4. Nico Schlotterbeck
Für @Lara68190 💗
Mit vor Tränen verschwommener Sicht starrte ich auf das kleine weiße Ding in meinen Händen. Nur zwei kleine Linien und doch stellten sie mein ganzes Leben auf den Kopf. Ein zittriges Schluchzen kam mir über die Lippen und schnell schlug ich mir eine Hand über den Mund. Zwar wusste ich nicht, ob noch eine meiner Mitbewohnerinnen hier war, doch ich wollte auf keinen Fall, dass eine von ihnen mitbekam, wie ich mir hier im Bad die Augen aus dem Kopf heulte.
Ich hatte in letzter Zeit ohnehin keinen besonders guten Stand bei den beiden, da wollte ich mir nicht auch noch anhören dürfen, ob ich denn den Verstand verloren hatte, weil ich wegen eines positiven Schwangerschaftstests weinend hier im Badezimmer saß. Denn nachdem ich mir schon, wie sie sagten: "einen reichen Fußballer gekrallt und für immer ausgesorgt" hatte, wäre ein Kind von eben diesem reichen Fußballer in ihren Augen wahrscheinlich das beste was mir passieren konnte.
Die Tatsache, dass Nico erst 24, ich sogar gerade einmal 21 und unsere Beziehung erst ein knappes Jahr halt war, würden sie dabei wahrscheinlich gekonnt ignorieren. Ebenso wie die Tatsache, dass ich mir keinen „Fußballer gekrallt" sondern mich einfach in einen Mann verliebt hatte, der sich als Spieler von Borussia Dortmund herausstellte.
Mit zitternden Händen sammelte ich die Überbleibsel der Schwangerschaftstests zusammen und entsorgte diese in dem kleinen Beutel, welchen ich extra mit ins Bad genommen hatte, damit ich die Sachen nicht in unseren gemeinsamen Müll hier werfen musste, in welchem sie noch jemand finden würde.
Schnell und hoffentlich unbemerkt huschte ich zurück in mein Zimmer und ließ mich dort erst mal auf mein Bett fallen. Ich musste nachdenken, doch in meinem Kopf herrschte ein solches Chaos, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte.
Wie konnte das nur passieren? Wir waren wirklich immer vorsichtig gewesen und trotzdem sprachen zwei Positive Tests jetzt doch eine deutliche Sprache. Ich würde Mutter werden... Aber würde unsere noch so junge Beziehung das überstehen? Ich hatte keinerlei Zweifel daran, dass Nico irgendwann ein großartiger Vater werden würde aber jetzt schon? Er sprang Karrieretechnisch gerade von einem Highlight zum nächsten. Er hatte bei Dortmund eine großartige Saison, inklusive Einzug ins Champions League Finale gespielt, war bei der EM in den letzten Monaten über sich selbst hinausgewachsen und wahrscheinlich war all das nur der Anfang. Das letzte was er da jetzt gerade gebrauchen konnte war doch wahrscheinlich ein Baby.
Doch trotzdem stand absolut außer Frage, dass ich es ihm sagen musste. Und das so bald wie möglich. Allerdings begannen meine Hände alleine beim Gedanken daran aufs neue wie verrückt zu zittern. Was wenn er das Baby nicht wollte und mich sitzen lassen würde? Oder noch schlimmer, verlangen würde, dass ich es nicht bekam. Noch war es früh genug dafür. Ich schüttelte entschieden den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. So war Nico nicht. Ich hatte ihn als unglaublich einfühlsam und verständnisvoll kennengelernt und wenn ich mich nicht absolut in ihm getäuscht hatte, dann würde er mit mir irgendwie eine Lösung für diese ganze Situation finden.
Kurz überlegte ich, ihm einfach eine Nachricht zu schreiben und ihn zu bitten nach dem Training herzukommen. Doch der Gedanke daran so etwas mit ihm hier in der WG zu besprechen, wo jederzeit jemand reinplatzen oder mithören konnte ließ mich meine Meinung schnell ändern.
Stattdessen raffte ich mich nach einem Blick auf Nicos Trainingsplan, welchen er mir Anfang der Woche geschickt hatte, auf und begann mich in ruhe fertig zu machen. Noch zur Uni zu gehen war heute ohnehin eine Option. Da konnte ich auch genauso gut rüber nach Brackel zum Trainingsgelände fahren und das Gespräch hinter mich bringen. Anders als hier in der WG würden wir dort wenigstens sicher einen ruhigen Ort finden und falls es nicht gut laufen sollte, saß keiner von uns bei sich Zuhause fest, sodass er schlecht aus der Situation flüchten könnte.
Ich packte zur Sicherheit noch die beiden Tests und jede menge Taschentücher ein und fuhr dann eine halbe Stunde vor Ende ihrer ersten Einheit los. So würde ich ihn vor dem gemeinsamen Mittagessen hoffentlich noch abfange können.
Auf dem Parkplatz angekommen sah ich bereits von weitem, dass die Mannschaft noch auf dem Platz war. Trotzdem zwang ich mich direkt auszusteigen, weil sonst mit jeder Sekunde die Wahrscheinlichkeit steigen würde, dass ich doch noch einen Rückzieher machte und einfach wieder fuhr.
Obwohl ich bewusst noch etwas abseits vom Platz herumschlich, entdeckte Julian mich leider noch bevor sie mit dem Training fertig waren. Und da Julian eben Julian war, gab ich die Hoffnung, dass er auf meinen flehenden Blick hin die Klappe halten würde sofort wieder auf. "Schlotti, deine Herzensdame ist da!" brüllte er im nächsten Moment auch schon über den halben Trainingsplatz und als sofort ein gutes Dutzend Blicke zu mir wanderten, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken.
Zwar kannte ich manche der Jungs inzwischen sogar ganz gut, mit vielen von ihnen hatte ich aber bisher auch noch kaum ein Wort gewechselt. Umso unangenehmer war es mir jetzt so im Mittelpunkt zu stehen. Doch zum Glück sah ich, wie Nicos neuer Trainer Nuri ihm mit einem lächeln zu verstehen gab, dass er ruhig gehen konnte. Anscheinend waren sie ohnehin quasi fertig mit der Einheit.
Sofort kam Nico über den Platz zu mir gelaufen und noch ehe ich auch nur eine Begrüßung hervorbrachte, hatte er mich mit einem kurzen Kuss begrüßt und in seine Arme gezogen. Obwohl er gerade eine sicher anstrengende Einheit hinter sich hatte und verschwitzt war, schmiegte ich mich sofort an ihn. Normalerweise würde mich diese Nähe zu ihm und das Gefühl seiner kräftigen Arme die mich festhielten sofort beruhigen, doch in diesem Moment war das einfach alles zu viel und ohne das ich es verhindern konnte brach im nächsten Moment ein Schluchzen aus mir hervor und ich begann schon wieder zu weinen. Ich konnte spüren, wie Nico sich Augenblicklich anspannte und mich sanft aber bestimmt ein kleines Stück von sich schob, um mich ansehen zu können.
"Lara, was ist los? Ist was passiert?" Die Sorge in seinem Blick brachte mich nur noch mehr zum weinen und da Nico wohl auch erkannte, dass ich gerade kein einziges Wort herausbringen würde, schob er mich vorsichtig in Richtung Gebäude: Kurz darauf fanden wir uns in irgendeinem leeren Besprechungsraum wieder und Nico zog mir sofort einen Stuhl heran, auf welchen ich mich dankbar fallen ließ. "Hey...", langsam ging er vor mir in die Hocke um mit mir auf Augenhöhe zu sein und seine Hände strichen beruhigend über meine Knie. "Bitte sag mir was los ist Schatz, ich mache mir gerade wirklich unglaublich Sorgen", fuhr er nach einem kurzen Moment fort und als ich mich durchringen konnte endlich anzusehen spiegelte sich genau diese Sorge in seinen Augen wieder. Trotzdem brauchte es noch einige Sekunden und ein paar tiefe Atemzüge, bis ich mich so weit beruhigt hatte, dass ich zwar noch immer nicht die Worte, die ich mir eigentlich zuvor zurecht gelegt hatte, über die Lippen bekam, zumindest aber in meine Tasche greifen und den kleinen Beutel mit den beiden Tests hervorziehen konnte.
"Es tut mir so leid..." brachte ich noch irgendwie zitternd hervor, während ich ihm den Beutel entgegenhielt. Perplex nahm Nico diesen entgegen und ich wagte es kaum ihn anzusehen, während innerhalb von Sekunden ein ganzes Spektrum an Emotionen über sein Gesicht huschte. Verwirrung, Erkenntnis, Schock, Sorge, wieder Verwirrung, Freude. ...Freude?
"Du... du bist Schwanger?" fragte er schließlich und als unsere Blicke uns trafen, konnte ich die Emotion darin dieses Mal nicht deuten. Wie ferngesteuert nickte ich und noch ehe ich auch nur darüber nachdenken konnte, wie ich das ganze erklären sollte, hatte er mich schon wieder in eine Umarmung gezogen und dieses Mal war er derjenige, der weinte. Wie erstarrt saß ich weiter da, vollkommen unfähig die Umarmung auch nur zu erwidern. Nico weinte. Warum weinte er?!
"Wir werden Eltern", brachte er nach einem Augenblick atemlos hervor und irgendwie spürte ich, wie bei seinen Worten, wie Wärme mich durchflutete. "Du bist nicht wütend? Willst nicht, dass..ich... also das ich das Baby nicht bekomme?" sofort spürte ich, dass Nico sich versteifte und mich schließlich losließ. "Was!" Geschockt sah er mich an. "Schatz wie könnte ich an so etwas auch nur denken? Du weißt, ich liebe Kinder und ich habe dir immer gesagt, dass ich unbedingt Vater werden möchte. Wie könnte ich da denn wütend sein? "Aber...es ist doch noch so früh. Zu früh, oder?" Ich brachte einfach noch immer keinen geraden Satz zustande und auch der kleine Funke Hoffnung in mir, wollte einfach noch nicht so wirklich übergreifen.
Nico umschloss meine Hände mit seinen und sah mich jetzt fast schon ernst an. "Ja, vielleicht ist es früh. Aber zu früh? Wer hat darüber zu entscheiden was für uns zu früh ist? Ich meine, wenn wir ohnehin eine Familie miteinander gründen möchte, warum dann nicht auch schon jetzt? Klar, wahrscheinlich hätten wir es anders getimt, sodass du erst dein Studium hättest beenden können und so. Aber es gibt doch Möglichkeiten wie du das trotzdem noch kannst. Und davon mal abgesehen ist der Zeitpunkt doch gar nicht so schlecht. Ich habe gerade einen langfristigen Vertrag hier, wir wollten ohnehin in nächster Zeit übers Zusammenziehen nachdenken und zur Unterstützung haben wir mehr als genug tolle Menschen hier in der Nähe. Ich meine, deine Familie wohnt keine Stunde entfernt, mein Bruder ist auch nicht weit und mit einigen Frauen von den Jungs die auch schon Kinder haben, verstehst du dich doch auch super, sodass wir nicht alleine damit sind." Kurz hatte es mir wirklich die Sprache verschlagen. "Du meinst das wirklich Ernst? Du freust dich und denkst wir schaffen das?", fragte ich hoffnungsvoll und Nico nickte so schnell, dass in mir gar keine weiteren Zweifel aufkommen konnten. "Ich habe noch nie etwas so ernst gemeint. Also glaub mir, du siehst es zwar nicht aber mein Kopf plant schon die Kinderzimmereinrichtung, rätselt darüber, ob es wohl ein Junge oder ein Mädchen wird und sieht dich als stolze Mama mit unserer Kleinen im Trikot mit meiner Nummer und "Papa" hinten drauf auf der Tribüne stehen." Seine Worte vertrieben meine Zweifel endlich so weit, dass ich leicht lächeln musste. "Achso, du weißt also jetzt schon, dass es ein Mädchen wird?"
40. SSW - Nico
"Herzlichen Glückwunsch, sie haben eine kerngesunde Tochter." Ich hätte nicht gedacht, dass die Worte einer Fremden mich mal zum weinen bringen würde, doch diese schafften es. Überglücklich aber auch erschöpft sah ich dabei zu, wie die Schwester unser kleines Wunder behutsam in die Arme meiner komplett fertigen aber ebenfalls freudestrahlenden Verlobten legte. Ich würde niemals in der Lage sein, passende Worte zu finde, um diesen Moment jemandem zu beschrieben, der ihn nicht selbst zuvor erlebt hatte. Und ich wusste schon jetzt, dass ich diesen kleinen Menschen mit meinem Leben beschützen und alles für ihn tun würde. Genauso wie für die wundervolle Frau, der ich es überhaupt erst zu verdanken hatte, dass ich heute hier saß.
Wie auch ich hatte sie Tränen in den Augen, während wir gemeinsam unsere Tochter betrachteten. "Sie hat eindeutig deine Nase", sagte sie irgendwann lächelnd aber immer noch offensichtlich erschöpft. "Na dann hoffen wir, dass sie was andere Dinge angeht mehr Glück hat und nach ihrer Mama kommt. Auch wenn ich dann irgendwann wirklich alle Hände voll zu tun haben werde, ihr die ganzen Verehrer vom Hals zu halten." Leise lachend schüttelte Lara den Kopf. "Erst mal wirst du damit alle Hände voll zu tun haben, die Horde an Duracell Hasen da draußen zufriedenzustellen," erwiderte sie immer noch lachend und als mein Blick dem ihren folgte erkannte ich, dass die Schwester gerade die Jalousien an dem schmalen Fenster neben der Tür nach oben gezogen und damit den Blick auf eine ganze Gruppe meiner Kollegen freigegeben hatte. Julian, Karim, Felix und unser trotz der Chaos-Truppe bemüht ernst blickende Co-Trainer Lukas Piszczek waren nur ein kleiner Teil der Gruppe. Ich konnte gar nicht glauben, dass diese Spinner ihren Outfits nach zu urteilen, tatsächlich direkt vom Topspiel der Saison gegen die Bayern hierher gefahren zu sein schienen und so sogar noch vor meiner Familie hier auf der Matte standen. Entschuldigend sah ich zu Lara, welche aber nur abwinkte. "Na geh schon, hol dir deine Glückwünsche ab. Meine Eltern warten ja auch draußen und kommen dann sicher so lange rein." Schnell gab ich ihr einen kurzen Kuss und drückte auch unserer Kleinen einen vorsichtigen Kuss auf die winzige Stirn. In diesem Moment war ich mir wirklich ziemlich sicher, der glücklichste Mann auf Erden zu sein.
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