Marcel Sabitzer & Timo Werner
Marcel
Schwer atmend und total verschwitzt liegen wir nebeneinander auf meinem Bett. Ich drehe mich auf die Seite und will mich an ihn kuscheln, aber Timo weicht mir sofort aus und setzt sich auf. Im gleichen Moment fühle ich den Schmerz in meinem Herz, lasse mir aber nichts anmerken.
Er steht auf, schnappt sich seine Klamotten und zieht sich eilig an. Erst dann huscht sein Blick zu mir und ich decke mich automatisch zu. Obwohl wir grade noch intim miteinander waren, fühle ich mich jetzt nackt. Timo schluckt schwer, senkt den Blick und schlüpft in sein Shirt.
"Das bleibt doch unter uns, nicht wahr? Ich bin nicht schwul, Marcel. Das war ein Ausrutscher."
Verdammt, tut das weh. Trotzdem werde ich ihm auf keinen Fall die Genugtuung gönnen, mich weinen zu sehen. Da ich im Moment total sprachlos bin, nicke ich lediglich.
"Danke. Ich will echt meine Karriere nicht aufs Spiel setzen, wenn das raus kommen würde, das wäre eine Katastrophe."
"Ich werde bestimmt nichts sagen", sage ich leise.
"Okay. Ich gehe dann, wir sehen uns morgen beim Training."
"Bis morgen."
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, lasse ich mich zurücksinken und kann die Tränen nicht mehr aufhalten, die unbedingt über mein Gesicht laufen wollen. Ich kuschle mich in meine Decke, in der noch Timos Duft hängt und weine mich in den Schlaf.
Am nächsten Morgen bin ich wie gerädert, schleppe mich unter die Dusche und koche mir anschließend einen starken Kaffee. Den brauche ich heute, um wach zu werden und das Training zu überstehen.
In der Kabine gehe ich gleich zu meinem Platz, ziehe mich schweigend um und verlasse sie dann in Richtung Trainingsplatz. Ich merke die verwunderten Blicke, aber ich will mit niemandem reden, weil ich fürchte, gleich wieder in Tränen auszubrechen.
"Guten Morgen, Marcel", begrüßt mich der Trainer.
"Guten Morgen, Julian", murmele ich und fange an, mich aufzuwärmen.
Er joggt auf mich zu und mustert mich besorgt. "Geht es dir gut? Du siehst aus als hättest du keine Minute geschlafen."
"Ich bin in Ordnung", antworte ich.
"Okay, aber du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst, wenn du Probleme hast."
"Danke."
Ich laufe mich warm und die anderen Jungs gesellen sich auch nach und nach dazu. Willi läuft neben mir und wirft mir einen fragenden Blick zu. Unser Kapitän wird sich nicht so leicht abwimmeln lassen wie der Coach.
"Können wir nach dem Training reden?", frage ich und er nickt.
Klar fällt mir auf, dass Timo ab und zu herüber schaut, aber ich ignoriere ihn. Dass das nicht unbemerkt bleibt, ist mir bewusst, aber ich kann nicht so tun als wäre nichts passiert. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen, ihn mit nach Hause zu nehmen, aber mein verliebtes Herz wollte ihm unbedingt nahe sein.
Nach dem Training wartet Willi auf mich und begleitet mich zu meinem Auto. Ernst schaut er mich an und lässt meine Beherrschung bröckeln. Erneut habe ich Tränen in den Augen und bin nicht in der Lage sie zurückzuhalten. Sofort nimmt unser Kapitän mich in den Arm und tröstet mich.
Timo
Nach dem Training verschwindet Marcel so schnell wie möglich. Ratlos schaue ich ihm hinterher, aber ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren soll. Ich spüre die Blicke der anderen auf mir, ziehe mich um und gehe. Ich will keine Fragen beantworten müssen, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll.
Als ich den Parkplatz komme, sehe ich Marcel vor seinem Auto stehen. Doch bevor ich zu ihm gehen kann, eilt Willi auf ihn zu. Sie schauen sich an, dann nimmt unser Kapitän Marcel in den Arm. Ich sehe, dass er weint und das tut mir mehr weh als ich zugeben will. Vor allem weil ich schuld daran bin. Verdammt, ich hätte mich von ihm fernhalten sollen, aber er zieht mich magisch an.
Bevor ich noch etwas Dummes mache, steige ich in mein Auto und fahre nach Hause. Mir ist klar, dass ich einen guten Rat brauche, deshalb wähle ich die Nummer meiner Mutter.
"Hallo Timo, wie schön, dass du anrufst."
"Hallo Mama, ich brauche deinen Rat", falle ich gleich mit der Tür ins Haus.
"Was ist denn los? Erzähl mir alles ganz in Ruhe."
"Ich habe mit Marcel geschlafen", flüstere ich.
"Damit habe ich zwar jetzt nicht gerechnet, aber es ist auch kein Weltuntergang."
"Für ihn schon. Ich bin danach abgehauen, habe ihm gesagt, dass ich nicht schwul bin und er auf keinen Fall darüber reden darf. Heute beim Training war er am Boden zerstört. Das verzeiht er mir nie."
"Mensch Timo, warum machst du denn so einen Mist?", seufzt sie und mein schlechtes Gewissen wächst.
"Ich weiß es nicht", gebe ich zerknirscht zu. "Was mache ich denn jetzt? Eigentlich...", ich schlucke schwer, die nächsten Worte fallen mir nicht leicht. "Eigentlich bin ich ziemlich verliebt in Marcel."
"Kennst du ihn gut? Weißt du, was er mag und was nicht?"
"Ja, wir sind sehr gute Freunde."
"Dann überrasch ihn. Mit Blumen, Schokolade, einem Essen. Was er hält gerne mag."
"Ich soll ihm den Hof machen?"
Jetzt lacht sie und ich weiß, dass sie den Kopf schüttelt. "Ganz so altmodisch hätte ich es nicht ausgedrückt, aber ich habe genau das damit gemeint."
"In Ordnung, ich lasse mir was einfallen. Danke Mama, du bist die Beste."
Ich bin froh, dass Marcel und ich uns so gut kennen, deshalb fällt es mir leicht, einen Plan zu schmieden. Schon morgen will ich anfangen, ihn für mich zu gewinnen. Einfach wird das bestimmt nicht, ich habe ihm sehr wehgetan mit meinen Worten.
Am nächsten Morgen bin ich der erste in der Kabine. Ich war vorher in einem Blumengeschäft und habe eine rote Rose gekauft. Die lege ich auf Marcels Platz, ziehe mich um und gehe auf den Platz, um alles für das Training vorzubereiten. Zehn Minuten später kommt der Trainer heraus und schaut mich verwundert an.
"Geht es dir gut, Timo?"
"Dir auch einen Guten Morgen. Ja, es geht mir gut. Darf ich nicht auch mal der erste auf dem Platz sein?"
"Guten Morgen. Doch, alles gut. Ich wundere mich nur. Gestern Marcel, heute du. Das ist echt seltsam."
Ich bleibe ihm eine Antwort schuldig und fange stattdessen an, mich warm zu laufen.
Marcel
Nachdem ich in Willis Armen zusammengebrochen bin, bringt er mich dazu, ihm alles zu erzählen. Obwohl ich Timo versprochen habe, Stillschweigen zu wahren, muss ich doch mit jemandem reden. Der Kapitän hört mir zu, tröstet mich und schließlich versiegen meine Tränen.
"Du liebst ihn", sagt er leise und ich nicke zaghaft.
Es abzustreiten wäre nach meinem Zusammenbruch zwecklos. Schniefend wische ich mir übers Gesicht, um die Tränen zu entfernen.
"Er ist es gar nicht wert, dass ich wegen ihm heule", murmele ich.
"Du weinst, weil Timo dir viel bedeutet. Das ist menschlich, Marcel."
"Danke Willi, für alles."
"Dafür sind Freunde doch da. Fahr jetzt nach Hause, gönn dir ein heißes Bad und entspann dich. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus."
Ich umarme ihn nochmal, dann verabschieden wir uns voneinander und ich fahre nach Hause. Dort lasse ich mir dann tatsächlich ein Bad einlaufen, gieße duftendes Schaumbad dazu und lege mich in die Wanne. Doch entspannen kann ich mich trotzdem nicht. Dauernd muss ich an Timo und die schönen Stunden denken, die wir zusammen verbracht haben.
Wieso hat er mich geküsst, gestreichelt und voller Zärtlichkeit mit mir geschlafen, wenn er doch gar nicht schwul ist? Ein Mann, der auf Frauen steht, macht sowas auf keinen Fall. Timo lügt nicht nur mich, sondern auch sich selbst an. Grummelnd tauche ich unter als könne ich damit meine Gedanken ertränken.
Nach dem Bad kuschle ich mich aufs Sofa, wickle mich in die flauschige Decke ein und schaue mir einen romantischen Film an. Dass das keine gute Idee ist, merke ich schon bald, weil mir erneut die Tränen kommen. Ich will auch eine solche Beziehung. Eine in der man sich jederzeit aufeinander verlassen kann, sich liebt, miteinander lacht und weint.
Genervt wechsle ich das Programm und bleibe bei einer Krimiserie hängen. Schon besser. Ich habe für heute wirklich genug geheult. Mein Handy piept und zeigt mir den Eingang einer neuen Nachricht an.
'Bist du in Ordnung?', schreibt Willi mir.
'Soweit geht es mir gut. Ich habe ein Bad genommen und schaue jetzt einen Krimi. Für Liebesfilme bin ich grad zu nahe am Wasser gebaut.'
'Es renkt sich bestimmt alles wieder ein. Mach dir nicht zu viele Gedanken.'
'Danke.' Mehr muss ich nicht schreiben, er weiß, für was.
Obwohl die Nacht unruhig ist, bin ich morgens ausgeruht und bereit fürs Training. Zu fünft betreten wir die Kabine, unterhalten uns und ich lache mit den Jungs. An meinem Platz angekommen, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Da liegt eine wunderschöne, dunkelrote Rose. Überrascht schaue ich mich um, aber außer mir hat niemand Blumen an seinem Platz.
"Jungs, es ist ja schön, dass ihr mich aufheitern wollt. Schokolade hätte es aber auch getan", sage ich und halte die Rose hoch.
Sofort ist es totenstill in der Kabine. Alle werfen sich Blicke zu und huschen schließlich zu Timos Platz. Er ist der einzige, der nicht in der Kabine ist, obwohl seine Tasche dort steht. Kann es sein, dass er mir die Blume gebracht hat? Und wenn ja, warum?
Timo
Angespannt laufe ich mich warm. Immer wieder huscht mein Blick zum Eingang. Julian sitzt auf der Bank und tüftelt an den verschiedenen Aufgaben für heute herum. Er hat akzeptiert, dass ich nicht reden will.
Nach ein paar Minuten kommt der Mann auf den Platz, der mein Herz höher schlagen lässt. In der Hand hat er die Rose, sein Gesichtsausdruck ist völlig neutral. Ich habe keine Ahnung, wie er reagieren wird und eigentlich will ich auch kein Drama, während wir beim Training sind. Marcel bleibt vor mir stehen, unsere Blicke finden sich und ich möchte ihn am liebsten an mich ziehen.
"Was soll das?", will er leise wissen. "Erst servierst du mich eiskalt ab und dann bringst du mir Blumen mit. Spinnst du eigentlich total?"
Ich schlucke, beiße mir auf die Lippe und senke den Kopf, weil ich seinem Blick nicht standhalten kann.
"Es tut mir unendlich leid, dass ich dich verletzt habe, Marcel. Ich würde gerne..." Ich atme tief durch und hebe den Kopf. "Ich würde dich gerne auf ein richtiges Date einladen. Bitte, gib mir noch eine Chance."
Fassungslos schaut er mich an, dann wirft er mir die Rose vor die Füße und schüttelt den Kopf.
"Vergiss es. Glaubst du wirklich, ich lasse mir nochmal das Herz brechen?", zischt er mir zu, bevor er sich umdreht und zum Trainer hinüber geht.
Mit hängenden Schultern stehe ich auf dem Platz und spüre, das Tränen in meinen Augen brennen. Mist, ich bin so ein dämlicher Idiot. Energisch wische ich mir übers Gesicht. Ich werde mir garantiert keine Blöße geben und vor den Jungs heulen. Also hebe ich die Rose auf, lege sie an den Rand des Feldes und laufe weiter meine Runden.
Julian steht auf und winkt uns alle zu sich. "Heute machen wir es mal ganz anders. Ich entscheide, wer die Aufgaben zusammen löst."
Gespannt hören wir ihm zu, während er die Teams einteilt. Mir wird immer mulmiger, weil nur noch vier Leute übrig sind. Ich bete zu allen Göttern, dass er mich nicht mit Marcel zusammen steckt.
"Timo und Marcel, ihr seid das letzte Team. Beginnt an einer Station und arbeitet euch durch. Ihr werdet schnell merken, dass ihr es nur gemeinsam schaffen könnt. Arbeitet zusammen, wenn ihr nicht scheitern wollt."
"Aber Trainer, das....", fängt Marcel an, aber Julian bringt ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
"Ich weiß, dass ihr euch grade nicht grün seid, aber hier geht es um die Mannschaft. Das hier ist Arbeit, klärt euren privaten Kram nach dem Training."
Mit offenem Mund starre ich ihn an und kann es nicht fassen, dass er das wirklich getan hat. Doch dann sehe ich es als Chance an, meinem Schwarm näher zu kommen und ihn vielleicht doch noch zu einem Date überreden zu können.
"Komm, lass uns anfangen", sage ich und werfe Marcel einen Blick zu.
Er seufzt leise, nickt dann und wir traben zur ersten Station hinüber.
Marcel
Das hat der Trainer sich ja toll ausgedacht. Ausgerechnet mit Timo soll ich zusammen die Aufgaben lösen. Seufzend stimme ich zu und folge ihm zur ersten Station. Er nimmt einen Zettel, liest und runzelt dann die Stirn. Ich schaue über seine Schulter und lese, was darauf steht.
'Bindet eure Arme zusammen und helft euch gegenseitig, über das Brett zu balancieren.'
Innerlich fluche ich, äußerlich tue ich gelassen. Ich nehme das Seil, wickle es um unsere Handgelenke und spüre, wie mein Herz anfängt zu rasen. Seine Nähe macht mich kribbelig und nervös. Er schiebt mich zu der Wippe und ich versuche, darüber zu laufen. Da mir die Beine zittern, schaffe ich es nicht und kippe in seine Richtung.
Mit einem Schrei falle ich von der Wippe und werde von einem weichen Körper gebremst. Schwer atmend liegen wir übereinander auf dem Rasen. Natürlich wollte ich Timo näher kommen, aber doch nicht so.
"Entschuldige bitte", stottere ich und will mich aufrappeln.
Timo hält mich fest und ich kann sein Herz schlagen spüren. "Bitte geh mit mir essen, Marcel. Ein Date. Danach können wir von mir aus wieder so tun als wären wir nur Freunde. Ich war ein Idiot und habe dich verletzt."
"Du bist immer noch ein Idiot", sage ich leise. "Na gut, ein Abendessen. Versau es nicht wieder."
Sein strahlendes Lächeln wärmt mein Herz. "Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir."
"In Ordnung und jetzt hilf mir hoch. Die Mannschaft beobachtet uns."
Wir stehen auf, lächeln uns an und beginnen dann von vorne. Diesmal klappt alles wie am Schnürchen und wir meistern die Stationen mit Bravour. Zufrieden lobt uns Julian und schickt uns unter die Dusche. Da wir nachmittags kein Training haben, lasse ich mir unter der Dusche Zeit. Ich erwarte nicht, dass noch jemand da ist, aber Timo sitzt auf seinem Platz als ich aus der Dusche komme.
"Hey, du bist ja noch hier."
"Ich...ich habe auf dich gewartet. Hast du heute Abend Zeit für mich?"
Unsicher schaut er mich an und dieser Timo gefällt mir besser als der eiskalte Mann, der er vor ein paar Tagen gewesen ist. Deshalb nicke ich und seine Augen glitzern vor Freude.
"Hol mich 19 Uhr ab", bitte ich ihn.
"Mache ich. Zieh dich bitte schick an."
"Was hast du vor?"
"Das wird eine Überraschung."
"Timo, das ist..."
"Lass mich einfach machen. Ich habe dir einmal weh getan, das passiert mir nicht nochmal. Vertrau mir, bitte."
Ich beiße mir auf die Lippe. Kann ich ihm wirklich nochmal mein Vertrauen schenken? Wenn ich das mache, gebe ich ihm ein Messer in die Hand, dass er mir ins Herz rammen kann. Tue ich es nicht, entgeht mir vielleicht das Schönste der Welt, nämlich Timos Liebe. Eine Sache muss ich noch klären, bevor ich mich erneut auf ihn einlassen kann.
"Du hast gesagt, du bist nicht schwul", flüstere ich.
Jetzt steht er auf, nimmt meine Hand und schaut mir in die Augen. "Ich...ich habe gelogen. Es hat mich verunsichert, dass ich mich so stark zu dir hingezogen gefühlt habe. Ich habe mich in dich verliebt, Marcel."
Timo
Wieder bete ich zu Gott, dass Marcel mir glaubt und einen kleinen Vertrauensvorschuß gewährt. Ich habe ihm mein Herz zu Füßen gelegt und er kann es mit einem Satz in Millionen Teile zersplittern lassen.
"Idiot", sagt er leise und lächelt mich an. "Miteinander reden kann manchmal ganz nützlich sein. Wir müssen ja niemand davon erzählen, wenn wir nicht wollen. Die Jungs merken es sowieso von allein."
"Ich werde es meinen Eltern nicht verheimlichen können, weil ich Mama um Rat gefragt habe, wie ich dein Herz erobern kann."
"Du bist wirklich einmalig", sagt er grinsend. "Meine Eltern und Freunde werden nicht wirklich überrascht sein, sie wissen, dass ich schon lange in dich verliebt bin."
Dass Marcel bei Familie und Freunden so offen damit umgeht, verwundert mich. Normalerweise hält man als aktiver Fußballer sowas geheim, damit niemand etwas ausplaudern kann. Ich sehe ihm zu, wie er sich anzieht und überlege, ob ich ihm diese Frage stellen darf.
"Hast du keine Angst, dass jemand das gegen dich verwenden könnte? Dass deine Karriere vorbei ist, wenn herauskommt, dass du auf Männer stehst?"
"Nein", sagt er schlicht. "Außerdem würde Julian immer hinter mir stehen, du kennst doch seine Offenheit beim Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe. Klar, am Anfang wäre es bestimmt die Schlagzeile schlechthin, aber das beruhigt sich auch wieder."
Was Marcel sagt, klingt so einfach. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich bereit wäre, zu der Beziehung zu stehen. Erstmal muss das Date heute Abend gut laufen, dann kann ich mir Gedanken darüber machen. Wir gehen zu unseren Autos und fahren nach Hause.
Dort angekommen gehe in die Küche, mache mir eine große Tasse Kaffee und setze mich damit aufs Sofa. Dann schnappe ich mir das Telefon und rufe Mama an, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Wir reden ungefähr eine halbe Stunde und sie lädt Marcel am nächsten Wochenende zum Essen zu ihnen nach Hause ein. Ich hätte gerne ihren Optimus.
Den ganzen Nachmittag bin ich hibbelig und weiß nicht, was ich machen soll. Nicht mal die Playstation kann mich ablenken. Also öffne ich den Chat mit Konrad und frage ihn, ob er Zeit für eine Joggingrunde hat. Wir verstehen uns sehr gut und er schafft es vielleicht, mich abzulenken.
Er sagt zu und steht fünfzehn Minuten danach vor meiner Tür. Langsam laufen wir los, zuerst schweigend, aber dann wirft er mir einen Blick zu und grinst.
"Was war das denn heute im Training? Du wolltest Marcel ja gar nicht mehr loslassen."
Bei seinen Worten stolpere ich fast über meine eigene Füße und bleibe schließlich stehen. "Ich...ähm...wir sind uns näher gekommen und gehen heute Abend auf ein Date", stottere ich und senke den Blick.
"Das ist toll."
Mein Kopf schnellt hoch und ich sehe, dass Konrad mich anlächelt. Scheinbar hat er nichts dagegen, dass ich eine Verabredung mit einem anderen Mann habe.
"Das ist okay für dich?", frage ich leise.
"Jeder Mensch soll den lieben können, den sein Herz sich ausgesucht hat."
Marcel
Den ganzen Nachmittag schreibe ich Willi und treibe ihn langsam aber sicher in den Wahnsinn. Ich habe einfach Angst, erneut auf die Schnauze zu fallen.
'Jetzt hör auf, so pessimistisch zu sein und mach dich für deine Verabredung fertig.'
'Schon dabei. Danke, dass du dir meine Zweifel angehört hast.'
'Keine Ursache. Dafür sind Freunde da. Genieß den Abend mit Timo, er ist im Grunde seines Herzens ein guter Kerl.'
Ja, das ist er wirklich. Es war dumm von mir, die Rose nicht anzunehmen. Wahrscheinlich liegt sie immer noch auf dem Trainingsplatz. Ich ziehe eine schwarze Hose an, dazu ein weinrotes Hemd. Danach binde ich meine widerspenstigen Haare zusammen, benutze mein Lieblingsparfum und schaue mich nochmal im Spiegel an.
Bevor ich ins Schlafzimmer gehen kann, um mich anders anzuziehen, klingelt es an der Tür. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass Timo zu früh dran ist. Ich mache ihm auf und bin von seinem Anblick hin und weg.
"Du siehst toll aus."
"Danke, du aber auch. Sorry, ich bin zu früh, aber ich habe es Zuhause nicht mehr ausgehalten."
"Kein Problem. Komm rein. Magst du was trinken?"
"Nein danke. Ich...Darf ich dich umarmen?"
Ich nicke und er nimmt mich liebevoll in den Arm. Er seufzt leise und ich atme seinen unverwechselbaren Duft ein.
"Marcel, ich möchte mich nochmal bei dir entschuldigen. Ich habe mich unmöglich benommen und ein wunderschönes Erlebnis herabgewürdigt."
"Mach es wieder gut, dann vergessen wir das."
Er löst die Umarmung und lächelt mich an. "Dann lass uns gehen."
Ich schlüpfe ihn Schuhe, nehme meine Lederjacke und die Schlüssel, dann folge ich Timo zum Auto. Ganz Gentleman hält er mir die Tür auf und ich spüre ein verliebtes Kribbeln im Bauch. Es fühlt sich gut an, mit Timo Zeit zu verbringen und ich bin froh, dass ich ihm die Chance gegeben habe mich auszuführen.
Er stellt den Wagen vor einem edlen Restaurant ab und ich drehe mich zu ihm. "Timo, das ist doch viel zu teuer."
"Red keinen Unsinn."
Wieder hält er mir die Tür auf und ich bin wirklich beeindruckt von ihm. Im Restaurant legt er mir die Hand in den Rücken, während wir zum Tisch gebracht werden und rückt mir formvollendet den Stuhl zurecht.
Der Abend wird richtig schön. Wir unterhalten uns angeregt, genießen das gute Essen, lachen zusammen und verstehen uns blendend. Wenn Timo so ist wie jetzt, dann weiß ich ganz genau, warum ich mich in ihn verliebt habe. Auf dem Heimweg bedauere ich, dass der Abend schon zu Ende ist. Vor meiner Haustür steigt er mit aus, umarmt mich liebevoll und ich fühle mich als könne ich fliegen.
"Danke, dass du mir die Chance gegeben hast", sagt er leise.
"Habe ich gerne gemacht. Danke für den tollen Abend."
"Wiederholen wir das?"
"Unbedingt, aber dann koche ich selber."
Sofort strahlen seine Augen. "Das hört sich toll an. Darf ich...dich küssen?"
Ich nicke und er überbrückt den Abstand zwischen uns, um seine Lippen auf meine zu legen. Es ist ein zarter, schüchterner Kuss, aber er drückt alles aus, was wir uns mit Worten noch nicht sagen können.
Timo
In den nächsten Tagen und Wochen werden Marcel und ich unzertrennlich. Wir fahren gemeinsam zum Training, kochen zusammen, gehen ins Kino. Morgen wird er mich zu meinen Eltern begleiten, die ihn unbedingt kennenlernen wollen.
Ich hole ihn mittags ab und wir fahren zu ihnen. Mein Freund ist aufgeregt und rutscht nervös hin und her. Sanft lege ich ihm die Hand auf den Oberschenkel und er schaut mich an.
"Du musst nicht nervös sein, sie werden dich schon nicht fressen."
"Danke Timo, das macht die Situation viel besser", murmelt er und grinst.
Eine halbe Stunde später sind wir da. Wie immer halte ich ihm die Tür auf und er lächelt mich strahlend an. Ich komme gar nicht zum klingeln, weil meine Mutter die Haustür aufreißt und uns nacheinander umarmt.
"Schön, dass ihr da seid. Kommt rein, das Essen ist fast fertig."
Obwohl Marcel eine Weile braucht, bis er aufgetaut ist, wird es richtig schön. Er fachsimpelt mit meinem Vater und macht Mama Komplimente für das gute Essen. Nach dem Kaffee trinken, gehen wir eine Runde spazieren und verabschieden uns dann, um den Tag bei mir ausklingen zu lassen.
Auf dem Sofa kuschelt mein Freund sich an mich und seufzt leise. Zärtlich streiche ich ihm durch die Haare und küsse ihn auf die Schläfe.
"Bist du in Ordnung?"
"Ja, es geht mir gut. Wenn meine Eltern das nächste Mal zu Besuch kommen, lernst du sie auch kennen."
"Das würde ich sehr gerne. Ich...Können wir der Mannschaft morgen sagen, dass wir zusammen sind. Wenigstens vor ihnen will ich mich nicht mehr verstecken müssen."
Seine Augen strahlen vor Freude und er nickt eifrig. "Das bedeutet mir sehr viel, Schatz. Ich liebe dich."
Mit offenem Mund starre ich ihn an. Diese Worte haben wir uns bis jetzt noch nicht gesagt, obwohl wir es beide gefühlt haben. Liebevoll küsse ich ihn und halte ihn zärtlich im Arm.
"Ich liebe dich auch, mein Engel. Danke, dass du mir eine Chance gegeben hast."
Hand in Hand betreten wir am nächsten Tag die Kabine und sofort ist es mucksmäuschenstill. Mir schlägt das Herz bis zum Hals und ich klammere mich an seiner Hand fest.
"Endlich habt ihr es geschafft", ruft Willi laut und bricht damit den Bann.
Die Jungs umarmen uns und freuen sich sich, dass wir ein Paar sind. Auch Julian kommt herein und beglückwünscht uns. Lediglich vor den Fans wollen wir uns noch eine Weile bedeckt halten, auch wenn bereits Gerüchte die Runde machen.
"Wir wollen einen Kuss sehen", fordert Youssuf.
Lachend ziehe ich Marcel an mich, schließe die Augen und küsse ihn innig. Erst als die Jungs laut jubeln, lösen wir uns voneinander. Ich halte meinen Engel im Arm und bin der glücklichste Mann der Welt. Beinahe hätte ich mich um dieses Glück gebracht, weil ich ein Idiot war.
"Ich liebe dich", flüstere ich.
"Und ich liebe dich."
Mit Marcel an meiner Seite schaffe ich es bestimmt auch, vor der ganzen Welt zu unserer Beziehung stehen. Einer glücklichen Zukunft steht also nichts mehr im Weg.
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