeln", log ich und starrte auf den Strauß Sonnenblumen. Ich hatte überlegt, ihn wegzuwerfen, aber stattdessen stand er jetzt hübsch angerichtet auf meinem Küchentisch, so, dass er vom Fenster aus gut zu sehen war.

Ich würde einen Teufel tun und meinem Einbrecher zeigen, dass ich ihn als Bedrohung wahrnahm. Ich würde mich einfach genauso über ihn lustig machen, wie er sich über mich lustig gemacht hatte. Selbst wenn es bedeutete, extra mit dem Auto zum nächsten Blumenhändler fahren und mir dort eine Vase kaufen zu müssen.

„Dann komm wenigstens zum Abendessen vorbei, bevor du mit deiner Arbeit beginnst", meinte er. „Ich könnte jemanden gebrauchen, der mir nach dem Abendessen die Kinder vom Leib hält, damit ich in Ruhe abwaschen kann."

Ich sollte nicht zu ihm rübergehen – ich wollte Josias und meinen neuen Freund unter keinen Umständen einander aussetzen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Ihn und die Kinder. Insbesondere deshalb nicht, weil der Kerl gewieft genug war, ohne jegliche Anzeichen gewaltsamen Eindringens bei mir hereinzuspazieren. Da wäre es eine Leichtigkeit für ihn, auch bei meinem Bruder einzusteigen. Um mich zu erpressen, um mir Leid zuzufügen, um mich wahnsinnig werden zu lassen, weil ich ohne Josias nicht existieren konnte.

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum.

Sollte ich es ihm vielleicht doch lieber erzählen? Nur zur Absicherung, damit er alle Fenster und Türen dreimal verschloss? Damit er einen der Sicherheitsleute aus seinem Lokal bei sich daheim zum Wachdienst einquartieren konnte? Und dann würde ich bei ihm ein neues Sicherheits-System installieren lassen, bevor-

Aber was war, wenn ich durch diese Vorkehrungen überhaupt erst den Fokus auf ihn lenkte? Wenn der Einbrecher dadurch erst merkte, wie wichtig mir Josias war – und was es mit mir anstellen würde, sollte ihm etwas passieren? Oder er wusste längst über die Abhängigkeit Bescheid, die wir aufeinander ausübten, und erwartete, dass ich auf Abstand ging, was es ihm einfacher machen würde, ihn mir wegzunehmen, weil Josias mit gottverdammten Scheuklappen durch die Gegend stolzierte.

Ich nahm mein Handy vom Ohr, schaltete auf Lautsprecher und legte es auf dem Küchentisch ab, um mir über die Augen zu reiben. Ich fühlte mich gerädert, angespannt. Es war keine Angst, es war mein Überlebensinstinkt, der alle fünf Minuten zwischen Kampf- und Fluchtmodus wechselte. Und das war erschöpfend.

„Ich-" Ich brach ab, als ein zweiter Anruf einging. An sich würde das meine Aufmerksamkeit nicht sonderlich erregen, aber beim Anrufer handelte es sich um eine unbekannte Nummer. Und gerade hegte ich eine persönliche Abneigung gegen unbekannte Dinge.

„Warte mal kurz", meinte ich und beförderte Josias in die Warteschleife, um das fette Unbekannte Nummer ohne äußere Ablenkung anstarren zu können. Jetzt hatte ich die Wahl, abzunehmen oder nichts zu tun. An sich konnte bestimmt nicht Schlimmes passieren, Malware wurden schließlich eher über Links in Nachrichten oder E-Mails versendet, aber trotzdem. Ein mulmiges Gefühl blieb. Und für gewöhnlich betrog mich mein Instinkt nicht.

Also schlich ich zum Fenster, scannte die Nachbarschaft ab und ließ die unbekannte Nummer bis zum Anrufbeantworter durchklingeln, obwohl ich keine verdächtigen Autos oder Personen feststellen konnte. Falls am anderen Ende der Leitung aber dennoch-

Bling.

Unbekannte Nummer: Onkeeeeel

Unbekannte Nummer: du solst drangehn wen ich anrufe!!!!!

Oh.

Ich ächzte, rieb mir aufs Neue über die Augen und kehrte zum Telefonat mit Josias zurück.

„Hat Ares mich zufällig gerade angerufen?", fragte ich, nur zur Sicherheit.

Lautes Einatmen war seine Antwort darauf. „Er fährt seit gestern allein mit dem Bus zur Schule, entsprechend benötigt er nun ein Handy, um mich im Notfall erreichen zu können."

Ich schnaubte, ein bisschen erleichtert. „Dir ist aber klar, dass das kleine Ungeheuer nur allein zur Schule fahren will, eben um ein eigenes Handy besitzen zu dürfen, oder?"

Kurz herrschte Schweigen, dann seufzte er. Sehr, sehr müde. „Ich habe keine Zeit für Ares' Aufstände."

Früher hatte er mehr Geduld besessen – das passierte, wenn man sich zu sehr an seine Live-In Nanny gewöhnte. Josias brüstete sich zwar immer damit, wie er andere Menschen in seine Abhängigkeit trieb, merkte dabei aber selbst überhaupt nicht, wie er sich demselben Schicksal ergab.

Irgendwie ironisch.

„Kann ich also davon ausgehen, dass du vorbeikommst?" Es rauschte, dann lief Wasser im Hintergrund.

Ich warf einen letzten Blick aus dem Küchenfenster. Unsere Häuser standen derart nah beieinander – mein Einbrecher musste längst über Josias Bescheid wissen. Es war schlicht unmöglich, dass er mich bei unserem ständigen Kontakt noch nicht mit ihm zusammen gesehen hatte oder sich nicht bewusst darüber war, wie unsere Beziehung zueinander sich gestaltete.

„Ja", bestätigte ich. „Ich komme vorbei."


„Du bist früh dran."

Weil ich mich keine Sekunde länger hatte konzentrieren können. Es war die eine Sache, auf Josias Handy zuzugreifen und über die Kamera und das Mikrofon regelmäßig – alle paar Minuten – nachzuprüfen, ob er in Ordnung war, aber eine ganze andere, sich wirklich zu vergewissern. Mit meinen Händen auf seinen Schultern, mit denen ich langsam seine Arme hinunterrutschte.

Lebendig, unversehrt, unwissend.

„Ich habe dich eben vermisst", meinte ich und nahm meine Hände von seinen Ellbogen, um ihm beidseits sachte gegen die Wangen zu klatschen, einfach, um ihn weiter berühren zu können. Praktischerweise war er es gewöhnt, dass ich ständig auf platonische Tuchfühlung ging, also musste ich mir keine Sorgen darüber machen, mich irgendwie seltsam zu verhalten.

„Sagt derjenige, der mir absagen wollte." Er wischte meine Griffel von sich und bewegte sich in die Küche. „Die Pute braucht noch circa zwanzig Minuten im Ofen, die Kartoffeln stehen bereits auf dem Herd."

Lecker.

Kochen gehörte nicht zu meinen Spezialgebieten, meine Haushälterin übernahm das für mich, aber Josias' Essen war eine ganz andere Hausnummer. Margot hatte keine Fruktoseintoleranz und ließ gewisse Zutaten einfach weg, wenn sie sich nicht zu hundert Prozent sicher war, ob oder wie viel Fruchtzucker ich vertrug. Im Gegensatz zu ihr war Josias gezwungenermaßen vertraut mit der Praktik und das schmeckte man. Sehr. Außerdem glichen sich unsere Toleranzgrenzen auf das Milligramm.

„Mhm." Ich summte in freudiger Erwartung und streifte mir Schuhe und Jacke ab, bevor ich die Haustür möglichst unauffällig hinter mir abschloss. Zweimal. Und die Sicherheitskette schob ich ebenfalls vor. „Soll ich mich in der Zwischenzeit um die Zwillinge kümmern?"

„Bloß um Avi." Josias' Tonlage sagte mir alles, was ich wissen musste. Er favorisierte ganz klar einen seiner Sprösslinge.

Der Apfel fiel wohl nicht sehr weit vom Stamm.

Ich schüttelte die Erkenntnis ab und lief ins Wohnzimmer, wo die Monster auf ihrer Krabbeldecke lagen. Ares kniete neben ihnen, zum unfreiwilligen Babysitter verdonnert, und sah frustriert aus.

„Onkel", meckerte er. „Ich krieg den einen nicht ruhig!"

Der Eine war definitiv Avi. Er befand sich körpergrößen- und gewichtstechnisch auf einem minimal geringeren Perzentil als sein Bruder. Das machte es einfacher, sie voneinander zu unterscheiden – wenn man mal von seiner gesteigerten Quengeligkeit absah.

„Lass mich mal." Ich ging in die Hocke und hob Avi hoch. Im ersten Moment wehrte er sich, dann packte er mit beiden Händen grobschlächtig in mein Haar.

Vielleicht wäre es besser, ihn nicht mehr derart nah vor mein Gesicht zu halten.

„Okay, okay, okay, nicht ziehen." Ich bugsierte ihn langsam von mir weg, was sofort einen protestierenden Schrei auslöste und noch mehr Zug an meinen Haaren. „Aua, nein, aus, böse." Ich schaffte es nach einem kleinen, unfairen Kampf, meinen Kopf von ihm zu befreien, und stopfte ihm seinen Schnuller in den Mund, bevor er erneut losplärren konnte.

„In Ordnung, du Rabauke." Ich verfrachtete ihn auf meinen rechten Arm, weit weg von Körperstellen, an denen er mir wehtun konnte, und wandte mich Ares zu. „Geh und hol irgendetwas, das glitzert."

„Egal was?"

„Egal was."

Und schon sprang er auf und flitzte die Treppen nach oben, während ich meine freie Hand dazu benutzte, Avi alle zwei Sekunden seinen Schnuller zurück an den Mund zu halten, sobald er ihn wieder ausgespuckt hatte. „Warum weinst du immer, hm? Du hast gar keinen Grund. Jeder betüdelt dich, niemand ärgert dich, du kriegst genug zu essen ... was willst du denn noch haben?"

Tja, glitzernde Dinge scheinbar. Kaum hatte Ares uns erreicht, gab Avi ein freudiges Gurgeln von sich und grapschte nach mehreren aneinanderhängenden und sehr, sehr teuer aussehenden Armbändern aus Gold.

„Woher hast du die?", fragte ich, nahm Ares die Armbänder ab und schüttelte sie, damit sie hübsche, klimpernde Geräusche machten.

„Aus Mamas Schmuckkästchen."

Josias würde mich so etwas von umbringen.

„Ach", sagte ich und überlegte kurz, Avi die Reifen wieder wegzunehmen, aber er heulte nicht mehr länger und das war schließlich der Erfolg, den ich mir gewünscht hatte. Außerdem waren die Reifen durchgängig, also ohne verschluckbare Einzelteile, und insoweit abgerundet, dass er sich nicht verletzen konnte, wenn er sie mit seinen Händen malträtierte oder an ihnen herumkaute. „Aber Papa gegenüber verheimlichen wir das, einverstanden? Wir räumen sie einfach wieder weg, bevor er in der Küche mit dem Kochen fertig ist."

„Wovon genau soll ich nichts erfahren?"

„Das war Onkel Judes Idee!" Ares zeigte, ohne mit der Wimper zu zucken, auf mich. So ein mieser Verräter. „Er hat gesagt, ich soll was Glitzerndes holen!"

Aber Josias sah nicht einmal angefressen aus, er wirkte eher, als würde er gerade selbst einen Magen-Darm-Infekt ohne Protest hinnehmen. Dabei hasste er Keime wie die Pest. Es grenzte ja schon an ein halbes Wunder, dass er seinen Ekel jeweils fürs Windelwechseln abschalten konnte. „Diese Armreifen haben an die vierzigtausend Euro gekostet", informierte er mich.

„Hoppla?" Ich grinste schief, als Avi entdeckte, dass er selbst auch Krach mit dem Schmuck machen konnte, wenn er ihn als Rassel missbrauchte. Er quietschte fröhlich.

„Achte einfach darauf, dass das Kind sich nicht verletzt." Langsam ließ er sich auf die Krabbeldecke sinken und nahm Asa hoch, der friedlich wie eh und je zu ihm aufschaute und sich damit zufriedengab, mit seinen Füßen gegen die Brust seines Vaters zu drücken, als würde er Kniebeugen machen.

„Alles in Ordnung?" Ich musterte ihn. „Normalerweise hättest du mir jetzt einen unangenehm langen Vortrag gehalten."

„Wenn du das Bedürfnis verspürst, von mir zurechtgewiesen zu werden, musst du es nur sagen. Mir fällt einiges ein, das ich an dir kritisieren könnte." Die Schatten unter seinen Augen sahen noch prominenter aus als bei meinem letzten Besuch. Eigentlich sollte das unmöglich sein – und ich war nicht der Einzige, dem das auffiel.

„Papa ist voll im Eimer." Ares boxte mich aufmerksamkeitsheischend in die Seite. „Gestern haben wir alle die erste Schulstunde verpasst, weil er zu spät aufgestanden ist. Mama kann das alles vieeel besser als er."

Josias presste die Lippen zusammen. „Geh und deck den Tisch, Ares."

Aber er ging nicht und deckte den Tisch. Er blieb und begab sich auf arg dünnes Eis. „Bist du böse, weil du schlechter im Elternsein bist?", fragte er stattdessen und zuckte gleich darauf mit den Schultern und sprach weiter, obwohl niemand ihm geantwortet hatte. „Musst du nicht. Dafür kannst du besser kochen. Mamas Essen schmeckt wie Pappmaschee. Oder Knete."

Herrje, da streute aber jemand gerade sehr präzise Salz in offene Wunden. Josias zu unterstellen, sein Perfektionismus wäre unvollkommen, war ziemlich ungünstig. Vor allem, wenn man den Mount Everest an Erziehungsratgebern bedachte, den er über die letzten Jahre in sein Gehirn gestopft hatte. Seiner Meinung nach war er Dank ihm zum besten Vater des gesamten Universums geworden.

„Ari", ging ich dazwischen und legte dem Jungen eine Hand auf den Kopf. „Tu, was dein Vater dir sagt, oder ich verpetze dich, was die Schmucksache hier angeht. Und du willst doch nicht, dass Mama sauer auf dich wird, oder?"

Daraufhin grummelte er, schwieg allerdings und machte eine Kehrwende in Richtung Küche, wo kurz darauf das Klirren von Geschirr zu hören war. Manchmal musste man entsprechendes Verhalten eben erpressen. Das war, was Erziehungsratgeber einem nicht verrieten.

Ich lenkte meinen Fokus von meinem Neffen zurück zu meinem Bruder. „Ausgerechnet du hast verschlafen?", hakte ich nach und tippte Avi gegen die Nase, als sein Quietschen lauter wurde.

Josias gab ein unzufriedenes Geräusch zwischen Resignation und Protest von sich. „Das war eine einmalige Sache."

„Mhm." Ich musterte ihn. Natürlich war es das, Hauptsache, er musste nicht zugeben, wie überfordert er war. „Wie lange musst du noch durchhalten, bis Mama", ich verdrehte die Augen, „wieder die Kindererziehung übernimmt?"

„Bis Ende des Monats." Also in anderthalb Wochen. Das sollte aushaltbar sein. Hoffentlich. „Übrigens", er positionierte Asa etwas um, als er sah, wie dem Winzling langsam die Lider zufielen, „musst du keine Beschwerde beim Lieferservice einräumen. Deine Bestellung kam bei mir an. Unsere Adressen wurden wieder vertauscht."

Ich hob eine Braue. „Welche Bestellung?"

„Kaufst du dermaßen viel Unrat, dass du bereits die Übersicht verlierst?" Er warf mir einen missbilligenden Blick zu. „Ich dachte, wir haben darüber geredet, unseren Zuckerkonsum zu verringern." Und der Blickkontakt brach wieder ab. „Deswegen habe ich drei Packungen Butterkekse einbehalten."

„Erstens", hätten wir nicht beide jeweils einen Säugling auf dem Schoß, hätte ich meine Nase gegen Josias' gequetscht, „bestelle ich im Gegensatz zu früher sehr viel weniger. Zweitens habe ich mir keine Kekse bestellt und drittens", ich schnaufte, „wirkt es ziemlich unglaubwürdig, wenn du mich für genau das gleiche scheltest, das du selbst tust."

„Im Gegensatz zu dir gehe ich verantwortungsvoll mit meinem Zuckerkonsum um." Er erhob sich. Asa war eingeschlafen. „Ich bringe das Kind ins Bett, pass du kurz auf das Essen auf."

Ich zeigte ihm meinen erhobenen Daumen, obwohl ich nicht vorhatte, mich in die Küche zu begeben, außer ich hörte abnorme Geräusche, als mir ein anderer Gedanke kam. Weil Zuckerkonsum. „Nur aus rein theoretischem Interesse – wo genau hast du die restliche Bestellung hingetan ...?"

Er brummte. „Der Karton liegt im Flur auf der Kommode. Du bist vorhin an ihm vorbeigelaufen."

„Ach ja." Ich grinste schief, hievte mich auf die Beine und huschte mit Avi zusammen in besagten Flur, wo tatsächlich ein grün gefärbter Karton halboffen auf der Schuhkommode lag. Dem Aussehen nach musste es eine Lieferung aus unserem Stamm-Reformhaus sein.

Ich drückte Avi fester an meine Seite, damit ich ihn nicht aus Versehen fallen ließ – wie es mir einmal bei meiner ehemaligen Tochter passiert war, bevor Josias sie adoptiert hatte – und wühlte mich durch die Inhalte des Kartons. Neben den schon angekündigten Butterkeksen waren auch zwei Chipspackungen und ein paar Tafeln fruktosearme Zartbitterschokolade dabei. Das sah tatsächlich nach einer meiner üblichen Einkäufe aus. Vielleicht hatte Josias recht und mein Konsumverhalten sollte mir Sorgen bereiten.

Vielleicht sollte er sich aber auch um seinen eigenen Kram scheren und mich einfach naschen lassen, wenn ich Lust darauf hatte. Immerhin war ich erwachsen, in weniger als einem Jahr knackte ich die Dreißigermarke.

Efraim hatte sie Ende März bereits geknackt.

Ich schob den Gedanken beiseite, schnappte mir eine der Chipspackungen und riss sie etwas umständlich auf, bevor ich mir ein paar der Chips genehmigte. Sie halfen, lenkten mich davon ab, dass Josias sich in einer funktionierenden Ehe befand, während mir die einzige Person gestohlen worden war, mit der ich mir jemals eine langwierige Beziehung hätte vorstellen können ... wäre Efraim nicht heterosexuell. Aber ich wäre auch mit einer simplen Freundschaft einverstanden, immerhin war kumpelhaftes Kuscheln besser als gar kein Kuscheln.

Stopp.

Ich leckte mir über die Lippen und gönnte mir noch eine Handvoll. Einen Trotzanfall konnte ich mir mit Avi auf dem Arm nicht erlauben, da half es, sich mit Essen ruhigzustellen.

„Wehe, ich höre gleich beim Abendessen Gemecker darüber, dass du schon satt bist." Josias stand mit verschränkten Armen am Treppenabsatz. Er musste die Stufen hinuntergeschlichen sein, dass ich es nicht mitbekommen hatte.

Ich lutschte mir die Finger nacheinander sauber, hob währenddessen beide Brauen. „Du weißt schon, dass ich nicht eines unserer Kinder bin, ja?"

Er kam näher, unbeeindruckt, bevor er kurz vor mir haltmachte und schließlich grob nach meinem Kinn griff. Ich spürte sogar, wie sich seine Finger in meine Wangen bohrten. „Das tut nichts zur Sache", sagte er, „du gehörst genauso mir, wie sie es tun."

Mhm, damit konnte ich leben – Bestätigungen waren eine Notwendigkeit. Erst recht seit seiner Hochzeit.

„So, wie du auch mir gehörst?" Ich sah ihn an, ohne zu blinzeln. „Nur mir?"

Seine Hand rutschte von meinem Gesicht, als er sich zur Küche wandte, um das gemeinsame Abendessen einzuläuten. „So, wie ich dir gehöre", nickte er. „Ausschließlich dir."


Der Besuch zog sich. Einerseits, weil es noch Nachtisch gegeben hatte, andererseits weil mir die Vorstellung, meine Familie schutzlos ausgeliefert zu wissen, Unbehagen bereitete. Außerdem hatte ich es immer noch nicht übers Herz gebracht, Josias zu beichten, dass ich vermutlich einen meiner ehemaligen Arbeitgeber oder dessen Opfer derart verärgert hatte, dass er nach Rache dürstete, und das verdoppelte mein Unbehagen noch.

Ich seufzte, klemmte meinen Reformhaus-Karton unter meinen linken Arm und fischte mit der rechten Hand meinen Schlüssel aus der vorderen Hosentasche heraus, stiefelte die Einfahrt zu meinem Haus hoch und-

Ha." Langsam pflückte ich das gelbe Post-It von dem Tastenfeld meines Sicherheitssystems, starrte die computergeschriebenen Buchstaben und Zeichen darauf an.

Einfach ausgesperrt. Wie gemein!

Ich sollte wütend sein, weil er wieder hier gewesen war – aber ich verspürte nur Erleichterung.

Die neue Installation hatte ihren Dienst erfüllt.

„Es hat funktioniert", murmelte ich, sah mich leicht paranoid um, verdeckte das Tastenfeld und gab anschließend blitzschnell das neue sechsstellige Passwort ein. Mein Türschloss knackte mehrmals – im Inneren schob sich gerade ein Metallbolzen zurück – und ich wartete geduldig die paar Sekunden, bis alle Geräusche verstummten. Das Zeichen dafür, dass das zweite Schloss freigegeben und das Alarmsystem kurzzeitig deaktiviert war.

Ich stopfte mir das Post-It in die hintere Hosentasche – bei seinem Geschick brauchte ich gar nicht erst darauf hoffen, dass er auf dem Stück Papier Fingerabdrücke hinterlassen haben könnte. Ein Anfänger schien er mir definitiv nicht zu sein –, öffnete mit meinem Schlüssel die Tür und trat ein.

Und bereute es augenblicklich. Mit dem Kein-Anfänger hatte ich nämlich offensichtlich recht gehabt.

Stumm starrte ich auf das zweite Post-It, dieses Mal in hellgrün, mit einem fettgedruckten Nicht gemein genug! in der Mitte.

Ruckartig schnellte mein Puls in die Höhe, dröhnte mir in den Ohren nach. Ich musste mich dazu zwingen, ruhig einzuatmen und meinen Karton möglichst geräuschlos auf dem Boden abzulegen, um beide Hände freizuhaben für ... für was auch immer gleich geschehen würde, weil ich keine Ahnung hatte, ob der Kerl noch da war, ob er vielleicht doch nicht mehr da war, dafür aber irgendwelche Fallen hinterlassen hatte, oder ob er mich quälen wollte, indem er mich im Ungewissen ließ. Psychologischer Terror vom Feinsten.

Los jetzt, flüsterte ich mir innerlich selbst zu und tat einen vorsichtigen Schritt den Flur runter, linste um die Ecke zur Küche, hielt nach Schatten Ausschau, die mir verraten könnten, dass er hinter der Wand auf mich wartete. Als ich keinen entdeckte, huschte ich in den Raum und schnappte mir ein Messer – und ignorierte den Fakt, dass es jetzt schon das zweite Mal war, dass ich beabsichtigte, es zu entzweckfremden. Wenn man mal von dem Vorfall mit Maximilian absah. Und dem Versuch, die Bremsleitungen am Wagen unserer Eltern zu durchtrennen.

Zunächst jedoch wurde das Messer erstmal nebensächlich, weil etwas anderes meine Aufmerksamkeit erregte. Ein weiterer Strauß Sonnenblumen, dieses Mal mit Vase. Und ein altes Klapptelefon.

Langsam ließ ich das Messer sinken und trat auf den Tisch zu. Bei den Blumen fand ich keine kleinen Zettel-Nachrichten, dafür fand ich umso mehr auf dem Handy. Zwei Dinge, um genau zu sein.

Einen eingespeicherten Kontakt und eine Nachricht. Gesendet vor knapp zwei Stunden.

A_Friend: Schmecken dir die Kekse? <3

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