Kapitel 15
Kapitel 15
Ollie
Das Licht ist genau in dem Moment weg, an dem ich den Teig in den Ofen schiebe. Wolken schieben sich über die Sonne und es wird dunkel. Ben macht das Licht an, doch es hilft nicht viel.
„Ich schätze, mit der Füllung wird das heute nichts mehr." Ich sehe hinaus auf die Straße, wo schon die ersten Regentropfen auf das Pflaster fallen. Fuckity fuck.
„Nein, das wäre wohl nur verlorene Liebesmüh", sagt Ben und baut die Kamera ab. „Hält sich der Teig eine Weile?"
„Klar, so ein, zwei Tage. Die Juroren müssen ihn ja auch nicht essen." Wenn es hier heute nicht weitergeht, kann ich auch aufräumen. Also schnappe ich mir einen Schaber und fange an, das Mehl und Butter Gemisch von der Arbeitsfläche zu kratzen. „Wir könnten morgen weitermachen."
„Morgenabend muss ich arbeiten, es ist Freitag", antwortet Ben. Er sieht fast schuldbewusst aus. Komisch.
„Nein, schon okay. Wir wärs am Samstagmorgen?"
„Samstag klingt gut. Gegen 9 Uhr?"
Ich nicke und lasse warmes Wasser in die Spüle laufen. „Abgemacht."
Und bevor ich mich versehe, steht Ben neben mir, ein Geschirrtuch in der Hand, und hilft mir beim Abwasch. Ich sehe ihn von der Seite her an. Heute hat er seine Haare wieder zurückgekämmt. Die Beule an seiner Stirn ist verschwunden und auch seine Lippe sieht viel besser aus. Als er den Kopf dreht und meinen Blick auffängt, sehe ich schnell weg. Fuck....werden meine Wangen rot? Auf keinen Fall. Doch egal wie doll ich die Backform auch schrubbe, ich merke, wie meine Wangen rot werden. Fuuuuck.
Ben stellt gerade die sauberen Kochlöffel auf das Abtropfbrett, als ich ein Geräusch höre. Ich drehe den Kopf. Klingt wie...."Klopft da jemand ans Fenster?"
Neben mir lauscht Ben, dann hellt sich seine Miene auf. „Das ist nur Belzi", sagt er, trocknet seine Hände ab und geht ins Wohnzimmer. Belzi? Was ist denn das für ein Name. Ich beobachte, wie Ben die Tür zum Balkon einen Spalt weit öffnet. Hä? Sein Blick ist auf den Boden gerichtet.
„Guten Abend, Belzi", sagt er und lächelt. Es ist ein sanftes Lächeln, irgendwie....süß. Fuck. Jetzt denke ich schon, sein Lächeln ist süß. Ben schließt die Balkontür und einen Moment später sprintet eine rote Katze in die Küche. Als sie mich sieht, bremst sie mitten im Rennen ab, macht einen Buckel und faucht.
Ben lacht und hebt die Katze auf den Arm. Sofort schmiegt sie sich in seine Armbeuge und fängt an zu schnurren. „Aber, aber, Belzi. Das ist nur Oliver. Ein Freund. Der tut dir nichts."
Ein Freund? Hat er mich gerade einen Freund genannt?
„Du hast eine Katze?" frage ich, um mich abzulenken. Ben krault die Katze unter dem Kinn, bevor er sie wieder auf den Boden setzt. Sie wirft mir noch einen misstrauischen Blick zu, doch dann stolziert sie zum Kühlschrank und setzt sich erwartungsvoll davor.
„Nein, Belzi gehört mir nicht. Er ist außerdem ein Kater." Ben geht zum Kühlschrank, holt eine angebrochene Dose Thunfisch heraus und löffelt ein wenig davon auf einen kleinen Teller. Der Kater – Belzi – streicht um seine Beine, bevor er sich auf den Teller stürzt. Ben streichelt den Rücken des Tiers, dann kommt er wieder zu mir an die Spüle.
„Belzi, also eigentlich Belzebub, wohnt hier irgendwo. Keine Ahnung wo, aber für einen Streuner sieht er zu gut aus. Er kommt ab und zu vorbei, um sich etwas Fressen zu schnorren. Und für ein paar Streicheleinheiten." Ben sieht zu dem Kater, der den Teller leer geputzt hat und sich nun über seine kleine rosa Nase leckt. Als er Bens Blick auffängt, gibt er ein Mrrrau von sich, streckt sich und streicht dann wieder um Bens Beine.
„Ja, mein Kleiner, alles gut." Ben krault ihn wieder, dann verschwindet der Kater ins Wohnzimmer, wo er sich auf dem Sessel zusammenrollt.
Ich weiß nicht, was es ist, aber der Anblick von Ben und dem Kater....das....fuck. Das ist einfach nur niedlich.
Fuck, fuck, fuck. Ich will Ben nicht nett finden!
Ben
Als Oliver gegangen ist nehme ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank (ich muss dringend einkaufen gehen, außer den Backzutaten von Oliver steht fast nichts drin) und setze ich auf die Couch. Belzi schnurrt leise auf dem Sessel. Ich schalte meinen Computer an um meine E-Mails zu lesen. Eine neue Anfrage, ob ich Bewerbungsunterlagen durchsehen kann und eine Anfrage für den Check einer Seminararbeit. Für die Seminararbeit habe ich eigentlich gar keine Zeit. Eine Seminararbeit auf Grammatik- und Tippfehler zu prüfen und auch zu sehen, ob das Literaturverzeichnis stimmt, ist eine Heidenarbeit. Und die meisten Studenten haben kein Geld, deswegen kann ich nicht viel verlangen. Die Arbeit ist an die E-Mail angeheftet. Ich scrolle schnell durch den Text und bereits jetzt sehe ich unzählige Fehler. Hat diese Person kein Computerprogramm, die diese Dinge automatisch korrigiert?
Nach kurzem Überlegen sage ich beiden Aufträge zu. Geld ist Geld und jetzt, wo ich gratis für Oliver arbeite, kann ich nicht wählerisch sein. Außerdem stehen bald die Zwischenprüfungen an und dann habe ich noch weniger Zeit. Auch wenn ich jetzt schon hundemüde bin, muss ich Geld verdienen.
Ich lehne mich zurück, nehme noch einen Schluck Bier, und fange mit meiner Arbeit an. Als ich den Computer endlich ausschalte, ist es nach Mitternacht. Meine Augen brennen, ich habe Kopfschmerzen und mein Rücken ziept. Aber ich habe 80 Pfund verdient. Mein Kopf hat kaum das Kissen berührt, da bin ich auch schon eingeschlafen.
Vicky
Mhmm, die Pommes sind heiß und fettig und leckeeer. Schnell schiebe ich mir noch eine in den Mund, bevor mich die Möwen attackieren. Diese Viecher haben keinen Respekt vor dem Eigentum anderer Leute. Im Sturzflug sausen sie herab und schnappen sich die Pommes aus den Fingern. Aber nicht heute, nicht bei mir, oh nein!
Den halben Tag habe ich mit Gummistiefeln im Wasser gestanden und Schnecken gezählt, vermessen und fotografiert. Diese Pommes habe ich mir verdient. Und ich werde sie nicht kampflos aufgeben. Eine Möwe landet vor mir und guckt mich mit schief gelegtem Kopf an. „Schsch!" mache ich und wedele mit der Hand. Sie hüpft fort, um mich dann erneut anzustarren.
Neben mir lacht Ollie. „Dann gibt ihnen doch eine. Können sie sich zanken und du hast deine Ruhe."
„Nein, das sind meine Pommes." Patzig nehme ich eine der langen, goldenen Köstlichkeiten und stecke sie mir demonstrativ in den Mund. Dabei lasse ich die Möwe nicht aus den Augen. In dem Moment gibt es einen Luftzug, etwas kreischt und im nächsten Moment zischt eine andere Möwe an mir vorbei.
„Ahhh!" schreie ich und renne ein paar Schritte weg. „Verdammte Mistviecher!"
„Hahahahahaha!" Ollie kriegt sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Er hält sich den Bauch und seine Augen funkeln.
„Das ist nicht witzig!" sage ich grummelig und laufe zu ihm zurück.
„Doch, ist es." Er wischt sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. „Du hättest dich sehen sollen, Vicks. Wie so ein Tourist mit den Armen wedelnd und schreiend." Er äfft mich nach und ich muss grinsen. Depp.
„Depp", sage ich, doch ich sage es liebevoll. Ollie schnappt sich eine Pommes, isst die Hälfte und wirft den Rest zu den wartenden Möwen. Sofort fallen sie darüber her.
„Das war meine Pommes", sage ich schmollend.
Ollie streicht mir über die Wange. „Und jetzt hast du die Möwen glücklich gemacht."
Seufzend hake ich mich bei ihm unter. „Wo gehen wir eigentlich hin?"
Es ist Freitagabend und am Pier wimmelt es von Leuten. Für Anfang Oktober ist das Wetter zu frisch, aber das hält die Leute nicht davon ab, am Strand spazieren zu gehen.
„Ich dachte wir könnten noch in den Pub", sagt Ollie und ich höre seiner Stimme gleich an, dass etwas nicht stimmt.
„Okay", sage ich, esse die letzte Pommes und werfe die Tüte dann in einen Mülleimer. Die Möwen starren mich böse an und ich stecke ihnen schnell die Zunge raus. Kindisch, ich weiß, aber egal. Nach wenigen Minuten erreichen wir das White Whale. Oh....jetzt wird mir einiges klar. Ich unterdrücke ein Grinsen.
„Ins Whale, ja? Hat es dir letztes Mal so gut gefallen? Ich dachte, du mochtest es nicht so besonders."
„Uh", macht Ollie und reibt sich seinen Nacken. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass er sich unwohl fühlt oder verlegen ist.
Ich löse mich von ihm und stemme die Hände in die Hüften. „Oliver Hunter, du willst doch nicht nur ins White Whale, um Jenny nachzuspionieren, oder?"
„Waas?" Er sieht mich mit großen Augen an. „Nein! Gar nicht." Wieder reibt er sich den Nacken. Merkwürdig. Seine Reaktion scheint echt und ich glaube ihm, dass er nicht wegen Jenny hier ist. Aber warum dann? Huhm, na gut, abwarten. Wenn Ollie eines nicht ist, dann subtil. Früher oder später werde ich sehen, warum wir hier sind.
„Okay", sage ich und gehe zur Tür. „Dann komm, ich gebe die erste Runde aus."
Im Pub ist es voll. Alle Tische sind besetzt und auch an der Bar stehen die Leute in Zweierreihen. Kellner wuseln mit Tellern voller Essen herum. Es riecht nach Steak, Butter und Bier. Herrlich. Ich schlage mich zum Tresen durch, bestelle uns zwei Ale, bezahle und reiche ein Glas an Ollie weiter. Dann suchen wir uns ein Fleckchen Stehfläche an der Wand.
„Ganz schön voll", sage ich und nippe an dem Ale. Es ist gut. Würzig. Ollie nickt, doch ich kann sehen, dass er abgelenkt ist. Sein Blick huscht durch den Pub. Sucht er jemanden? Ganz offensichtlich. Doch wen? Wenn er doch hier ist, um seiner Ex nachzuschnüffeln, bin ich raus hier. Zwar habe ich Jenny nie wirklich ins Herz geschlossen, aber stalking lehne ich ab. Außerdem hat sie einen neuen Freund und ich werde Ollie nicht dabei unterstützen, wie er ihre neue Beziehung sabotiert.
Wir trinken in Ruhe unser Bier und unterhalten uns. Nach einer Weile wird es leerer, als die meisten Arbeiter nach Hause gehen. Wir schnappen uns einen freien Tisch, bestellen noch eine Runde, und teilen uns eine Schale Cracker mit Käsedipp. Ich erzähle Ollie gerade, wie weit wir mit dem Projekt für die Uni sind, als sein Kopf hochschnellt. So richtig wie im Film. Ich höre auf zu reden und folge seinem Blick.
Oh....deswegen sind wir hier.
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